Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 1 (1856), ab Seite: 333. (Quelle)
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Berres, Joseph (Arzt, geb. zu Göding in Mähren 18. März 1796, gest. 24. Dec. 1844). Ist der Sohn eines Wundarztes und brachte es vom einfachen Badergehilfen zu der ehrenvollen Stelle, die er bei seinem für die Wissenschaft zu schnell erfolgten Tode einnahm. Im Jahre 1817 – also im Alter von 21 Jahren – wurde er Professor der Anatomie an der Universität zu Lemberg. Daselbst machte er sich durch seine Secir-Anstalt und die vielen lehrreichen Präparate, mit denen er das anatomische Museum Lembergs beschenkte, besonders verdient. Im Jahre 1830 kam er in gleicher Eigenschaft an die Wiener Hochschule. Seine wissenschaftlichen Arbeiten sind: „Anthropotomie, oder Lehre von dem Bau des menschlichen Körpers“ (Wien 1821, 2. Auflage ebenda 1835–1841, 2 Bde. mit K. K.); die zweite Auflage dieses Werkes (wovon 1826 in Lemberg eine Ausgabe in 4 Bänden erschienen sein soll?) verschaffte dem Verfasser einen europäischen Ruf, indem er besonders die Embryonologie darin mit den scharfsinnigsten Entdeckungen bereicherte; – „Ueber die Holzsäure und ihren Werth“ (Wien 1823); – „Erfahrungen über die Cholera“ (Lemberg 1831); – und endlich sein Hauptwerk: „Anatomie der mikroskopischen Gebilde des menschlichen Körpers“ (Wien 1837–43, 12 Lfgn. mit 24 Kupfertaf., Fol.). Durch eine Reihe von Jahren hatte B. die mikroskopische Anatomie zum Hauptgegenstande seiner Forschungen gemacht und gelangte durch die vortrefflichen Instrumente [334] Plößls (s. d.) zu einer Reihe von Resultaten über die letzten Structur-Verhältnisse der Körpertheile, deren Bedeutung für die Wissenschaft allgemein anerkannt worden. Der Gebrauch des Mikroskops hatte – da man sich nicht die Mühe genommen, früher das Werkzeug genau zu studiren, ehe man zum Studium jener Dinge schritt, deren Kenntniß das Werkzeug vermitteln half – in der Wissenschaft ein ungeheueres Feld der Selbsttäuschung geöffnet. B. hatte durch langjährigen sorgfältigen Gebrauch des Mikroskops dessen Mängel genau kennen gelernt, war daher durch wiederholte Ueberzeugung vor jeder Selbsttäuschung gesichert und schilderte nunmehr in seinem letzten Werke die Wunder des Baues der organischen Systeme, in Hinsicht ihrer Elementar-Verhältnisse, wodurch er ganz neue überraschende Ansichten alles Organisirten gewann. Bisher für bedeutungslos angesehene Gebilde gestalteten sich zu den complicirtesten Organen und was man bisher für einfach ansah, zeigte eine neue wunderbare Zusammensetzung seiner Bestandtheile. Leider wurde er mitten in seinen Forschungen durch den Tod unterbrochen. Aber nicht blos seine Berufswissenschaft betrieb er mit so glänzenden Erfolgen im Gebiete der Wissenschaft, allem Neuen wendete er sich mit Energie zu und kaum erscholl die Kunde von Daguerre’s wundervoller Entdeckung wie eine Zaubermythe durch die Welt, so unternahm auch Berres die kostspieligsten und schwierigsten Versuche, bis es ihm gelang, das von den Wellen des Lichtes gezeichnete Bild festzuhalten und durch den Druck zu vervielfältigen (siehe dieses Lexikon: Axmann, S. 96 u. 97). B. war selbst geschickter Zeichner und fertigte die Abbildungen zu seinen anatomischen Schriften alle selbst an; als Freund der Kunst besaß er auch eine an schönen Bildern reiche Gemäldesammlung. B. war Autodidakt, hatte niemals den akademischen Doctorgrad erworben und erhielt nur als Auszeichnung den Doctortitel der Chirurgie. Berres war ein echter Priester der Wissenschaft, rastlos, vielseitig, ein durch sein Wissen und sein liebenswürdiges Benehmen beliebter Arzt, dem die anatomische Schule Wiens ein neues Aufblühen und Gedeihen verdankt.

Oestr. National-Encyklopädie (von Gräffer u. Czikann), (Wien 1835, 6 Bde.) I. Bd. S. 279. Suppl. VI. Bd. S. 368. – Frankl (L. A.), Sonntagsblätter (Wien, Lex. 8°.) 1844 S. 1221. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für gebildete Stände (Hildburghausen 1845) IV. Bd. 4. Abth. S. 659.