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die starken Wurzeln wie Arme entblößt hatte, mit denen er die Muttererde dankbar umfaßte, die ihm, dem Greisenstamme — es ist die größte Eiche, die ich bis jezt in Kurland gesehen, und hat gegen 4 Faden oder 24 Fuß im Umfange — trotz dem, daß ihn die Zeit halb ausgehölt, noch immer Kraft genug gab, um ein hohes grünendes Haupt hoch über alle andere Bäume zu erheben. Näher kam das Gewitter und vor ihm her wehte der Sturm über das Blätterdach der Laube, unter der ich stand, und wiegte auf dem Spiegel des Teiches die einzelnen Blumen der Nymphäen, die mit ihren breiten Blättern hin und wieder auf dem Wasser schwammen. Die hallenden Töne der Laute schienen mir hier eine Sprache zu haben, die meine von dem erhabenen Schauspiel der Natur tiefbewegte Seele in Worten nachzuhallen versuchte.

Über Eichenzweige schwebet
Röthlich glühend Wolkensaum;
Wo sich Phantasie erhebet
zu der Vorzeit lichtem Traum.

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Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/158&oldid=- (Version vom 14.2.2021)