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eine eindringliche Warnung an Deutschland ausgesprochen haben soll, keinen Gaskrieg zu beginnen. Er soll gesagt haben, er hätte genaue Nachrichten darüber erhalten, daß große Mengen von Gas=Munition an die Ostfront geschafft worden seien. Das würde sich genau mit dem decken, was ich auch sonst aus Offizierskreisen gehört habe. Man sagt, – u. das ist sehr wahrscheinlich, – daß wir nur noch auf diese Weise eine Offensive gegen Rußland durchführen können, – u. eine Offensive müssen wir durchführen, weil sonst unsere hoffnungslose Schwäche vor aller Augen offen liegt. Es ist diesen Leuten absolut zuzutrauen, daß sie nun auch noch dieses Verbrechen begehen u. damit die wehrlosen deutschen Städte englichen Gasangriffen ausliefern. –

     In diesen Tagen hat Hitler nun auch noch den sogenannten Verbündeten aus Norwegen, Herrn Vidkun Quisling empfangen, sodaß nun alle Vasallen bei ihm waren. Hier im Hause ist vor einiger Zeit eine 82jährige alte, adelige Dame aus dem Baltikum verstorben. Sie war einst Besitzerin eines großen Rittergutes im Baltikum gewesen u. ist von dort vor den Bolschewisten geflohen u. ist mittellos in Rostock untergekommen. Dort ist sie durch den Bombenangriff im vorigen Jahre des Restes beraubt worden, den sie noch besaß, ist dann hier untergebracht worden u. hier gestorben. Dieses Schicksal ist wohl typisch für uns alle.

Müritz, Karsamstag, 24. April 1943.     

     Bin gestern Abend doch noch zur Beichte gewesen, als ich hörte, daß der Rektor noch um 1/2 9 Uhr für die Schwestern Beicht hörte. Ich schloß mich an. Nachher gleich schlafen gegangen, bzw. ins Bett gelegt, wo ich nicht gut schlafen konnte, weil ich im Bein Nervenschmerzen hatte. Mit diesen Schmerzen kündete sich ein kurzes, aber recht kräftiges Gewitter an, das gegen 1 Uhr Nachts sich entlud, – das erste dieses Jahres. Sehr viel Regen hat es nicht gegeben, ich fürchte, daß in Ahrenshoop kein Tropfen Regen gefallen sein wird.

     Heute früh um 6 Uhr Feuerweihe, dann die 12 Prophetien mit anschließender Allerheiligenlitanei, die ich ziemlich gut vorsang u. Ostermesse. Im vorigen Jahre war ich sehr enttäuscht, als der Rektor in dieser Messe keine hl. Kommunion austeilte. Deshalb steckte ich mich noch gestern Abend hinter die Altarschwester Ephrem u. erreichte, daß heute communiziert wurde. Der Gottesdienst war wieder sehr schön, leider singen die Schwestern überaus schlecht, sie können die einfachsten Sachen nicht. Besonders schlecht war das Alleluja, nur deutsche Lieder können sie.

     Das Wetter ist heute wieder sommerlich, wenngleich auch einzelne Wolken am Himmel sind. Der Rektor machte uns heute früh Sorge mit der Mitteilung, daß gestern Abend in Richtung Ahrenshoop viel geschossen worden sei u. daß Leuchtkugeln am Himmel gestanden hätten, doch ergibt sich aus näherer Beschreibung durch Schw. Katharina, daß es ein Uebungsschießen unserer Batterie gewesen sein muß.

     Schw. Ephrem sagte uns, daß ein Taubstummer, ein alter Mann, der am Donnerstag, kurz nachdem wir hier angekommen waren, aus Rostock hier eingeliefert worden war, heute früh gestorben sei. Er hat einen sehr sanften Tod gehabt. Gestern noch hat er, wie Schw. Ephrem sagt, immer auf das Kruzifix gedeutet, das die Schwestern auf der Brust tragen, dazu hat er in einer eigentümlich wissenden Art gelächelt u. dazu gestammelt: „Vater unser!“, u. dann hat

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Hans Brass: TBHB 1943-04-23. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-04-24_001.jpg&oldid=- (Version vom 27.4.2024)