Pomologische Monatshefte:1. Band:6. Heft:Aus einer Anzeige von Oberdieck’s Anleitung zur Kenntniß des besten Obstes

Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 6, Seite 279–280
Johann Eduard Wappäus (1812–1879)
fortgesetzt von:
Pomologische Monatshefte:1. Band:5. Heft:Aus einer Anzeige von Oberdieck’s Anleitung zur Kenntniß des besten Obstes
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Pomologische Lesefrüchte aus der Thüringer Gartenzeitung
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Ueber das Auftreten und die Verbreitung der Maienkäfer im Kt. Zürich

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Aus einer Anzeige von Oberdieck’s Anleitung zur Kenntniß des besten Obstes etc. vom Herrn Prof. Wappäus in Göttingen (aus den Göttingischen gelehrten Anzeigen 1853. Schluß.)

Was zunächst den letzten Punkt, die Furcht vor der Beschattung durch die Obstbäume betrifft, die namentlich unter den kleinen Landwirthen noch so übertrieben ist, daß sie sogar zur heimlichen Zerstörung neuer Anpflanzungen an Wegen veranlaßt hat und die um so schwerer zu überwinden seyn wird, da bei unserem Landmann durchgängig sehr wenig oder gar keine Liebe für Bäume vorhanden ist, so ist es unnütz, auf die gegentheiligen Erfahrungen in anderen Gegenden, wie z. B. im südwestlichen Deutschland, in einem Theile Sachsens, in Belgien, zu verweisen, denn unser Bauer muß, ehe er glaubt, immer erst selbst sehen, und ist überhaupt schwierig zu Neuerungen zu bewegen, was wir im Uebrigen keinesweges geradezu [280] verdammen möchten. Daß vorgefaßte Meinungen, wie sie bei uns gegen die Obstcultur vorhanden sind, nicht durch Berufung auf die Erfahrungen anderer Länder überwunden werden können, leuchtet leicht ein, man wird hier es der Erfahrung überlassen müssen, solche Vorurtheile zu widerlegen, und obgleich dieß nur sehr langsam geschehen kann, so sieht man den Anfang davon doch auch schon in einigen Theilen unseres Landes, namentlich im Calenbergschen, wo bereits einzelne Gemeinden Communal- und Flurwege mit Obstbäumen bepflanzt haben, und daß dieß gerade im Calenbergischen geschehen, beweist doch auch wieder, daß selbst der als einer der zähesten unter unserer ländlichen Bevölkerung geltende Landmann keinesweges für Verbesserungen unzugänglich ist. Was aber den eben angeführten Haupteinwand betrifft, nämlich die Behauptung, daß die Erfahrung bewiesen habe, wie Klima und Boden des größten Theiles unseres Landes dem Obstbau nicht allein nicht förderlich, sondern geradezu widerstrebend sey, so muß dagegen behauptet werden, daß solche vermeintliche Erfahrung theils auf mangelhaften Beobachtungen beruhe, theils nur beweise, wie die Bedingungen für einen einträglichen Obstbau in unserem Lande andere seyen, als in südlicheren Gegenden, und daß die Obstbaumzucht und namentlich die Kenntniß der Obstsorten im Allgemeinen noch zu beschränkt und zu wenig auf sichere Grundsätze zurückgeführt seyen, um dem Obstbau unter den bei uns vorwaltenden Verhältnissen allgemein die verdiente volkswirthschaftliche Bedeutung in vollem Maaße zu verschaffen. Das Letztere wird auch von Niemanden bereitwilliger anerkannt werden, als von den Pomologen selber, die nicht an einem bloß handwerksmäßigen Betriebe sich genügen lassen, sondern eine mehr wissenschaftliche Behandlung erstreben. Daß aber trotz der großen Confusion, welche mit der neuerdings ins Ungeheure getriebenen Vervielfältigung der Obstsorten in der Pomologie eingerissen ist, doch von Seiten der die große Schwierigkeit der Aufgabe wohl erkennenden Pomologen noch immer die Versuche, Ordnung aus dieser Verwirrung herzustellen, fortgesetzt und eifrig erneuert werden, ist eben ein Beweis von der großen Liebe, welche die Beschäftigung mit der Obstbaumzucht und der Obstcultur denen, die sich ihr hingeben, einzuflößen im Stande ist, eine Erscheinung, die wir bei der Empfehlung der Obstcultur für unsern Landmann nicht ganz gering anschlagen möchten, denn das Interesse, welches der Obstbaum seinem Erzieher abgewinnt, ist gewiß in vielen Fällen geeignet, ihn zu einer sinnigen und veredelnden Betrachtung der Natur hinzuleiten.