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Issar: Ja, Herr! (er geht rechts zu einem Vorhang, den er zurückschlägt, und gibt dem wachehaltenden Soldaten leise einen Befehl)

Belsazar: Und du, warte draußen und harre meiner Befehle! (für sich) Sollte im Herzen eines Weibes nicht etwas sein, das stärker ist als Jehovah? – Geh Issar! ... (Issar ab)


2. Scene.


Zwei Soldaten bringen Rahel herein. Sie hat prachtvolles rotblondes offenes Haar. Ihr loses Gewand ist weiß. Sie bleibt ein wenig rechts vom Thronhimmel stehen. Der König winkt den beiden Soldaten, sich zu entfernen.


Belsazar (sieht Rahel lange an): Weißt du nicht, wie man einen König begrüßt?

Rahel: Wie jeden Menschen. Ich neigte mein Haupt, als ich eintrat. (kurze Pause)

Belsazar: Du bist eine der Jüdinnen, die hergebracht sind aus Judäa?

Rahel: Es ist wie du sagst!

Belsazar: Du bist nicht gern hier?

Rahel (bitter lachend): Gern?! Ich fluche dem Augenblick, da ich meine Heimat verlassen mußte, und ich fluche der Stunde, da meine Augen Babylon sahen. (kurze Pause) Schier unerträglich dünkt mich das Leben der Gefangenschaft!

Belsazar (etwas spöttisch): Aber – du lebst doch?

Rahel (starr): Ich lebe! Ich warte auf die Stunde, da Gott der Herr uns erlösen wird aus euern Händen! Ich lebe und warte auf die Stunde, die euch zu unsern Knechten machen wird!

Belsazar (lächelnd): Du wirst lange warten müssen! Das Gold deiner Haare wird bleichen, deine Augen werden lange geschlossen sein, und immer noch wird Juda ein Teil Babylons sein!

Rahel (innig): Unser Gott wird seine Strafe nicht ewiglich währen lassen. Er wird gnädig sein seinen Kindern!

Belsazar: Euer Gott? – Du bist angetroffen, wie du deinem Gotte opfertest.

Rahel: Ich tat es.

Belsazar: Weißt du nicht, daß die Strafe des Todes darauf steht?

Rahel: Ich weiß es. Ich fürchte den Tod nicht.

Belsazar (lächelnd): Den Tod vielleicht nicht. Aber es gibt Martern, die selbst den Furchtlosesten erbeben machen. Bedenke das, stolze Jüdin!

Rahel: Ich fürchte auch den Schmerz nicht!

Belsazar (langsam): Deine Sprache ist kühn, Weib, beim Baal, und ich hätte wohl die Macht, deine Zunge zu zähmen.

Rahel: Wer den Tod nicht fürchtet und den Schmerz, über den hat keine Macht der Erde Gewalt!

Belsazar (spöttisch): Wohl! Aber was gelten solche Worte im Munde eines Weibes?

Rahel (stolz): Prüfe meine Worte!

Belsazar (langsam): Vielleicht... Sage mir, wie du heißest?

Rahel: Rahel.

Belsazar: Rahel... Wer ist dein Vater?

Rahel: Joshua, der Rabbiner – ihr habt ihn getötet.

Belsazar: Ich entsinne mich. Auch er opferte seinem Gott und wurde verbrannt. (sinnend) Welch ein Gott ist er, für den ihr Tod und Marter erleidet? Sage mir, ist er ein Gott der Liebe?

Rahel (laut, überzeugt): Ein Gott der Rache ist er! Und er wird die zerschmettern, die ihn lästern und verleugnen!

Empfohlene Zitierweise:
Hennie Raché (1876–1906): Belsazar. Drama in 1 Akt. 1904, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hennie_Rach%C3%A9_Belsazar_134.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2022)