Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1943-04-23
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Entstehungsdatum: 1943
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Originaltitel: Müritz, Karfreitag, den 23. Apr. 1943.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 23. April 1943
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Einführung

Der Artikel TBHB 1943-04-23 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 23. April 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Müritz, Karfreitag, den 23. Apr. 1943.     

     Gestern fuhren wir mit Spangenbergs Pferdewagen kurz nach 2 Uhr hierher. Es war schönes Wetter, doch wehte ein scharfer Ostwind, der bis Dierhagen sehr unangenehm war. Von dort an ist der Weg geschützt u. außerdem ließ der Wind allmählich nach. Kurz vor 5 Uhr kamen wir hier an. Es ist erstaunlich, wie viel fortgeschrittener die Vegetation hier ist. Müritz liegt an derselben Küste nur wenige Kilometer weiter westlich wie Ahrenshoop, aber man hat den Eindruck, in einem anderen Lande zu sein.

     Als erster begrüßte uns der Rektor, dann Schw. Katharina u. die Oberin. Es ist immer derselbe, herzliche Empfang. Martha bekam ihr Zimmer 15, wo sie bisher immer gewohnt hat u. in dem ich im vorigen Jahre wohnte, ich selbst wohne in Zimmer 16, ein schönes, großes Zimmer, in dem sonst immer die fremden Geistlichen u. Exerzitienmeister untergebracht werden. – Wir wurden mit Kaffee (natürlich Ersatz) bewirtet, dazu das schöne, selbstgebackene Brot u. vorzügliche Plätzchen. Der Rektor u. Schw. Oberin leisteten uns Gesellschaft. Im Hause sind alte Leute aus Rostock untergebracht, – es brannten ja im vorigen Jahre zwei Altersheime dort ab. Es ist das am morgigen Tage grade ein Jahr her, als die schweren Angriffe auf Rostock begannen. Es ist uralte Leute, die man hierhergebracht hat u. viele von ihnen sind bereits gestorben. Außerdem haben sie noch an 40 Kinder aus Osnabrück. –

     Um 19 Uhr gestern Abend war Abendandacht, um 1/2 10 Uhr gingen wir sehr müde schlafen. Um 7 Uhr gab es Abendessen, vorzügliche Eierkuchen mit Preißelbeeren.

     Heute früh begannen die Karfreitags-Zeremonien um 1/2 10 Uhr. Ich las, wie es nun schon fast Tradition ist, die Leidensgeschichte nach Johannes. Der Rektor hielt eine kurze Predigt. Nachher kurzer Spaziergang zum Strande u. durch den kleinen Wald zurück. Ich bin wieder entzückt über die Gepflegtheit des Ortes. Die Wege sind sauber u. gut gehalten, so daß ein Spaziergang Spaß macht, – im Gegensatz zu Ahrenshoop. Ich sagte zu Martha, daß ich mir für meinen Lebensabend solch einen Wohnort wünsche, – eine Kirche u. eine angenehme, gepflegte Umgebung. Es macht Freude, zu sehen, wie die Leute hier ihre Gärten pflegen, die infolge der geschützten Ortslage u. eines besseren Bodens auch für diese Pflege viel dankbarer sind, wie bei uns. Ich sah einen Steingarten, in welchem viele von den Stauden standen, die ich auch habe – aber wie dürftig sind sie bei mir.

     Um 12 Uhr Mittagessen. Zander. Frau Blümel aus Rostock mit zwei kleinen Kindern, Mädchen 5 Jahre, Bube 2 Jahre u. dickes Dienstmädchen. Der Mann hat ein Fahrradgeschäft in Rostock, ist vor einem Jahre abgebrannt, hat ein neues Haus dort kaufen können u. ist bei dem Angriff am 20./21. Apr. ohne Schaden davongekommen. Sonst aber ist Rostock doch wieder schwer mitgenommen, über 700 obdachlose Familien. Frau B. wohnt mit den Kindern in Graal u. kommt zum Essen hierher.

     Nach dem Essen geschlafen. Um 3 Uhr Kreuzwegandacht, anschließend Beichte, zu der Martha ging. Ich selbst bin etwas ermüdet u. schlaff, es herrscht draußen sommerliche Temperatur, – werde erst morgen beichten gehen. Morgen früh fängt der Gottesdienst schon um 6 Uhr an, – ich werde wohl wieder die Allerheiligenlitanei singen.

     Churchill soll eine Rede gehalten haben, in welcher er [2] eine eindringliche Warnung an Deutschland ausgesprochen haben soll, keinen Gaskrieg zu beginnen. Er soll gesagt haben, er hätte genaue Nachrichten darüber erhalten, daß große Mengen von Gas=Munition an die Ostfront geschafft worden seien. Das würde sich genau mit dem decken, was ich auch sonst aus Offizierskreisen gehört habe. Man sagt, – u. das ist sehr wahrscheinlich, – daß wir nur noch auf diese Weise eine Offensive gegen Rußland durchführen können, – u. eine Offensive müssen wir durchführen, weil sonst unsere hoffnungslose Schwäche vor aller Augen offen liegt. Es ist diesen Leuten absolut zuzutrauen, daß sie nun auch noch dieses Verbrechen begehen u. damit die wehrlosen deutschen Städte englichen Gasangriffen ausliefern. –

     In diesen Tagen hat Hitler nun auch noch den sogenannten Verbündeten aus Norwegen, Herrn Vidkun Quisling empfangen, sodaß nun alle Vasallen bei ihm waren. Hier im Hause ist vor einiger Zeit eine 82jährige alte, adelige Dame aus dem Baltikum verstorben. Sie war einst Besitzerin eines großen Rittergutes im Baltikum gewesen u. ist von dort vor den Bolschewisten geflohen u. ist mittellos in Rostock untergekommen. Dort ist sie durch den Bombenangriff im vorigen Jahre des Restes beraubt worden, den sie noch besaß, ist dann hier untergebracht worden u. hier gestorben. Dieses Schicksal ist wohl typisch für uns alle.