Verordnung, betreffend den Geschäftsgang und das Verfahren des Reichs-Versicherungsamts

Gesetzestext
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Titel: Verordnung, betreffend den Geschäftsgang und das Verfahren des Reichs-Versicherungsamts.
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Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1900, Nr. 49, Seite 983 - 997
Fassung vom: 19. Oktober 1900
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 24. Oktober 1900
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(Nr. 2724.) Verordnung, betreffend den Geschäftsgang und das Verfahren des Reichs-Versicherungsamts. Vom 19. Oktober 1900.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen auf Grund des §. 19 Abs. 4 des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Unfallversicherungsgesetze, vom 30. Juni 1900 (Reichs-Gesetzbl. S. 573) und des §. 110 Abs. 4 des Invalidenversicherungsgesetzes (Reichs-Gesetzbl. 1899 S. 463) im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths, was folgt:

I. Eintheilung und Bearbeitung der Dienstgeschäfte.

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Dienststellung des Präsidenten.

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Dem Präsidenten des Reichs-Versicherungsamts steht die Leitung und Beaufsichtigung des gesammten Dienstes zu. Er vertheilt die Geschäfte unter die Mitglieder, die Beamten und die richterlichen Beisitzer des Reichs-Versicherungsamts und bestellt, soweit erforderlich, die Beauftragten und Vertreter der Behörde.

Präsidialsachen.

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Der Präsident ordnet die Einrichtung der Büreaus, der Akten und der Geschäftsregister; er hat die Verfügung in allen die Verwaltung betreffenden Angelegenheiten, insbesondere in Personalsachen, sowie in denjenigen Angelegenheiten, welche das Haushalts- und Kassenwesen, das Dienstgebäude und dessen Einrichtung, die amtlichen Veröffentlichungen, die Bibliothek und ähnliche Gegenstände betreffen (Präsidialsachen). [984]
Der Präsident bezeichnet diejenigen sonstigen Sachen, deren Bearbeitung oder Revision er sich vorbehält. Er ist befugt, in jeder Sitzung den Vorsitz zu übernehmen; er vollzieht die Ausfertigungen und Reinschriften in den ihm vorbehaltenen Sachen.

Vertretung des Präsidenten.

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Die ständige Vertretung des Präsidenten für dessen sämmtliche Dienstobliegenheiten wird vom Reichskanzler (Reichsamt des Innern) einem der Direktoren übertragen. In dessen Behinderung wird der Präsident durch den anderen Direktor vertreten. Ist auch dieser behindert, so erfolgt die Vertretung durch die übrigen ständigen Mitglieder des Reichs-Versicherungsamts in der Reihenfolge des Dienstalters, sofern nicht der Reichskanzler (Reichsamt des Innern) etwas Anderes bestimmt.

Abtheilungen.

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Im Reichs-Versicherungsamte bestehen zwei Abtheilungen.
Die eine Abtheilung hat die Angelegenheiten der Unfallversicherung und die sonstigen Aufgaben der Träger dieser Versicherung, die andere Abtheilung die Angelegenheiten der Invalidenversicherung zu bearbeiten. Die auf Grund des §. 11 des Invalidenversicherungsgesetzes von der See-Berufsgenossenschaft getroffenen Einrichtungen gehören zum Geschäftsbereiche der Abtheilung für Invalidenversicherung.

Direktoren.

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An der Spitze jeder Abtheilung steht ein Direktor. Der Präsident bestimmt, welcher Direktor die eine und welcher Direktor die andere Abtheilung zu leiten hat; die Bestimmung bedarf der Genehmigung des Reichskanzlers (Reichsamt des Innern).
Der Direktor leitet die Geschäfte seiner Abtheilung unter der Oberleitung des Präsidenten. Er zeichnet diejenigen Sachen, welche die Abtheilung als solche oder mehrere Unterabtheilungen gemeinsam betreffen, sowie diejenigen sonstigen Entwürfe, deren Revision er sich vorbehält, und vollzieht bei diesen die Ausfertigungen und Reinschriften.
Der Direktor wird im Falle seiner Behinderung durch die der Abtheilung zugewiesenen ständigen Mitglieder nach der Reihenfolge des Dienstalters vertreten.

Unterabtheilungen.

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In jeder Abtheilung können für einzelne Theile ihres Geschäftsbereichs Unterabtheilungen errichtet werden. Die Errichtung der Unterabtheilungen und [985] die Abgrenzung ihres Geschäftskreises bestimmt der Reichskanzler (Reichsamt des Innern).
Die Leitung der Unterabtheilung steht, sofern der Präsident sie nicht dem Direktor der Abtheilung oder einem anderen ständigen Mitglied überträgt, unter des Präsidenten und des Direktors Oberleitung demjenigen ständigen Mitgliede zu, welches unter den der Unterabtheilung zugewiesenen ständigen Mitgliedern nach dem Dienstalter das älteste ist. Dieses Mitglied erledigt die Geschäfte durch Mitzeichnung der Entwürfe desjenigen Mitglieds, dem die Bearbeitung der einzelnen Angelegenheiten übertragen ist, und vollzieht, soweit dies nicht dem Direktor oder dem Präsidenten vorbehalten bleibt, in deren Vertretung die abzusendenden Ausfertigungen und Reinschriften.
Die Vertretung des Leiters der Unterabtheilung liegt im Falle der Behinderung den übrigen der Unterabtheilung zugewiesenen ständigen Mitgliedern nach der Reihenfolge des Dienstalters ob.

Nichtständige Mitglieder.

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Die Zahl der Stellvertreter, welche für die als Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten gewählten nichtständigen Mitglieder zu wählen sind (§. 13 des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Unfallversicherungsgesetze), bestimmt der Reichskanzler (Reichsamt des Innern).
Die vom Bundesrathe gewählten nichtständigen Mitglieder werden vom Staatssekretär des Innern auf die Erfüllung der Obliegenheiten ihres Amtes mittelst Handschlags an Eidesstatt verpflichtet.
Die Verpflichtung der als Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten gewählten nichtständigen Mitglieder sowie ihrer Stellvertreter erfolgt in gleicher Weise durch den Präsidenten des Reichs-Versicherungsamts.
Im Falle der Wiederwahl genügt die Verweisung auf die frühere Verpflichtung.

Richterliche Beisitzer.

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Die zu den Entscheidungen des Reichs-Versicherungsamts zuzuziehenden richterlichen Beamten werden für die Dauer des zur Zeit ihrer Berufung von ihnen bekleideten Hauptamts durch den Reichskanzler (Reichsamt des Innern) berufen. Der Reichskanzler kann weitere richterliche Beamte bestimmen, welche aushülfsweise oder auf Zeit nach näherer Bestimmung des Präsidenten zu den Entscheidungen des Reichs-Versicherungsamts zuzuziehen sind. [986]

Sitzungen.

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Die Geschäfte des Reichs-Versicherungsamts sind, soweit sie nicht durch den Präsidenten oder unter Mitzeichnung des Präsidenten, eines Direktors oder des Leiters einer Unterabtheilung von dem mit der Bearbeitung betrauten Mitgliede bearbeitet werden, in Sitzungen zu erledigen.
In den Angelegenheiten der Verwaltung werden Gesammtsitzungen, Abtheilungssitzungen und Sitzungen der Unterabtheilungen abgehalten (§§. 11 bis 16); für die Rechtsprechung und die derselben nach gesetzlicher Bestimmung gleichgestellten Angelegenheiten bestehen Senate (§§. 20 ff.).

Gesammtsitzungen.

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Bei Angelegenheiten, die beide Abtheilungen gemeinsam betreffen, kann auf Anordnung des Präsidenten und unter seinem Vorsitz eine gemeinsame Berathung und Beschlußfassung in Gesammtsitzungen stattfinden.
Zur Theilnahme an den Gesammtsitzungen sind alle ständigen Mitglieder des Reichs-Versicherungsamts sowie die zur Bearbeitung von Geschäften der Mitglieder herangezogenen Hülfsarbeiter einzuladen. Außerdem sind einzuladen:
a) die vom Bundesrathe gewählten nichtständigen Mitglieder;
b) die nichtständigen Mitglieder aus dem Stande der Arbeitgeber und der Versicherten, soweit sie am Sitzungstag in Berlin anwesend sind;
c) vier richterliche Beisitzer. Als solche werden in der Regel und soweit nicht der Präsident im einzelnen Falle anders bestimmt, die nach der Dauer ihrer Beschäftigung im Reichs-Versicherungsamt ältesten vier richterlichen Beamten eingeladen.
Für diejenigen nichtständigen Mitglieder aus dem Stande der Arbeitgeber und der Versicherten, welche am Sitzungstage voraussichtlich in Berlin nicht anwesend sein werden, oder deren Behinderung dem Präsidenten rechtzeitig mitgetheilt wird, ist je ein in Berlin anwesender oder in Berlin oder dessen naher Umgebung wohnender Stellvertreter einzuladen.
Bei der Einladung ist die Tagesordnung mitzutheilen.

Abtheilungssitzungen.

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Angelegenheiten, welche den Geschäftskreis nur einer Abtheilung berühren, werden, sofern der Präsident oder der Direktor der Abtheilung dies bestimmt oder [987] in Uebereinstimmung mit dem die Angelegenheit bearbeitenden Mitgliede der Leiter einer Unterabtheilung dies beantragt, unter dem Vorsitze des Präsidenten oder des Direktors in der Abtheilungssitzung verhandelt.
Die im §. 18 des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Unfallversicherungsgesetze, bezeichneten Angelegenheiten sind stets in Abtheilungssitzungen zu erledigen.
Zur Theilnahme an den Abtheilungssitzungen sind einzuladen:
1. bei der Abtheilung für Invalidenversicherung die derselben zugewiesenen ständigen Mitglieder und Hülfsarbeiter;
2. bei der Abtheilung für Unfallversicherung mindestens der dritte Theil und höchstens die Hälfte der derselben zugewiesenen ständigen Mitglieder nach einer von dem Präsidenten aufzustellenden Reihenfolge dieser Mitglieder sowie die in der Abtheilung beschäftigten Hülfsarbeiter.
War die Angelegenheit in Unterabtheilungen bearbeitet worden, so sind die denselben zugewiesenen ständigen Mitglieder, soweit sie nicht schon auf Grund der vorstehenden Bestimmungen zur Theilnahme berufen sind, gleichfalls einzuladen.
Zu jeder Abtheilungssitzung sind außerdem einzuladen:
a) die vom Bundesrathe gewählten nichtständigen Mitglieder;
b) je ein in Berlin anwesendes nichtständiges Mitglied aus dem Stande der Arbeitgeber und der Versicherten, soweit deren Zuziehung im Gesetze vorgeschrieben oder von dem Präsidenten oder dem Direktor angeordnet wird; der Präsident sowie der Direktor können bestimmen, daß noch je ein oder je zwei weitere in Berlin anwesende nichtständige Mitglieder aus dem Stande der Arbeitgeber und der Versicherten zuzuziehen sind;
c) zwei richterliche Beisitzer, soweit dies zur Erörterung von Rechtsfragen für erforderlich erachtet wird, nach näherer Bestimmung des Präsidenten.
In der Abtheilung für Invalidenversicherung ist auch der Vorsteher der Rechnungsstelle nach Bedarf zuzuziehen.
In den Angelegenheiten der Unfallversicherung sind die Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten sowie deren Stellvertreter aus den im einzelnen Falle betheiligten Gruppen von Berufsgenossenschaften zu entnehmen (§. 16 Abs. 3 des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Unfallversicherungsgesetze).
Der §. 12 Abs. 2, 3 findet entsprechende Anwendung.

Sitzungen der Unterabtheilungen.

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Soweit der Leiter einer Unterabtheilung oder das mit der Bearbeitung der Angelegenheit betraute Mitglied eine Besprechung in der Unterabtheilung für [988] erforderlich hält, ist die Sache in einer Sitzung der Unterabtheilung zu erledigen. Zu derselben sind die der Unterabtheilung zugewiesenen ständigen Mitglieder des Reichs-Versicherungsamts sowie die daselbst beschäftigten Hülfsarbeiter zuzuziehen.

Gemeinsame Bestimmungen.

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Die Sitzungen (§§. 11 bis 16) sind nicht öffentlich.
Stimmberechtigt sind die eingeladenen und in der Sitzung anwesenden Mitglieder des Reichs-Versicherungsamts und deren Stellvertreter (§. 7, §. 12 Abs. 3) sowie die zugezogenen richterlichen Beamten.
Die von dem Bundesrathe gewählten Mitglieder nehmen ihre Stelle nach dem Vorsitzenden, also vor den übrigen Mitgliedern, in der Reihenfolge ein, die für sie im Bundesrathe besteht, soweit sie aber dem Bundesrathe nicht angehören , nach den Bundesrathsmitgliedern und in der Reihenfolge des Dienstalters.
Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen und Berathungen, er stellt die Fragen und sammelt die Stimmen. Meinungsverschiedenheiten über den Gegenstand, die Fassung und die Reihenfolge der Fragen oder über das Ergebniß der Abstimmung werden gemäß §. 18 entschieden.
Für den mündlichen Vortrag in den Sitzungen wird ein Berichterstatter ernannt. Aus besonderen Gründen können Mitberichterstatter bestellt werden.
Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt; bei Stimmengleichheit giebt der Vorsitzende den Ausschlag.
Bilden sich in Beziehung auf Summen, über die zu entscheiden ist, mehr als zwei Meinungen, deren keine die Mehrheit für sich hat, so werden die für die größte Summe abgegebenen Stimmen den für die zunächst geringere abgegebenen Stimmen solange hinzugerechnet, bis sich eine Mehrheit ergiebt.
Die Stimmen werden bei namentlicher Abstimmung in nachstehender Reihenfolge abgegeben:
1. von den Berichterstattern in der Reihenfolge ihrer Bestellung;
2. von den Vertretern der Versicherten;
3. von den Vertretern der Arbeitgeber;
4. von den richterlichen Beamten;
5. von den ständigen Mitgliedern;
6. von den vom Bundesrathe gewählten Mitgliedern;
7. von dem Vorsitzenden.
Innerhalb der einzelnen Gruppen richtet sich die Reihenfolge der Abstimmung bei der zweiten und dritten Gruppe nach dem Lebensalter, innerhalb der vierten und fünften Gruppe nach dem Dienstalter im Reichs-Versicherungsamt und bei gleichem Dienstalter nach dem Lebensalter, und zwar in allen Fällen [989] dergestalt, daß der Jüngste zuerst stimmt. Bei den vom Bundesrathe gewählten Mitgliedern ist die im §. 17 Abs. 3 bestimmte Reihenfolge umgekehrt zur Anwendung zu bringen.
Werden in den Sitzungen Fragen verhandelt, die im Wege der Rechtsprechung zur Entscheidung gelangen, so ist der in der Sitzung gefaßte Beschluß für die Abstimmung in den Senaten nicht bindend.

II. Geschäftsgang und Verfahren bei den Senaten.

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Besetzung.

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Die Entscheidung der in den §§. 16, 17 des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Unfallversicherungsgesetze, und im §. 110 des Invalidenversicherungsgesetzes bezeichneten Streitfälle erfolgt in der aus den nachstehenden Paragraphen sich ergebenden Besetzung durch Spruchkollegien, welche die Bezeichnung Senate führen. Diese treten an die Stelle der bisherigen Spruchkammern des Reichs-Versicherungsamts.
Den Vorsitz in den Senaten führen der Präsident, die Direktoren oder die zu Vorsitzenden ernannten ständigen Mitglieder. Im Falle des Bedürfnisses kann der Reichskanzler ein anderes ständiges Mitglied vorübergehend mit dem Vorsitze betrauen.
Die Senate für die Unfallversicherung entscheiden gemäß §. 16 des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Unfallversicherungsgesetze, in der Besetzung mit sieben Personen einschließlich des Vorsitzenden.
Die Senate für die Invalidenversicherung entscheiden gemäß §. 110 des Invalidenversicherungsgesetzes in der Besetzung mit fünf Personen einschließlich des Vorsitzenden.
Sind jedoch im einzelnen Falle der Direktor der Abtheilung oder der Vorsitzende des Senats in Uebereinstimmung mit dem Berichterstatter der Meinung, daß es sich bei der Entscheidung um die noch nicht festgestellte Auslegung gesetzlicher Bestimmungen von erheblicher grundsätzlicher Bedeutung handelt, so sind zu der Entscheidung noch ein vom Bundesrathe gewähltes nichtständiges sowie ein ständiges Mitglied zuzuziehen. An Stelle des vom Bundesrathe gewählten Mitglieds ist im Behinderungsfall ein weiteres ständiges Mitglied zuzuziehen.
Der Senat ist befugt, unter vorläufiger Aussetzung der Entscheidung eine gleiche Verstärkung zu beschließen, wenn sich bei der mündlichen Verhandlung ergiebt, daß die Voraussetzung des Abs. 2 vorliegt. [990]
Will ein Senat für Unfallversicherung oder für Invalidenversicherung bei einer ihm vorliegenden Spruchsache in einer grundsätzlichen Rechtsfrage von einer früheren Entscheidung abweichen, so ist die Sache zur Entscheidung an den erweiterten Senat zu verweisen. In dem Verweisungsbeschluß ist die grundsätzliche Rechtsfrage, in der von einer früheren Entscheidung abgewichen werden soll, zu bezeichnen. Der erweiterte Senat entscheidet in der im §. 17 des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Unfallversicherungsgesetze, angegebenen Besetzung mit elf Personen einschließlich des Vorsitzenden.
Zu den Sitzungen des erweiterten Senats sind zwei vom Bundesrathe gewählte Mitglieder abwechselnd nach der im §. 17 Abs. 3 bestimmten Reihenfolge zu berufen. An Stelle eines solchen Mitglieds ist ein ständiges Mitglied nur dann zuzuziehen, wenn die vom Bundesrathe gewählten Mitglieder sämmtlich behindert sind.
Im Uebrigen bezeichnet der Präsident vor Beginn des Geschäftsjahrs für dessen Dauer die Mitglieder des erweiterten Senats. Für jedes dieser Mitglieder ist mindestens je ein erster und ein zweiter Stellvertreter zu bestimmen, welche im Falle der Behinderung in der Reihenfolge ihrer Bezeichnung einzutreten haben.
Der verweisende Senat hat eines seiner Mitglieder zu bezeichnen, welches für die Entscheidung der Sache als Beisitzer in den erweiterten Senat eintritt, falls es diesem nicht ohnehin angehört. Von den Mitgliedern des erweiterten Senats scheidet alsdann der nach dem Dienstalter im Reichs-Versicherungsamte Jüngere von derjenigen Gruppe, welcher das von dem verweisenden Senat entsandte Mitglied angehört, für die Entscheidung dieser Sache aus; bei den von dem Bundesrathe gewählten Mitgliedern ist die im §. 17 Abs. 3 bestimmte Reihenfolge umgekehrt zur Anwendung zu bringen.
Sind der Direktor der Abtheilung oder der zuständige Vorsitzende eines Senats und der Berichterstatter übereinstimmend der Ansicht, daß einer der Fälle vorliegt, welche nach §. 16 Abs. 2 des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Unfallversicherungsgesetze, oder nach §. 110 Abs. 2 des Invalidenversicherungsgesetzes durch einen Beschlußsenat von drei Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden zu erledigen sind, so ist diesem Senate die Sache durch Verfügung zur Beschlußfassung zu überweisen.
Die Ausfertigung des Beschlusses wird von dem den Vorsitz führenden ständigen Mitgliede vollzogen.
Die §§. 20 bis 25 finden bei Verhandlungen und Entscheidungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß §. 84 des Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes, [991] §. 90 des Unfallversicherungsgesetzes für Land- und Forstwirthschaft, §. 88 des See-Unfallversicherungsgesetzes und §. 119 des Invalidenversicherungsgesetzes Anwendung.
Der Präsident setzt unbeschadet des §. 24 für bestimmte Zeitabschnitte – in der Regel vierteljährlich – im voraus die Reihenfolge fest, in welcher die nichtständigen Mitglieder des Reichs-Versicherungsamts zu den Spruchsitzungen einberufen werden.
Die Einberufung soll in der Regel mindestens zwei Wochen vor der Sitzung erfolgen.
Die Einberufung darf nur aus zwingenden Gründen, die auf Erfordern glaubhaft zu machen sind, abgelehnt werden.
Die Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten sind zu den Sitzungen der Spruch- und Beschlußsenate in den Angelegenheiten der Unfallversicherung aus den betheiligten Gruppen von Berufsgenossenschaften zu entnehmen (§. 16 Abs. 3 des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Unfallversicherungsgesetze).
Sofern bei einer Entscheidung verschiedene Gruppen dieser Art in Betracht kommen (§. 73 Abs. 2, §§. 82, 83, 85 des Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes, §. 79 Abs. 2, §§. 88, 89, 91 des Unfallversicherungsgesetzes für Land- und Forstwirthschaft, §. 78 Abs. 2, §§. 86, 87, 89 des See-Unfallversicherungsgesetzes), sollen Vertreter aus derjenigen Gruppe zugezogen werden, welche der Präsident bestimmt.

Verfahren.

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Der Antrag auf Entscheidung in den Fällen des §. 16 Abs. 1 des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Unfallversicherungsgesetze, des §. 84 des Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes, des §. 90 des Unfallversicherungsgesetzes für Land- und Forstwirthschaft, des §. 88 des See-Unfallversicherungsgesetzes, des §. 110 Abs. 1, §. 119 des Invalidenversicherungsgesetzes ist an das Reichs-Versicherungsamt schriftlich zu richten.
In dem Schriftsatze soll der Anspruch bezeichnet und begründet sein; bei Rekursen sollen insbesondere auch die etwa vorzubringenden neuen Thatsachen und Beweismittel, bei Revisionen insbesondere auch die Gesichtspunkte angeführt werden, aus welchen die Nichtanwendung oder die unrichtige Anwendung des bestehenden Rechtes oder ein Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten oder Mängel des Verfahrens sich ergeben sollen (§. 117 Abs. 1 des Invalidenversicherungsgesetzes). Für jeden Gegner ist eine Abschrift beizufügen.
Die Vorverhandlungen sind dem Reichs-Versicherungsamte von dem Versicherungsträger, sofern der Antrag auf Entscheidung von diesem ausgeht, gleichzeitig [992] mit dem Antrag, im Uebrigen sobald sie entbehrlich sind, auch ohne besondere Aufforderung einzureichen. Dies gilt auch für die Vorverhandlungen des Schiedsgerichts. Die Einreichung erstreckt sich auf die sämmtlichen bei dem Träger der Versicherung und deren Organen sowie bei der unteren Verwaltungsbehörde oder dem Schiedsgerichte vorhandenen, auf den Anspruch sich beziehenden Schriftstücke, einschließlich derjenigen, welche sich in Vorakten befinden.
Das Reichs-Versicherungsamt hat die Abschrift des Antrags dem Gegner zur Einreichung einer Gegenschrift binnen einer bestimmten, von einer Woche bis zu einem Monate zu bemessenden Frist mitzutheilen. In den Fällen des §. 25 kann hiervon abgesehen werden. In der Aufforderung ist zugleich auszusprechen, daß, wenn die Gegenschrift innerhalb der Frist nicht eingeht, die Entscheidung nach Lage der Akten erfolgen werde. Die Frist kann auf Antrag aus wichtigen Gründen verlängert werden.
Der Gegenschrift und den etwaigen weiteren Schriftsätzen sind Abschriften beizufügen, die dem Gegner von dem Reichs-Versicherungsamte zuzustellen sind. Ist ein Versicherungsträger beigeladen, so sind die Schriftsätze auch diesem mitzutheilen und dessen Erklärungen den Parteien zu übermitteln.
Die Schriftsätze müssen entweder von den Betheiligten selbst oder von ihren gesetzlichen Vertretern oder von ihren Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Die Vollmacht muß schriftlich ertheilt werden. Ehegatten, Verwandte der aufsteigenden Linie und großjährige Verwandte der absteigenden Linie können auch ohne schriftliche Vollmacht zur Vertretung zugelassen werden.
Das Reichs-Versicherungsamt kann Bevollmächtigte und Beistände, welche das mündliche Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig betreiben, zurückweisen. Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf Rechtsanwälte und auf Personen, denen das mündliche Verhandeln vor Gericht durch Anordnung der Justizverwaltung gestattet ist.
Die §§. 17, 18 finden Anwendung.
In einfacheren Fällen des §. 116, §. 124 Abs. 3 des Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes, §. 124, §. 130 Abs. 3 des Unfallversicherungsgesetzes für Land- und Forstwirthschaft, §. 122 Abs. 1, §. 126 Abs. 3 des See-Unfallversicherungsgesetzes kann von den Vorschriften des §. 30 sowie von der Beifügung einer Abschrift (§. 29 Abs. 2) abgesehen werden.

Besondere Vorschriften für Rekurse und Revisionen.

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Die Entscheidung auf Rekurse und Revisionen erfolgt, von den in den §§. 25, 45, 46 bezeichneten Ausnahmen abgesehen, auf Grund mündlicher Verhandlung [993] vor dem Reichs-Versicherungsamte. Die Betheiligten werden mittelst eingeschriebenen Briefes von dem Termine mit dem Bemerken in Kenntniß gesetzt, daß im Falle ihres Ausbleibens nach Lage der Akten werde entschieden werden. Hält das Reichs-Versicherungsamt das persönliche Erscheinen eines Betheiligten für angemessen, so ist ihm zu eröffnen, daß aus seinem Nichterscheinen ungünstige Schlüsse für seinen Anspruch gezogen werden können.
Das Schiedsgericht hat auf Erfordern des Reichs-Versicherungsamts bei Uebersendung der Akten eine Abschrift des angefochtenen Urtheils beizufügen.
Vor dem Termine hat der Berichterstatter einen schriftlichen Bericht nebst Gutachten, der Mitberichterstatter ein schriftliches Gutachten vorzulegen.
Die Bestimmungen der §§. 41 ff. der Civilprozeßordnung über die Ausschließung und Ablehnung der Richter finden auf die Mitglieder des Senats entsprechende Anwendung.
Ueber das Ablehnungsgesuch entscheidet der Senat durch Beschluß.
Die mündliche Verhandlung erfolgt in öffentlicher Sitzung. Die Oeffentlichkeit kann durch einen öffentlich zu verkündenden Beschluß ausgeschlossen werden, wenn dies aus Gründen des öffentlichen Wohles oder der Sittlichkeit für angemessen erachtet wird.
Die zur Verhandlung gelangenden Sachen werden der Regel nach in der durch Aushang vor dem Sitzungszimmer bekannt zu machenden Reihenfolge erledigt.
Die mündliche Verhandlung beginnt mit der Darstellung des Sachverhältnisses durch den Berichterstatter; demnächst sind die erschienenen Betheiligten zu hören.
Der Vorsitzende hat jedem Mitgliede des Senats auf Verlangen zu gestatten, Fragen zu stellen.
Die mündliche Verhandlung erfolgt unter Zuziehung eines vereidigten Protokollführers. Von demselben ist ein Protokoll aufzunehmen, das den Gang der Verhandlung im Allgemeinen angiebt. Anerkenntnisse, Verzichtleistungen, Vergleiche und solche Anträge und Erklärungen der Betheiligten, welche von den Schriftsätzen abweichen, sowie die Formel der Entscheidung sind in das Protokoll aufzunehmen.
Die Protokolle sind von dem Vorsitzenden und dem Protokollführer, in Fällen der Urtheilsprechung außerdem von den Berichterstattern zu vollziehen.
Die Vorschriften der §§. 176 bis 182, 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Aufrechterhaltung der Ordnung finden entsprechende Anwendung. [994]
Die vom Reichs-Versicherungsamte festgesetzten Strafen werden in derselben Weise beigetrieben wie Gemeindeabgaben und fließen in die Reichskasse.
Hinsichtlich der Verpflichtung, sich als Zeuge oder Sachverständiger vernehmen zu lassen und die Aussagen eidlich zu erhärten, finden die Bestimmungen der Civilprozeßordnung entsprechende Anwendung. Insbesondere ist der Senat befugt, gegen Zeugen und Sachverständige, welche sich nicht oder nicht rechtzeitig zu den Sitzungen einfinden oder ihre Aussage oder die Eidesleistung ohne Angabe eines Grundes oder noch dann verweigern, nachdem der angeführte Grund für unerheblich erklärt ist, eine Geldstrafe bis zu dreihundert Mark festzusetzen. Kommt die Verhängung oder Vollstreckung von Zwangsmaßregeln in Frage, so ist um diese das Amtsgericht zu ersuchen, in dessen Bezirke die Zeugen oder Sachverständigen ihren Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen ihren Aufenthalt haben. Auf Militärpersonen, die dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehören, finden die Vorschriften des §. 380 Abs. 4, §. 390 Abs. 4, §. 409 Abs. 3 der Civilprozeßordnung Anwendung.
Erfolgt nachträglich eine genügende Entschuldigung für das Verhalten des Zeugen oder Sachverständigen, so sind die getroffenen Anordnungen wieder aufzuheben.
Die Zeugen und Sachverständigen erhalten Gebühren nach Maßgabe der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige (Reichs-Gesetzbl. 1898 S. 689).
Die Berathung über die Entscheidung erfolgt in nicht öffentlicher Sitzung.
Das Reichs-Versicherungsamt entscheidet innerhalb der erhobenen Ansprüche nach freiem Ermessen.
Bei der Verhandlung ist, auch ohne daß es eines Antrags bedarf, zu prüfen, ob und in welchem Betrag eine unterliegende Partei dem Gegner die ihm in dem Verfahren erwachsenen Kosten zu erstatten hat. Wird die Erstattung solcher außergerichtlicher Kosten angeordnet, so ist deren Höhe im Urtheile festzusetzen; diese Beträge werden auf Antrag durch Vermittelung des Reichs-Versicherungsamts in derselben Weise beigetrieben wie Gemeindeabgaben.
Bei den Entscheidungen, die auf Grund der mündlichen Verhandlung ergehen, dürfen nur Mitglieder mitwirken, vor denen diese Verhandlung stattgefunden hat.
Der Vorsitzende verkündet das Ergebniß der Berathung in öffentlicher Sitzung. Die Verkündung kann auf eine spätere Sitzung vertagt werden; diese soll in der Regel binnen einer Woche stattfinden. [995]
Wird die Verkündung der Gründe für angemessen gehalten, so erfolgt sie durch mündliche Mittheilung ihres wesentlichen Inhalts.
Dem Schiedsgerichte, gegen dessen Entscheidung Rekurs oder Revision eingelegt war, ist Abschrift des Urtheils zu ertheilen.
Die Urtheile werden nebst Gründen von den Berichterstattern entworfen und in der Urschrift von dem Vorsitzenden, den Berichterstattern und einem anderen Mitgliede, das an der Urtheilssprechung Theil genommen hat, unterzeichnet. Im Falle der Behinderung des Vorsitzenden erfolgt die Unterzeichnung durch das älteste mitwirkende ständige Mitglied.
Im Eingange des Urtheils sind die Mitglieder, welche an der Entscheidung Theil genommen haben, namentlich aufzuführen, auch ist der Sitzungstag zu bezeichnen, an dem die Entscheidung erfolgt ist.
Die Ausfertigungen der Urtheile werden mit der Ueberschrift versehen:
„Im Namen des Reichs.“
Sie enthalten neben dem Siegel des Reichs-Versicherungsamts die Schlußformel:
„Urkundlich unter Siegel und Unterschrift.“
„Das Reichs - Versicherungsamt.“
Die Vollziehung erfolgt durch den Vorsitzenden, im Falle seiner Behinderung durch das dem Dienstalter nach älteste ständige Mitglied des Reichs-Versicherungsamts, welches bei der Entscheidung mitgewirkt hat.
Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urtheile vorkommen, sind jederzeit auch von Amtswegen zu berichtigen.
Ueber die Berichtigung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden. Der Berichtigungsbeschluß wird von dem Vorsitzenden und den Mitgliedern des Senats, die das Urtheil unterzeichnet haben, erlassen; er wird auf der Urschrift des Urtheils und den Ausfertigungen vermerkt.
Wenn ein von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch oder der Kostenpunkt bei der Entscheidung ganz oder theilweise übergangen ist, so ist auf Antrag das Urtheil durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen.
Ueber diesen Antrag kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden, soweit es sich um einen Nebenanspruch oder um den Kostenpunkt handelt. Der Ergänzungsbeschluß wird auf der Urschrift des Urtheils und den Ausfertigungen vermerkt. [996]

III. Beschwerden über Verfügungen der Rechnungsstelle.

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Beschwerden gegen die durch die Rechnungsstelle des Reichs-Versicherungsamts vorgenommenen Vertheilungen und Abrechnungen (§. 126 Abs. 2 des Invalidenversicherungsgesetzes) werden im Wege der Verfügung erledigt. Dies gilt auch für Einsprüche und Widersprüche gegen derartige Maßregeln, soweit sie auf Grund des Gesetzes vom 22. Juni 1889 noch zu erledigen sind. Handelt es sich dabei um eine noch nicht entschiedene Frage von erheblicher grundsätzlicher Bedeutung oder soll von einer früheren Entscheidung abgewichen werden, so ist die Sache an die Abtheilung für Invalidenversicherung zur Beschlußfassung zu verweisen.

IV. Schlußbestimmungen.

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Das Verfahren vor dem Reichs-Versicherungsamt ist kostenfrei; ein Ersatz der durch dieses Verfahren dem Reichs-Versicherungsamte verursachten baaren Auslagen durch die Parteien findet nicht statt. Doch ist das Reichs-Versicherungsamt befugt, den Betheiligten solche Kosten des Verfahrens zur Last zu legen, welche durch Muthwillen oder durch ein auf Verschleppung oder Irreführung berechnetes Verhalten derselben veranlaßt sind (§. 19 Abs. 2 des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Unfallversicherungsgesetze).
Diese Beträge werden in derselben Weise beigetrieben wie Gemeindeabgaben und fließen, soweit es sich um die dem Reichs-Versicherungsamt erwachsenen Kosten handelt, in die Reichskasse.
In Betreff der Geschäftssprache vor dem Reichs-Versicherungsamte finden die Bestimmungen der §§. 186 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechende Anwendung. Eingaben, welche nicht in deutscher Sprache abgefaßt sind, werden nicht berücksichtigt.
Vorladungen und sonstige nur dem Geschäftsbetriebe dienende formularmäßige Schreiben werden durch die Unterschrift eines dazu bestimmten Beamten und unter Beifügung des Siegels des Reichs-Versicherungsamts beglaubigt.
Das Reichs-Versicherungsamt führt zwei Siegel:
1. ein großes Siegel, welches dem Siegel des Reichsgerichts entspricht und nur bei förmlichen Ausfertigungen, insbesondere der Urtheile gebraucht wird,
2. ein kleineres Siegel, welches den bei den Gesandtschaften des Deutschen Reichs eingeführten Siegeln entspricht,
mit der Umschrift: „Reichs-Versicherungsamt.“ [997]
Die Ausfertigungen und Reinschriften ergehen unter der Unterschrift: „Das Reichs-Versicherungsamt.“. Dabei ist, soweit es sich nicht um gemeinsame Angelegenheiten oder um Urtheile der Senate (§. 44) handelt, die in Betracht kommende Abtheilung zu bezeichnen (Abtheilung für Unfallversicherung, Abtheilung für Invalidenversicherung).
Am Schlusse eines jeden Jahres hat das Reichs-Versicherungsamt dem Reichskanzler (Reichsamt des Innern) einen Geschäftsbericht einzureichen.
Diese Verordnung tritt am 1. November 1900 in Kraft.
Mit demselben Zeitpunkte verlieren die Verordnungen, betreffend die Formen des Verfahrens und den Geschäftsgang des Reichs-Versicherungsamts, vom 5. August 1885 (Reichs-Gesetzbl. S. 255) und 13. November 1887 (Reichs-Gesetzbl. S. 523) sowie die Verordnung, betreffend die Formen des Verfahrens und den Geschäftsgang des Reichs-Versicherungsamts in den Angelegenheiten der Invalidenversicherung, vom 6. Dezember 1899 (Reichs-Gesetzbl. S. 687) ihre Geltung.
Die erstmalige Bestimmung der Mitglieder des erweiterten Senats (§. 24 Abs. 2) gilt für die Zeit bis zum 31. Dezember 1901.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Homburg v. d. Höhe, den 19. Oktober 1900.
(L. S.)  Wilhelm.

  Graf von Posadowsky.