Das fränkische Weinparadies

Textdaten
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Autor: Ludwig Storch
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Titel: Das fränkische Weinparadies
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aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 185–187
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Das fränkische Weinparadies.
Von Ludwig Storch.

Zu Bacharach am Rhein,
Zu Würzburg an dem Stein,
Zu Klingenberg am Main,
Da wächst der beste deutsche Wein.

Vom Bergaltan der an der Nordseite des Nikolausberges hoch gelegenen Marienwallfahrtskirche bei Würzburg, welcher der Volksmund allgemein den abgekürzten Namen „das Käppele“ (Kapellchen) beilegt, hat man eine der reizendsten Aussichten des an Naturschönheiten so reichen Frankenlandes. Der entzückte Blick fällt hinunter auf die malerische Mainbeuge, an deren rechter Seite die alte in der Geschichte unsres Vaterlandes so hochwichtige Fürstbischofstadt die Neustadt Würzburg, die jetzt sich endlich auch allmählich verjüngende Hauptstadt von Unterfranken, an deren linker Seite die Altstadt, das Burkhardsviertel, mit der darüber thronenden Citadelle, dem Frauen- oder Marienberg, liegt. Dieses mäßig hohe Bergschloß ist die zierende Perle des prächtigen Landschaftsbildes. Die dem Beschauer zugekehrte Seite der Bergzunge, welche die alte Veste als Krone trägt, die südliche, ein schnell überblickter kleiner Berghang, von den sich herabziehenden weißen Mauern der Festung auf der West- und Ostflanke eingefaßt und unten vom schmalen Kun-, Ku- oder Kuhbachthale begrenzt, welches den Marienberg vom weit höhern und größern Nikolausberge scheidet, ist die unter dem Namen Leisten wegen ihres gewürz- und duftreichen herrlichen Erzeugnisses weltberühmte uralte Weinpflanzung. Jedermann weiß, daß der Leistenwein die Crême der Frankenweine ist, aber wie Wenigen ist es vergönnt, diese Wahrheit aus eigner süßer Erfahrung festzustellen! Denn ach! der Leisten-Weingarten ist so klein und gehört zumeist dem bairischen Staatsärar. Der Leisten ist, wie ein noch etwas vornehmerer Bruder, der Johannisberg im Rheingan, ein aristokratischer Weinberg, dessen heilsame Tinctur nur für die Mägen der vornehmsten und reichsten Leute, für die Halbgötter der Erde aus der Kelter tropft. Es wächst nicht viel Leistenwein, und die Welt hat viele vornehme und reiche Leute, die ihn gern trinken. Deshalb ist er theuer, sehr theuer.

Zur Linken weiter schweifend, fällt das Auge des auf dem Käppele-Altan stehenden Beschauers hinter dem Marienberge stromabwärts auf eine kleine mäßig hohe Bergkette, deren ihm zugekehrte südliche Wand von oben bis unten mit Rebstöcken bedeckt ist. Der Main fließt diesem Berge schnurstracks entgegen, gleichsam um ihn zu küssen (und er ist dieses Stromkusses in Permanenz wohl werth), und gleitet dann an seinem felsigen Fuße mit leichter Biegung westlich weiter. Die kleine Bergkette schließt jetzt auch gleich westlich mit einer malerisch sanft geformten Höhe ab, deren Felsenstirn sich im Maine spiegelt. Dieser Miniatur-Höhenzug besteht aus drei ebenfalls hochberühmten Weinbergen. Das westliche Haupt am Main ist der Stein, der seinen Namen von den zu Tage stehenden Kalksteinfelsenschichten hat, auf die er sich stützt, der mittlere ist die Harfe, der östliche der Schalksberg. Am Fuße dieser drei zusammenhängenden Berge läuft die Eisenbahn nach Frankfurt, und unter dem Schalksberge erhebt sich jetzt der großartige Bau des neuen Bahnhofs unmittelbar am kostbaren Rebengebiet.

Wendet man auf dem Käppele-Altan das Auge rechts dem Strome entgegen, dessen von Südost (Ochsenfurt) kommenden Lauf man etwa eine Stunde weit überschaut, so sieht man am linken Ufer in kleiner Entfernung zuerst das alte Städtchen Heidingsfeld und etwas weiter am Ende des überblickten Stromsegments das nicht minder alte berühmte Weindorf Randersacker am Fuße einiger eben so schönen als reichbepflanzten Weinberge angelehnt, die dieselbe Lage nach Süden haben, wie der Leisten und der Stein. Diese Berge sind die in der deutschen Ampelologie kaum minder berühmten Pfülben, Spielberg und Lämmerberg. Man überschaut also vom Käppele-Altan oder vom Nordhange des Nikolausberges überhaupt die berühmtesten Weinberge des Frankenlandes. Neuerdings ist östlich vom Käppele auf einem Bergvorsprung, dem Johannisberge, ein Wirthshaus erbaut, von dessen Plateau die Aussicht schier noch schöner und in so fern genußreicher ist, als man sich dieses kleine deutsche Weinparadies bei einem Glase guten Frankenweins in aller Gemüthlichkeit betrachten kann.

Der Frankenwein genoß im Mittelalter eines großen und ausgebreiteten Rufes und wurde in weit beträchtlicherer Quantität gebaut als jetzt, war dagegen in der Qualität geringer. Dieser Ruf verminderte sich im Laufe der Zeit durch schlechte Pflege und Fälschung, die übrigens schon in früher Zeit gerügt wird, ist aber neuerdings wieder so im Zunehmen, daß er daran und darauf ist, den frühern zu überbieten.

In der besten Zeit war das Reimwort „Frankenwein Krankenwein“ im Schwange, und man war der Ansicht, guter Frankenwein stärke Kranke und Genesende mehr als irgend ein andrer Wein. Die darauf bezüglichen Reimsprüchlein, welche mein Vater, ein vernünftiger Arzt, der seinen Kranken lieber ein Glas guten Wein als Arzneien verschrieb, als hochbejahrter Greis im Munde zu führen pflegte, sind mir fest im Gedächtniß geblieben:

Ein Gläschen Leisten
stärkt Kranke am meisten;
dann kommt der Stein
als Labewein.
Der Schalksberger macht frohen Muth;
aus Pfülben[1] schläft sich’s gut,
und Spielberg macht leichtes Blut.

Als ich die Umgebung der ehrwürdigen Stadt Würzburg durchstreifte, betrachtete ich die genannten hochberühmten Herren Berge mit großem Respect und es wandelte mich oft die Lust an, den Hut vor ihnen zu ziehen. Und so suchte ich mich denn mit den ehrwürdigen Weinerzeugern in der nächsten Nähe der alten Bischofstadt näher bekannt zu machen. Oft betrachtete ich von den Schanzen, von welchen die Bauern 1525 vergeblich, die Schweden 1631 mit Erfolg und die Franzosen im December 1800 ebenso den Marienberg beschossen, die so nah gegenüberliegende Citadelle mit dem Leisten, der mich mehr interessirte als die Festungswerke. Dasselbe that ich aus dem tiefer am Nikolausberge gelegnen Milchgarten „Sibirien“, wo einem der Leisten fast auf der Nase liegt. Ist es nicht originell, bei einem Glase Milch in Sibirien mit dem berühmtesten Weingarten Frankens zu liebäugeln?

Der der Stadt und dem Maine zugekehrte östliche Abhang des Marienbergs ist ebenfalls mit Reben bepflanzt und heißt der Schloßberg, und sein Product, der „Schloßberger“, ist zwar nicht von der ausgesuchten Feinheit des Leisten, aber doch auch ein echtes Sonnenkind.

Ob der wackre weinfreundliche römische Kaiser Probus im dritten Jahrhundert unsrer Zeitrechnung auch den ersten Rebenanbau an den Mainbergen veranlaßt hat, wie den an den Rheinbergen; ob erst der Frankenherzog Sunno hier im fünften Jahrhundert Wein aus dem Moselthale übergesiedelt, muß unentschieden bleiben. Erst aus der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts wird die bereits in Blüthe stehende Weincultur bei Würzburg urkundlich nachgewiesen. Die Franken- und insbesondere die Würzburger Weine standen während des Mittelalters in der ganzen weintrinkenden Welt in hohem Ansehen und wurden von weltlichen und geistlichen Leuten in großen Massen getrunken. Das Frankenland und hervorragend Würzburg verdankt seinen hohen Wohlstand zumeist der Traube seiner Bergwände.

Die gelehrte heilige Hildegard, Aebtissin von Bingen in der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts, rühmt in ihrer Physik die Kräfte des Frankenweins vor allen andern, und Kaiser Wenzel, der ungezogne Weinschlauch, den ich in meinem Roman „der Freiknecht“ in seiner stets zechenden Gemüthlichkeit geschildert, ertrug seine Absetzung vom Throne mit Gleichmuth, wenn ihm nur jährlich vier Fuder des besten Würzburger, also Leisten und Stein, nach Prag geschickt würden. Der große Aufstand der Bürger Würzburgs und der Bund der elf bischöflichen Städte gegen den Bischof Gerhard von Schwarzburg wurde von Kaiser Wenzel begünstigt und aufgemuntert; er versprach ihnen die Anerkennung der Reichsfreiheit für guten Würzburger und kam selbst in die Stadt (1398), um sich huldigen zu lassen und satt Wein zu trinken. Da wurde Würzburg durch seine Weinberge zur freien Reichsstadt, wonach es längst gestrebt und was es thatsächlich bereits war. Der schlaue Bischof schickte dem jämmerlichen Kaiser noch bessern Wein und versprach noch mehr als die Bürger; da anerkannte und bestätigte der unersättliche Säufer wiederum des Bischofs behauptete Rechte auf die Stadt und lieferte die Bürger an das bischöfliche Rachemesser und in’s geistliche Joch. So eigenthümlich ist das Schicksal der Stadt mit ihrem Leisten- und Steinwein verflochten.

[186] Die ersten Statuten über die zweckmäßige Bebauung ihrer Weinberge erließen die geistlichen Stifte der Stadt im Laufe des vierzehnten Jahrhunderts. Der Leisten erhielt seine jetzige Bedeutung aber erst durch die Erweiterung der Festungswerke in der zweiten Hälfte des siebzehnten und zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts. Durch die hohen Mauern, mit welchen der Weingarten auf der Ost- und Westseite eingeschlossen wurde, bekam er Schutz gegen die schädlichen Ost- und Nordwinde, und nun erst trug er das feine Gewächs, dessen Arom uns heute entzückt. Wie alt übrigens der Namen „Leisten“ ist und woher er entstanden, läßt sich nicht mehr angeben. Man vermuthet, daß die Trauben früher wegen der Steilheit des Bergs hier an Leisten gezogen wurden und daher der Name entstanden sei. Die eigentliche und wahre Cultur des Leistenweins beginnt aber erst zu Anfang des vorigen Jahrhunderts durch den Hofkammerrath Klarens, und die jetzige Epoche der hohen Vollkommenheit des Leistenweins datirt sogar erst von 1782, wo der um die Bodencultur Frankens hochverdiente Landkammerrath Stoll den Leisten großentheils roden und statt der unedlen Rebsorten fremde edle Trauben, wie Burgunder, Riesling, Traminer etc. pflanzen ließ. Dadurch wurde die hohe Blüthe vorbereitet, zu welcher der Weinbau des Leisten in der neuesten Zeit gebracht worden ist. Man hat es sogar ermöglicht, dem felsigen und zum Theil abschüssigen Berghang noch einige Morgen Boden für die Reben abzugewinnen.

Die ganze Pflanzung, welche früher nur fünfzig und einige Morgen betrug, hat jetzt eine Ausdehnung von ohngefähr siebzig Morgen Terrain. Die neuere Zeit ist in dieser Beziehung noch umsichtiger verfahren; durch stete zweckmäßige Umrodung, resp. Legung des Bodens und Befleckung mit den edelsten Sorten, so wie durch vortheilhafte Mauerführung hat man endlich die jetzige Ausdehnung des Weingartens und die hohe Vortrefflichkeit des Products erzielt. Man hat das Naturgesetz entdeckt und befolgt, daß zur Gewinnung des Edelsten und Besten das Veraltete, Schlechte entfernt und das Neue, Gute an seine Stelle gebracht werden muß. Seit man in Franken den Grundsatz befolgt, die alten Rebstöcke in’s Feuer zu werfen, den Boden umzuroden, zu düngen und mit neuen jungen edlen Reben zu belegen, erzielt man den trefflichen Wein unserer Tage. Aber dieses Naturgesetz gilt ebenso gut für das geistige Leben, für den Weinberg des Herrn. Und da stehen denn hier immer noch die alten Rebstöcke mit den sauern Trauben, deren Ertrag in Hinblick auf den immer edlern und süßern Wein des übrigen Deutschlands von Jahr zu Jahr kümmerlicher wird, wenn man auch bemüht ist, das Gegentheil zu behaupten.

Daß der Leistenwein dem Johannisberger gleichgeschätzt wird, beweist schon sein hoher Preis. Von guten Jahrgängen kostet die Flasche 4 bis 6 Gulden und Strohwein sogar 8 Gulden. Bei den üblichen Weinversteigerungen wird er in der Regel zu enormen Preisen abgegeben. Sein edles Wesen kann man freilich mit Worten nicht wiedergeben; denn was nützt die Bezeichnung, daß er durch eine große Zartheit des Geschmacks, durch das feinste Arom, durch ein ungemein lieblich duftendes Bouquet sich hervorthut! Man bekömmt davon keine Vorstellung; um ihn kennen zu lernen, muß man ihn – trinken, aber mit Verstand, Sammlung und Feierlichkeit, soll sein Genuß auf der einen Seite seinem idealen Werthe und auf der andern der Menschenwürde, die einander angemessen sind, entsprechen.

Unbegreiflich ist mir, daß der Leisten und der Stein, so wie überhaupt die edlen Frankenweine, die ja doch unverkennbar von Jahr zu Jahr edler und besser gerathen, von den vaterländischen Dichtern noch nicht in der Art verherrlicht worden sind, wie die edlen Rheinweine. Freilich hat Würzburg seit seinem großen Walther von der Vogelweide keinen bedeutenden Dichter mehr gehabt, und die drei großen Frankendichter der Neuzeit, Richter, Rückert und Platen, haben den Leisten und Stein nicht besungen, wahrscheinlich nicht besingen wollen, aus den angedeuteten Gründen. Denn die Dichter sind eben das edelste Product im Weinberge des Herr und bringen das materielle mit dem ideellen Leben in stete Beziehung. Die Poesie ist die reichste Blüthe der wahren Menschheit-Religion. –

Auch am Stein, an der Harfe und am Schalksberge hat der Staat bedeutende Besitzungen. Man pflegt wohl das Product des ganzen kleinen Bergzugs Steinwein zu nennen, doch sind auch die besondern Namen Schalksberger und Gressenberger (der Saft der Harfentraube) berühmt. Die kleine Bergkette, die von Alters ein so herrlicher Weinträger ist, besteht ebenfalls aus Kalkfelsen, der am eigentlichen Stein steil zu Tage tritt, so daß die tragbare Erde der Weingärten meist durch hohe Mauern und Pfeiler gestützt wird, was dem Berge ein malerisches Ansehen giebt.

Der Bergzug des Stein hat auch das mit dem Leisten gemein, daß er durch einen engen Thalgrund von einem höhern und größern Gebirgsstock getrennt ist und einen fast scharfen Kamm bildet. Vielleicht beruht auf dieser Eigenthümlichkeit ein Theil der edlen Zeugungskraft beider Berge. Ueber den Kamm führt ein bequemer Weg von einem Ende bis zum andern mit köstlichem Einblick südlich auf die Stadt, die Festung, das Käppele, Nicolausberg, Heidingsfeld, Randersacker und seine Weinberge; nördlich auf das nette Dörfchen Unterdürrbach, malerisch im engen Grunde gelegen, auf den entgegengesetzten ebenfalls mit gutem Wein weithin bepflanzten Bergzug, auf dem der stattlich hohe und schlanke Thurm einer Burgruine, „das Schenkenschloß“, emporragt und, stark an den „Fuchsthurm“ bei Jena erinnernd, die Gegend weit umher beherrscht. Rechts und links winkt hie und da von den Bergstirnen ein wenig Wald verstohlen herüber und belebt das liebliche Landschaftsbild noch mehr. Noch im vorigen Jahrhundert ist auch der Scheitel des Stein mit Wald bestanden gewesen; jetzt hat die Rebe ihn hier überall verdrängt; ihre Pflanzungen reichen zumeist bis an den Kamm hinauf, ja so edel ist dieser Boden, daß selbst auf der Nordseite des Bergs nach Dürrbach zu nicht unbedeutende Weinberge sich hinabziehen.

Welcher praktische Liebhaber guten deutschen Weins kennt nicht die eigenthümliche freundliche Form der Glasflaschen, die sich der Steinwein in stolzer Abgeschlossenheit erwählt hat, und wer weiß nicht, daß diese kleinen allerliebsten Bausbäckchen oder Dickwänstchen Bocksbeutel genannt werden? Niemand kann sagen, wie alt diese Flaschenform und ihr Name ist, und in welchen geheimnißvollen Beziehungen derselbe zur Stadt oder wohl zunächst zu den Hauptbesitzern dieser unschätzbaren Weingärten, den geistlichen Stiften, stand. Daß in dieser Richtung die Bocksbeutelei am stärksten vertreten war, erhellt bis zum Verdruß aus der Geschichte; aber ich glaube, sie geht auch hier ihrem Aussterben rasch entgegen. Turner, Sänger, Schützen, jugendliche Demokraten brechen ihr den Hals mit Vergnügen, wie den Bocksbeuteln, in deren Namen sich das Andenken an den alten Zopf noch lange erhalten mag. Der Steinwein soll all seine Zecher zu dem lebhaften Toast begeistern: „Vivat der Bocksbeutel! Pereat die Bocksbeutelei!“

Die ganze dreibergige Weinpflanzung enthält über 400 Morgen, davon gehören 107 Morgen dem Staatsärar. Auch hier hat in der Neuzeit zweckmäßige Rodung und Bepflanzung mit neuen edlen Sorten Wunder bewirkt. Erst jetzt weiß man, welch edles Gut der Stein zu erzeugen vermag. Das haben die Altvordern nicht geahnt. Man sagte mir, es hätten sich viele Leute der Umrodung und Neubestockung der Berge lebhaft widersetzt und daraus den Ruin der Würzburger Weinproduction geweissagt. Weise Propheten! Ganz wie im Weinberge des Herrn, wo auch jeder heilsamen Neuerung das Gespenst des Weltuntergangs als drohende Prophezeiung entgegengehalten wird.

Wenn die Leiste den edelsten, feinsten und bouquetreichsten Wein erzeugt, so liefert der Stein den gehaltvollsten aller Frankenweine, worin Feuer und Kraft sich mit dem lieblichsten Arom zum Entzücken aller Weinzungen im vollsten Maße und auf’s Innigste verbinden.

Ob der Leisten oder der Stein die ältere Weinanlage ist, läßt sich aus Mangel urkundlicher Nachrichten nicht angeben. In einer urkundlichen Beschreibung der Markung Würzburgs vom Jahre 779 wird bereits am rechten Mainufer ein Weingarten genannt (also am Stein), doch machte der Weinbau bis zum 10. Jahrhundert wenig Fortschritte. Dann treten allmählich die Mönche als Besitzer und Winzer dieser Weinberge auf, und nun kommen sie in immer höhere Cultur. Alle geistlichen Korporationen hatten hier bedeutende Weingärten, und im vorigen Jahrhundert vorzüglich die Jesuiten, deren desfallsiges Besitzthum an die Universität überging und von dieser später an Privaten verkauft wurde. Heute sind besonders das große Juliushospital und das Bürgerhospital am Stein und Schalksberg stark begütert.

Der Klerus brachte viel heiteres Leben in das Weinwesen und erfüllte damit dessen eigentliche Bestimmung. Sobald die Trauben bis zur Lese reif waren, hielt der erste Prälat des Domcapitels, der Dompropst, mit einem großen und stattlichen Gefolge seinen [187] feierlichen Ausritt in die Berge und verkündete mit dieser schönen Amtshandlung den Anfang der Weinlese, die stets nach festgesetzter Laubordnung stattfand. Die übrigen Domcapitulare thaten als sogenannte „Herbstherren“ in den domstiftischen Zehntorten des Bisthums dasselbe. Nach Beendigung der Lese wurden Abends Strohschauben in den Weinbergen angezündet, so daß alle Höhen in magischem Feuerglanze prangten. Die letzte Beerenfuhre wurde geschmückt und unter dem Schalle von Pauken, Trompeten, Pfeifen und Schalmeien mit lodernden Fackeln vom Herbstherrn zu Roß, von einer großen Anzahl Reitern umgeben, in die Stadt geführt. Das nannte man „den Herbst einleuchten“. Heutzutage hat die Geistlichkeit, weniger fröhlich, nichts mehr mit der Weinlese zu thun.

Im 14. Jahrhundert gehörte der Pfülben (in alten Urkunden stets Pfühl genannt) theils dem Johanniterhause, theils dem Dominikanerkloster in Würzburg, der Spielberg und Lämmerberg dagegen größtentheils dem berühmten großen Cisterzienser-Mönchskloster Heilsbronn im heutigen Mittelfranken. Die Cisterzienser waren aber bekanntlich die rechten Weinbauern, und Kloster Heilsbronn brachte durch Ankäufe, besonders von Kloster Ebrach im Steigerwalde, seine Besitzungen zu Randersacker am Ende des 14. Jahrhunderts zu einem sehr ansehnlichen Weingute in besten Flor. Es lebte ein Klosterbruder als Verwalter desselben in Randersacker im eigenen stattlichen Hofe des Klosters, und die Mönche legten nun, wie anderwärts, neue Weinpflanzungen an diesen Bergen an. Durch die Reformation kam Heilsbronn mit allen seinen reichen Gütern in Besitz der Markgrafen von Brandenburg, die als frühere Burggrafen von Nürnberg schon das Vogteiamt desselben verwaltet und ihr Erbbegräbniß darin hatten. Diese brachten durch ihre zu Administratoren der Randersackrer Weinberge bestellten Amtsvögte den in der letzten Zeit des Convents gesunkenen Weinbau wieder empor, und nun lagen, zum Aerger der geistlichen Herren in Würzburg, neben den guten katholischen Weinbergen eben so gute lutherische.

Das in der Geschichte dieser Länder eine so große Rolle spielende Jahr 1803 brachte dieses ansehnliche Weingut mit den übrigen ehemaligen Klosterbesitzungen an das Kurfürstenthum Baiern, welches es 1800 an das umgebildete Großherzogthum Würzburg abtreten mußte. Im Jahre 1812 wurde der Hof und ein großer Theil der Güter in Randersacker veräußert. Die besten Weinberge blieben Staatseigenthum und sind später mit den Weinbergen, welche der ehemaligen Benedictinerabtei zu Kitzingen gehört hatten, zu dem jetzigen Complex der Staatsweinberge in Randersacker vereinigt worden, welche einen Flächenraum von 55½ Morgen einnehmen. Der Staat hat in dem vielbesuchten Weinorte seine eigene Kellerei, die jeden Herbst die Erträgnisse ihrer Berge aufnimmt und dann seiner Zeit abgegohren an den Hofkeller in Würzburg abliefert. Von diesem prächtigen Riesenkeller und seinem Inhalt soll in einem andern Artikel die Rede sein. Die Würzburger Weine werden voraussichtlich ebenso wie die Stadt, von der sie benannt werden, eine schöne deutsche Zukunft haben, und auch die echten Dichter die sie würdig besingen, werden ihnen ferner nicht fehlen.

  1. Alte Form für Pfühl.