Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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altgriechischer Volksstamm auf Euböa, der Name verschwindet frühzeitig
Band I,1 (1893) S. 13 (IA)–15 (IA)
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Abantes, ein altgriechischer Volksstamm, der nach den ältesten Zeugnissen durch seine kriegerische Tüchtigkeit die ganze Insel Euboia, die nach ihm Ἀβαντίς genannt worden sein soll, sich unterworfen hatte (Hom. Il. II 536. 541ff. IV 464. Hesiod. Aigim. fr. 3 Rz. Steph. Byz. s. Ἀβαντίς. Archiloch. bei Plut. Thes. 5). Ihre eigentlichen Wohnsitze waren im Mittelpunkte der Insel, um Chalkis und Eretria herum, von wo aus sie ihre Herrschaft über die verschiedenen anderen Stämme, welche den Norden und den Süden Euboias inne hatten, ausgedehnt haben sollen. Sie pflegten, wie die ältesten Zeugnisse angeben, das Vorderhaupt kahl zu scheeren und nur am Hinterkopfe die Haare lang wachsen zu lassen (ὄπιθεν κομόωνιες). Diese Haartracht [14] wird ausser ihnen auch den Kureten, welche früher Nachbarn der Abanten auf Euboia gewesen und nach hartnäckigen Kämpfen von diesen vertrieben worden sein sollen (vgl. Archemachos bei Strab. X 465), sowie dem attischen Theseus (daher Θησηἶς κουρά Plut. Thes 5. Polyain. strat. I 4) beigelegt. Über den Ursprung der Abanten lauten die Traditionen der Alten so verschieden, dass es unmöglich ist zu einem bestimmten Ergebnis darüber zu gelangen: Während Aristoteles (bei Strab. X 445; vgl. Arrian bei Eustath. zu Dionys. Per. 520) berichtet, Thraker aus der phokischen Stadt Abai seien nach Euboia hinübergezogen und hätten die Bewohner dieser Insel Ἄβαντες benannt, führen Andere den Ursprung dieses Namens auf einen mythischen Ἄβας zurück, der bald Argiver, Sohn des Lynkeus und der Hypermnestra (Paus. II 16, 2. X 35, 1. Schol. Pind. Pyth. VIII 73. Apollod. II 2, 1), bald Sohn des Melampos (Apollod. I 9, 13. Schol. Apollon. I 143), bald Sohn des attischen Heros Alkon (Eustath. ad Iliad. p. 232; vgl. Schol. Il. II 536, wo Abas Sohn des Chalkon, Enkel des Metion, des Sohnes des Kekrops, heisst), bald endlich des Poseidon und der Arethusa (Aristokr. bei Steph. s. Ἀβαντίς. Hygin. f. 157) genannt wird. Diese genealogischen Verknüpfungen sind offenbar im Anschluss an ethnologische Vorgänge geschaffen worden, deren Einzelheiten sich unserer Kenntnis entziehen. Es scheint, dass die Asoposmündung der Ausgangspunkt eines sehr alten über den Euripos hinüber- und herübergehenden Völkerverkehrs gewesen ist, der sich auch in auffallenden Übereinstimmungen euboeischer und attischer Sagen wiederspiegelt (Toepffer Att. Geneal. 164). Auch die Verknüpfung des Abas mit dem argivischen Lynkeus scheint von dem Bewusstsein der Stammverwandtschaft der Abanten mit dem Volksstamme, welcher vor der dorischen Einwanderung im Besitz von Argos war, Zeugnis abzulegen. Vgl. C. Kirchner Attica et Peloponnesiaca (Greifsw. 1890) 34. 42. Die aus dem troischen Kriege heimkehrenden Abanten sollen nach der Küste von Illyrien verschlagen worden sein und dort der Landschaft nördlich von den keraunischen Bergen den Namen Ἀβαντία, der von den barbarischen Einwohnern in Ἀμαντία verderbt worden sei, gegeben haben (Steph. s. Ἀβαντίς u. Ἀμαντία. Paus. V 22, 3 u. ö.). Ausserdem treffen wir die Abanten in Kleinasien und auf den Inseln. Nach Herodot (I 146) gehörte ein nicht unbedeutender Teil der Einwohner der ionischen Städte Kleinasiens dem Stamme der Abanten an, und nach Ion von Chios (bei Paus. VII 4, 9) waren Abanten nebst Karern zur Zeit des mythischen Königs Oinopion auf Chios eingewandert. Vgl. Toepffer Att. Geneal. 163, 2. v. Wilamowitz Herakles II 93. F Dümmler bei Studniczka Kyrene (Leipzig 1890) 199. Die mit Euboia ebenso wie mit Chios verknüpfte Aniossage gehört in diesen Zusammenhang. Der Name der Abanten verschwindet, wahrscheinlich durch den Einfluss der in das mittlere Euboia eingedrungenen Ionier frühzeitig aus der Geschichte, so dass es auffällt, wenn Philochoros (bei Schol. Ar. Nub. 213) die von Perikles unterworfenen Euboier Abanten nennt; doch dauerte [15] der Name wenigstens in einer Phyle der Stadt Chalkis, Ἀβαντίς (Lebas 1597), noch in späteren Zeiten fort. Vgl. Bursian Quaestionum Euboicarum capita selecta (Lipsiae 1856) 5ff. Dondorff die Ionier auf Euboea (Berlin 1860) 53ff. v. Wilamowitz Kydathen 204. Busolt Gr. G. I 205, 3.