Pomologische Monatshefte:1. Band:5. Heft:Was ist Obst?

Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 5, Seite 167–169
Carl Wilhelm Koch (1811–1879)
Obst
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Mittheilungen über den Frostnachtschmetterling
[167]
Was ist Obst?
Vom Herrn Pfarrer Koch zu Friemar bei Gotha.

Die Pomologie, Obstkunde, sucht zwar, wo sie mit wissenschaftlichem Streben vereinigt auftritt, so eng als möglich an die Botanik sich anzuschließen und sie thut daran vollkommen Recht; allein gleich den obersten Begriff der Pomologie, den Begriff Obst, kann man nach rein botanischen Bestimmungen nicht gewinnen, obgleich alles Obst dem Pflanzenreiche angehört. Es geht mit diesem Begriffe wie mit denen von Gemüse, Gewürz und, wollen wir das Pflanzenreich verlassen, mit den Begriffen [168] von Hausthier, Wildpret, Schlachtvieh, Baumaterial, der Zoologie und Mineralogie gegenüber. Man muß nämlich, um für diese Begriffe die Grenzen zu finden, das Herkommen, den allgemeinen Gebrauch befragen, und es läßt sich nicht läugnen, daß wenn auch der Begriff derselbe bleibt, doch die Inhaltsangabe eines solchen Begriffs schwankend ist. Eine deutsche Pomologie enthält nämlich andere Obstarten als eine italienische oder gar südafrikanische, chinesische, australische Pomologie.

Man hat nun Obst gewöhnlich so definirt: Obst heißen alle genießbaren fleischig-saftigen und fettöligten Früchte des Pflanzenreichs; oder Obst heißen die meist im rohen Zustande von den Menschen genießbaren auf Bäumen, Sträuchern und Pflanzen erzeugten Früchte, woraus Saft oder fettes Oel gewonnen werden kann. In der letzten Definition ist zuerst das Merkmal: auf Pflanzen erzeugt, logisch unrichtig, weil es die beiden voranstehenden Bestimmungen auf Bäumen und Sträuchern schon mit einschließt[1]. Weiter aber sind beide Definitionen zu weit, denn nach denselben gehören auch die Heidelbeeren, die Mehlbeeren, die Bucheckern, nach der erstern auch die Cacaobohne, sowie der Mohn zum Obste, welche letztere man um so eher versucht wird, dazu zu rechnen, weil in manchen Gegenden, namentlich in Thüringen derselbe zum Kuchenbacken verwendet wird.

Um aber zum Begriff von Obst zu gelangen, müssen wir uns aus dem Eingangs bemerkten Grunde zunächst allerdings an die Botanik wenden; und diese antwortet auf unsere Frage: was heißt Obst? wie oben richtig angegeben: fleischig-saftige und fett-öligte Früchte des Pflanzenreichs. Das allein sind die eigentlich botanischen Merkmale in der oben angeführten Definition, indem das Merkmal „genießbar“ streng genommen die Botanik nichts angeht. Auch muß noch dabei bemerkt werden, daß das Wort Früchte nicht in streng botanischem, sondern im weiteren Sinne dasteht, als der Theil der Pflanze, in oder an welchem der Same sich befindet. Wollte man das Wort im engeren Sinne nehmen, so würde man die Erdbeere ausschließen, welche bekanntlich eine falsche Frucht ist; sie wird lediglich von dem angeschwellten Fruchtboden, an welchem sich die Samen nackt befinden, gebildet.

Diese Früchte des Pflanzenreichs müssen aber nun, wenn sie zum Obste gerechnet werden sollen, nicht bloß genießbar seyn, sondern eine gesunde, angenehme Nahrung gewähren. Giftige oder widrig schmeckende Früchte verdienen den Namen Obst nimmermehr. Auch versteht es sich von selbst, daß dabei nur an einen mäßigen Genuß gedacht werden darf. Wenn man den Marunken und einigen anderen Pfaumensorten nachredet, daß sie Leibweh, und den Nüssen, daß sie Heiserkeit verursachen, so liegt der Grund davon theils in dem unmäßigen Genusse, theils in der krankhaften Disposition einzelner Individuen. Ferner müssen Früchte, die zum Obst gehören sollen, auch wirklich zur Nahrung gebraucht werden. Die lieblichste und erquickendste [169] Fruchtsorten könnte man nicht zum Obste rechnen, sobald sie nicht irgendwo allgemein genossen wird. Dieß geschieht beim Obst entweder roh, oder mit und ohne Zucker eingemacht, und eines Zusatzes von Salz oder Fett, oder scharfen Gewürzen, um sie genießbar zu machen, bedürfen die Obstfrüchte nicht, wodurch sie sich aber wesentlich vom Gemüse unterscheiden. Ich zähle darum die Melonen allerdings zum Obste, wie auch Liegel schon gethan; die Gurken aber muß ich ausschließen, denn sie bedürfen, sollten sie eine angenehme Speise geben, wenigstens eines Zusatzes von Eßig oder Senf. Auch gedörrt wird das Obst genossen, doch kann die Bestimmung füglich aus der Definition wegbleiben.

Endlich erfreuen sich sämmtliche Pflanzen, welche Obstfrüchte liefern, eines gewissen Cultus von Seite des Menschen; wild wachsende Früchte, wie die Mehlbeere, die Heidelbeere, die Bucheckern, rechnet man gewöhnlich nicht zum Obste. Eben der angenehmen Nahrung wegen, welche die Obstfrüchte geben, und um deren so viel als möglich theils für den eigenen Gebrauch, theils für den Handel und zwar von bester Beschaffenheit zu haben, werden solche Pflanzen nicht blos von den gebildeten Völkern, sondern auch von Wilden gepflanzt und gepflegt. Der Begriff und das Wort Obst hat sonach auch eine kulturhistorische Bedeutung. Völker, bei welchen sich keine Kultur solcher Pflanzen fände, werden auch kein Wort für Obst in ihrer Sprache haben, und stehen gewiß auch sonst auf einer sehr niedern Stufe der Bildung.

Dem Obigen zufolge heißen also Obst: die fleischig-saftigen und fettöligten Früchte gewisser Pflanzen, welche nicht nur eine angenehme und gesunde Nahrung geben, sondern auch theils roh, theils mit oder ohne Zucker eingemacht und jedenfalls ohne eines Zusatzes von Fett, Salz oder scharfen Gewürzes zu bedürfen, irgendwo allgemein genossen werden und darum für den eigenen Gebrauch oder für den Handel mehr oder weniger kunstmäßig erzogen und gepflegt werden.

Eine deutsche Abstammung für das Wort Obst habe ich nicht finden können. Am nächsten steht ihm das griechische opson, opora. Beide Worte finden sich in der Bedeutung für Obst. Das erste heißt eigentlich von Hitze Zubereitetes, das zweite die heiße Jahreszeit, daher auch die Hundstage.

Nach Kaltschmidt[WS 2] heißt Obst althochdeutsch: obaz, opaz, obiz, obez, obazo, obeze; niedersächsisch: avet; böhmisch: owoce; bairisch: Obeß.


  1. Die Redaktion macht bemerklich, daß in der Zusammenstellung mit Bäumen und Sträuchern das Wort Pflanze hier offenbar krautartige, niedrige Gewächse, wie Erdbeeren u. dgl. bedeutet, daher die Bäume und Sträucher nicht mit einschließt. Uebrigens verkennt man die Mängel der gewöhnlichen Definitionen von Obst nicht, von dem man leichter einen angemessenen[WS 1] Begriff sich machen, als eine kurze, völlig zutreffende Definition geben wird können.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ungemessenen (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
  2. Jakob Heinrich Kaltschmidt (1799-1872), deutscher Sprachwissenschaftler und Lexikograph.