BLKÖ:Prochaska, Franz Faustin

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 23 (1872), ab Seite: 329. (Quelle)
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Prochaska, Franz Faustin (gelehrter Paulanermönch, geb. zu Neupakau im Gitschiner Kreise Böhmens 13. Jänner [330] 1749, gest. zu Prag 2. December 1809). Nachdem er den Elementarunterricht im Elternhause genossen, kam er zur weiteren Ausbildung in das Cisterzienserkloster Grüßau in Schlesien, wo er drei Jahre als Sängerknabe zubrachte und zugleich die unteren Grammatikalclassen besuchte; dann kam er als Geigenspieler in das Jesuiten-Collegium nach Gitschin und beendete zu gleicher Zeit die Humanitätsclasse daselbst. Im Jahre 1766 ging er nach Prag und hörte an der dortigen Hochschule die Philosophie. Im folgenden Jahre trat er im Kloster Wranau in den Paulanerorden, in welchem er seinen bisherigen Namen Franz mit dem Klosternamen Faustin vertauschte und am 25. October 1768 das Ordensgelübde ablegte. Daselbst oblag er noch durch zwei Jahre den philosophischen Studien, erlangte dann daraus die Magisterwürde, zugleich aber betrieb er fleißig Vocal- und Instrumentalmusik. Um diese Zeit lebte gleichfalls im Paulanerorden der als Orientalist und Slavist geschätzte Fortunat Durich [Bd. III, S. 394], der, als er Prochaska’s nicht gewöhnliche Talente und wissenschaftliche Neigungen erkannte, sich ihm mit wohlwollender Theilnahme zuwendete und ihm zum Studium der čechischen, der classischen und orientalischen Sprachen, vorzüglich aber zu jenem der vaterländischen politischen und literarischen Geschichte aneiferte. Im Jahre 1770 begann P. das Studium der Theologie und am 15. Juni 1772 feierte er nach Empfang der heil. Weihen seine Primiz. In diesem Jahre betrat er auch mit einem Festgedichte zur Jubelfeier seines Abtes Ingrueber die schriftstellerische Laufbahn. Nun wurde er Prediger im Kloster seines Ordens zu Prag, zu gleicher Zeit aber unterrichtete er die jungen Kleriker in den Humanitätswissenschaften und war auch Lector der orientalischen Sprachen, des Kirchenrechts und der Hermeneutik. Um diese Zeit beschloß der damalige Prager Erzbischof Peter Přichovský über Anregung der Kaiserin Maria Theresia die Herausgabe der Bibel in einer neuen čechischen Uebersetzung und sollte mit deren Ausführung Fortunat Durich betraut werden. Dieser aber übertrug die Arbeit seinem Freunde Prochaska, welcher sie gern übernahm und in ganz entsprechender Weise ausführte. [Die Titel von Prochaska’s Schriften folgen auf der nächsten Seite.] Die Uebersetzung fand zu jener Zeit allgemeinen Beifall und die Kaiserin Maria Theresia befahl, 1000 Exemplare unter das Landvolk zu vertheilen. Nur einige Theologen, wie denn dieß bei dergleichen Fällen immer vorkommt, fanden dieß und jenes bei seiner Arbeit zu tadeln und zogen ihm dadurch vielen Verdruß zu. Ueberdieß beschäftigte sich P. zu jener Zeit mit verschiedenen Forschungen und Arbeiten über die böhmische und mährische Literatur. Als um diese Zeit über Anordnung des Kaiser Joseph II. mehrere Ordensklöster in Oesterreich, darunter auch jenes, welchem P. angehörte, aufgehoben und die Mitglieder desselben entlassen wurden, trat P. in den Stand der Weltgeistlichen über und widmete sich nun ausschließlich seinen literarischen Arbeiten. Er unternahm damals in Gemeinschaft mit dem Buchhändler Kaspar Widmann die Herausgabe mehrerer älterer čechischer, belehrender, theologischer und historischer Schriften. Durch seine wissenschaftlichen Arbeiten hatte P. die Aufmerksamkeit mehrerer hochgestellter und einflußreicher Personen auf sich gezogen, welche dann auch eine so tüchtige Kraft für die Zwecke des Staates benützen [331] wollten; so wurde P. im Jahre 1786 zum Director der Prager Gymnasien und zum böhmischen Büchercensor ernannt, welch letztere Stelle er im ganz liberalen Sinne handhabte; im Jahre 1800 wurde er zum Referenten für die Gymnasien bei dem Studium-Conseß berufen, welcher damals bei dem Prager Gubernium eingesetzt morden war; übrigens wurden bei ihm Gutachten über gelehrte Sachen, in Unterrichtsangelegenheiten, bei Organisirung von Schulen u. dgl. m. eingeholt. Nach einer zwanzigjährigen verdienstvollen Thätigkeit auf diesem Posten wurde P. im J. 1807 zum Director der sämmtlichen Gymnasien in Böhmen und zugleich zum k. k. Bibliothekar der Prager Universitäts-Bibliothek ernannt. Diese neue Stellung, welche seine ganze Zeit in Anspruch nahm, lähmte seine literarische Thätigkeit; auch war es ihm nicht vergönnt, lange in derselben zu wirken, denn schon zwei Jahre später ereilte ihn im Alter von 60 Jahren ein plötzlicher Tod. Prochaska schrieb in lateinischer, deutscher und čechischer Sprache. Die Titel seiner Schriften sind: „Monumentum Rev. P. Ernesto Ingrueber Ord. Min. S. Franc. de Paula“ (Pragae 1772); – „Bibli česká, to jest: celé svati písmo starého i nového zákona podlé starého obecného přeloženi (vulgaty) přehlednuté a ponapravené a znova vydané …“, d. i. Čechische Bibel oder die h. Schrift alten und neuen Testamentes, nach der Vulgata übersetzt u. s. w. (Prag 1780, 8°.); P. übersetzte später die Bibel noch einmal und gab sie 1804 heraus, und diese letztere Uebertragung mit den beigefügten kritischen Anmerkungen wird als die Krone seiner gelehrten Arbeiten bezeichnet. Die bibliographischen Titel der Prochazka’schen Bibelübersetzungen siehe in Franz Doucha’s „Knihopisny slovník česko-slovensky“, S. 9, im Schlagwort „Bibel“; – „Ueber die Broschürenliteratur unserer Zeit“ (Prag 1782, 8°. ]; – „De saecularibus liberalium artium in Bohemia et Moravia fatis commentarius“ (Pragae 1782); – „Miscellaneen der böhmischen und mährischen Literatur seltener Werke und verschiedenen Handschriften“, I. Theil in 3 Heften (Prag 1784 und 1785, 8°.), wegen Mangel an Theilnahme setzte P. dieses Werk nicht weiter fort; – „Knjzka svátého Augustyna, giz dal tytul: Samotne rozmlauwany“, d. i. Büchlein des h. Augustin, dessen Titel ist: einsame Gespräche (Soliloquia) (Prag 1786); – „Knjzka sw. Augustyna kterauz nazwal Rukowět“, d. i. Buch des h. Augustin, betitelt: Handbuch (ebd. 1786); – „Erazma Roterdamského kniha v kterež, jednomu ... člověku naučeni ... se dává, jakby se k smrti hotoviti měl“, d. i. Das Buch des Erasmus von Rotterdam, worin dem Menschen die Anweisung gegeben wird, wie sich auf den Tod vorzubereiten sei (ebd. 1786, 8°.); – „Epistoly sw. Ignácya Arcybiskupa Antyochye“, d. i. Briefe des h. Ignaz, Erzbischofs von Antiochia (ebd. 1786); – „Knyzky dwe sw. Augustyna: Zrcadlo hrissneho cloweka a o marnosti zdegssiho ziwota ...“, d. i. Zwei Bücher des h. Augustin: Spiegel des sündhaften Menschen und von der Eitelkeit dieses Lebens (Prag 178., 8°.); – „Veytah z regimentu zdrawj od Henrycha Ranzowia …“, d. i. Auszug aus der Anleitung zur Gesundheit von Heinrich Rancovius (Prag 1786, 8°.). zur Uebersetzung schrieb P. auch eine Vorrede; – „Přjkladné řeči a užitečná naučení vybraná z kněh hlubokých mudrců …“, d. i. Musterhafte Reden und nützliche [332] Lehren, ausgezogen aus Büchern tiefer Denker (Prag 1786), es ist dieß die 4. Bearbeitung eines schon 1529 erschienenen Büchleins; – „Výtah z Kroniky Mozkowské“, d. i. Auszug aus der Moskauer Chronik (ebd. 1786, 8°.), eine neue Bearbeitung der Herberstein’schen Reise in Rußland, welche Veleslavín schon im J. 1590 hatte erscheinen lassen; – „Kronika Boleslawské o postoupnosti knjzata kralu Českých …“, d. i. Die Bunzlauer Chronik u. s. w. (Prag 1786, 8°.), eine von Prochaska besorgte Ausgabe der schon 1620 zuerst im Drucke erschienenen Chronik von Dalimil; – „Cesta s Prahy do Benátek odtud po moři az do Palestyny“, d. i. Reise von Prag nach Venedig und von da übers Meer nach Palästina (ebd. 1786, 8°.), zweite Ausgabe der zuerst im Jahre 1563 erschienenen Reisebeschreibung des Oldřich Prefát z Vlkánov; – „Ziwot Karla ctwrtého krale českého“, d. i. Lebensbeschreibung Karl’s IV., Königs von Böhmen (Prag 1791, 8°.); – „Přibík Pulkavy z Radonina kronika česka“, d. i. Des P. Pulkawa böhmische Chronik (Prag 1786, 8°.), die erste čechische Ausgabe dieser Chronik aus dem Jahre 1374; – „Knjzka Sv. Augustina o městě božím“, d. i. Buch des h. Augustin von der Stadt Gottes (ebd. 1786, 8°.); – „Er. Rotrdamského kniha o rytíři křestanském“, d. i. Buch des Erasmus von Roterdam, von dem christlichen Ritter (Prag 1787), zweite Ausgabe dieses zuerst 1819 in čechischer Uebersetzung erschienenen Buches. Prochaska war als Mensch, Priester und Schriftsteller eine zu seiner Zeit hochgeachtete Persönlichkeit, deren Andenken noch heute in der čechischen Literaturgeschichte in Ehren gehalten wird. P. war es, seiner Zeit fast der Einzige, welcher die čechische Literatur pflegte und wesentlich zu dem nachmaligen Aufleben derselben beigetragen hat. Selbst deutsche Quellen seiner Zeit und solche, die mit den Männern der Oeffentlichkeit nicht zu milde zu Gericht gehen, wie die „Oesterreichische Biedermanns-Chronik“, charakterisiren P. als „der elegantesten Literatoren einen, ein durchaus liebenswürdiger, bescheidener, toleranter Theolog und Gelehrter“. P. wurde auf dem Wolschaner Friedhofe beigesetzt und damals bezeichnete ein unbedeutendes steinernes Täfelchen mit der Aufschrift: P. M. Faustini Prochaska C. R. Bibliothek. Praefecti et Gymnas. Directoris. Obiit d. 2. Dec. Anno 1809 aet. an. 60. R. I. P. seine Ruhestätte.

Světozor (Prager illustr. Zeitung, kl. Fol.) 1867, Nummer vom 19. Juli: „František Faustyn Procházka“; – dasselbe Blatt 1869, bringt S. 96 eine Ansicht von P.’s Geburtshause. – Barth. Kopitar’s Kleinere Schriften, herausgegeben von Franz Miklosich (Wien, 8°.) Bd. I, S. 58. – Annalen der Literatur und Kunst in den österreichischen Staaten (Wien, Degen, 4°.) II. Jahrg. (1803), Intelligenzblatt des Monats Juni, Sp. 129–131: „VI. Beitrag zum gelehrten Oesterreich“ [mit dem irrigen Geburtsdatum 13. Jänner 1779 statt 1749]. – Annalen der Literatur und Kunst des In- und Auslandes (Wien, Doll, 8°.) Jahrg. 1810, Bd. II, S. 117. – (Hormayr’s) Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst (Wien, 4°.) XIV. Jahrg. (1823), S 460. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1833, 8°.) Bd. IV, S. 297. – Vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat (Wien. 4°.) Jahrg. 1810, S. 42; „Nekrolog“. – Schmidl (Adolph), Oesterreichische Blätter für Literatur und Kunst (Wien, 4°.) I. Jahrg. (1844), Beiblatt Nr. 3 (vom 10. Februar), S. 21, in Spirk’s „Geschichte und Beschreibung der k. k. Universitäts-Bibliothek zu Prag“. – Porträt. Holzschnitt im „Světozor“ (Prag) 1867, S. 11, gezeichnet von Scheiwl, geschnitten von Slapnicka; – Holzschnitt auf einem [333] bei Heinrich Fuchs in Prag erschienenen Gruppenbilde čechischer Notabilitäten.