Pomologische Monatshefte:1. Band:4. Heft:Etwas über die Traubenkrankheit

Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 4, Seite 143–145
Karl von Zallinger
Echter Mehltau der Weinrebe
fertig
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Sollen wir unsere Obstbäume durch Aussäen von Kernen vorzüglicher Früchte, ohne Veredlung heranzuziehen suchen …?
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Kaltflüssiges Baumwachs
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Etwas über die Traubenkrankheit.
Aus einem Schreiben von Hrn. Carl v. Zallinger in Botzen.

Erwarten Sie etwa nicht einen neuen Beitrag zur bisher erschienenen Literatur über Traubenkrankheit, oder eine spekulative Forschung und Prinzipien-Polemik; – so viel ich noch darüber gelesen, schien keiner der Theoretiker der Krankheit auf den Grund gekommen, oder in der Lage zu seyn, ein praktisches Mittel zur Heilung dieser so furchtbare Verheerungen anrichtenden Traubenkrankheit mitzutheilen.

Allein einen praktischen Versuch, welcher im letzten Jahre in unserer Nähe mit dem besten Erfolge angewendet wurde, näher zu beschreiben und zu veröffentlichen, dürfte vom größten Interesse seyn. Ein praktischer Arzt in Eppan, Dr. Vulkan, machte, von dem Grundsatze geleitet, daß sich Pflanzen-Parasiten auf animalische Stoffe nicht ansetzen, im verflossenen Jahre, als die Trauben die Größe eines großen Bleischrotes hatten, und vom Schimmel, diesen Schmarozer-Pflanzen, überzogen waren, an einem Rebstock folgenden Versuch:

Er tauchte nämlich mehrere Trauben an diesem Rebstocke in gesottenes leichtes Leimwasser, ließ aber mehrere andere Trauben desselben Rebstockes, ohne sie einzutauchen, fortwachsen. Dieser Versuch gab schon nach acht Tagen ein in die Augen springendes Resultat. Die in Leimwasser getauchten wuchsen üppig fort, erlangten die Größe der Trauben wie im gesunden Zustande, und färbten sich roth, während die unberührt gelassenen Trauben ungewöhnlich klein blieben, und mit dem Schimmel, dem bekannten Pilz Oidium Tuckeri dicht überzogen waren.

[144] Bemerkenswerth ist auch, daß der Rebstock, an welchem dieser Versuch gemacht wurde, zu denjenigen Gattungen unserer Reben gehört, die von der Krankheit am meisten befallen sind, und daß sämmtliche Blätter der Rebe, alle Zweige, das Holz und die krautigen Theile mit Pilzen dicht überzogen, und zuletzt schwarz gefärbt waren.

Daß diese Anwendung nur mit wenig Kostenaufwand und leichter Mühe verbunden ist, muß einleuchten, weil zu einem Eimer Wasser nur circa zwei Pfund Leim benöthigt werden.

Herr Dr. Vulkan war so gefällig, Anfangs September in einem ganz einfachen prunklosen Artikel diesen Versuch öffentlich bekannt zu machen, und zum Augenscheine einzuladen. Das Publikum las diesen Versuch, nachdem wir aber gerade in diesem Jahre mit Anwendung aller bisher bekannten Mittel, wenn sie auch mit den breitesten, pompösesten Ankündigungen und Empfehlungen selbst von unserem Hohen Ministerium versehen waren, gar keinen Erfolg wahrnahmen, so mochte wohl die Mehrzahl von diesem Versuche gelesen haben, ohne ein Vertrauen zu diesem Mittel zu fassen, oder sich selber von der Wahrheit der Thatsache zu überzeugen.

Dr. Vulkan forderte mich dringend auf, mich persönlich vom Erfolge seines Versuches zu überzeugen.

Das Resultat war wirklich überraschend! –

Er stellte den Versuch bei einer an einer Mauer hinaufgezogenen südöstlich gelegenen Rebe an, während, wie bekannt, gerade die an Mauern gezogenen der Krankheit viel mehr ausgesetzt waren, als die Reben im freien Felde, und an einer sogenannten Kernatsch-Rebe, welche in der ganzen Gegend am heftigsten vom Schimmel ergriffen waren.

An der Rebe hingen einige 30 Trauben; 14 davon tauchte Dr. Vulkan in ein mit Leimwasser gefülltes Gefäß zu einer Zeit, als der Schimmelansatz schon dem freien Auge bemerkbar wurde. Schon in acht Tagen war die Veränderung auffallend – die eingetauchten Trauben entwickelten sich rasch, schwollen an und blieben rein; dagegen die unberührt belassenen im Wachsthum stille standen, immer grauer und grauer wurden und mehr zusammenschrumpften,

Diese Thatsache ermunterte, die Versuche bei dieser Rebe noch an andern Trauben anzustellen, und so wurde dieses Mittel bis gegen Mitte September bei der einen oder andern Traube angewendet, ja, als es bekannter wurde, beeilten sich alle Nachbarn der Gegend, an den bereits der Zeit nach reifen, allein durch die Verheerungen der Seuche völlig zerstörten Trauben bis zur Weinlese das Mittel anzuwenden.

Wie begreiflich konnte der Leim im dritten Stadium der Krankheit keine Wunder wirken, und der schon verwelkte Stengel zog keinen Saft mehr von der Rebe, die verdorrten Hülsen blieben leer, sowie an allen Rebgeländen unserer Gegend.

Desto prachtvoller und überraschender prangten aber die 14 Trauben, welche Vulkan zu jener Zeit in Leimwasser tauchte, als man die ersten Schimmel-Spuren daran erkannte, und die Beere kaum die Größe von Schrotkörnern hatten.

Dieses Leimwasser blieb wegen der natürlichen Feuchtigkeit der Beere stets weich, hinderte diese nicht im Geringsten, die Normalgröße zu erreichen, und blieb wie ein Ueberzug von Firniß oder Lack bis zur vollständigen Reife. Diese Trauben waren zur Zeit der Reife vollkommen gesund, vollkommen [145] gefärbt, und vom natürlichen Geschmack, so daß der Versuch als ganz entsprechend, und allen Anforderungen vollkommen genügend betrachtet werden muß. Bei zwei oder drei Trauben, bei denen die obersten Beeren zwischen dem alten Holz und den Zweigen versteckt waren und daher nur theilweise in’s Leimwasser getaucht werden konnten, sah man deutlich die Spuren der Krankheit, und bei den nicht eingetauchten, welche an derselben Rebe neben den gesunden hingen, trat die Krankheit furchtbar auf; so, daß man mit vollster Gewißheit die Ueberzeugung gewinnt, daß nur allein dem Leimwasser die Rettung dieser prachtvollen 14 Trauben zugeschrieben werden muß. Es stellt sich zugleich heraus, daß das einmalige Eintauchen in’s Leimwasser vollkommen genügte, wenn es nur zu einer Zeit erfolgt, wo die Krankheit noch nicht die letzten Stadien erreicht hat.

Die Kosten sind unbedeutend, und die Mühe klein, denn eine Person mit einem kleinen der Größe der Trauben angemessenen mit Leimwasser gefüllten Trichter stößt des Tags viele 100 Trauben in dasselbe, besonders in unserer Gegend, wo sie an den bogenförmigen Geländen senkrecht herunterhangen. In den Gegenden, wo der Bau an Stöcken betrieben wird, und die Trauben nahe an der Erde hängen, ist es etwas mühsamer, allein der die Calamität der Krankheit erfahren, läßt sich leicht diese Mühe gefallen. Noch schweben mir jene schöne Trauben des Dr. Vulkan vor, die ich etliche Wochen lange aufbewahrte, und die Alle, die sie sahen, in’s Staunen setzte.

Möge dieser gelungene Versuch Allen zur Belehrung und Nachahmung dienen.

Vielleicht ist es ein Schritt näher, auch die Rebe vor der Krankheit zu bewahren, denn alle bisher angerathenen Mittel, Schwefelblüthen, Blasbälge, Steinkohlen-Theer, Schwefelsäure und wie sie alle heißen, sind wirkungslos und rein unpraktisch; dagegen brachte der Leim eine so großartige staunenswerthe Wirkung hervor, daß der Name des Entdeckers in allen Ländern gepriesen zu werden verdient.