Pomologische Monatshefte:1. Band:6. Heft:Pomologische Mittheilungen

Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 6, Seite 268–271
Eduard Lange
fertig
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Ueber die Einrichtung und den Betrieb von Obstbaumschulen im Allgemeinen
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Erfahrung über Obststecklinge
[268]
Pomologische Mittheilungen.
Vom Herrn Professor Ed. Lange in Altenburg.
I.

Ein junger Obstbaum mit gesunder, glatter, glänzender Rinde wird jeder Zeit [269] lieber gekauft werden, als ein knotiger, bemooster, spärlich wachsender Schwächling. In diesem Falle wird selbst die Befürchtung, der Baum könne in festem Boden zu schnell und üppig emporgetrieben seyn, ihren Einfluß verlieren. Und doch sind dergleichen frische, glatte Bäume, so sehr sich auch die Baumschulbesitzer darum bemühen, nicht gerade häufig zu finden, und ihre Erziehung in der Regel um so seltener, je länger das Baumschulland ohne Erneuerung und Zwischennutzung ausschließlich zur Baumzucht benutzt worden ist. Es scheinen sich nämlich auf demselben mit der Zeit auch die Feinde der Obstbäume immer mehr einzunisten und festzusetzen. Viele dieser Feinde sind allbekannt. Ich schweige daher jetzt von ihnen, um die Aufmerksamkeit auf einen meines Wissens bisher wenig besprochenen und doch gar nicht seltenen Feind hinzulenken.

Wenn wir von unsern minder wuchshaften jungen Obstbäumen das Moos und die Flechten vorsichtig entfernen, die hier und da auf ihrer Rinde festsitzen, so finden wir darunter fast jeder Zeit kleine, dünne, braune Würstchen, die, in mancherlei Richtungen durcheinander liegend, fest an der Schale haften und wie leblose Anhängsel oder Ausscheidungen aus derselben erscheinen. Ich habe sie immer Schildläuse genannt, weil sie mit diesen viel Aehnlichkeit haben, obgleich sie verhältnißmäßig dünner, schmaler und trockner erscheinen. Nur schwächliche und spärlich wachsende Bäume sind damit vorzugsweise behaftet, mögen nun die Schildläuse die Ursache oder die Wirkung dieser Schwächlichkeit seyn. Am häufigsten sitzen sie da, wo ein neuer Jahreswuchs beginnt, oder wo früher ein Nebenzweig abgeschnitten worden ist. Für Moos und Flechten aber scheinen sie die Schale erst recht vorzubereiten und empfänglich zu machen, so daß die mit ihnen befleckten Stämme bald das Aussehen junger Greise annehmen.

Als Schutz- und Rettungsmittel gegen dieses Uebel hat sich mir bisher noch am meisten 1) der fortwährende Wechsel des Baumschulbodens und 2) das Anstreichen der bereits bemoosten Bäume mit Kalkmilch bewährt. Auch waren diejenige Obstbäume davon gewöhnlich auffallend frei, die in Dornen oder anderem Strauchwerk empor gewachsen waren, das ihre Schale beim Winde scheuerte und abrieb. Die Kalkmilch vernichtet nicht allein das Moos und die Flechten, sondern auch die darunter befindlichen Schildläuse, denen übrigens die Apfelbäume mehr als die Birnbäume und noch mehr als die Steinobstbäume unterworfen sind. Selbst Weiden sind mir an diesem Uebel zuletzt zu Grunde gegangen, dessen genauere Untersuchung jedenfalls die Aufmerksamkeit der Naturforscher verdient.

II.

Sind auch die Wurzeln der Bäume zunächst darauf angewiesen, die Bodenfeuchtigkeit aufzusaugen, damit diese als Auflösungsmittel für die atmosphärischen Nahrungsstoffe, namentlich für die zu zersetzende Kohlensäure von Zoll zu Zoll wieder durchschwitze und empordringe, dennoch dürfen auch sie der Luft und Wärme nicht zu sehr entzogen werden, wenn die Bäume gedeihen sollen. Das geschieht aber, wenn wir unsere Obstbäume zu tief setzen oder auch ihre Wurzeln späterhin durch aufgeschüttetes Erdreich überdecken. Welches aber das rechte Maaß beim Setzen der Obstbäume sey, das zeigen sie uns selbst unverkennbar beim ersten Keimen ihrer Kerne und beim ersten Emporwachsen der jungen Pflanzen. Da breiten sich die obersten Nebenwurzeln nicht erst fußtief unter der durchwärmten Erdoberfläche [270] aus, sondern sie durchziehen dieselbe in einer Tiefe von wenigen Zollen.

Wie empfindlich aber selbst alte kräftige Bäume gegen das Ueberschütten ihrer Wurzeln seyn können, davon habe ich vor etwa 10 bis 12 Jahren hier in Altenburg einen recht schlagenden Beweis erlebt. Es war nämlich der große Teich südlich von der Stadt an der Zwickauer Straße ein Stück geschlämmt worden, und die benachbarten Feld- und Wiesenbesitzer holten denselben Schlamm von dem zur Promenade dienenden Teichdamm nicht so schnell weg, als man um der Reinlichkeit der Promenade willen wünschen mochte. Daher entschloß man sich, einen Theil des übrig bleibenden Schlammes auf einen Rasenstreifen von 3 bis 15 Ellen Breite zu schaffen, welcher auf der Westseite des Teiches zwischen der Promenade und einem kleinen Bache innen liegt, und erhöhte damit den Boden um etwa 1 bis 1½ Fuß. Im nächsten und zweitnächsten Jahre darauf gingen aber in der ganzen Allee, genau so weit als diese Auffüllung erfolgt war, sämmtliche, um das Jahr 1778 angepflanzte, Roßkastanienbäume ein, so daß von 36 starken und kräftigen Bäumen auch nicht ein einziger am Leben blieb, und die Allee, trotzdem daß die Wurzeln dieser Bäume auf der andern Seite, nämlich unter der Promenade selbst, keine Aufschüttung erfahren hatten, hier eine große, noch heute sichtbare Unterbrechung erfuhr. Allerdings waren diese Bäume bereits ungefähr 70 Jahre alt; aber wenn ihr hohes Alter die Ursache dieses Absterbens gewesen wäre, würden wir die übrigen, nunmehr 80jährigen Bäume, auf derselben Seite der Promenade nicht noch heute fast ohne Ausnahme frisch und munter dastehen sehen, sondern sie würden jenen 36 in wenigen Jahren nachgefolgt seyn.

Mögen aber auch die Obstbäume nicht so empfindlich gegen das Ueberschütten ihrer Wurzeln seyn wie diese Roßkastanienstämme, so habe ich doch auch bei ihnen schon oftmals die Erfahrung gemacht, daß Anpflanzungen derselben lediglich deßhalb nicht recht gedeihen wollten, weil man sie, oft mit allem Vorbedacht, 2 und mehr Zoll tiefer gepflanzt hatte, als sie in der Baumschule gestanden hatten. Deßhalb gebe ich den Landleuten, welche neue Obstanlagen machen wollen, für das Pflanzen der jungen Bäume gewöhnlich den Rath: „Nur nicht zu tief!“ und glaube sie damit gut zu bewahren, so wenig ich auch die jungen Obstbäume an gewissen Chausseen vergessen habe, die, nachdem sich der Boden gesetzt hatte, zuletzt an starken Pfählen fast frei in der Luft schwebten, so daß ihre vertrockneten Wurzeln nur durch Anschütten von Boden wieder verdeckt werden konnten.

III.

Seit einigen Jahren werde ich von hiesigen Bauern um so viel junge Rettigbirnbäume[1] angegangen, wie ich kaum zu liefern vermag. Sie begehren gleich 15 bis 20 Stück auf einmal und setzen diese auch gleich alle neben einander. Freilich ist auch die Rettigbirn für die hiesigen Verhältnisse eine so vorzügliche Birnsorte, daß ihr wohl kaum eine andere an die Seite gesetzt werden kann. Gegen die Kälte ist sie weder im Holze noch in den Tragknospen empfindlich. Sie trägt alljährlich und zwar reichlich, und ihre kleinen, grünen, unansehnlichen und vom [271] Baume selten genießbaren Früchte hängen so fest an den Zweigen, daß der Sturm ihre Stiele in der Regel eher knickt, als sie an der eigentlichen Verbindungsstelle vom Fruchtkuchen trennt. Deßhalb ist auch das Pflücken derselben etwas mühsam. Sie sind voll süßen, kräftigen Safts, schmecken auch gekocht und gebacken recht gut und lassen sich, zur rechten Zeit (d. h. noch hart und grün) gepflückt, ohne Beschädigung weit transportiren. Das Letztere ist wohl auch bei uns der Hauptgrund ihrer so häufigen Anpflanzung. Denn sie wird von den hiesigen und sächsischen Obsthändlern sehr gern gekauft, und auf Schubkarren, Hunde-, Esels- und Pferdewagen in die höher liegenden, rauheren und obstärmeren Gegenden des sächsischen Erzgebirges und Voigtlandes transportirt. Auch gibt sie dort, nach dem Schock verkauft, dem Verkäufer einen besseren Gewinn als größeres Obst, von dem nicht halb so viel Stücke auf 1 Scheffel gehen. – Sollten diese Erfahrungen nicht auch in andern Gegenden, die gegen die Grenzen eines ergiebigen Obstbaues hin liegen, Nachahmung und Beachtung verdienen?

IV.
Das Welken vieler später Apfel- und Birnsorten

hat seinen Grund darin, daß sie beim Abnehmen noch nicht völlig reif waren. Denn bei der Reife bildet sich auf ihrer Oberfläche, ebenso wie auf reifen Kartoffeln, eine sehr dünne Korkhaut, welche die Verdunstung der wässrigen Säfte nunmehr fast ganz verhindert. Ebenso wird auch das Abfallen der Blätter unseres Laubholzes dadurch bewirkt, daß sich beim Reifwerden des Holzes der letzten Jahrestriebe an der Stelle, wo die Blätter an denselben sitzen, eine die Zweige verschließende dünne Korkschicht bildet, welche den ferneren Austausch der Säfte zwischen Zweig und Blatt nach und nach aufhebt und den Zweig den Winter hindurch vor aller stärkeren Verdunstung der Säfte schützt.


  1. Es ist hier die Leipziger oder Coldizer Rettigbirn gemeint, eine Obstsorte, die auch aus andern Gegenden Norddeutschlands, namentlich von dem verdienten Pomologen C. Müller in Züllichau sehr gerühmt wird.
    Die Red.