Pomologische Monatshefte:1. Band:6. Heft:Das Pfropfen in den Spalt

Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 6, Seite 256–257
Carl Rudolph Fickert
fertig
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Die Obstausstellung zu Staefa am Zürcher-See im Oktober 1854
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Ueber Obstaussaaten und deren Erfolge
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Das Pfropfen in den Spalt.

Seit Jahren pflegt das Pfropfen in die Rinde (Pelzen) ziemlich allgemein empfohlen, und ihm der Vorzug vor dem Pfropfen in den Spalt gegeben zu werden. Von den dafür angeführten Gründen klingen wenigstens einige fast wie Scherz, z. B. daß es weniger grausam sey; als ob der Baum Empfindung habe, und als ob das in jedem Falle unvermeidliche Köpfen diese Bezeichnung weniger verdiene. Ich habe beide Arten vielfach selbst angewendet und von Andern anwenden sehen, und muß nach meinen Erfahrungen bei älteren Bäumen und sehr üppig wachsenden jungen Stämmen – doch bei diesen möglichst tief – dem Pfropfen in den Spalt den Vorzug geben, wie dieß früher allgemein war und mindestens ebenso dauerhafte Stämme lieferte, als man jetzt erzieht. Mir scheint das Pfropfen in den Spalt folgende Vortheile zu gewähren: 1) ist es nicht abhängig von der Lösbarkeit der Rinde; 2) findet das Verwachsen der Pfropfstelle, namentlich wenn man 2 oder 4 Reiser aufsetzt, schneller und regelmäßiger statt; 3) werden die Reiser weniger leicht vom Winde oder von Vögeln abgebrochen, weil sie nicht nur fester mit dem Stamm verbunden, sondern auch durch den Anschnitt weniger selbst geschwächt sind (ich beachte zugleich die gewöhnliche Richtung der stärkeren Winde und mache den Spalt so, daß er weder mit dieser zusammenfällt, noch von ihr rechtwinkelig getroffen wird; im ersten Falle kann sich ein langausgetriebenes Reis im Spalt verschieben, im anderen durch den Wind abgebrochen werden); 4) ist mir wenigstens ein zu starkes Zuströmen des Saftes bei dem Pfropfen in den Spalt nie vorgekommen, obwohl ich gegen die gewöhnliche Regel beim Umpfropfen älterer Bäume keinen Ast stehen lasse, sondern alle zugleich veredele. Bei diesem Verfahren treiben die Reiser sehr lebhaft; um ihnen nun die nöthige Stärke zu verschaffen, pflege ich die Spitzen der jungen Triebe im Juni abzukneipen, wodurch zugleich die Fruchtbarkeit beschleunigt wird. Kirschen und Pflaumen werden so behandelt, fast immer, Aepfel und Birnen gewöhnlich, im 2. Jahre Fruchtknospen bilden, so daß sie im 3. Jahre tragen. Was das Angehen der Reiser betrifft, so hängt [257] das nicht von der Art der Veredelung ab, sondern von der Geschicklichkeit dessen, der sie anwendet. Wenn nun Jemand vor Kurzem behauptet hat, daß das Pfropfen in die Rinde bei Pflaumen nicht anwendbar sey, so kann ich das Gegentheil thatsächlich an nicht wenigen Exemplaren beweisen. Ebenso wenig kann ich der Behauptung beitreten, daß das Pfropfen der Pflaumen- und Kirschbäume so früh als möglich geschehen müsse, und daß es nach dem Monat März selten gelinge. Ich habe am 25. Mai v. J. mit dem besten Erfolge Pflaumenbäume in die Rinde gepfropft, in der ersten Hälfte des Mai sehr oft, und immer bemerkt, daß nichts dem Gedeihen der Reiser nachtheiliger ist als das Zurücktreten oder Stocken des Saftes bei kalter Witterung, wie wir sie im März und Anfang April oft haben. Pfropfe ich frühzeitig, so wende ich wohl, um diesem nachtheiligen Einflusse zu begegnen, außer den gewöhnlichen Pfropfbändern noch einen Umschlag von Lehm an, was sich mir stets bewährt hat. Ferner bestreiche ich, wenn ich Süßkirschen in dem Alter pfropfe, wo sie dem Aufspringen der Rinde ausgesetzt sind, den Stamm mit einer Fettigkeit, z. B. mit Speckschwarte, und habe dieß sehr zweckmäßig gefunden. Ich würde demnach, namentlich beim Umpfropfen älterer Bäume sowohl für Süßkirschen als für Aepfel und Birnen im Allgemeinen das Pfropfen in den Spalt empfehlen und das Pelzen nur rathen, wenn die Bäume schon in vollem Saft stehen, weil dann die Rinde beim Spalten sich leicht in der Nähe des Spalts ablöst, was den Erfolg unsicher macht. Doch läßt sich dieß auch verhüten, wenn man vor dem Spalten des Holzes die Rinde durchschneidet. Dieß wird auch wohl überhaupt bei dem Pfropfen in den Spalt angerathen, ist aber bei einem scharfen und nicht zu dicken Messer oder Pfropfeisen unnöthig.

Breslau im März 1855.

Dr. K. Fickert.
Anm. d. Red. Des in obigem sehr schätzbaren Beitrag, bezüglich des Pfropfens bei schon vorgerückter Jahreszeit (Ende Mai) Gesagte, kann ich aus eigener vielfacher Erfahrung vollständig bestätigen. Um mich selbst genau zu belehren, wenn die Zeit des Pfropfens, überhaupt der Frühlingsveredelung, zu Ende gehe, ließ ich durch einen geschickten Gehülfen vom 15. Mai an, wo wir mit der Veredelung in der Baumschule fertig waren, je alle 8 Tage 10 Apfel-Wildlinge, die auf mehreren Beeten neben einander standen und zu diesem Versuch unveredelt geblieben waren, mit gut aufbewahrten Reisern theils in den Spalt, theils in die Rinde pfropfen, theils Copuliren und Sattelschäften. Bis Ende Juni trieben alle Reiser noch sehr schön aus und sind jetzt (nach 3 Jahren) durchaus nicht im Trieb und in der Größe hinter denen damals im April veredelten zurück. Von Anfang Juli aber an wollten die Triebe nicht mehr recht hervorkommen und blieben schwächer, litten auch etwas durch Frost. Seither beeile ich die Veredlung, namentlich das Pfropfen in die Krone erwachsener Bäume nie so sehr und warte immer gelinde gute Witterung ab, auch wenn ich erst Anfang Juni fertig werde.