Textdaten
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Autor: Johann Nepomuk Vogl
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Titel: Das Christglöckchen
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch I, S. 315–317
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
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[315]
Das Christglöckchen.

Wieder würgt und brennt der Franze
Als ein grimmer Feind im Land;
Starr vor Schrecken
Sieht der Breisgau Dorf und Flecken

5
Eingeäschert durch den Brand.


Hecklingen, du armes Dörfchen!
Dich auch schont nicht seine Wuth;
Ohn’ Erretten
Wandelt dich zur wüsten Stätten

10
Der Vernichtung wilde Gluth.


Selbst des Kirchleins heil’ger Frieden
Hemmte nicht des Frevels Gang;
Weh! zerfallen
Liegst auch du, und Seufzer schallen,

15
Wo das Lob des Herrn erklang.


Unter Schutt und Kreuzestrümmern
Steht dort eine bleiche Frau;
Die Geberde
Spricht von Kummer, und zur Erde

20
Rollet ihrer Thränen Thau.


„Ach, die Stätte selbst verwüstet –“
Ruft sie, „wo mein Kind geruht;
Wo gefunden
Balsam ich für herbe Wunden,

25
Find’ ich jetzt nur Schmerzensgluth.


„Weihte dir ein Silberglöcklein,
Trost mir selbst in frühem Gram,
Heil’ge Stelle,
Ach, wie scholl’s so rein und helle

30
Immer, wenn die Christnacht kam!
[316]

In dem Brunnen dort verborgen
Blieb dem Feind des Glöckchens Werth,
Doch verschüttet
Ist er jetzt und wüst, zerrüttet,

35
Drüber Stein auf Stein geschwert.


„Nimmer soll ich wieder hören
Glöckchen dich, so hell und rein;
Wenn zu dienen
Dir, o Christ, die Nacht erschienen,

40
Ach, dann schweigst nur du allein!“ –


So ergießt sich ihre Klage
Oftmals an der Stätte dort;
Naß die Wange,
Horcht sie jedem Glockenklange,

45
Und verläßt in Gram den Ort.


Sieh, da weicht der Franze wieder,
Neu erstehet Kirch’ und Haus,
Keine Hände
Finden aber jene Spende

50
Aus des Brunnens Schutt heraus.


Und so ist die Nacht gekommen,
Die des Heiles Anbeginn;
Und zu neuer
Freudenvoller Christnachtfeier

55
Wallt nun Alt und Jung dahin.


Gramgebeugt erhebt die Eine
Auch von ihrem Lager sich,
Geht beklommen,
Schweigend, mit den andern Frommen,

60
Aber blutend innerlich.


Fremde Glocken hört sie tönen
Zu der Stunde Weihegruß;
Ihre Gabe
Liegt im finstren Trümmergrabe,

65
Und die Stelle tritt ihr Fuß.
[317]

Horch, da summt es leise – leise –
Ei, woher solch süßer Hall? –
Rein und helle
Klingt’s herauf aus dunkler Stelle –

70
Das ist ihres Glöckleins Schall!


Und mit ahnungsfrohem Herzen
Fällt auf’s Knie sie hin zur Frist;
Kann nicht scheiden,
Muß ihr Ohr am Klange weiden,

75
Denn ihr Glöckchen schallt dem Christ! –


Wieder auch, seit dieser Stunde,
Ward’s in ihrem Innern licht,
Stille Wehmuth
Ward ihr Schmerz, und fromm in Demuth

80
Lebte sie und klagte nicht.


Und mit jeder Christnachtfeier
Hört man noch das Glöckchen dort,
Rein und leise
Schallt’s in wundersamer Weise,

85
Und geheiligt ist der Ort.
Joh. Nep. Vogl.