Ueber das Gesetz der Absorption des Lichtes durch Jod- und Bromdämpfe

Annalen der Physik und Chemie
Band LXIII, Heft 12, Seite 531–559
Georg Adolf Erman
Ueber das Gesetz der Absorption des Lichtes durch Jod- und Bromdämpfe
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V. Ueber das Gesetz der Absorption des Lichtes durch Jod- und Bromdämpfe; von A. Erman.

Die Schwächung, welche sowohl die reflectirte als die gebrochene Hälfte eines unpolarisirten weißen Lichtbündels an der Gränze zweier Mittel erleidet, ist in der Mehrheit der Fälle auch von einer merklichen Färbung einer jeden dieser Hälften begleitet. Wir wissen also, daß durch die Reflexion, und auch durch den Eintritt in das neue Mittel, gewisse Lichtstrahlen vorzugsweise vor den übrigen unwirksam gemacht werden, sind aber bisher weder zu einer Erklärung dieses wichtigen Phänomens gelangt, noch auch zu der, solcher Erklärung zu Grunde zu legenden, genaueren Kenntniß desselben. – Hat man in dem Sinne der Emissionstheorie eine ausschließliche Verwandtschaft der reflectirenden Substanz für gewisse Arten von Lichttheilchen anzunehmen, um dadurch zugleich die Schwächung und die Färbung der zurückgeworfenen und der gebrochenen Hälfte zu erklären? – oder sind es, übereinstimmend mit der Undulationstheorie, rein dynamische Bedingungen, welche das auffallende weiße Licht färben, indem sie unter den Wellenbewegungen, die dasselbe ausmachen, nur die von gewisser Länge hemmen, während sie die übrigen bestehen lassen? [1] Die Lösung dieser Frage wäre offenbar identisch mit einer vollständigen Erklärung der, seit Newton so genannten, natürlichen Farben der Körper; sie würde aber wahrscheinlich auch auf andere Fälle Anwendung finden, in denen das reflectirte oder durchgegangene Licht zwar, dem bloßen Anblick nach, für weiß oder continuirlich gehalten wird, sich aber dennoch, durch sorgfältige Zerlegung, discontinuirlich oder lückenhaft zeigen könnte. Ich werde unten einen solchen Fall zu erörtern haben, auch ist es anderweitig klar, daß der Eindruck eines discontinuirlichen Aggregates von Strahlen dem eines continuirlichen oder weißen um so näher kommen muß, jemehr die Anzahl der Lücken zwischen den Bestandtheilen des ersteren zunimmt.

Es ist um so auffallender, daß die Theorie der Absorptionserscheinungen noch immer gegen die übrigen Theile der Optik zurückgeblieben ist, da doch die dahin führenden Untersuchungen durch die Natur der Aufgabe deutlich vorgeschrieben scheinen. Ich glaube in der That, daß es zu einer wahrhaften Kenntniß jener Erscheinungen ausreichen würde‚ wenn man jedesmal:

1) das Licht, auf welches die Absorption gewirkt hat, mit dem Prisma zerlegte;
2) jeden der ausgelöschten (absorbirten) Strahlen vor allen übrigen charakterisirte, und zwar durch die Messung seiner Wellenlänge, als dem einzigen Mittel, welches die Optik zu diesem Zwecke besitzt;
und 3) endlich untersuchte, ob zwischen den Wellenlängen der absorbirten Strahlen irgend eine Abhängigkeit stattfindet, welche deren Verschwindung erklärt.

Diese Methode scheint zur Rechenschaft über alle Arten von färbenden Absorptionen geeignet, sie mögen bei der Reflexion oder bei dem Durchgange des Lichtes durch ein gegebenes Mittel stattgefunden haben. Die Anwendung derselben auf die durch Reflexion entstehenden natürlichen Farben hätte indessen noch den besonderen Werth eines Prüfungsmittels für die Vermuthung, welche schon Newton über deren Ursprung geäußert hat. Nach den Ausdrücken der Wellenlehre kommt diese Ansicht bekanntlich darauf hinaus, daß die Reflexionsfarben durch die Interferenz des schon an der Oberfläche zurückgeworfenes Lichtes init demjenigen entstehen, welches, vor seiner Rückkehr in das erste Mittel, mehr oder weniger in das zweite eingedrungen wäre. Eine Prüfung dieser Theorie bestände demnach, wie man leicht sieht und wie es auch weiter unten bei der Beschäftigung mit einem ganz ähnlichen Falle gezeigt werden soll, nur darin, daß man versucht, ob jedes Spectrum, welches durch Zerlegung einer natürlichen Reflexionsfarbe entsteht, einen oder mehrere schwarze Streifen oder Minima der Lichtintensität enthält, und ob, in dem Falle mehrerer aufeinanderfolgenden Streifen, die Wellenlängen der zu ihren Mitten gehörigen Lichtarten sich wie aufeinanderfolgende ganze und ungerade Zahlen verhalten.

Die Beobachtungen, welche ich hier beschreiben will, beziehen sich zunächst auf einige Fälle von Absorptionsfärbung des durchgehenden Lichtes. Sie geben von zwei derselben vollständige Rechenschaft, und lassen mir über den Hergang bei zwei anderen Fällen dieser Art kaum einigen Zweifel. Zugleich enthalten aber diese Beobachtungen für den dabei angewendeten Apparat die wesentlichste Vorbereitung zur Untersuchung der Reflexionsfarben, und sollen demnächst auch zur Prüfung der eben genannten Newton’schen Ansicht von denselben angewendet werden.

Ich nenne zuerst die bis jetzt erhaltenen Resultate:

1) Die Farbe, welche weißes Licht bei seinem Durchgange durch Joddämpfe oder durch Bromdämpfe annimmt, entsteht durch Interferenz.
2) In beiden genannten Fällen gehört die färbende Interferenz zu einer Klasse, die man die einfache Interferenz nennen könnte, d. h. sie entsteht durch die Trennung des durchgehenden Lichtbündels in nur zwei Theile.
3) Nach dem Durchgang durch Joddämpfe ist der eine Theil des Lichtes gegen den andern um 329 halbe Wellenlängen eines Strahles verspätet, dessen Brechungsindex für Flintglas 1,63208 beträgt[2]. Auf die Bewegung im leeren Raume reducirt, entspricht diese Verspätung einem Intervalle von 0,04366 Pariser Linien.
4) Nach dem Durchgang durch Bromdämpfe ist der zweite Theil des Lichtes gegen den ersteren um 341 halbe Wellenlängen desjenigen Strahles verspätet, zu dem im Flintglase der Brechungsindex 1,63246 gehört. Auf die Bewegung im leeren Raume reducirt, entspricht dieser Verspätung ein Abstand von 0,04509 Pariser Linien.
5) Die schwarzen Linien, welche Fraunhofer im Spectrum des Sonnenlichts, und diejenigen, welche Brewster im Spectrum eines durch salpetrichte Säure gegangenen beliebigen Lichtes entdeckt hat, entstehen höchst wahrscheinlich auf die eben genannte Weise. Man muß aber annehmen, daß ein Lichtbündel sowohl bei dem Durchgange durch die Atmosphäre, welcher das erste der eben genannten Phänomene bewirken würde, als bei dem Durchgang durch salpetrichte Säure, in mehr als zwei, verschieden verspätete, Theile zerfällt.

6) Die letztere Annahme ist um so wahrscheinlicher, weil auch Jod- und Brom-Dämpfe, wenn ihre Temperatur und ihre Dichtigkeit gewisse Gränzen erreichen, eine Dreitheilung des Lichtes und die zusammengesetzte Interferenz, welche daraus hervorgeht, bewirken.

Ich werde nun den Apparat und die Beobachtungen, welche mir diese Resultate geliefert haben, beschreiben. Ein Fraunhofer’sches Flintglasprisma (von 15‴,1 Par. Höhe und 21‴,5 Par. Grundlinie der brechenden Flächen) wurde vor dem Objective des genau horizontal gestellten Fernrohrs eines 8zölligen Reichenbach’schen Theodoliten befestigt. Mit dem Fernrohr war, auf die schon von Fraunhofer zu demselben Zweck angewendete Weise, ein System von Schrauben verbunden, durch welches die brechende Kante des Prisma senkrecht gestellt, und dann seine Seitenflächen so gedreht werden konnten, daß der Strahl, der in die optische Axe des Fernrohrs gebrochen wurde, das Minimum der Ablenkung erlitt.

Diese Stellung des Prisma gegen die optische Axe des Fernrohrs blieb streng ungeändert, wenn man die letztere um die Axe des Theodoliten drehte. Das Licht, auf welches durch Absorption gewirkt werden sollte, trat durch einen senkrechten Schlitz, dessen Weite durch Schraubenbewegung beliebig verringert werden konnte, und dessen Abstände vom Mittelpunkt des Theodoliten und von der Kante des Prisma bis auf ein Zehntausendstel bekannt waren, in das verfinsterte Zimmer, in welchem der Theodolit stand. Das Fernrohr desselben wurde in allen Fällen so eingerichtet, daß es die Ränder des Schlitzes vollkommen deutlich zeigte. Ich habe theils Sonnenlicht angewendet, welches von einer, etwa 60 Fuß entfernten, Wand unregelmäßig reflectirt wurde, theils die Strahlen einer kräftigen Lampe, welche dann durch einen cylindrischen Refractor mit senkrechter Axe dicht vor die Ebene des Schlitzes concentrirt wurden. Bei nur einigermaßen günstigem Wetter zeigte das Spectrum, welches die erste Beleuchtungsart, in dem Felde des Fernrohrs, hervorbrachte, mehrere Hundert Fraunhofer’sche Linien. Die Mittel, deren Absorptionswirkungen untersucht werden sollten, wurden theils zwischen dem Theodoliten und dem Eintritts-Schlitze aufgestellt, theils jenseits dieses Schlitzes und auch jenseits des Refractors, welcher also dann ein bereits durch jene Mittel geändertes Licht concentrirte. Beide Aufstellungsarten sind, in Beziehung auf die wesentlichen Eigenschaften der durch sie hervorgebrachten Spectra, und namentlich auf deren senkrechte Streifung, durchaus gleichbedeutend. Die letztere ist jedoch deswegen vorzuziehen, weil sie die horizontalen Streifen der Spectra vermindert, welche durch undurchsichtige Stellen oder andere Unregelmäßigkeiten der Gefäße, in denen sich die absorbirenden Mittel befinden, entstehen.

Nachdem ich den brechenden Winkel des erwähnten Prisma bestimmt hatte (er beträgt 45° 23′ 34″[3]), wurde der beschriebene Apparat zur Untersuchung der Absorptionen angewendet, welche der Durchgang durch folgende Mittel hervorbringt:

1) durch die Atmosphäre, in sofern sie die Fraunhofer’schen Linien erzeugt;
2) durch salpetrichte Säure;
3) durch Bromdämpfe;
4) durch Joddämpfe, und
5) durch dünne Platten mit parallelen Oberflächen, theils von Glimmer, theils auch von geblasenem Glase.

Diese Mittel wurden meist einzeln nach einander angewendet; ich habe aber bisweilen auch die Gesammtwirkung von zweien beobachtet, die dann gleichzeitig hinter einander in den Weg des Lichtes gestellt wurden. Es ergab sich auf diese Weise, daß die Lichtarten, die durch eines der genannten Mittel unwirksam geworden sind, niemals, beim Durchgange durch ein anderes, wieder hergestellt werden, und daß die absorbirende Wirkung eines jeden derselben unabhängig ist von den Absorptionen, die das Licht schon vor seinem Eintritte erlitten hat.

Bei jeder dieser Untersuchungen bestand die directe Beobachtung darin, daß das Minimum der Ablenkung gemessen wurde, welche das erwähnte Prisma einer jeden der ausgelöschten oder auf ein Minimum der Intensität reducirten Lichtarten ertheilte. Mit anderen Worten war dieses die Messung der Winkelabstände von dem Eintrittsschlitze bis zu der Mitte eines jeden der senkrechten Striche oder Streifen, die sich in einem gegebenen Spectrum zeigten. – Das Minimum der Ablenkung für dieselben Lichtarten ergab sich dann, aus den auf sie bezüglichen Winkelabständen, durch Hinzufügung einer, von der Entfernung des Lichtschlitzes abhängigen Größe[4] – und der Brechungsindex () für dieselben Lichtarten nach dem bekannten Ausdruck:

,

in welchem das Minimum der Ablenkung und 45° 23′ 34″ den brechenden Winkel des Prisma bedeutet. – Oder, wenn man in Minuten ausdrückt, 33° 40′ setzt und durch 1,63207 den dazu gehörigen Brechungsindex bezeichnet, durch den gleichbedeutenden Ausdruck:

(I)

Ich werde hiernächst die Werthe von anführen, welche sich für die durch Jod- und Bromdämpfe erzeugten Spectra aus Messungen ergeben haben, die für einen einzelnen Streifen bis zu 13 Mal, und unter Veränderung aller Nebenumstände, die etwa auf das Resultat von Einfluß seyn konnten, wiederholt wurden. Diese Resultate zeigen genugsam, daß die Farbe eines jeden dieser Gase nichts weniger als eine einfache ist, sondern sich vielmehr aus einer erstaunlichen Menge von einfachen Lichtarten, welche die Natur auf eine gewiß unerwartete Weise gewählt hat, zusammensetzt. Da aber das Fortschreiten der mit bezeichneten Zahlen und daher auch das Fortschreiten der Werthe von (oder der Brechungsindices für die ausgelöschten Lichtarten), durch den Winkel und durch die Substanz des angewandten Prisma wesentlich bedingt werden, so sind diese Zahlen an und für sich nur von geringem Werthe für die Theorie. – Die beobachteten Minima der Ablenkung mußten daher nun, wie schon oben vorausgesehen, in die ihnen entsprechenden Wellenlängen übersetzt werden, oder, mit anderen Worten, wenn und die Längen der Lichtwellen für zwei Lichtarten bezeichnen, welche in dem angewendeten Prisma die kleinsten Ablenkungen und erleiden, so blieben die Form und die Constante des Ausdruckes:

zu bestimmen. – Durch die Bedingung, daß für ein bestimmtes Prisma eine Constante und für ist, wird dieser aber sofort zu:

(II)

und es ist offenbar, daß darin um so weniger Glieder zu berücksichtigen seyn werden, als man die Gränzen seiner Anwendung enger stellt.

Die Beobachtung der schwarzen Linien in dem Spectrum von Licht, welches durch Glimmerplatten gegangen ist, hat mir nun auf folgende Weise zur näheren Kenntniß jener Abhängigkeit zwischen und verholfen.

Wenn ein Lichtbündel rechtwinklich durch irgend eine Platte mit parallelen Oberflächen hindurchgeht, so folgt immer auf den Theil dieses Lichtes, welcher an beiden Flächen gebrochen worden ist, ein zweiter, für welchen das auf den leeren Raum reducirte Verspätungsintervall deren Producte der doppelten Dicke der Platte in dem Brechungsindex gleich ist. Die Interferenz dieser zwei Theile des Bündels bewirkt in demselben eine scheinbare Auslöschung, d. h. eine Reduction auf ein Minimum der Intensität für alle Lichtarten, deren halbe Wellenlänge (für die Substanz der Platte) eine ganze und ungerade Anzahl Male in der doppelten Dicke der Platte enthalten ist. Algebraisch ausgedrückt heißt dieses, daß, wenn die Dicke des Blattes und eine beliebige ganze Zahl bedeuten, alle diejenigen Lichtarten eine anscheinende Auslöschung erleiden, für welche:

(III)

Derselbe Ausdruck gilt auch, wenn das durchgehende Licht mit dem Einfallslothe einen beliebigen und nur nicht allzugroßen Winkel einschließt, mit dem einzigen Unterschiede, daß alsdann nicht mehr die einfache Dicke der Platte, sondern ein, nur von jenem Winkel abhängiges, Vielfaches derselben bedeutet. Ich will daher nun allgemeiner das als die reducirte Dicke erklären, und darunter jenes jedesmal gültige Vielfache verstehen.

Es folgt hieraus, daß

1) das Spectrum von Licht, welches durch ein Glimmerblatt, oder durch eine andere Platte mit parallelen Flächen hindurchgegangen ist, eben so viel dunkle oder relativ schwarze Streifen enthalten muß, als die reducirte Dicke der Platte Auflösungen der Gleichung III zuläßt, und
2) daß eben deshalb diese schwarzen Streifen oder Linien um so zahlreicher, um so gedrängter, und um so schmaler begränzt, seyn werden, als größer wird.

Diese beiden Vorhersagungen werden durch den Versuch im vollsten Maaße bestätigt, denn das durch Glimmerplatten hindurchgegangene Licht giebt ein Spectrum mit äußerst scharfen senkrechten Streifen, obgleich man jene Platten, nach dem bloßen Anblick, sowohl im durchgegangenen wie im reflectirten Lichte für vollkommen weiß halten würde. Namentlich ist eine Dicke der Platte von Par. Lin. zur Hervorbringung dieser Absorptionslinien (defective lines der englischen Physiker) noch ganz geeignet[5].

Es folgt ferner, daß, wenn man in dem Spectrum des Lichtes, welches durch ein beliebiges Glimmerblatt hindurchgegangen ist,

mit 0 die Absorptionslinie bezeichnet deren kleinste Ablenkung am wenigsten von verschieden ist,
mit 1 die gegen das Violette zu unmittelbar folgende Absorptionslinie u. s. w., bis zu der mit bezeichneten Linie, deren kleinste Ablenkung sey

– eine jede Messung eines Werthes von , eine Gleichung von folgender Form giebt:

(IV)

in welcher, da und beobachtet sind, nur , , , … unbekannt bleiben.

Was zunächst die Anzahl der Glieder betrifft, die man in diesem Ausdrucke, und daher auch in dem obigen III, beizubehalten hat, so wird die einfachste Voraussetzung: und durch alle meine Beobachtungen widerlegt. Setzt man namentlich für eine beliebige negative und daher für positive Zahlen, so zeigt die letztere Gleichung, daß die Differenz zweier auf einander folgender Werthe von , um so kleiner seyn müßte, je größer wird; mit anderen Worten, daß alsdann: in dem Spectrum des Lichtes, welches durch Glimmer gegangen ist, die Winkelabstände zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Absorptionslinien, von dem rothen Ende gegen das violette continuirlich abnehmen müßten. Zwanzig Reihen von Messungen dieser Abstände, die sich auf fast eben so viele verschiedene Glimmerplatten bezogen, haben mir aber immer ein entgegengesetztes Resultat gegeben. Die Intervalle zwischen je zwei benachbarten Absorptionsstreifen wuchsen vom rothen gegen das violette Ende des Spectrums, und diese Zunahme zeigte sich um so stärker und unverkennbarer, je dünner die absorbirende Platte war. – Setzte man dagegen für negative Zahlen, so konnte freilich für ein positiver Werth gefunden werden, welcher den Beobachtungen in der eben genannten Beziehung genügte. Ich gestehe sogar, daß ich eine Zeit lang an der Realität dieser Voraussetzung geglaubt habe, obgleich sie nichts anderes bedeutet, als daß, im Glimmer, die Wellen des violetten Lichtes länger seyen, als die des rothen! – Eine nähere Untersuchung der gemessenen Werthe von zeigte jedoch zur Genüge, daß auch eine solche Annahme nur eine sehr oberflächliche Uebereinstimmung derselben mit den berechneten Werthen hervorbrachte, und daß daher die Beibehaltung des Gliedes , selbst innerhalb der Gränzen meiner Beobachtungen, unerläßlich ist. Man sieht aber leicht, daß dann durch dieses Glied die beobachtete Zunahme der ersten Differenzen von , d. h. der Intervalle der Absorptionsstreifen, vom rothen gegen das violette Ende des Spectrums, auch mit einem negativen Werthe von herbeigeführt werden kann. – Die gemessenen Werthe von zeigten auch noch ferner, daß ein zweigliedriger Ausdruck für die Wellenlänge () zwar innerhalb der Gränzen meiner Beobachtungen genügte, daß man ihm aber, wenn er bis zu ausgedehnt werden sollte, wohl noch ein von abhängiges Glied hinzufügen müsse.

In Folge der eben angedeuteten Beschränkung ergiebt sich aus IV folgender Ausdruck für die durch Beobachtung bestimmten Zahlen:

IV*

wo

Ich setze nun voraus, daß die kleinsten Ablenkungen , und daher auch die Werthe von , durch Messung gefunden seyen, nicht bloß für die mit bezeichneten Absorptionslinien in dem Spectrum des Lichtes, welches durch ein beliebiges Glimmerblatt hindurchgegangen ist, sondern auch für die entsprechenden Liniensysteme, welche andere Blätter, von verschiedener Dicke, geliefert haben, und daß respective die Anzahlen der correspondirenden Werthe von und für diese einzelnen Blätter bezeichnen. Man besitzt dann Gleichungen von der Form IV*, zwischen Unbekannten. Das hier folgende Verzeichniß der Beobachtungen dieser Art, welche ich bis jetzt in Rechnung genommen habe, giebt und . Es waren also 96 Gleichungen zwischen 12 Unbekannten vorhanden, und von den letzteren befanden sich 10 (nämlich 5 Werthe von und 5 Werthe von ) zu je zweien, nur in den () Gleichungen, welche einerlei Glimmerblatt geliefert hatte, während die zwei anderen und , auf deren Bestimmung es ankam, in jede der 96 Gleichungen eingingen.

Durch Auflösung dieser Gleichungen nach der Methode der kleinsten Quadrate habe ich

erhalten, und mithin die Beziehung zwischen den Wellenlängen verschiedener Lichtarten und den kleinsten Ablenkungen (), die sie in einem Münchner Flintglasprisma von erleiden

Sie ist gleichbedeutend mit folgender Abhängigkeit zwischen der Wellenlänge und dem Brechungsindex im Münchner Flintglas (), für eine beliebige Lichtart:

Ich erinnere jedoch, wie schon oben erwähnt wurde, daß diese Ausdrücke nicht über oder ausgedehnt werden dürfen. Es ergaben sich ferner für die fünf hiernächst angeführten Beobachtungsreihen folgende Werthe für und , und für die reducirten Dicken der Glimmerblätter, durch welche sie erhalten wurden:

für die Reihe

No. I. n=128 Par.
No. II. n=40 -
No. III. n=128 -
No. IV. n=95 -
No. V. n=128 -
wo den, für die einzelnen Reihen verschiedenen, Werth: bedeutet. Was oder die Dicken der Platten betrifft, so folgt deren gegenseitiges Verhältniß unmittelbar aus meinen Beobachtungen, ihr Ausdruck in Pariser Linien dagegen aus Fraunhofer’s Bestimmung der Wellenlänge bei seiner Linie , zu welcher in meinem Prisma die kleinste Ablenkung oder gehört, verbunden mit der nur angenäherten Voraussetzung, daß sich die Wellenlängen im Glimmer zu denen in der Luft verhalten. Unter dieser Voraussetzung wird namentlich:
Par.

Nach Ableitung dieser Resultate habe ich nun folgende Vergleichung zwischen den beobachteten Werthen der Ablenkung ausgelöschter Strahlen und den nach dem Ausdruck IV* berechneten erhalten.

Wenn das Licht vor der Zerlegung durch das Glimmerblatt No. I gegangen war, entsprachen:

die Absorptions-

linien mit der
Bezeichnung

der beobachteten der berechneten und dem

Brechungs-
index

Ablenkung

32° 40′
−17 −23′,07 −22′,89 1,61867
−16 −22,12 −21,62
−15 −20,62 −20,36
−14 −18,82 −19,11
−13 −17,70 −17,85
−12 −17,10 −16,60
−11 −16,06 −15,33
−10 −14,50 −14,06
09 −13,27 −12,72
08 −12,15 −11,39
07 −10,77 09,65
06 09,20 08,91
05 07,63 07,60
04 06,18 06,30
03 04,97 04,99
02 02,97 03,54
−1
die Absorptions-

linien mit der
Bezeichnung

der beobachteten der berechneten und dem

Brechungs-
index

Ablenkung

32° 40′
01 01′,68 02′,18
−00 00,12 00,83
+01 +01,37 +00,54
+02 +02,83 +01,91
+03 +04,03 +03,32
+04 +05,22 +04,73
+05 +07,06 +06,18
+06 +08,37 +07,63
+07 +10,33 +09,14
+08 +11,73 +10,64
+09 +13,30 +12,22
+10 +15,21 +13,84
+11 +16,56 +15,50
+12 +18,33 +17,24
+13 +20,22 +19,12
+14 +22,23 +21,01
+15 +23,87 +23,13
+16 +25,58 +25,25
+17 +27,60 +27,55
+18 +29,42 +29,86
+19 +30,96 +32,95
+20 +33,30 +36,05 1,65317

Die berechneten Werthe ergeben sich aus:

wenn man darin setzt.

In dem Spectrum von Licht, welches durch das Glimmerblatt No. II gegangen war, entsprachen:

die Absorptions-

linien mit der
Bezeichnung

der beobachteten der berechneten und dem

Brechungs-
index

Ablenkung

32° 40′
08 −32′,83 −32′,20 1,61322
07 −29,12 −28,21
06 −25,47 −24,20
05 −21,48 −20,18
04 −17,10 −16,14
03 −12,65 −12,08
02 08,15 07,94
01 03,63 03,69
−00 +00,93 +00,66
+01 +06,15 +05,21
+02 +11,17 +10,60
+03 +16,40 +15,20
+04 +21,90 +20,98
+05 +27,28 +27,49 1,64845

Die berechneten Werthe entsprechen dem Ausdrucke:

wenn man darin setzt.

In dem Spectrum von Licht, welches durch das Glimmerblatt No, III gegangen war, entsprechen:

die Absorptions-

linien mit der
Bezeichnung

der beobachteten der berechneten und dem

Brechungs-
index

Ablenkung

32° 40′
−11 −15′,76 −15′,25 1,62316
−10 −14,19 −13,95
09 −12,95 −12,66
08 −11,97 −11,37
07 −10,47 −10,07
06 08,95 08,77
+05 +07,45 +06,30
+06 +09,05 +07,39
+07 +10,72 +09,80
+08 +12,15 +10,81
+14 +22,07 +21,13
+15 +23,59 +23,22
+16 +25,35 +25,31
+17 +26,93 +27,70
+18 +28,72 +30,10 1,64970

Die berechneten Werthe ergeben sich aus:

wenn man darin setzt.

Wenn das Licht vor der Zerlegung durch das Glimmerblatt No. IV gegangen war, entsprachen:

die Absorptions-

linien mit der
Bezeichnung

der beobachteten der berechneten und dem

Brechungs-
index

Ablenkung

32° 40′
−10 −19′,38 −18′,27 1,62137
09 −17,34 −16,57
08 −15,13 −14,85
07 −13,27 −13,14
06 −11,40 −11,41
05 09,80 09,66
04 07,58 07,90
03 05,55 06,14
+09 +19,80 +17,76
+10 +22,10 +20,23
+11 +24,23 +22,87
+12 +26,43 +25,75
+13 +28,85 +28,93
+14 +30,97 +32,56 1,65113

Die berechneten Werthe folgen aus:

,

wenn man darin setzt.

In dem Spectrum von Licht, welches durch das Glimmerblatt No. V gegangen war, entsprachen:

die Absorptions-

linien mit der
Bezeichnung

der beobachteten der berechneten und dem

Brechungs-
index

Ablenkung

32° 40′
−11 −16′,22 −15′,59 1,62295
−10 −14,47 −14,32
09 −13,23 −13,02
08 −12,17 −11,73
07 −10,88 −10,45
06 09,87 09,17
+05 +06,90 +05,83
+06 +08,35 +07,35
+07 +09,83 +08,80
+08 +11,32 +10,29
+14 +21,05 +20,45
+15 +22,67 +22,50
+16 +23,72 +24,54
+17 +25,39 +26,75
+18 +28,33 +29,10 1,64912

Die berechneten Werthe folgen aus:

wenn man darin setzt.

Es scheint mir aus dieser Vergleichung hervorzugehen, daß die obigen Ausdrücke V und VI, die Längen der Lichtwellen als Functionen der kleinsten Ablenkungen und der Brechungsindices, welche ihnen respective für ein Prisma aus Münchner Flintglas von 45° 23′ 34″, und für eine beliebige Brechung durch dieselbe Substanz entsprechen, innerhalb der Gränzen meiner Beobachtungen zwar ziemlich genügend darstellen, daß man ihnen aber ein drittes Glied hinzufügen müßte, um sie auch für Ablenkungen von mehr als 33° 15′ und für Brechungsindices, die größer sind als 1,65258, gültig zu machen. Ich hielt für jetzt die Bestimmung dieses dritten Gliedes nicht für nöthig, weil die Anwendungen, die nun von den berechneten Werthen der Wellenlängen () gemacht werden sollen, die eben genannten Gränzen nicht erreichen.

Ich werde jetzt meine Untersuchung der Absorptionen durch Joddämpfe und durch Bromdämpfe auseinandersetzen. Das bisher Angeführte bedarf zu diesem Ende nur einer geringen Erweiterung. – Der Satz, daß die Absorption jener Dämpfe von gleicher Wirkung ist mit einer einfachen, oder von nur zwei Theilen des Lichtbündels ausgeübten Interferenz, ist nämlich gleichbedeutend mit der Behauptung, daß die zu einander gehörigen Werthe von und , die sich auf die schwarzen Streifen in dem, durch die Absorption jener Dämpfe hervorgebrachten, Spectrum beziehen, folgendem mehr genannten Ausdrucke genügen:

,

mit ,

in welchem nunmehr keine anderen beliebigen Größen als und enthalten sind. In der That wird durch den letzteren Umstand (durch die Erfüllung der eben genannten Gleichung) bewiesen, daß die Längen der Lichtwellen, deren Reduction auf ein Minimum, die mit bezeichneten Absorptionslinien in dem in Rede stehenden Spectren hervorgebracht hat, sich zu einander verhalten wie die Zahlen

.

Ist aber dieses Verhältniß einmal erwiesen, so dürfte man schwerlich zu seiner Erklärung eine genügendere und einfachere Voraussetzung finden als diejenige, welche ich durch den vorliegenden Aufsatz bekannt machen wollte.

In welchem Grade eben jene Gleichung der beobachteten kleinsten Abweichung den durch Bromdampf hervorgebrachten Absorptionslinien genügt, ersieht man aber aus folgender Zusammenstellung von beobachteten und berechneten Werthen: In dem Spectrum von Licht, welches durch Bromdämpfe gegangen war, entsprachen:

die Absor-

ptionslinien
mit der Be-
zeichnung

der beobachteten der berechneten dem Brechungs-

index


d. Anzahl

der Beob-
achtungen
war[6]:

Ablenkung


32° 40′
+00 00′,43 +00′,65 1,63245 0¼
+01 +01,70 +01,66 01
+02 +02,53 +02,72 01
+03 +03,70 +03,83 02
+04 +04,90 +04,93 04
+05 +05,88 +06,04 07
+06 +06,98 +07,16 10
+07 +08,32 +08,27 13
+08 +09,50 +09,45 13
+09 +10,78 +10,61 13
+10 +12,03 +11,82 13
+11 +13,28 +13,06 12
+12 +14,42 +14,31 06
+13 +15,55 +15,58 04
+14 +16,87 +16,88 03
+15 +18,10 +18,25 03
+16 +19,12 +19,62 02
+17[WS 1] +20,12 +21,00 01
+18 +21,53 +22,54 02
+19 +22,83 +24,12 1,64619 0½

Die berechneten Werthe entsprechen dem Ausdruck:

wenn man darin setzt.

Ihre Uebereinstimmung mit den Beobachtungen ist um so vollkommener, als diese letzteren öfter wiederholt und dadurch die zufälligen Fehler verringert wurden, welche namentlich durch nicht völlige Senkrechtheit der Axe des Prisma und durch augenblickliche Veränderungen des Nullpunktes am Theodoliten entsprachen. Nur bei der positiven Gränze der Beobachtungszeiten zeigen sich stärkere Abweichungen, und es ist sehr beachtungswerth, daß diese in demselben Sinne stattfinden, wie für Absorptionslinien des Glimmers, deren Entstehung durch Interferenz nicht zu bezweifeln ist.

Es folgt noch aus den vorstehenden Werthen, daß die Absorption durch Bromdämpfe identisch ist mit der von Glimmerblättern, deren Dicke

beträgt, und daß das Verspätungsintervall zwischen den zwei Theilen, in die sie ein hindurchgehendes Lichtbündel trennt, 0‴,04509 Par. ausmacht, wenn dieses Licht aus dem Brom im leeren Raum eintritt.


Es folgt hier eine ganz ähnliche Zusammenstellung meiner Versuche über die Lichtabsorption durch Joddämpfe.

In dem Spectrum von Licht, welches durch Joddämpfe gegangen war, entsprachen:

die Absor-

ptionslinien
mit der Be-
zeichnung

der beobachteten der berechneten dem Brechungs-

index


d. Anzahl

der Beob-
achtungen
war:

Ablenkung


32° 40′
−15 −15′,55 −15′,45 1,62303 2
−14 −14,47 −14,45 2
−13 −13,39 −13,44 1
−12 −12,25 −12,43 1
−11 −11,03 −11,42 2
−10 −10,15 −10,41 2
09 09,57 09,39 2
08 08,72 08,37 2
07 07,67 07,35 2
06 06,59 06,32 2
05 05,53 05,29 3
04 04,48 04,24 3
03 03,37 03,19 5
02 02,20 02,13 5
01 01,02 01,06 5
−00 +00,01 +00,02 5
+01 +01,32 +01,11 5
+02 +02,32 +02,20 5
+03 +03,48 +03,32 5
+04 +04,48 +04,45 5
+05 +05,65 +05,59 5
+06 +06,85 +06,74 5
+07 +07,93 +07,91 5
+08 +09,02 +09,09 4
+09 +10,25 +10,30 5
+10 +11,50 +11,52 5
+11 +12,59 +12,76 5
+12 +13,72 +14,02 5
+13 +14,95 +15,34 1,64105 2

Die berechneten Werthe entsprechen dem Ausdruck:

wenn man darin setzt.

Die Uebereinstimmung zwischen der Rechnung und den Beobachtungen ist im Allgemeinen eben so vollkommen wie für die Absorption durch Brom, und die etwas entschiedenere Abweichungen, die sich in Beziehung auf die am stärksten abgelenkten Lichtarten zeigen, liegen wieder in demselben Sinne, wie bei den Erscheinungen, die ohne Zweifel durch Interferenz entstanden sind. Sie würden sich demnach in beiden Fällen, durch Hinzufügung eines dritten Gliedes zu dem Ausdruck für die Wellenlängen, vermindern lassen, ohne irgendwie den hier gegebenen Beweis für die Theorie der Absorption durch Joddämpfe zu schwächen.

Außer den bisher erwähnten Absorptionslinien, welche sich durch die Hypothese einer Verspätung, die einen Theil der Lichtbündel betroffen hätte, vollständig erklären, zeigen sich in dem Spectrum des Lichtes, welches durch Jod- oder durch Bromdämpfe gegangen ist, unter gewissen Umständen noch ein oder zwei bei weitem breitere dunkle Streifen, Welche die gewöhnlichen Linien gleichsam bedecken, oder richtiger sie zugleich mit den lichten Zwischenräumen zwischen ihnen undeutlicher machen. Ihre Entstehung kann eben so gut durch Interferenz erklärt werden, und man hat sie dann namentlich einem dritten Theile des Lichtbündels zuzuschreiben, dessen Verspätungsintervall ein nur kleines Vielfache einer halben Lichtwelle wäre. Die verschiedenen Grade von Lichtintensität, welche durch einfache Interferenz in dem Spectrum entstehen, müssen nämlich in der Nähe ihrer Maxima und Minima am langsamsten in einander übergehen. Es folgt daraus, daß jeder dunkle oder beziehungsweise schwarze Streifen in einem solchen Spectrum eine gewisse Breite besitzen, und daß diese Breiten in zwei verschiedenen Spectris sich eben so verhalten müssen, wie die in denselben vorkommenden Abstände je zweier dunklen Streifen. Während daher die dunklen Absorptionsräume wie Linien von wenigen Secunden Breite erscheinen, wenn ihre Intervalle nur eine Minute betragen, so würden sie sich als Streifen von mehreren Minuten Durchmesser darstellen, wenn ihr Abstand sich der Ausdehnung des ganzen Spectrums nähert oder dieselbe sogar übertrifft. Der letztere Umstand ist aber keineswegs bloß hypothetisch. Er muß vielmehr nothwendig eintreffen, sobald eine halbe Wellenlänge nur eine kleine Anzahl Male in dem Verspätungsintervalle, welches die Interferenz bewirkt hat, enthalten ist. Ich will beispielsweise annehmen, daß die Wellenlängen der Lichtarten, welche am rothen und am violetten Ende des Spectrums noch eben sichtbar sind, sich wie 3 : 2 verhalten. Das ist sicher der stärkste Unterschied, den man noch für möglich halten darf, und dennoch würde selbst in diesem Falle ein gegen die Mitte des Spectrums durch Interferenz bewirktes Intensitätsminimum nur dann von einem anderen, an der äußersten rothen oder an der äußersten violetten Gränze, begleitet seyn, wenn das Verspätungsintervall beziehungsweise mehr als das 11fache oder mehr als das 9fache einer mittleren halben Lichtwelle betrüge. So oft also eine sonst beliebige Verspätung eines Theiles des ursprünglichen Lichtbündels keine dieser Gränzen erreicht, wird sie in der Mitte des Spectrums nur einen dunklen Raum hervorbringen, dessen Breite und verwaschenes Ansehen dann auf die eben angedeutete Weise dieser Vereinzelung entsprechen.

Es ist noch bemerkenswerth, daß die Ursache, welche in den Dämpfen von Brom und Jod einen dritten, nur schwach verspäteten, Theil des Lichtbündels trennt, von der Dichtigkeit dieser Dämpfe abhängt. Während nämlich in dem Spectrum des Lichtes, welches man durch eine dieser Substanzen hindurchgehen läßt, die schmalen und enger an einander stehenden Linien unter allen Umständen eine gleiche Stelle behaupten, treten die breiten grauen Streifen zu ihnen hinzu, und verdecken sie theilweise, wenn die Temperatur oder der Druck, dem man das absorbirende Mittel aussetzt, gewisse, noch näher zu untersuchende, Gränzen erreichen.


Anhang.
Die Messung des brechenden Winkels für das oben beschriebene Prisma.

Nachdem die optische Axe des Theodoliten-Fernrohrs wie gewöhnlich genau horizontal gestellt worden war, wurde sie zuerst auf einen in derselben und in bekannter Entfernung () vom Mittelpunkte des Theodoliten gelegenen Lichtpunktes gerichtet, die dazu gehörige Ablesung am Kreise gemacht, und alsdann, vor dem Objective des Fernrohrs, das Prisma so angebracht, daß sich seine brechende Kante in der optischen Axe um () von dem Mittelpunkt des Theodoliten entfernt befand – und daß auch die optische Axe nicht allzuweit außerhalb der Halbirungsebene des brechenden Winkels lag.

Kamen nun, während man das Azimut des Fernrohrs änderte, die abwechselnd von der einen und von der anderen Prismafläche reflectirten Bilder jenes Lichtpunktes an das Fadenkreuz (und mithin in den Horizont) zu liegen, so stand die brechende Kante des Prismas vertical und daher senkrecht auf der Ebene des Theodoliten. Im entgegengesetzten Falle wurde aber durch dieses Prüfungsmittel, und durch die zur Bewegung des Prismas dienenden Schrauben, die senkrechte Stellung leicht herbeigeführt. – Waren dann endlich , und die Ablesungen am Kreise, während man nach einander auf den Lichtpunkt und auf dessen, von der links und von der rechts gelegenen Prismenfläche reflectirte, Bilder einstellte, so ergab sich mit:

der Prismenwinkel nach folgendem Ausdruck:

Aus den Messungen Par. Par. folgten: , und daher mit ,
aus den nach einander, bei verschiedenen Stellungen des Prisma, erhaltenen:

Ablesungen

der Winkel des Prisma

A A′ I
331° 42′ 25″ 58° 32′ 15″ 45° 23′ 41″
338° 32 10 65° 16 10 45° 23 45
334° 52 28 61° 38 20 45° 23 18
345° 31 45 72° 13 10 45° 23 32

oder im Mittel .

Ich glaube, daß die hier gebrauchte sehr einfache Vorrichtung am Fernrohre einen beliebigen Theodoliten auch zur Messung von Krystallwinkeln eben so tauglich macht, wie die besseren Reflexionsgoniometer. Freilich wird man nicht leicht Krystallflächen finden, welche die Bilder des Lichtpunktes eben so unentstellt reflectiren wie die Flächen Fraunhofer’scher Prismen. Die aus diesem Umstande hervorgehende Unsicherheit wird aber, wie mich dünkt, bei der Anwendung einer beliebigen Art von Reflexionsgoniometern in gleichem Maaße stattfinden.

Reduction des gemessenen Minimum der Ablenkung eines Strahles, auf das wahre (S. 537).

Die Axe, um welche man das Prisma dreht, lag, wenn sie senkrecht gemacht worden, in der Verticalebene durch die optische Axe des Fernrohrs. Auf der Platte, welche dem Prisma als Unterlage diente, war der Endpunkt () jener Drehungsaxe sichtbar, so daß dessen Entfernung () vom Mittelpunkt des Theoliten genau gemessen werden konnte. Legte man nun das Prisma so auf, daß die, auf seiner Basis angegebene, Halbirungsebene des brechenden Winkels, irgendwie durch Punkt ging, so erhielt man, wenn die Entfernung des Lichtschlitzes vom Mittelpunkt des Theodoliten, und und respective das gemessene und das wahre Minimum der Ablenkung eines Strahles bedeuten:

oder mit , bis auf Unmerkliches:

.

Die Größe war ein für allemal zu 111‴,00 bestimmt worden. Das ergab sich aber für jede Versuchsreihe mit großer Schärfe dadurch, daß eine in Pariser Linien getheilte Skale horizontal vor dem Schlitz gelegt wurde. Aus den gemessenen Winkelabständen der einzelnen Striche dieser Skale erhielt man dann , d. h. den Abstand des vor dem Schlitze liegenden. Es ist leicht zu sehen, daß dabei die Länge der Skale nicht einmal senkrecht auf die Gesichtslinie zu dem zuletzt genannten Striche zu seyn braucht, in dem das Fortschreiten der Winkelabstände zwischen den einzelnen Strichen zugleich die Neigung beider Linien kennen lehrt. Man benutzt aber eben diesen Umstand am besten, wenn man ihn zur Herbeiführung einer so gut als vollständigen Senkrechtheit anwendet.


Die vorstehenden Versuche enthalten einen, wie es mir scheint, genügenden Beweis, daß, wenigstens in zwei Fällen, sogenannte natürliche Farben auf diejenige Weise entstehen, welche schon Newton ganz klar als die wahrscheinlichste ausgesprochen hatte [7]. Sie zeigen zugleich, daß, in eben jenen Fällen, die dunklen Streifen im Spectrum (defective lines) nichts weiter sind als die nothwendige Folge eben dieser Farbenentstehung. An die Unzertrennlichkeit beider Verhältnisse: der Entstehung einer Farbe durch Interferenz, und der Anwesenheit von gesetzmäßig vertheilten schwarzen Streifen in dem Spectrum, welches deren Zerlegung giebt, hat bekanntlich noch in der letzten Zeit Hr. Wrede erinnert in seinem schönen Aufsatz in diesen Annalen, Bd. 33 S. 353[WS 2]. Er hat jedoch nicht versucht durch Messungen zu prüfen, ob die Vertheilung der, schon früher bekannten, Absorptionsstreifen wirklich dasjenige Gesetz befolge, welches, für den Fall der Entstehung durch Interferenz, aus einer sehr einfachen geometrischen Betrachtung als nothwendig einleuchtete.

  1. Der Sprachgebrauch der Optik, welcher beide Theile des Phänomens: die Schwächung und die Färbung des gesammten Lichtes unter demselben Namen der Absorption begreift, scheint zwar eben dadurch eine Entscheidung für die erstere Ansicht zu involviren, denn nach der andern Annahme würde, was die Gesammtintensität betrifft, die Hemmung gewisser Wellenarten gar wohl durch eine Verstärkung der bestehen bleibenden compensirt seyn können, und daher nicht geradezu die Schwächung des aufgefallenen Lichtes und die Färbung desselben ein und derselben Ursache zugeschrieben werden dürfen. Indessen ist auch jene Art sich auszudrücken noch durch keine Thatsache gerechtfertigt. – Ich werde im Folgenden unter Absorption nur die Auslöschung gewisser Lichtarten verstehen, ohne Rücksicht auf die Intensität der übriggebliebenen.
  2. Diese und die folgende Angabe beziehen sich, genauer zu reden, auf ein Flintglas, welches für die Fraunhofer’schen Linien C, D, E und F respective die Brechungsindices 1,62752, 1,63280, 1,63962 und 1,64585 besitzt.
  3. Die Messung selbst werde ich am Ende dieses Aufsatzes etwas näher beschreiben.
  4. Siehe über die Bestimmung derselben am Ende dieses Aufsatzes.
  5. Ich habe mit demselben Erfolge auch die dünnen Glasblätter angewendet, die man durch Aufblasung einer Kugel bis zum Springen erhält. Die schwarzen Streifen, die sie erzeugen, haben aber meistens in verschiedenen Querschnitten des Spectrums einen verschiedenen Abstand. Offenbar weil allgemein zu reden die zwei Lichtstrahlen, welche zu zwei solchen Querschnitten ausgebreitet werden, in der Platte sowohl etwas verschiedene Dicken antreffen, als auch, vermöge der Krümmung derselben, verschiedene Einfallswinkel.
  6. Ich gebe den einmaligen Einstellungen auf die mit 0 und mit 19 bezeichneten Linien nur die Gewichte ½ und , weil sie unter den dabei stattfindenden Umständen unsicherer waren als die übrigen, namentlich dadurch, daß sich vor den zuerst und auch nach den zuletzt genannten Linien nur ganz schwache zeigten, welche kaum noch (so wie bei den übrigen Einstellungen) zur Hervorhebung der ihnen nächst gelegenen beitrugen.
  7. Daß man dabei die von ihm angenommenen Anwandlungslängen in dasjenige umzusetzen hat, was sie ein für allemal in der Wellentheorie vertritt, ist in der That keine erwähnungswerthe Abänderung.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 27
  2. Fabian Wrede: Versuch, die Absorption des Lichts nach der Undulationstheorie zu erklären. In: Annalen der Physik und Chemie. Band 109, Joh. Ambr. Barth, Leipzig 1834, S. 353–389 Quellen