Pomologische Monatshefte:1. Band:1. Heft:Der Grafensteiner Apfel

Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 1, Seite 8–9,
unter: Pomologie
Eduard Lucas
Gravensteiner
fertig
<<<
Vorrede
>>>
Zusammenstellung
[8]
Der Grafensteiner Apfel.
Nebst Abbildung Taf. 1.

Cl. I. Ord. 3. U.Ord. a. – Gestreifter Calvill mit offenem Kelch. Luc.

Gestalt: Großer, in seiner Form abweichender, gewöhnlich hochkugelförmiger Apfel; 2½ Zoll breit und ebenso hoch oder nur wenig niedriger; Wölbung sanft gerippt, nicht selten durch einzelne breite Hervorragungen in ihrer Rundung unterbrochen.

Kelch: offen, sehr häufig unvollkommen, die Blättchen lange grünbleibend, in geräumiger tiefer mit Falten und kleinen Rippen umgebener Einsenkung.

Stiel: bald kurz, bald über ½ Zoll lang, in einer weiten trichterförmigen, öfters durch eine Fleischwulst verengten Höhle.

Schale: fein, fettig werdend, glatt, glänzend; Grundfarbe von hellem strohgelb bis zu goldgelb, die Sonnenseite mit mehr oder weniger Karmoisinstreifen besetzt und dazwischen roth punktirt; beschattete Früchte zeigen mitunder fast keine Streifen. Rostpunkte sind nur sehr selten da, dagegen finden sich an jeder Frucht einzelne schwärzliche Rostflecken.

Fleisch: gelb, locker, sehr saftvoll von vortrefflichem süßweinigem etwas ananasartigem Geschmack und sehr starkem gewürzhaftem Geruch, der ein besonders gutes Merkmal dieser Frucht abgiebt.

Kernhaus: sehr groß, offen; Kammern geräumig, reichsamig.

Kelchröhre: tief, kegelförmig.

Reife und Nutzung: Ende September, Oktober, hält bis Ende November, mitunter bis Weihnachten. Für die Tafel und Wirthschaft von ausgesuchtem Werth und für beide Zwecke in den ersten Rang zu stellen; auf dem Obstmarkt stets gesucht und gut bezahlt.

Eigenschaften des Baumes: Wuchs in der Jugend stark, kräftig, wie auch in spätern Jahren; der Baum wird groß, bildet eine hochgewölbte umfangreiche, starkästige Krone. Sommerzweige stark, weißwolligt, auf der Sonnenseite braunroth, gegenüber trüb olivenfarbig, mit wenigen weißlichen runden Punkten besetzt. Blatt groß, rund-eiförmig, zugespitzt, ziemlich regelmäßig stumpf gesägt, oberhalb glänzend dunkelgrün, auf der untern Seite weißfilzig. Blüthen sehr groß, rein weiß, ziemlich bald erscheinend.

Der Baum ist sehr fruchtbar, verlangt wegen der Größe seiner Frucht etwas Schutz vor Stürmen, kommt aber in hochgelegenen Obstgegenden noch gut fort und gehört zu den dauerhaftern Apfelbäumen. Pyramiden auf Johannis wachsen nach Oberdieck sehr stark und tragen dabei gerne.

[9] Fast alle Pomologen stimmen darin überein, daß der Grafensteiner einer der vorzüglichsten und schätzbarsten Apfelsorten sey und auch bei der Versammlung in Naumburg im Oktober 1853 wurde er unter den 10 vorzüglich schätzbarsten Apfelsorten mit aufgeführt. Ueber seine Abstammung sagt Oberdieck, daß er durch einen Grafen Ahlfeld aus dem Süden nach Grafenstein in Schleswig gebracht worden sey, wo er jetzt so stark angebaut werde, daß jährlich ganze Schiffsladungen davon nach Rußland gehen. Ueberhaupt findet sich dieser Apfel an der Nordküste von Deutschland und an vielen Orten des nördlichen Deutschlands; aber auch in Württemberg kommt er sowohl in der Umgebung von Heilbronn, als am Bodensee häufig vor.

Außer dem sehr verbreiteten Namen Grafensteiner oder Gräfensteiner führt dieser Apfel noch den Namen Grafenapfel, Rippapfel, Paradiesapfel, Prinzessinapfel, Strömling in verschiedenen Gegenden Württembergs, und nach den genauen Untersuchungen Oberdiecks ist der Blumen-Calvill Diels und wahrscheinlich auch der Sommerkönig mit unserer Frucht identisch.

Die Abbildung dieses Apfels in Sickler’s deutschem Obstgärtner ist sehr schlecht und kaum kenntlich; die hier gegebene Abbildung wurde nach einer auf Hochstamm in Hohenheim 1849 gewachsenen Frucht gefertigt.

[Taf. 1]

Der Gräfensteiner Apfel.