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Rohrdorf,
Gemeinde III. Klasse 393 Einw. – Kath. Pfarrei.

Auf der Hochebene von dem nur 1/2 Stunde südlich gelegenen Neckarthale, im sogenannten Gäu, hat der Ort am Anfang eines kleinen gegen den Neckar ziehenden Thälchens eine angenehme, etwas gegen Süden geneigte Lage.

Der in die Länge gedehnte Ort selbst besteht gleichsam nur aus einer von Südost nach Nordwest hinziehenden, reinlich gehaltenen und gekandelten Straße, an der sich die meist ansehnlichen, Wohlhabenheit verrathenden Bauernhäuser (Höfe) in freundlichen Gruppen lagern.

Am südöstlichen Ende des Orts steht die Pfarrkirche, welche im Jahr 1858 mit Ausnahme eines kleinen, von der früheren Kirche stehen gelassenen Theils des Langhauses, im gothischen Styl neu erbaut wurde; der Chor schließt mit einem halben Achteck. Der viereckige, mit sehr schlankem Zeltdach versehene Thurm wurde nach einer über dem Eingang angebrachten Jahrszahl 1726 erbaut; die ursprüngliche Kirche hatte nur einen sog. Dachreiter.

| Die Glocken sind 1649 und 1846 gegossen worden.

Das Innere der Kirche, namentlich der neuere Theil derselben, ist sehr freundlich und enthält in dem gewölbten blau getünchten und mit goldenen Sternen gezierten Chor einen von Maintel in Horb gut gefertigten Hochaltar mit dem h. Georg, dem Schutzpatron der Kirche, zu dessen Seiten die Heiligen Wendelin und Sebastian stehen. Von den Nebenaltären im Schiff enthält der eine die Mutter Gottes, der andere den h. Joseph; beide ebenfalls von Maintel verfertigt. Die Baulast der Kirche hat die Gemeinde, wie denn auch von dieser nebst einem Staatsbeitrag von 700 fl. der neuere Theil der Kirche erbaut wurde.

Der um die Kirche gelegene Begräbnißplatz wurde im Jahr 1841 aufgegeben und dagegen ein neuer außerhalb (nordöstlich) vom Ort angelegt; auf demselben steht eine kleine Kapelle, die der jeweilige Schultheiß Schweizer als Grabmonument seines Sohnes erbauen ließ.

Das freundliche 1839–40 von der Gemeinde erbaute, und 1863 gründlich erneuerte Pfarrhaus liegt von Gärten umgeben zunächst der Kirche. Die Baulast hat die Gemeinde.

Das in den Jahren 1845–46 erbaute ansehnliche Schul- und Rathhaus enthält zwei Lehrzimmer, die Wohnung des Schulmeisters und die Gelasse für den Gemeinderath.

Ein Gemeinde-Backhaus, zwei öffentliche Waschhäuser, ein Schafhaus mit zwei Wohngelassen und einer Scheune und ein Armenhaus, das jedoch gegenwärtig nicht bevölkert ist, sind vorhanden.

Der Ort ist sehr wasserreich und an Trinkwasser, das drei Schöpf- und 15 Pumpbrunnen liefern, fehlt es auch in den trockensten Jahrgängen nicht. Eine mit Linden umpflanzte Wette ist mitten im Ort angelegt.

Vicinalstraßen bestehen nach Eutingen, Mühlen und Weitingen; da die Gemeindeeinwohner auch auf der rechten Seite des Neckars Güter besitzen, so hat die Gemeinde über den Fluß eine hölzerne Brücke anlegen lassen, bei der ein unbedeutendes Brückengeld entrichtet werden muß.

Die im allgemeinen sehr fleißigen Einwohner beschäftigen sich beinahe ausschließlich mit Landwirthschaft und befinden sich in günstigen Vermögensumständen; der vermöglichste Bauer hat einen Grundbesitz von 45 Morgen Felder und drei Morgen Waldungen, der sog. Mittelmann von 20 Morgen Felder und die minder bemittelte Klasse von 2–6 Morgen, überdieß besitzt mancher Bürger neben seinem | Grundeigenthum noch Kapitalien. In Lebensweise und Sitten gleichen die Einwohner den übrigen Gäubewohnern; es schwindet auch hier allmählig die alte Volkstracht und gestattet einer zwischen der städtischen und bäuerlichen inne stehenden Kleidung immer mehr Eingang. Besondere Volksbelustigungen kommen nicht mehr vor, bei Hochzeiten und Taufen tragen die Braut, die Brautjungfer und die Gevatterin, wenn letztere noch ledigen Standes und eine Jungfrau ist, noch die sog. Schappeln; unmittelbar nach der Trauung werden von den Brautleuten und den Ehrengesellen drei Tänze gethan, der „Schappelntanz“ genannt.

Die mittelgroße von Südwest nach Nordost in die Länge gedehnte Markung ist, mit Ausnahme der Steilgehänge gegen das Neckarthal und eines Seitenthälchens desselben, beinahe eben und hat im allgemeinen einen sehr fruchtbaren, größtentheils aus den Verwitterungen des Muschelkalkdolomits (Malm) und Lehm bestehenden Boden. Mehrere Muschelkalksteinbrüche, ein Muschelkalkdolomitbruch und eine Lehmgrube sind vorhanden.

Die klimatischen Verhältnisse sind günstig, Hagelschlag kommt selten vor, dagegen schaden zuweilen Frühlingsfröste dem Obst und dem Reps.

Die Landwirthschaft wird im Dreifeldersystem sehr gut getrieben und von der Gemeinde auf jede Weise durch Anlegung zweckmäßiger Wege, Anschaffung verbesserter Ackergeräthe (Repssämaschine, Häufel- und Felgpflug, zwei Eggen zum Ausreuten der Luzerne-Äcker etc.) begünstigt. Im Übrigen sind verschiedene Pflüge im Gebrauch, am häufigsten der Hebelpflug mit einer Vorrichtung zum Drehen desselben. Die Düngerstätten sind zweckmäßig mit Güllenbehältern eingerichtet; außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln wird auch die sog. Salzasche und Hallerde sehr häufig verwendet. Man baut die gewöhnlichen Getreidearten und vorzugsweise Dinkel, Gerste und Haber; in der zu 2/3 angeblümten Brache zieht man Kartoffeln, Angersen, Futterkräuter (viel dreiblätterigen Klee, Luzerne und etwas Esparsette), Ackerbohnen, ziemlich viel Kohlreps, auch Rübreps, wenig Mohn, wenig Flachs, desto mehr Hanf. Der Hopfenbau wird gegenwärtig auf 12 Morgen getrieben. An Aussaat rechnet man auf den Morgen 7–8 Sri. Dinkel, 3 Sri. Gerste, 31/2 Sri. Weizen, 51/2 Sri. Haber und der Ertrag eines Morgens wird zu 10–12 ausnahmsweise 14 Scheffel Dinkel, 4–5 Scheffel Gerste, 5–6 Scheffel Weizen, 6–7 Scheffel Haber, angegeben. Die Preise der Äcker bewegen sich von 400–900 fl. und die der Wiesen von | 500–1000 fl. per Morgen. Von den Getreideerzeugnissen werden jährlich durch Vermittlung von benachbarten Fruchthändlern (Schäufler) etwa 2500 Scheffel Dinkel, 700 Scheffel Gerste, 100 Scheffel Weizen und 100 Scheffel Haber nach Außen abgesetzt.

Die durchgängig zweimähdigen Wiesen, von denen nur drei Morgen bewässert werden können, liefern gutes Futter, besonders die im Neckarthal gelegenen, und zwar durchschnittlich 25 Centner Heu und 12 Centner Öhmd per Morgen.

Die Obstzucht beschränkt sich auf die um das Dorf gelegenen Baumgärten und die mit Obstbäumen besetzten Landstraßen; man zieht Rainetten, Luiken, Breitäpfel, Kohl-, Knaus-, Wadel-Spitz-Birnen und Zwetschgen. Die Jungstämme werden theils aus der Gemeindebaumschule, theils von Tübingen und aus der Steinlach bezogen. Das Obst wird im Ort verbraucht.

Die Weide ist gut und wird um 434 fl. an einen Schäfer im Ort verpachtet, der im Vorsommer 160 Stück, im Nachsommer 200 Stück deutsche und Bastardschafe auf der Markung laufen läßt und fettgemachte Hämmel nach Genf und Paris absetzt, während er die Wolle auf dem Kirchheimer Markt verkauft. Die Pferchnutzung trägt der Gemeindekasse jährlich 300–400 fl. ein.

Die Pferdezucht ist ganz unbedeutend, dagegen die Rindviehzucht sehr namhaft und bildet einen besondern Erwerbszweig; man züchtet vorzugsweise eine mittelstarke Landrace und außer dieser auch Simmenthaler, Limpurger etc.; zur Nachzucht sind zwei Farren aufgestellt, die ein Bürger Namens der Gemeinde unterhält. Es findet Ochsenmastung statt und die fettgemachten Thiere werden theils an Metzger, theils nach Frankreich abgesetzt; überdieß wird noch ziemlich viel Vieh in Handel gebracht.

Die Zucht der Schweine ist nicht hinreichend, es müssen daher noch viele Ferkel und Läufer von Außen bezogen werden; man beschäftigt sich mit der halbenglischen und bayerischen auch ungarischen Race und die gemästeten Schweine werden theils in’s Haus geschlachtet, theils an Metzger abgesetzt.

Die Geflügelzucht wird ziemlich stark betrieben und bildet einen kleinen Handelsartikel.

Von keinem Belang ist die Bienenzucht und überdieß noch in der Abnahme begriffen.

Das Fischrecht im Neckar hat der Staat, der es verpachtet.

Was die Gewerbe betrifft, so sind außer den nöthigsten, für den Ort arbeitenden Professionisten noch zu nennen: zwei Schildwirthschaften, | ein Krämer, ein Frachtfuhrmann und Großhändler, der im Ort und in der Umgegend Reps, Gerste, zuweilen auch Hopfen aufkauft und im Schwarzwald, Straßburg und hauptsächlich in Donaueschingen wieder absetzt; derselbe nimmt als Zurückfracht Salz und Salzasche und setzt diese Artikel im Ort und der Umgegend wieder ab. Im Ort befindet sich auch ein Wollenstricker, der viele Kinder und schwächliche Personen beschäftigt und seine Fabrikate (wollene Kittel, Strümpfe etc. etc.) an ein Handlungshaus in Calw verkauft.

An Waldungen besitzt die Gemeinde 190 Morgen; sie ertragen jährlich 40–48 Klafter, von denen jeder Bürger etwa 1/2 Klafter erhält.

Etwa 1/4 nördlich vom Ort zieht die römische Hauptstraße von Rottweil nach Rottenburg über die Markung und in deren Nähe liegt eine Flur „Steinmauren“ genannt, auf der man in einer Ausdehnung von etwa 6 Morgen Grundreste von römischen Gebäuden, Bruchstücke von römischen Ziegeln und Gefäßen, eine Wasserleitung etc. entdeckt hat.

An der Südwestseite des Dorfs entdeckte man im Jahr 1840 altes Gemäuer, Ziegel, Gefäße etc., die zur Vermuthung führten, daß hier Wohnhäuser standen, was auch die Volkssage bestätigt.

Der Ort scheint schon im Jahr 770 unter den Orten, wo das Kloster Lorsch Besitzungen erhielt, vorzukommen (Cod. Laur. nr. 3293. 3294, dürfte Rordorpher marca statt Rosdorpher zu lesen sein, s. Stälin Wirt. Gesch. 1, 312). Er war gleich Eutingen, so lange das Geschlecht der Herren von Eutingen blühte, eine Zugehörde ihrer Herrschaft und Burg Eutingerthal. Einzelne Besitzungen veräußerten dieselben in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an das Kloster Kirchberg als freies Eigen. Dagegen mußte 1295 Eberhard von Bössingen seinen Hof zu Rohrdorf gelegen als Lehen von der Gräfin Elisabeth von Eberstein anerkennen.

Im J. 1384 kommt Rohrdorf zugleich mit Eutingen als hohenbergisch-österreichisch vor. Österreich besaß vor 1806 Landeshoheit, Blutbann, Geleit, Forstherrlichkeit und niedere Gerichtsbarkeit.

Der Layenzehnten war 1405 Lehen von dem Grafenhaus Fürstenberg (Schmid Gr. v. Hohenb. 467).

Nach dem Tode der im Jahr 1482 gestorbenen Pfalzgräfin Mechthild, Mutter des Grafen Eberhard im Bart (in zweiter Ehe Gemahlin des Erzherzogs Albrecht von Österreich), an welche Rohrdorf | und Weitingen von Österreich verpfändet gewesen war, kamen diese Orte, wenigstens Theile derselben[1] pfandweise an den genannten Sohn, welcher sie, doch mit Vorbehalt der Losung für Österreich, seinem Haushofmeister Dietrich Spät übergab (Steinhofer 3, 358). Die Rücklosung des Pfandes aus Spät’schen Händen durch Österreich fand erst 1576 statt. Am 21. Febr. 1605 kamen diese Dörfer, Rohrdorf und Weitingen, mit der ganzen Grafschaft Hohenberg an Markgraf Karl von Burgau, welcher sie bis an seinen Tod († 1618) als österreichisches Reichsafterlehen behielt; jedoch wurde in dem ihm eingehändigten sog. Ratifikations-Libell dd. Insprugg den 21. Jan. 1608 wegen der ihm zum Genusse überlassenen Lande verordnet, daß er und seine ehelichen männlichen Leibs- und Lehenserben ohne sonderes Vorwissen und Bewilligung des Lehensherrn (des Hauses Österreich) nichts oneriren, versetzen, verkaufen oder sonst in einigerlei Weg alieniren oder veräußern sollten. – Dieser Markgraf Karl von Burgau hatte zwei natürliche Söhne, genannt von Hohenberg.[ER 1] Auf diese Familie kam am 2. Jan. 1621 Weitingen, Rohrdorf, Hirschau, Wurmlingen pfandweise; sie erhielt 1677 den freiherrlichen Charakter mit dem Titel Herren zu Weitingen. Durch die mit der Wittwe des letzten Freiherrn von Hohenberg geschlossene Heirath kam der Pfandsflecken an die Raßler’sche Familie, wurde aber 1749 ausgelöset und als Kammergut zur Grafschaft Hohenberg eingezogen, die dazu gehörigen Hofgüter aber wurden am 16. März 1786 an die dasigen Unterthanen erbbestandweis überlassen (Gärth).

In kirchlicher Beziehung gehörte Rohrdorf, welches längst eine eigene Kirche hatte, ursprünglich zur Pfarrei Eutingen, später zur Pfarrei Weitingen; im Jahr 1842 wurde eine eigene Pfarrei errichtet. Die Kollatur ist landesfürstlich.

Unter den benachbarten Klöstern erhielt das zu Kirchberg (1258 ff.) und das auf dem Kniebis 1285 (v. Stillfried Mon. Zoll. 259) hiesige Besitzungen.


  1. In früherer Zeit (1429) war Theilhaber Heinrich von Mansperg, darauf dessen Witwe geb. v. Lichtenstein und deren zweiter Gemahl Otto v. Waldeck; nach dem Ableben der Lichtensteinerin Schwarzfritz von Sachsenheim (Schmid Monum. Hohenb. 903, vergl. unten Urnburg).

Errata

  1. S. 238. Über die natürlichen Söhne des Markgrafen Karl von Burgau, Karl und Ferdinand von Hohenberg, von denen der jüngere, 1660 kinderlos sterbend, den Jesuiten sein Vermögen vermachte, und über deren Nachkommenschaft s. Gebhardi, Gesch. der erbl. Reichsstände 2, 453, nach welchem der Mannsstamm derselben 1728 erlosch. Genannt wird noch ein, am 18. Mai 1726 zu Oberndorf durch einen Sturz gestorbener Wilhelm Ferdinand von Hohenberg, welchen Gebhardi nicht aufführt. Siehe Berichtigungen und Nachträge, Seite 273–276.


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