Textdaten
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Autor: Ludwig Storch
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Titel: Aus der deutschen Weinstadt
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 27–30
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1865
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Aus der deutschen Weinstadt.
Von Ludwig Storch.

Ich weiß nicht, ob man schon die Bemerkung gemacht und öffentlich ausgesprochen hat, daß es ganz in dem Sinne, wie es eine deutsche Sandstadt, wo zumeist die specifisch deutsche Intelligenz und das deutsche Junkerthum gedeihen, auch eine deutsche Rebenstadt giebt, wo ebenfalls deutscher Geist gedeiht und ganz vorzüglich deutscher Traubengeist. Diese Stadt führt den bezeichnenden Namen Würzburg, d. h. im heutigen Deutsch: Weinstadt; denn unsere Ahnen im grauen Alterthume, welche die Burg Würzburg, später Marienberg genannt, erbauten, gaben ihr den Namen nach einem Würzgarten an der Süd- und Ostseite des sehr schön geformten Berges, d. h. einem Weingarten, den man jetzt weniger poetisch Leisten und Schloßberg nennt. Sie waren nämlich so vernünftig zu glauben, daß der Wein die beste aller Würzen sei und daß man ihn deshalb vorzugsweise Würze nennen müsse. Und seit auf diesem Berge das herrlichste Traubengut durch Sonnengluth und verständige Pflege gedeiht, sind wir zu dem guten Glauben unserer Altvordern zurückgekehrt und meinen, der Berg werde auch einmal in späterer Zeit seinen alten ehrwürdigen Weinnamen wieder haben. Der sonnige Rheingau mit seinen kostbaren Weinbergen hat doch keine Weinstadt wie das nicht minder helle und warme Weinbergland am Main, und so ist es denn den Würzburgern nicht zu verdenken, wenn sie aus allen Leibes- und Geisteskräften bemüht sind, den letzten Rest des Schattens, welchen die Vorfahren vor einigen Generationen hatten auf den Namen ihres Weines fallen lassen, nicht nur gänzlich zu vertilgen, sondern auch diesen Namen in das hellste Sonnenlicht zu setzen.

Schon jetzt kann man sich einen Vorschmack von der Herrlichkeit der Würzburger Weinzukunft verschaffen, wenn man eine kleine Weinreise durch die sehr ehrwürdigen Weinkeller und Schaumweinfabriken der Stadt macht; da wird man eine richtige Vorstellung von der Großartigkeit und hohen Bedeutung des heutigen Würzburger Weinhandels fassen, dessen Umsatzcapital jetzt bereits nach Millionen zählt. Es giebt Weinhandlungen hier, die mit den bedeutendsten Weingeschäften Frankreichs concurriren.

Zwei zum Würzburger Weinbau gehörige Gegenstände sind es, die gleichsam in einem Blick den rechten Begriff davon geben. Es ist der Güte und Schönheit der deutschen Frankenweine angemessen, daß sie zum Theil auf würdige Weise in Schaumweine verwandelt werden. Daß dies geschieht und in welcher Ausdehnung, davon kann man sich in den hiesigen Schaumweinfabriken überzeugen. Es ist ferner der deutschen Weinstadt angemessen, daß sie den größten und schönsten deutschen Weinkeller besitze. Und das ist in der That und Wahrheit der Keller des Königsschlosses hier, ein in zwiefacher Bedeutung wirklich königlicher Keller, der König der deutschen Weinkeller.

Die Würzburger Schaumweine und der Würzburger Hofkeller sind die beiden Spitzen oder Pole der fränkischen Weinproduction. Gönnen wir beiden einen freundlichen, liebevollen Blick!

Wie die ganze Weinproduction in Franken im Allgemeinen in der neuern Zeit einen höchst erfreulichen Aufschwung genommen hat, so insbesondere die Fabrikation der Schaumweine. Wir trinken jetzt schäumende Frankenweine, von deren Güte und Lieblichkeit die frühere Zeit keine Ahnung hatte. Zu den Würzburger Schaumweinen werden die edlern Traubensorten, welche die heiße Sonne auf dem Kalkgebirge an den Ufern des Mains zu strotzender Fülle großzieht, verwendet. Was da schäumen und perlen, was die Welle des Bluts und Gedanken und Gefühle des Trinkers beflügeln soll, das muß von edler Natur sein. Die technische Behandlung der Weine ist ganz dieselbe wie in der Champagne, von wo diese Industrie nach Deutschland verpflanzt worden ist. Die Weine werden, nachdem sie von der Hefe befreit worden, im Laufe des Winters geklärt und während des ganzen Sommerhalbjahres auf Flaschen gefüllt. In diesen machen sie eine zweite Gährung durch. Nicht selten sprengt die nun erzeugte Kohlensäure die gläserne Schranke, oder jagt den ihr aufgepressten Hut zu frühzeitig in die Luft. Der Flaschenbruch erreichte in frühern Jahren zuweilen die enorme Höhe von sechzig Procent; doch hat sich die Fabrikation auch nach dieser Seite vervollkommnet, und der unvermeidliche Schade ist jetzt weit geringer. Jahr und Tag lagert der Wein nun in den Flaschen ab, die dann aus Stellagen in schräger Richtung aufgestellt und täglich mit der Hand leicht gerüttelt werden, um die durch das Lagern abgesetzte Hefe von den Wänden in den Hals der Flasche auf den Kork zu befördern. Durch diese gelinden Rippenstöße wird der edle Rebensaft daran erinnert, seine vollständige Purification vorzunehmen und das letzte Restchen unedler Substanz zu beseitigen. Diese educatorische Manipulalion muß zum Heile des schmackhaften Zöglings täglich wiederholt werden, bis der Wein jene ideale Farbe gewonnen hat, die, keine seiner geringsten Vorzüge, ihn so ungemein appetitlich erscheinen läßt. Hat er diese Höhe der Vollkommenheit erreicht, so löst ein geschickter Arbeiter Draht und Bindfaden der Flasche, den Kork nach unten, lüftet diesen, wendet dabei den Hals der Flasche nach oben und läßt das Unreine herausspritzen. Hierauf wird die Flasche mit der nöthigen Dosis feinsten Liqueurs wieder aufgefüllt, mit neuem Kork versehen und dieser mit neuem Draht und Bindfaden befestigt. Also verschlossen, bekommt sie nun ihre goldene oder silberne Haube auf den Kopf gestülpt und das prächtige Brustschild aufgeheftet, das leider gar zu oft noch eine Lüge enthält; denn was unsere deutschen Berge geboren, was deutscher Fleiß groß gezogen und deutsche Hände fertig gepflegt haben, das wird hier und da noch für französische Waare ausgegeben und das Wort mousseux spielt noch eine Hauptrolle. Es ist eine Schande, die herrlichen deutschen Schaumweine, die den französischen in keiner Weise nachstehen, immer noch mit diesen albernen französischen Etiketten versehen zu müssen, weil wunderlich befangene Menschen meinen, der französische mousseux sei besser, als der deutsche Schaumwein.

Der Deutsche darf es mit Stolz verkünden, daß die deutschen Schaumweine mit deutscher Etikette, dem französischen Champagner in England den Vorrang abzulaufen begonnen haben und immer mehr gesucht sind. Soll er nicht im eigenen Vaterlande die Fahne aufziehen, die ihm in England schon als Siegesfahne leuchtet? In dieser Hinsicht bewährte der treffliche Siligmüller, den wir als größten Schaumweinfabrikanten Würzburgs in diesem Artikel noch näher kennen lernen, seine deutsche Patriotennatur. Schon vor zwei Jahren erließ er ein patriotisches Rundschreiben an alle seine Abnehmer mit der Aufforderung, den Consumenten nur Schaumweine mit deutschen Etiketten vorzusetzen und auch dadurch dem Deutschthume überhaupt und der deutschen Industrie insbesondere die gebührende Achtung und Anerkennung zu gewähren. Siligmüller [28] sagt es offen heraus, „es sei allseitig bekannt, daß deutsche Schaumweine unter französischer Etikette als echter Champagner vielseitig consumirt werden.“ Dieser kleinen deutschen Schande muß auch ein Ende gemacht werden, wie allen andern größeren und kleineren. So lasse man denn endlich die alberne Einbildung fahren, der französische Champagner sei besser als der deutsche Schaumwein.

Doch zurück zu unserer Fabrik! Sind die Flaschen nun so prächtig ausstaffirt, so harren sie noch Monate und Jahre ihres Erlösers. Dies ist die Zeit des idealen Lebens des köstlichen

Arbeitsräume und Keller der Siligmüller’schen Schaumweinfabrik in Würzburg.

Schaumweins. Da ist er rein und feurig wie der Sonnenstrahl, der ihn zeugte. Still und heimlich wie jungfräuliche Liebe, birgt er sein süßes Geheimniß in der in eisernen und häufenen Banden liegenden Flasche. Aber es naht die Stunde seiner Befreiung; mit einem Freudenschusse wird die Pforte aufgethan und dampfend und schäumend ergießt er sich in den Becher, Zeugniß abzulegen von deutscher Herrlichkeit.

Das schöne Frankenland hat mehrere Schaumweinfabriken, deren Erzeugnisse sich eines bedeutenden Absatzes erfreuen; Würzburg selbst hat mehrere derartige gut renommirte Etablissements. Wir haben hier das Siligmüller’sche als eins der vorzüglichsten im Auge. Die Firma F. A. Siligmüller erfreut sich nicht allein in Deutschland einer allgemeinen Anerkennung, und den deutschen Turnern dürfte sie vom großen Leipziger Turnerfeste unvergeßlich sein. Das Geschäft wurde 1843 klein begonnen und setzte in der ersten Zeit seines Bestehens jährlich nur 10,000 Flaschen ab, die sich aber bald auf 20,000 Flaschen steigerten. Bei diesem Absatz verblieb es bis zu Ende der vierziger Jahre. Durch unablässige Verbesserung der Fabrikation, durch rastloses Ankämpfen gegen die Vorurtheile, wodurch der deutsche Schaumwein gleichsam geächtet war, hat der Inhaber des Geschäfts seit einigen Jahren schon den jährlichen Absatz von 100,000 Flaschen überschritten. Zu dieser glänzenden Ausdehnung haben auf der einen Seite die Güte und Trefflichkeit des Fabrikats, auf der andern das seit 1848 erwachte und immer schöner sich entfallende deutsche Nationalgefühl wesentlich beigetragen. –

Von der Siligmüller’schen Schaumweinfabrik bis zum königlichen Hofkeller ist nur ein Schritt, aber ein bedeutsamer, der Schritt aus dem Privatleben auf den Königsthron.

Was das wunderprächtige Königsschloß von Würzburg über der Erde nicht hat: architektonische Ruhe, Einheit, Harmonie, das besitzt es unter dem Boden zur höchsten Befriedigung der Kenner im vollsten Maße in seinem großartigen, über alles Lob erhabenen Weinkeller. Während das Schloß unsern Ansichten von deutschem [29] Geiste, deutscher Einheit und Größe nichts weniger als entspricht, ist dies beim Keller durchaus der Fall; er ist ein würdiger Repräsentant der deutschen Weinpflege, der edlen Frankenweine, wie sie unsere Zeit liefert, und darf sich mit Stolz den Königskeller der deutschen Weinstadt nennen lassen.

Der Hofkeller besteht aus zwei großen von einander getrennten Abtheilungen – also aus zwei Kellern – und nimmt fast das ganze große Areal des Schlosses ein. Der riesige Schloßbau ruht zumeist auf den gewaltigen Kellerpfeilern. Die weniger besuchte, weil weniger interessante Abtheilung, die südwestliche, enthält die kleinern abgeschlossenen Räume mit den Weinpressen, den Mosten und jüngern Weinen. Der großartige, prächtige, vorzugsweise Hofkeller genannte weite Raum befindet sich unter dem rechten Schloßflügel nach Nordost und ist für die Cultur und Ablagerung der Weine bestimmt. Auf der bequemen, behäbigen Treppe gelangt man in den Vorkeller und aus diesem in eine Rotunde, welche dem Besucher sogleich nicht wenig imponirt; denn hier sieht er den grandiosen Pfeiler von ovaler Form, der das Gewölbe trägt.

Partie aus dem Hofkeller zu Würzburg.

Vier Kelleröffnungen von so bedeutendem Umfang, daß in einer derselben eine steinerne Treppe emporführt, bringen das Tageslicht in diesen Raum, von welchem sich die stattlichen Gewölbeabtheilungen abzweigen, welche die besondern Namen Mostkeller und Kammerkeller führen und an welche sich weiter die Gewölbe, Bandhauskeller und Schwedenkeller genannt, anschließen. Der Flächeninhalt sämmtlicher Abtheilungen beträgt 11,603 Quadratfuß; die Höhe der Gewölbe neunzehn und einen halben Fuß, die Breite dreiunddreißig Fuß. Die zweckmäßig vertheilten geräumigen Kellerfenster führen Licht und Luft in nöthiger Menge in die Gewölbe; der Boden ist durchweg mit großen Steinplatten belegt und in bestimmten Entfernungen mit Vertiefungen versehen, in welche die um sämmtliche Keller hinlaufenden steinernen Rinnen ausmünden, die, wenn ein Faß zerplatzen sollte, keinen Becher Wein verloren gehen lassen. Eine andere zweckmäßige Einrichtung ist ein springender Brunnen hellen, frischen Wassers im Keller, der das Gemälde angenehm belebt, in die Ruhe des Ganzen sanfte Bewegung bringt, für die heilsame Abkühlung der etwa allzu weinheißen Köpfe sorgt und die prompte Reinigung aller Gefäße ermöglicht. Es ist nicht ohne Bedeutung, für den feinen Genuß der verschiedenen Weinsorten hintereinander stets frische, reingeschwenkte Gläser zur Hand zu haben.

Der Hofkeller umfaßt gegen sechshundert Fässer mit ungefähr 20,000 Eimern Wein; die Lagerung ist in den verschiedenen Gewölben, je nach ihrer Weite und Höhe, bald in zwei, bald in drei Reihen und hie und da in zwei Etagen übereinander. Zur Bearbeitung der Weine auf der obern Etage wird ein auf Rollen laufendes Gerüst von drei Fässerbreiten verwendet. Die neuere bessere Weinpflege hat das Volumen der Fässer sehr verringert: sonst lagen hier jene Faßgiganten, deren Vorbild das Heidelberger Faß war, und in welche man gewissermaßen die Ehre eines fürstlichen Kellers setzte, die aber doch nur der massenhaften Weinproduction von geringer Qualität entsprachen. Zum Andenken an jene Zeit liegt noch ein einziges Riesenfaß im Hofkeller, das 660 Eimer enthält und sein Dasein dem hochsinnigen Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal (1779–1795), dem vorletzten geistlichen Regenten dieses Landes, verdankt, wie eine gereimte Inschrift an dessen Fronte besagt.

In diesen handlichen Fässern von so sauberem, gastlichem Ansehen ruhen die edlen flüssigen Geister der gesegneten Frankenberge aus sehr verschiedenen Zeiten traulich beisammen. Das ist ein köstliches Ensemble, eine geistreiche Weltgeschichte der fränkischen Traube, auch ein Stück Deutschthum, und wahrlich keines der schlechtesten, nicht in Bücher gebunden, wie anderer deutscher Geist, sondern in Dauben und Reifen, Führen wir die Namen der berühmtesten und trefflichsten Werke der unterirdischen Gebinde an: es ist des Leisten edles Aroma, des Steins sanftes Feuer, des Pfülben köstliche Milde, Hörsteins feine Blume, Saalecks reizende Lieblichkeit, des Kalmuth poetische Kraft.

Eine humoristische Ironie ist es, daß man eine Abtheilung des Hofkellers „Schwedenkeller“ genannt hat, zum Andenken an die über alle Vorstellung durstige Thätigkeit dieser ungebetenen Gäste während der wenigen Jahre, in welchen sie hier die Herren spielten (1631–1634). Der ebenfalls nicht unbedeutende Keller der Veste Marienberg, der Vorgänger des jetzigen Hofkellers, war, nachdem sie das Schloß erstürmt, zumeist der Schauplatz dieses Wunders von nordischer Durstäußerung; es klingt fabelhaft, welche Massen von Wein sie während ihrer kurzen Existenz in Franken vertilgt haben. Wären sie die Herren des Landes geblieben, so wäre für keinen andern Menschen mehr eine Traube gewachsen. Nun lag im Marienberger Keller unter andern stattlichen Gesellen ein ziemlicher Riese von Faß, gefüllt mit dem delicaten Jahrgang 1540. Es war das Kostbarste, was die fürstbischöfliche Kellerei [30] barg. Sollte man das dem protestantischen Eroberer so ohne Weiteres überlassen? Es galt wenigstens den Versuch, das herrliche flüssige Gut, das man ein Jahrhundert lang mit so viel Liebe gepflegt, den nordischen Kehlen zu entfremden, in der Hoffnung, der liebe Gott werde das Schwedenregiment nicht allzulange dulden. Der Keller hatte eine kleine versteckte Abtheilung, irgend ein allerliebstes, geheimes Gemach; dahinein wurde der Cyklope des sechszehnten Jahrhunderts gebracht und so geschickt zugemauert, daß die Schweden, die doch sehr viel in diesem Keller verkehrten, ihm nicht auf die Spur kamen. Zur größten Freude aller gutkatholischen Weinzungen fand man den verborgenen Liebling gerettet in seiner Klause, als die scandinavischen Weinschläuche nach der Nördlinger Schlacht ihren Abmarsch genommen hatten. Als Erbe des Marienberger Kellers erhielt jene Abtheilung des Hofkellers zum Andenken an diese tragikomische Begebenheit ihren Namen. Der alte Goliath, der in jenem Drama die Hauptrolle gespielt, liegt zwar noch im Schwedenkeller, aber sein historisch berühmter Inhalt ist mit seinen jüngeren, nicht minder edlen und feurigen Brüdern, den berühmten Jahrgängen 1631 und 1728, nach dem königlichen Keller in München gewandert, nicht ohne vorher noch einmal in ihrer Gesellschaft den Kehlen trinklustiger Eroberer escamotirt worden zu sein. Als nämlich die französische Armee unter Jourdan 1796 siegreich heranzog, ließ der letzte Fürstbischof Georg Karl von Fechenbach diese Perlen seines neuen Hofkellers schnell nach dem nahen preußischen Orte Marktsteft bringen, wo sie unter den Fittigen des hohenzollerschen Adlers ein sicheres Asyl fanden. So kettet sich an die unselige Geschichte von der Uneinigkeit Deutschlands die komische dieser alten Weine. Das vor dem Schweden- und Franzosendurst gerettete Faß prangt mit einem gereimten Spruch an seiner Fronte, der Nachricht von der Geburt und Pflege des darin aufbewahrten Weines giebt.

Eine andere Kellerabtheilung führte sonst einen ebenfalls scherzhaften Namen. Weil nämlich in ihr die ältesten und edelsten Weine, die Crême des Leisten und des Stein von allen erhaltenen Jahrgängen, fein brüderlich beisammenlagen, so wurde dieses interessante Closet „die Sacristei“ genannt. Ueber dem Eingange liest man wieder gereimte Verse im Geschmack jener Zeit, die uns freilich nicht mehr so munden, wie die Weine. Von den Böden dieser Fässer und von den Mauern dieser Gewölbe sollten die den heutigen Weinen entsprechenden Gedichte und Reimsprüche des trefflichen Frankendichters Ludwig Bauer flammen, der seine vaterländischen Weine so reizend besungen hat. O dieser poetische Hofkeller verdiente, wie der Bremer Rathskeller, daß ein Dichter darin seine patriotisch-önologischen Phantasien schriebe, und sie müßten wahrlich noch farben-, geist- und gemüthreicher sich darstellen, als Wilhelm Hauff’s einst vielgelesenes Werk.