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Müritz, Karfreitag, den 23. Apr. 1943.     

     Gestern fuhren wir mit Spangenbergs Pferdewagen kurz nach 2 Uhr hierher. Es war schönes Wetter, doch wehte ein scharfer Ostwind, der bis Dierhagen sehr unangenehm war. Von dort an ist der Weg geschützt u. außerdem ließ der Wind allmählich nach. Kurz vor 5 Uhr kamen wir hier an. Es ist erstaunlich, wie viel fortgeschrittener die Vegetation hier ist. Müritz liegt an derselben Küste nur wenige Kilometer weiter westlich wie Ahrenshoop, aber man hat den Eindruck, in einem anderen Lande zu sein.

     Als erster begrüßte uns der Rektor, dann Schw. Katharina u. die Oberin. Es ist immer derselbe, herzliche Empfang. Martha bekam ihr Zimmer 15, wo sie bisher immer gewohnt hat u. in dem ich im vorigen Jahre wohnte, ich selbst wohne in Zimmer 16, ein schönes, großes Zimmer, in dem sonst immer die fremden Geistlichen u. Exerzitienmeister untergebracht werden. – Wir wurden mit Kaffee (natürlich Ersatz) bewirtet, dazu das schöne, selbstgebackene Brot u. vorzügliche Plätzchen. Der Rektor u. Schw. Oberin leisteten uns Gesellschaft. Im Hause sind alte Leute aus Rostock untergebracht, – es brannten ja im vorigen Jahre zwei Altersheime dort ab. Es ist das am morgigen Tage grade ein Jahr her, als die schweren Angriffe auf Rostock begannen. Es ist uralte Leute, die man hierhergebracht hat u. viele von ihnen sind bereits gestorben. Außerdem haben sie noch an 40 Kinder aus Osnabrück. –

     Um 19 Uhr gestern Abend war Abendandacht, um 1/2 10 Uhr gingen wir sehr müde schlafen. Um 7 Uhr gab es Abendessen, vorzügliche Eierkuchen mit Preißelbeeren.

     Heute früh begannen die Karfreitags-Zeremonien um 1/2 10 Uhr. Ich las, wie es nun schon fast Tradition ist, die Leidensgeschichte nach Johannes. Der Rektor hielt eine kurze Predigt. Nachher kurzer Spaziergang zum Strande u. durch den kleinen Wald zurück. Ich bin wieder entzückt über die Gepflegtheit des Ortes. Die Wege sind sauber u. gut gehalten, so daß ein Spaziergang Spaß macht, – im Gegensatz zu Ahrenshoop. Ich sagte zu Martha, daß ich mir für meinen Lebensabend solch einen Wohnort wünsche, – eine Kirche u. eine angenehme, gepflegte Umgebung. Es macht Freude, zu sehen, wie die Leute hier ihre Gärten pflegen, die infolge der geschützten Ortslage u. eines besseren Bodens auch für diese Pflege viel dankbarer sind, wie bei uns. Ich sah einen Steingarten, in welchem viele von den Stauden standen, die ich auch habe – aber wie dürftig sind sie bei mir.

     Um 12 Uhr Mittagessen. Zander. Frau Blümel aus Rostock mit zwei kleinen Kindern, Mädchen 5 Jahre, Bube 2 Jahre u. dickes Dienstmädchen. Der Mann hat ein Fahrradgeschäft in Rostock, ist vor einem Jahre abgebrannt, hat ein neues Haus dort kaufen können u. ist bei dem Angriff am 20./21. Apr. ohne Schaden davongekommen. Sonst aber ist Rostock doch wieder schwer mitgenommen, über 700 obdachlose Familien. Frau B. wohnt mit den Kindern in Graal u. kommt zum Essen hierher.

     Nach dem Essen geschlafen. Um 3 Uhr Kreuzwegandacht, anschließend Beichte, zu der Martha ging. Ich selbst bin etwas ermüdet u. schlaff, es herrscht draußen sommerliche Temperatur, – werde erst morgen beichten gehen. Morgen früh fängt der Gottesdienst schon um 6 Uhr an, – ich werde wohl wieder die Allerheiligenlitanei singen.

     Churchill soll eine Rede gehalten haben, in welcher er

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Hans Brass: TBHB 1943-04-23. , 1943, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-04-23_001.jpg&oldid=- (Version vom 27.4.2024)