Textdaten
Autor: Hennie Raché (1876–1906)
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Titel: Belsazar
Untertitel: Drama in 1 Akt
aus: Bühne und Welt, 6. Jahrg., Nr. 4, S. 133–140.
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Erscheinungsdatum: 1904
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Quelle: Deutsches Theatermuseum München = Commons
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[133]
Belsazar.
Drama in 1 Akt von Hennie Raché.

Den Bühnen gegenüber Manuskript.
Alle Rechte vorbehalten.
Das Recht der Aufführung ist durch Vermittelung von Otto Elsner, Berlin S. 42, zu erwerben.

Personen:

  • Belsazar, König von Babylon
  • Die Königin
  • Issar, der Feldhauptmann
  • Nebo, der Mundschenk
  • Daniel
  • Rahel, eine Jüdin
  • Drei weise Babylonier, Feldleute, Soldaten
  • Gäste, Sklaven etc.




1. Scene.


Ein hoher, offener Saal, dessen Wände dunkler, fast schwarzer Marmor sind. Der Boden ist mit Teppichen und Fellen belegt. In der Nähe der Wände mit Fellen bedeckte Ruhebänke. In der Mitte des Saales in kleinem Halbkreis schwarze Säulen mit Gold verziert, in diesem Halbkreis steht der vergoldete Thronsessel. Zwei sehr breite Stufen führen zu ihm hinauf. Mondlicht scheint in die Halle, die mit vielen Lampen hell erleuchtet ist.


Belsazar. Issar.


Belsazar (ein hübscher Mann mit langen, schwarzen Locken und schmalem, viereckig geschnittenem Vollbart. Er ruht nachlässig hingegossen in seinem Thronsessel. Zu Issar): Sage mir, Issar, ist alles bereit für unser Festmahl?

Issar: Alles, o König! Alles, wie du befohlen hast! Ich selber habe deine Befehle ausgeführt!

Belsazar: Es ist gut, Issar. Dann soll das Fest beginnen. Zuvor aber noch eins: Sage mir, wo ist die Jüdin, die ihr gefangen habt, weil sie nicht anbeten will Baal und Astarte?

Issar: Sie ist hier, König. Ich habe sie zurückgelassen unter der Obhut zweier Soldaten.

Belsazar: Es ist ihr doch kein Leid geschehen?

Issar: Nein, Herr, sie ist unversehrt und ihr Trotz ist ungebrochen.

Belsazar (versonnen): Sie war schön, die Jüdin – sie gefiel meinen Augen wohl... (zu Issar): Geh, Issar und bringe sie her zu mir... vielleicht gelingt es mir, was ihr nicht vollbringen könnt. Geh, laß sie herschaffen.

[134] Issar: Ja, Herr! (er geht rechts zu einem Vorhang, den er zurückschlägt, und gibt dem wachehaltenden Soldaten leise einen Befehl)

Belsazar: Und du, warte draußen und harre meiner Befehle! (für sich) Sollte im Herzen eines Weibes nicht etwas sein, das stärker ist als Jehovah? – Geh Issar! ... (Issar ab)


2. Scene.


Zwei Soldaten bringen Rahel herein. Sie hat prachtvolles rotblondes offenes Haar. Ihr loses Gewand ist weiß. Sie bleibt ein wenig rechts vom Thronhimmel stehen. Der König winkt den beiden Soldaten, sich zu entfernen.


Belsazar (sieht Rahel lange an): Weißt du nicht, wie man einen König begrüßt?

Rahel: Wie jeden Menschen. Ich neigte mein Haupt, als ich eintrat. (kurze Pause)

Belsazar: Du bist eine der Jüdinnen, die hergebracht sind aus Judäa?

Rahel: Es ist wie du sagst!

Belsazar: Du bist nicht gern hier?

Rahel (bitter lachend): Gern?! Ich fluche dem Augenblick, da ich meine Heimat verlassen mußte, und ich fluche der Stunde, da meine Augen Babylon sahen. (kurze Pause) Schier unerträglich dünkt mich das Leben der Gefangenschaft!

Belsazar (etwas spöttisch): Aber – du lebst doch?

Rahel (starr): Ich lebe! Ich warte auf die Stunde, da Gott der Herr uns erlösen wird aus euern Händen! Ich lebe und warte auf die Stunde, die euch zu unsern Knechten machen wird!

Belsazar (lächelnd): Du wirst lange warten müssen! Das Gold deiner Haare wird bleichen, deine Augen werden lange geschlossen sein, und immer noch wird Juda ein Teil Babylons sein!

Rahel (innig): Unser Gott wird seine Strafe nicht ewiglich währen lassen. Er wird gnädig sein seinen Kindern!

Belsazar: Euer Gott? – Du bist angetroffen, wie du deinem Gotte opfertest.

Rahel: Ich tat es.

Belsazar: Weißt du nicht, daß die Strafe des Todes darauf steht?

Rahel: Ich weiß es. Ich fürchte den Tod nicht.

Belsazar (lächelnd): Den Tod vielleicht nicht. Aber es gibt Martern, die selbst den Furchtlosesten erbeben machen. Bedenke das, stolze Jüdin!

Rahel: Ich fürchte auch den Schmerz nicht!

Belsazar (langsam): Deine Sprache ist kühn, Weib, beim Baal, und ich hätte wohl die Macht, deine Zunge zu zähmen.

Rahel: Wer den Tod nicht fürchtet und den Schmerz, über den hat keine Macht der Erde Gewalt!

Belsazar (spöttisch): Wohl! Aber was gelten solche Worte im Munde eines Weibes?

Rahel (stolz): Prüfe meine Worte!

Belsazar (langsam): Vielleicht... Sage mir, wie du heißest?

Rahel: Rahel.

Belsazar: Rahel... Wer ist dein Vater?

Rahel: Joshua, der Rabbiner – ihr habt ihn getötet.

Belsazar: Ich entsinne mich. Auch er opferte seinem Gott und wurde verbrannt. (sinnend) Welch ein Gott ist er, für den ihr Tod und Marter erleidet? Sage mir, ist er ein Gott der Liebe?

Rahel (laut, überzeugt): Ein Gott der Rache ist er! Und er wird die zerschmettern, die ihn lästern und verleugnen!

[135] Belsazar: Ein Gott der Rache? Ein elender Gott also! (er steht auf und geht die zwei Stufen hinunter, bleibt vor Rahel stehen) Soll ich dir von unsern Göttern erzählen? Willst du hören von Baal und Astarte? Es sind Götter der Liebe – soll ich dir erzählen, Rahel? Soll ich dir erzählen von den Gärten der Liebe, darin Baal thront und tausend Freuden denen gibt, die ihm dienen? Möchtest du werden eine Priesterin der Astarte? Weißt du, wie süß die Liebe ist und wie voll Wonne der Taumel der Sinne? – Sieh mich an, Rahel, soll ich dir erzählen von der Liebe, soll ich dich lehren, wie man dient Baal und Baaltis, unsern Göttern? – Ich werde ein guter Lehrer sein, Rahel, denn ich weilte lange in den Gärten der Liebe! – Du wirst eine Göttin sein in meinen Armen, Rahel, wir werden selber sein wie Baal und Astarte... meine Liebe soll dich erwärmen wie die Sonne und du wirst nach ihr begehren, wie du begehrst nach dem Licht der Sonne... (eindringlich) Sieh mich an, Rahel... (er will ihre Hände fassen)

Rahel (heftig): Berühre mich nicht! Deine Hände sind unheilig, und deine Götter sind Götzen, die Gott der Herr vernichten wird, wie alles, was nicht in seinem Namen lebt! Berühre mich nicht!

Belsazar (tritt etwas zurück): Wie voll Eifer deine Worte sind! Aber der Zorn ist schön in deinem Angesicht, und selten ist ein Weib schön, wenn es zornig ist! Deine Haare sind wie die Strahlen der Sonne, und deine Augen glänzen wie die Augen Astartes... Du gefällst mir wohl, Rahel...

Rahel weicht zurück und wendet sich stumm ab.

Belsazar: Dein Gewand ist so weiß wie die Blüten der Lilie... Ist dein Herz so rein wie dein Gewand, Rahel?

Rahel schweigt.

Belsazar: Rahel... du schweigst? Sprich, wem gehört deine Liebe?!

Rahel: Ich liebe niemand!

Belsazar: Vermagst du in meine Augen zu schauen und zu sagen: du liebst niemand?

Rahel schweigt.

Belsazar: Also lügst du? Dein Mund sprach eine Lüge?

Rahel (flammend): Was kümmerst es dich, wen ich liebe? Mit welchem Recht fragst du mich! – Und wenn der, den ich liebe, mir fernsteht wie die Sonne, was kümmert es dich? Und wenn er nicht weiß, daß ich ihn liebe, was fragst du mich? Und wenn ich gering vor ihm bin wie ein Staubkorn unter seinen Füßen, was kümmert es dann dich, ob ich ihn liebe?

Belsazar: Aber ich will deine Liebe für mich, Rahel.

Rahel: Ich habe keine Liebe für dich!

Belsazar: Ich will dein Herz für mich, Rahel!

Rahel: Mein Herz gehört meinem Gott!

Belsazar: Und ich begehre es für mich, schöne Jüdin! Es verlangt mich nach deinen roten Lippen... Ich will, daß du mich küssest, Rahel!

Rahel (empört): Rufe deine Tänzerinnen, wenn du küssen willst!

Belsazar (macht eine heftige Bewegung, beherrscht sich aber. Mit erhobener Stimme): Ein König wirbt um deine Liebe, stolze Jüdin! Ein König!

Rahel: Ein König? Ja! Aber ein Sohn des Verruchten, der uns fortführte in dieses verfluchte Land!

Belsazar (schmeichelnd): Dieses Land soll deine Heimat werden... Seine Blumen und seine Früchte sollen für dich wachsen... sein Volk soll dir untertan sein... und du sollst den Thron mit mir teilen. ... Purpur soll deine weißen Schultern umschließen und meine Weiber sollen dir dienen als deine Sklavinnen! Eine Königin sollst du sein, wenn du mir deine Liebe gibst!

[136] Rahel (verächtlich): Glaubst du, daß du Rahels Liebe kaufen kannst um einen Thron und Purpur? Wahrlich, du schätzest den Stolz der Jüdin gering ein! Sind die Weiber deines Volkes käuflich für eine Handvoll Gold? Und mir das? O du, den ich nicht höher achte wie den Hund, der an der Schwelle meines Hauses liegt!

Belsazar (stößt einen zischenden Laut der Wut aus, geht langsam auf Rahel zu und bleibt dicht vor ihr stehen, zischend): Wenn du den Tod nicht fürchtest und den Schmerz, so werde ich deine Seele quälen, bis sie stirbt in deinem Leibe. Sollte meine Macht nicht stärker sein als dein Trotz? (er nähert sich dem Vorhange) He, Issar!


3. Scene.


Issar: Du befiehlst, o König?

Belsazar: Richte das Fest her, Issar... laß Wein herbeischaffen, Blumen! meine Tänzerinnen sollen kommen – schnell!

Issar: Ja, Herr! (ab)


4. Scene.


Belsazar (zischend zu Rahel): Weib! Ich werde den Altar besudeln, den du im Herzen deinem Gott aufgebaut hast!

Rahel will sich entfernen.

Belsazar: Bleibe! Du sollst bleiben! Ich werde die Stelle suchen, wo ich dein stolzes Herz verwunden kann! Und willst du mir deine Liebe nicht geben, so soll dein Schmerz meine Wollust sein.


5. Scene.


Die Vorhänge werden zurückgeschlagen. Sklavinnen und Tänzerinnen kommen herein und streuen Blumen umher, der Saal füllt sich mit Soldaten und Feldleuten. Große Weinkannen werden herbeigeschleppt.


Belsazar (hat seinen Thron bestiegen, laut): Nebo, wo bist du? Warum stehst du nicht zu meiner Rechten, um mir meinen Becher zu reichen?

Nebo (eilt herbei): Hier bin ich, o Herr! (er reicht Belsazar einen großen goldenen Becher)

Belsazar (nimmt ihn, betrachtet ihn und gibt ihn zurück): Der Becher ist schön, fürwahr! Sein Gold ist rot und glänzend und seine Edelsteine leuchten wie Sterne. Aber ich weiß, wo edlere Becher sind! Hier, diesen will ich nicht! Eile, Nebo, und hole mir die Gefäße aus dem Tempel Jehovas, des Judengottes! – Ich will gnädig sein und die Becher mit meinen königlichen Lippen netzen! Schnell, was stehst du noch da, du Hund von einem Mundschenk!?

Nebo (stammelnd): Herr – Herr – die Gefäße sind heilig – ich –

Belsazar (zornig): Ich werde dich in Stücke hauen lassen und aus deinem Schädel trinken, wenn du nicht gehorchst! Geh, sage ich dir!

Rahel zuckt zusammen und macht eine heftige Bewegung, dann bleibt sie wieder starr stehen. Leises Murren unter den Leuten.

Nebo: Herr, ich hole die Gefäße. (ab)

Belsazar: Trinkt, ihr andern! Trinkt den süßen Wein und seid fröhlich. Und du, Rahel, komm hierher und singe deinem Könige ein Lied!

Rahel (ruhig): Ich kann nicht singen!

Belsazar (höhnisch): Du kannst nicht singen? Und doch tönt deine Stimme wie die silbernen Schellen an dem Halse meiner Pferde? Du kannst nicht singen, sagst du?

Rahel (mit starker Stimme): Ich will nicht!

(Die Feldleute und Soldaten flüstern untereinander und schauen auf Rahel.)

[137] Belsazar: Du willst nicht? Soll ich dir die Zunge lösen, daß sie gelenkig wird wie das Zünglein einer Schlange? – Soll ich dir glühendes Blei in die Kehle gießen, damit sie geschmeidig wird? Vielleicht kannst du dann singen?

Rahel (stolz): Tue wie du willst!

Belsazar (zu den Leuten): Hört ihr die Jüdin? Sie hat den Mut einer Löwin. Seht ihr, wie sie die Krallen zeigt? Ei, das gefällt mir!


6. Scene.


Nebo (kommt zurück, beide Arme beladen mit goldenem Gerät, das er auf die Stufen des Thrones niederlegt): Herr, ich gehorchte deinem Befehle!

Belsazar: Sind das die Gefäße, die mein Vater nahm aus dem Tempel Jerusalems?

Nebo: Ja, o König!

Belsazar: Nimm diesen Becher und fülle ihn mit Wein, Nebo!

Nebo reicht dem König den gefüllten Becher.

Belsazar (geht mit dem Becher zu Rahel, höhnisch): Hier, mein Täubchen, trinke! Siehe, es ist ein Becher aus dem Tempel Jehovahs, des Jehovah, den du anbetest! Ich habe ihn mit Wein füllen lassen, trinke daraus! (er hält ihr den Becher an die Lippen)

Rahel (mit furchtbarer Stimme): Lästere nicht Gott! Er wird furchtbares Gericht über dich halten!

Belsazar (leicht verächtlich): Glaubst du, Weib, der König von Babylon fürchte sich vor deinem Gotte? Sieh her! Diesen Trunk weihe ich Baal und Astarte! (er trinkt) Nebo, gib mehr Wein! (er hält den Becher wieder Rahel hin) Sieh, hier haben meine Lippen den Becher genetzt, trinke von dieser Stelle und bezeige deinem Könige deine Ehrerbietung!

Rahel biegt den Kopf zurück.

Belsazar: Auch trinken willst du nicht? Nun, so sollen meine Weiber dir vortrinken. He! (er winkt den Tänzerinnen) Nebo, fülle alle Becher und gib sie den Weibern! – Trinkt! – Und wenn ihr getrunken habt, dann – speit in die Becher!

Rahel (wirft die Arme empor und spricht laut mit entsetzter Stimme): Trinkt nicht! Trinkt nicht! Lästert nicht! Lästert nicht Gott den Herrn! (die Weiber lassen die Becher sinken)

Belsazar (mit brüllender Stimme): Wer wagt es, meinem Befehle zu trotzen?

Rahel (noch einmal, überlaut): Lästert nicht Gott!

Belsazar (laut lachend): Wer ist dein Gott? Was ist dein Gott? Machtlos und elend wie dieser Stab, den ich zerbreche! – Ich bin der König von Babylon!

(Im selben Augenblick beginnen sämtliche Lichter zu flackern und verlöschen beinahe, ein schrecklicher Sturm hebt an und laut rollt der Donner. An der schwarzen Marmorwand aber erscheint langsam eine feurige Schrift, das „Mene tekel upharsin“... Alles schweigt und starrt wie gebannt nach der Schrift. Der König hat die Hände halb abwehrend erhoben und die Augen weit aufgerissen. Dann schaut er sich entsetzt im Kreise um und tastet mit den Händen nach einer Stütze)

Belsazar (lallend): Seht, seht – ihr? Seht ihr die – Schrift? Was bedeutet das? ... Wer kann die Schrift lesen? (alles schweigt)

Belsazar (lauter): Wer kann die Schrift lesen? (niemand antwortet)

Belsazar: Geht, geht und holt die Weisen meines Landes herbei, auf daß sie jene Buchstaben deuten! Eilt, holt sie! (einige Feldleute eiligst ab)

Belsazar (starr): Was – was bedeutet das? (unter den Leuten erhebt sich ein leises Murmeln, das immer mehr anschwillt. Die Soldaten kommen in Begleitung dreier alter Männer zurück)


7. Scene.


Belsazar (laut): Kommt und deutet mir diese Schrift da! Wer sie lesen kann von euch, dem will ich goldene Ketten umhängen, er soll Purpur tragen und der dritte Herr sein in meinem Königreiche! (Pause)

[138] Erster Weiser: Herr, ich vermag die Sterne zu deuten, die am Rund des Himmels glänzen, aber nie haben meine Augen jene Buchstaben geschaut... nie solche Worte gelesen... ich weiß nicht zu sagen, o König, was diese Schrift bedeutet!

Zweiter Weiser: Lang lebe der König! Mein Fuß ist durch viele Länder gewandert... ich verstehe die Sprache vieler Völker, aber, o Herr, diese Schrift kenne ich nicht! (Belsazar macht eine heftige, verzweifelte Bewegung)

Dritter Weiser: Herr, ich kann deuten der Vögel Flug und vernehme aus dem Rieseln der Quelle das Schicksal der Menschen... aber jene Buchstaben sind mir fremd!

Belsazar (lacht verzweifelt): Seid ihr die Weisen meines Landes? Den Verstand eines Affen habt ihr! Geht und laßt euch nicht mehr blicken vor meinem Angesicht! Geht, wenn ihr nicht wollt, daß ich eure elenden Köpfe aufspießen lasse! (die drei Weisen ab)(zornig) Und ich bin König und Herrscher über ein großes Land und nenne nicht einen Menschen mein, der mir lesen könnte die Worte an der Wand?

Issar (vortretend): Herr ich habe geschickt zu der Königin, deiner Gemahlin, vielleicht kann sie dir raten, denn es heißt, sie weiß viel über deine Untertanen.


8. Scene.


Die Königin erscheint, begleitet von zwei Sklavinnen.


Königin (sich vor Belsazar verneigend): Ich grüße den König, meinen Gemahl. Herr, ich höre, daß deine Seele sich erschreckt hat und daß du zu wissen begehrst, was niemand weiß.

Belsazar (zeigt auf die Schrift, flüsternd): Siehst du? Siehst du dort?

Königin: Ich sehe, mein Gemahl, seltsame Zeichen, wie sie nie mein Auge zuvor gesehen...

Belsazar (verzweifelt): Und niemand kann sie lesen!

Königin: Herr, fasse Mut! Es lebt ein Mann in deinem Palaste, der den Geist der heiligen Götter besitzt, und er hat Weisheit und Klugheit wie sie. Und dein Vater setzte ihn über die Weisen und Sterndeuter und Wahrsager, darum, weil er weiß die Träume zu deuten und dunkle Sprüche zu erraten. Auch vermag er verborgene Dinge zu offenbaren. Es ist Daniel, Herr, der Juden einer. So rufe nun Daniel, der wird dir sagen, was die Schrift bedeutet.

Belsazar: Issar, geh und tue wie die Königin gesagt hat. (Issar eilends ab)

Rahel (wie aus einem Traum erwachend, leise): Daniel! (lauter) Daniel! (die Königin verneigt sich und entfernt sich mit ihren Sklavinnen)

Belsazar: O, Wenn der Jude die Macht hätte, mein Herz zu beruhigen!


9. Scene.


Daniel (tritt vor den König): Herr, du hast mich rufen lassen?

Belsazar: Bist du der Gefangenen einer aus Juda, die mein Vater, der König, hergebracht hat? Bist du Daniel?

Daniel: Herr, ich bin Daniel.

Belsazar: Man hat mir gesagt von dir, daß du klug seiest und weise wie unsere Götter?

Daniel: Ich bin ein Mensch, und menschlich ist meine Klugheit. Die Weisheit ist nur bei Gott!

Belsazar: Wohl. Aber vielleicht kannst du, was meine Weisen und Sterndeuter nicht können. Siehe, wenn du mir jene Schrift lesen kannst und mir sagen, was sie bedeutet, so sollst du mit Purpur gekleidet werden, ich will dir goldene Ketten geben und du sollst der dritte Herr sein in meinem Königreiche. (er blickt in Gedanken versunken nach der Schrift)

[139] Rahel (eilt verstohlen schnell zu Daniel und hebt beschwörend die Hände gegen ihn): Daniel, Daniel, nimm nicht den Purpur, den er dir bietet! Nimm nicht das Gold, das seine verruchte Hand dir gibt! Sieh, er bot mir einen Thron und seine Liebe, aber ich bin treu geblieben dir und unserm Gott! Ich weiß, du siehst nicht nach Weibern, aber ich, ich liebe dich, seit ich dich zum ersten Male sah! Ich weiß, du bist weise und gut – – nimm nicht den Purpur dieses Hundes – Daniel! bleibe dir treu!

Daniel: Weib, wen ermahnst du?

Rahel (leise): Vergib meiner Sorge, wenn sie mich zu kühn macht, und meinem Herzen, das dich liebt! (sie geht langsam zurück)

Belsazar (starrt auf Daniel): Nun, weiser Jude, kannst du dir den Purpur verdienen?

Daniel (hoheitsvoll): Behalte deine Gaben und gib deine Geschenke andern. Aber die Schrift will ich dir dennoch lesen. (mit erhobener Stimme, die sich immer mehr steigert) Gott, unser höchster Herr, gab deinem Vater Macht und Ehre und Herrlichkeit. Und alle Leute und alle Völker scheuten sich vor solcher Macht, die ihm gegeben war. Er tötete, wen er wollte, er ließ leben, wen er wollte, er erhöhte, wen er wollte, und er demütigte, wen er wollte. Da aber sein Herz hoffärtig ward und stolz, ward er verstoßen von seinem Thron und verlor seine Ehre. Und er lernte, daß Gott der Herr der Höchste ist und Gewalt hat über Königreiche und sie gibt, wem er will! (kurze Pause)(mit starker Stimme) Du aber Belsazar, sein Sohn, hast dein Herz nicht gedemütigt, obwohl du das Schicksal deines Vaters kennst! Sondern du hast wider den Herrn des Himmels gefrevelt und die Gefäße seines heiligen Tempels hast du dir bringen lassen und mit deinen Weibern daraus getrunken. Und du hast deine falschen Götter gelobt, die nicht sehen und nicht fühlen, den Gott aber, der dir deinen Atem gegeben, der deine Seele in seiner Hand hat, den Gott hast du verhöhnt! – Darum hat er dir diese Schrift gesandt, die da geschrieben steht. Und was da verzeichnet steht, heißt: Mene, mene tekel upharsin! Dieses aber bedeutet es! Mene, das ist: Gott hat dein Königreich gezählt und vollendet! ... Tekel, das ist: deine Seele ist gewogen und zu leicht befunden... (mit stärkster Stimme) Pharsin, das ist: dein Königreich wird geteilt und den Persern gegeben, und dein Volk wird zerschmettert werden!

Belsazar (fährt sich mit irren Blicken über die Stirn, lallend): Gebt ihm, – gebt ihm, wie ich sagte – – kleidet ihn mit Purpur (er reißt sich eine Kette vom Halse) hier, nimm die Kette... und teile meinen Thron mit mir!

Daniel (mit furchtbarem Nachdruck): Behalte dein Golde... behalte deinen Purpurmantel, der die Stufen deines Thrones bedeckt. Belsazar, König von Babylon, dein Weg ist vollendet... ein anderer Purpur wird bald die Stufen deines Thrones säumen! (er entfernt sich langsam)

Rahel ist in die Knie gesunken und streckt ihm die Arme nach.

Belsazar (hat starren Auges zugehört): Er meint mein Blut – er meint... Blut wird herabfließen auf die Stufen – (er blickt wild im Kreise umher) Wer – unter diesen – haha – es ist ja nicht wahr... ein Gaukler... Ha – die Schrift ist fort... (er bedeckt seine Ohren mit der Hand) aber der Sturm, der Sturm heult... he, gebt Wein her! (die Zeichen sind erloschen, aber die Lichter brennen finster wie vorher) Trinkt Wein und seid fröhlich! Fröhlich sollt ihr sein! (alles schweigt)

Belsazar (stampft mit dem Fuß): Hört ihr nicht? Lachen sollt ihr! Trinken, tanzen! Bin ich nicht der König? Bin ich nicht der Herr? – Issar, was blickst du so finster?

Issar: Herr, der Sturm braust daher mit gewaltiger Macht... Im Schloßhof stürzen die Bäume wie Halme...

Belsazar: Laß sie stürzen... es werden neue wachsen!

Issar: Herr – Bäume, die zwei Männer umspannen konnten...

Belsazar: Nun, so werden wir Holz die Menge haben für die Scheiterhaufen. [140] (grausam) Siehst du, Issar, den dicksten Baum werde ich für dich anzünden und deinen Leib lebendig darauf rösten, wenn deine Zunge wider mich redet!

Issar (mit düsterem Blick): Ich schweige, König.

Belsazar: Zu rechter Zeit, mein Freund... Heda, Nebo, wo bleibt der Wein?

Nebo: Herr, der Wein ist bitter geworden wie Galle. (er stürzt zu Belsazars Füßen) Ich weiß nicht Herr, was damit geschehen ist... Gnade, o König!

Belsazar (zuckt zusammen): Bitter, sagst du? (stammelnd) Der Wein? Schafft ihn fort und hole andern! Was seid ihr so stumm, was starrt ihr so? (sein Blick fällt auf Rahel) Ach, Täubchen, bist du noch da? (er will sie umfassen) Komm, küsse mich, deine Lippen sind rot wie Purpur... rot wie... (er schaut sich entsetzt um) Was sagte er? Anderer Purpur wird die Stufen säumen? Was meinte er damit? Jüdin, weiß du, was er meinte?

Rahel sieht ihn furchtbar an.

Belsazar: In deinen Augen liegt eine Drohung... du sollst nicht nach dem Thron blicken... Mein Mantel liegt darauf... es ist nur mein Mantel... er ist rot wie Blut... und seine Falten fließen auf die Stufen nieder (er schaudert zusammen) Issar, gib mir meinen Mantel, leg ihn mir um die Schulter – so – horch, Issar, wie der Sturm heult... Ich will Wein trinken, mich friert... Nebo! (er sieht Nebo an) Wie starr ist dein Angesicht, Nebo! Auch du schaust nach dem Thron... Nein, mein Mantel ist fort, – kein Purpur fließt mehr über die Stufen... aber gib mir Wein, roten Wein. (es wird ihm ein voller Becher gereicht; er nimmt ihn und gießt den Inhalt über die Stufen des Thrones. Jauchzend) Seht ihr, seht ihr? Jetzt fließt Purpur über den Thron – o Prophet, deine Worte waren billig... Jude, ich lache deiner!

Rahel starrt ihn mit weit aufgerissenen Augen an und verfolgt jede seiner Bewegungen.

Belsazar (nähert sich wieder Rahel): Ein Gaukler ist dein Prophet! Sieh mich nur an mit deinen Augen voll Haß... laß sie funkeln wie Flammen... ein Gaukler ist er... da, da fließt der Purpur, den er prophezeite... (er erblickt die goldenen Tempelgeräte, die vor dem Thron liegen, und bricht in rasende Wut aus. Er zertritt sie mit den Füßen) Da, da, siehst du, so zertrete ich die Heiligtümer deines Tempels, – da, da, ich speie darauf... ich verlache deinen Gott... Sei verflucht, Jehovah! (Rahel stößt einen furchtbaren Schrei aus und eilt mit aufgehobenen Händen nach rückwärts. – Die Feldhauptleute beginnen lauter und lauter zu murren. – Belsazar steht mit geballten Fäusten und irren Blicken)

Rahel (mit starker Stimme den Lärm übertönend): Tötet ihn! tötet ihn! Er hat Gott verflucht! (die Feldleute dringen auf Belsazar ein, der abwehrend die Hände ausstreckt) Tötet ihn, tötet ihn, den Verruchten, den der Herr gezeichnet hat! Tötet den Gotteslästerer!

Belsazar (mit entsetzter Stimme): Rahel!

Rahel (noch einmal, alles übertönend): Tötet ihn!

Belsazar sinkt zu Tode getroffen an den Stufen des Thrones nieder.

Rahel stößt einen lauten Schrei des Triumphes aus.


Vorhang.