Pomologische Monatshefte:1. Band:6. Heft:Gründliche Anleitung für Maulbeerbaumzucht und Seidenbau
Band 1, Heft 6, Seite 276–277 | |
Eduard Lucas | |
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- Gründliche Anleitung für Maulbeerbaumzucht und Seidenbau, mit 40 Abbildungen auf 6 Tafeln (2 Taf. colorirt), von C. Fr. Schulz. Berlin 1854. Bei G. Mertens. 20 sgr. gr. 8. 4 Bog.[WS 1]
Die Literatur der Seidezucht hat in neuerer Zeit beträchtlichen Zuwachs erhalten und wenn dieselbe in gleichem Grade wirklich in Deutschland fortschreitet, so kann es nicht so lange mehr dauern, bis von den 20 Mill. Thalern die alljährlich für Seide allein aus Preußen in das Ausland gehen sollen, ein namhafter Theil im Lande bleibt. Im Norden, wie im Süden Deutschlands haben sich in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Vereine für Beförderung der Seidenzucht gebildet, und auch von Seite der Staatsbehörden ist diesem Culturzweig in vielen Ländern eine besondere Aufmerksamkeit und namhafte Unterstützung zugewendet worden. Und doch ist die Seidezucht immerhin noch in der allerersten Kindheit, und es bedarf der fortwährenden Anregung, um sie nur erst in ein gedeihliches Jugendalter zu bringen. Ob sie aber ein kräftiges Mannsalter erreichen, oder einzelne strenge Winter, wie in den Neunziger Jahren Tausende von schönen und starken Maulbeerbäumen wieder mit einem Schlage vernichten, das ist erst noch zu erwarten. Als eine besonders wichtige Entdeckung dürfte deßhalb die des Herrn Seidezuchtlehrers Rammlow in Berlin betrachtet werden, der zeigte, daß die Maulbeerpflanzen in Massen auf gutem Lande aus Samen erzogen und unverpflanzt stehen gelassen, als sogenannte Maulbeerwiese, schon im 2. Jahre eine Menge gutes Futter geben. Die vorliegende Schrift hegt nun aber und gewiß mit vollem Rechte, große Zweifel, ob diese Maulbeerwiesen in der That das leisten, was Rammlow von ihnen sich und andern verspricht, indem ein oder zwei an einem bestimmten Orte gelungene Versuche noch lange nicht auf allgemeine Anwendbarkeit schließen lassen. Doch huldigt der Verfasser auch nicht der Ansicht, daß nur Laub von alten Bäumen gute Seide gebe, und will das Sprichwort: „Nur altes Laub gibt gute Seide“, nur so gedeutet wissen, daß die ältesten und ersten Blätter, die in jedem Jahre bis zur 5. Lebensperiode der Raupen sich schon vollkommen entwickelt haben, gute Seide geben, gleichviel, ob von jungen oder alten Bäumen.
Die Erziehung des Maulbeerbaums in seiner Jugend ist recht gut und faßlich angegeben, immerhin aber rathen wir aus vieljährigen Erfahrungen, wenn Klima und Boden nicht besonders günstig sind, Mistbeete, wenn auch nur kalte oder lauwarme Kästen, zur Saat zu verwenden, indem einestheils hier allein für die zum baldigen Keimen nothwendige Feuchtigkeit und Beschattung genügend und ohne große Kosten gesorgt werden kann, anderntheils hier auch die jungen Pflanzen im ersten Jahre schon recht schön heranwachsen und gewöhnlich 1 Fuß Höhe erreichen, während Saaten im freien Lande gar oft kaum ¼′ hohe Pflänzchen liefern, die im folgenden Winter größtentheils wieder verloren gehen.
Weniger befriedigend ist der Abschnitt über Maulbeerpflanzungen oder Anlagen im Großen, die das Laub zur Fütterung abgeben sollen. Hier fehlt namentlich die Angabe einer schwungreichen Benutzung, denn wenn jeden Sommer sämmtliche Pflanzen beschnitten werden, so wird in Berlin wie in Italien eine Pflanzung bald verdorben seyn. Im südlichen Frankreich und Italien hat man längst eine schlagweise Benutzung eingeführt und benutzt theils ein Jahr ums andere, theils nur alle 3 Jahre die Bäume zur Fütterung. Wir verfahren dabei in folgender Weise; es werden jene Pflanzungen, die im Sommer zur Fütterung verwendet werden sollen, im Frühjahr nicht beschnitten, sondern nur im Sommer und deren alte kleinere Zweige glatt weggeschnitten, die stärkeren bis auf ¼–1/3′ (4–5 Augen) Länge eingestutzt. Dieselbe Pflanzung wird im folgenden Frühjahr genau [277] durchgesehen, das kleine Holz (Fruchtholz) ausgeschnitten und alle Triebe auf 2 oder 3 gesunde Augen eingeschnitten. Hiernach bilden sich im Laufe des Sommers sehr schöne kräftige Zweige, die unberührt bleiben und ihre möglichste Holzreife erhalten. Eine Düngung im Juli und August mit Kloakendung und Asche stark mit Wasser verdünnt, sowie mit den Abfällen der Rauperei, befördert den Trieb noch mehr. Im folgenden Frühjahr wird an dieser Pflanzung nichts, oder höchstens nur die etwas erfrorenen Spitzen (der Ordnung halber) weggeschnitten, und im Sommer findet die Benutzung des Laubes zur Fütterung wieder statt. Bei dieser Rotation erhält man mehr Laub als bei der jährlichen Benutzung, und auch gesunderes, ausgebildeteres. — Den Hauptinhalt der vorliegenden Schrift bildet nun aber die eigentliche Seidezucht, und hier muß man dem Hrn. Verfasser das Verdienst zuerkennen, daß er mit aller Sachkenntniß und Klarheit und mit Berücksichtigung des Fortschritts in dieser Cultur seine Aufgabe gelöst hat. Zahlreiche, recht gute Abbildungen dienen sehr zum leichtern Verständniß für Anfänger, und wir wollen daher gern in das Urtheil des Herrn Generaldirektors Lenné einstimmen, daß die Schrift des Herrn Schulz ohne Anstand als eine durchaus brauchbare zu erklären sey, deren vielseitige Verbreitung sehr wünschenswerth erscheint.
Hohenheim, im Mai 1855.