Verordnung, betreffend die Ausdehnung der §§. 135 bis 139 und des §. 139b der Gewerbeordnung auf die Werkstätten der Kleider- und Wäschekonfektion

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Titel: Verordnung, betreffend die Ausdehnung der §§. 135 bis 139 und des §. 139b der Gewerbeordnung auf die Werkstätten der Kleider- und Wäschekonfektion.
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Art:
Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1897, Nr. 25, Seite 459–462
Fassung vom: 31. Mai 1897
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 2. Juni 1897
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(Nr. 2391.) Verordnung, betreffend die Ausdehnung der §§. 135 bis 139 und des §. 139b der Gewerbeordnung auf die Werkstätten der Kleider- und Wäschekonfektion. Vom 31. Mai 1897.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths, auf Grund des §. 154 Absatz 4 der Gewerbeordnung unter Hinweis auf §. 146 Absatz 1 Ziffer 2 und §. 149 Absatz 1 Ziffer 7 a. a. O., was folgt:

§. 1.

Auf Werkstätten, in welchen die Anfertigung oder Bearbeitung von Männer- und Knabenkleidern (Röcken, Hosen, Westen, Mänteln und dergleichen), Frauen- und Kinderkleidung (Mänteln, Kleidern, Umhängen und dergleichen), sowie von weißer und bunter Wäsche im Großen erfolgt (Kleider- und Wäschekonfektion), finden die Bestimmungen der §§. 135 bis 139 und des §. 139b der Gewerbeordnung mit den aus dem Folgenden sich ergebenden Abänderungen Anwendung.

§. 2. (§. 135 der Gewerbeordnung.)

Kinder unter dreizehn Jahren dürfen nicht beschäftigt werden. Kinder über dreizehn Jahre dürfen nur beschäftigt werden, wenn sie nicht mehr zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind.
Die Beschäftigung von Kindern unter vierzehn Jahren darf die Dauer von sechs Stunden täglich nicht überschreiten.
Junge Leute zwischen vierzehn und sechszehn Jahren dürfen nicht länger als zehn Stunden täglich beschäftigt werden.

§. 3. (§. 136 der Gewerbeordnung.)

Die Arbeitsstunden der jugendlichen Arbeiter (§. 2) dürfen nicht vor fünfeinhalb Uhr Morgens beginnen und nicht über achteinhalb Uhr Abends dauern. [460] Zwischen den Arbeitsstunden müssen an jedem Arbeitstage regelmäßige Pausen gewährt werden. Für jugendliche Arbeiter, welche nur sechs Stunden täglich beschäftigt werden, muß die Pause mindestens eine halbe Stunde betragen. Den übrigen jugendlichen Arbeitern muß mindestens entweder Mittags eine einstündige sowie Vormittags und Nachmittags je eine halbstündige, oder Mittags eine einundeinhalbstündige Pause gewährt werden.
Während der Pausen darf den jugendlichen Arbeitern eine Beschäftigung in dem Werkstattbetrieb überhaupt nicht und der Aufenthalt in den Arbeitsräumen nur dann gestattet werden, wenn in denselben diejenigen Theile des Betriebs, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt sind, für die Zeit der Pausen völlig eingestellt werden, oder wenn der Aufenthalt im Freien nicht thunlich und andere geeignete Aufenthaltsräume ohne unverhältnißmäßige Schwierigkeiten nicht beschafft werden können.
An Sonn- und Festtagen, sowie während der von dem ordentlichen Seelsorger für den Katechumenen- und Konfirmanden-, Beicht- und Kommunionunterricht bestimmten Stunden dürfen jugendliche Arbeiter nicht beschäftigt werden.

§. 4. (§. 137 der Gewerbeordnung.)

Arbeiterinnen dürfen nicht in der Nachtzeit von achteinhalb Uhr Abends bis fünfeinhalb Uhr Morgens und am Sonnabende sowie an Vorabenden der Festtage nicht nach fünfeinhalb Uhr Nachmittags beschäftigt werden.
Die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sechszehn Jahre darf die Dauer von elf Stunden täglich, an den Vorabenden der Sonn- und Festtage von zehn Stunden nicht überschreiten.
Zwischen den Arbeitsstunden muß den Arbeiterinnen eine mindestens einstündige Mittagspause gewährt werden.
Arbeiterinnen über sechszehn Jahre, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlassen, sofern diese, nicht mindestens ein und eine halbe Stunde beträgt.
Wöchnerinnen dürfen während vier Wochen nach ihrer Niederkunft überhaupt nicht und während der folgenden zwei Wochen nur beschäftigt werden, wenn das Zeugniß eines approbirten Arztes dies für zulässig erklärt.

§. 5. (§. 138 der Gewerbeordnung.)

Sollen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, so hat der Arbeitgeber vor dem Beginne der Beschäftigung der Ortspolizeibehörde unter Angabe der Werkstätte eine schriftliche Anzeige zu machen.
Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, daß in den Werkstatträumen, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, an einer in die Augen fallenden Stelle ein Verzeichniß der jugendlichen Arbeiter unter Angabe des Beginns und Endes ihrer Arbeitszeit und unter Angabe der Pausen ausgehängt ist. Ebenso hat er dafür zu sorgen, daß in den betreffenden Räumen eine Tafel ausgehängt [461] ist, welche in der von der Landes-Zentralbehörde zu bestimmenden Fassung und in deutlicher Schrift einen Auszug aus den Bestimmungen dieser Verordnung enthält.

§. 6. (§. 138a der Gewerbeordnung.)

Ueber die im §. 4 Absatz 1 und 2 festgesetzte Zeit dürfen Arbeiterinnen über sechszehn Jahre an sechszig Tagen im Jahre beschäftigt werden. Diese Beschäftigung darf dreizehn Stunden täglich nicht überschreiten und nicht länger als bis zehn Uhr Abends dauern.
Hierbei kommt jeder Tag in Anrechnung, an welchem auch nur eine Arbeiterin über die nach §. 4 zulässige Dauer der Arbeitszeit hinaus beschäftigt ist.
Gewerbetreibende, welche Arbeiterinnen über sechszehn Jahre auf Grund der vorstehenden Bestimmungen über die im §. 4 Absatz 1 und 2 festgesetzte Zeit hinaus beschäftigen, sind verpflichtet, ein Verzeichniß anzulegen, in welches jeder Tag, an dem Ueberarbeit stattgefunden hat, noch am Tage der Ueberarbeit einzutragen ist. Das Verzeichniß ist auf Erfordern der Ortspolizeibehörde, sowie dem Gewerbeaufsichtsbeamten jederzeit vorzulegen.

§. 7. (§. 139 der Gewerbeordnung.)

Wenn Naturereignisse oder Unglücksfälle den regelmäßigen Betrieb einer Werkstätte unterbrochen haben, so können Ausnahmen von den vorstehend vorgesehenen Beschränkungen auf die Dauer von vier Wochen durch die untere Verwaltungsbehörde, auf längere Zeit durch die höhere Verwaltungsbehörde zugelassen werden.
Wenn die Natur des Betriebs oder Rücksichten auf die Arbeiter in einzelnen Werkstätten es erwünscht erscheinen lassen, daß die Arbeitszeit der Arbeiterinnen oder jugendlichen Arbeiter in einer anderen als der durch §§. 3 und 4 Absatz 1 und 3 vorgesehenen Weise geregelt wird, so kann auf besonderen Antrag eine anderweite Regelung hinsichtlich der Pausen durch die untere Verwaltungsbehörde, im Uebrigen durch die höhere Verwaltungsbehörde gestattet werden. Jedoch dürfen in solchen Fällen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht Pausen von zusammen mindestens einstündiger Dauer gewährt werden.
Die auf Grund vorstehender Bestimmungen zu treffenden Verfügungen müssen schriftlich erlassen werden.

§. 8.

Die vorstehenden Bestimmungen finden keine Anwendung:
1. auf Werkstätten, in welchen der Arbeitgeber ausschließlich zu seiner Familie gehörige Personen oder nur gelegentlich nicht zu seiner Familie gehörige Personen beschäftigt,
2. auf Werkstätten, in welchen die Herstellung oder Bearbeitung von Waaren der Kleider- und Wäschekonfektion nur gelegentlich erfolgt. [462]

§. 9.

Diese Verordnung tritt mit dem 1. Juli 1897 in Kraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Neues Palais, den 31. Mai 1897.
(L. S.)  Wilhelm.

  von Boetticher.