Oberstes Gericht der DDR - Carl-Zeiß-Stiftung
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[208] Zur Sachberechtigung bei klagweiser Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten (Namens-, Firmen-, Warenzeichenrechte) gehört, genügt aber auch die substantiierte Behauptung, daß diese Rechte dem Kläger zustehen.
Stiftungsverwaltung der Carl-Zeiß-Stiftung in Jena und daher alleinberechtigt zur gerichtlichen Wahrnehmung der der Stiftungsverwaltung statutengemäß zustehenden Rechte ist der Rat des Bezirks Gera.
Sowohl die Begründung eines zweiten Sitzes der Carl-Zeiß-Stiftung in Westdeutschland als auch die angebliche Verlegung des Sitzes der Stiftung nach Westdeutschland beruhen auf einer bewußten und groben Verletzung des Stiftungsstatuts durch Willkürakte westdeutscher Verwaltungsbehörden und hat die Nichtigkeit dieser Akte zur Folge.
Das Unternehmen einer Rechtfertigung dieser Maßnahmen durch westdeutsche Gerichte, insbesondere den Bundesgerichtshof, stellt eine bewußte und grobe Verletzung der Deutschland betreffenden Grundsätze des Potsdamer Abkommens sowie auch der Grundsätze der bürgerlichen Gesetzlichkeit dar und ist daher Rechtsbeugung. Das gleiche gilt von der Anerkennung einer angeblich „automatischen Verlagerung“ des Sitzes der Stiftung und ihres Wirkungskreises nach Westdeutschland.
Die Überführung der Jenaer Stiftungsbetriebe in Volkseigentum beruht auf rechtmäßigen und völkerrechtlich verbindlichen gesetzgeberischen Maßnahmen der seinerzeitigen Sowjetischen Militäradministration in Deutschland und berührt in keiner Weise den rechtlichen Fortbestand der Carl-Zeiß-Stiftung in Jena.
[209] Der von den damaligen Vertretern der Stiftungsbetriebe erklärte Rücktritt von ihren stiftungsmäßigen Befugnissen ist endgültig und rechtswirksam.
Die Carl-Zeiß-Stiftung in Jena ist nach wie vor alleiniger Inhaber der für sie eingetragenen Altwarenzeichen. Ihre Benutzung durch den unter dem Namen „Carl Zeiss“ in Oberkochen geführten Betrieb ist unzulässig. Die Carl-Zeiß-Stiftung in Jena war und ist berechtigt, die Benutzung dieser Warenzeichen den in Volkseigentum übergeführten ehemaligen Jenaer Stiftungsbetrieben vertragsmäßig zu gestatten.
Auch die Benutzung des Namens und der Firma „Carl Zeiss“ durch den genannten westdeutschen Betrieb ist Rechtsmißbrauch und hat die Unzulässigkeit der Anmeldung und Eintragung von Patenten, Gebrauchsmustern und Warenzeichen durch den genannten westdeutschen Betrieb auf den Namen „Carl Zeiss“ beim Amt für Erfindungs- und Patentwesen der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin zur Folge.
§§ 12, 80, 87 BGB; §§ 17, 37 Abs. 2 HGB; §§ 20, 29–31, 42 ff. Warenzeichengesetz vom 17. Februar 1954 (GBl. S. 216, Ber. S. 26).
1. Zivilsenat. Urteil vom 23. März 1961 – 1 Uz 4/60 Pa –
[1] Die Kläger – Carl-Zeiß-Stiftung (Klägerin zu 1) und VEB Carl Zeiss in Jena (Klägerin zu 2) – verlangen von der verklagten Firma Carl Zeiss in Oberkochen/Württemberg, daß sie es unterlasse, sich im Geschäftsverkehr und im Verkehr mit Behörden der Deutschen Demokratischen Republik der Firmenbezeichnung „Carl Zeiss“ zu bedienen und Waren, deren Verpackung oder Umhüllung mit den im Klagantrage bezeichneten für die Carl-Zeiß-Stiftung eingetragenen Warenzeichen zu versehen. Verlangt werden weiter entsprechende Berichtigungen in den beim Amt für Erfindungs- und Patentwesen (AEPW) in Berlin für die Verklagte angemeldeten und bereits bestehenden Eintragungen von Patenten, Gebrauchsmustern und Warenzeichen.
[2] Im einzelnen ergibt sich der Sach- und Streitstand aus dem Tatbestande des angefochtenen Urteils des Bezirksgerichts Leipzig vom 30. September 1959, auf den insoweit verwiesen wird. Als wesentlich für die Entscheidung im Berufungsverfahren seien daraus folgende Umstände hervorgehoben:
[210] [3] Klägerin zu 1) ist die am 19. Mai 1889 von Dr. Ernst Abbe errichtete und zufolge staatlicher Genehmigung rechtsfähige Carl-Zeiß-Stiftung in Jena. Ihr Statut wurde im Jahre 1896 neu gefaßt und behördlich bestätigt.
[4] Sie ist im Handelsregister des früheren Amtsgerichts Jena als Inhaberin der Firma Carl Zeiß und beim AEPW als Inhaberin folgender Warenzeichen eingetragen:
- Nr. 301470: „Carl Zeiß Jena“ (im Linsenrahmen)
- Nr. 251394: „Zeiß“
- Nr. 301471: Linsenrahmen ohne Beschriftung.
[5] Über die Zwecke der Stiftung bestimmt § 1 des Statuts folgendes:
- „Die Zwecke der Carl-Zeiß-Stiftung sind:
- A. 1. Pflege der Zweige feintechnischer Industrie, welche durch die Optische Werkstätte und das Glaswerk unter Mitwirkung des Stifters in Jena eingebürgert worden sind, durch Fortführung dieser Gewerbeanstalten unter unpersönlichem Besitztitel: im besonderen:
- 2. Dauernde Fürsorge für die wirtschaftliche Sicherung der genannten Unternehmungen sowie für Erhaltung und Weiterbildung der in ihnen gewonnenen industriellen Arbeitsorganisation – als der Nahrungsquelle eines zahlreichen Personenkreises und als eines nützlichen Gliedes im Dienst wissenschaftlicher und praktischer Interessen;
- 3. Erfüllung größerer sozialer Pflichten, als persönliche Inhaber dauernd gewährleisten würden, gegenüber der Gesamtheit der in ihnen tätigen Mitarbeiter, behufs Verbesserung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Rechtslage.
- B. 1. Förderung allgemeiner Interessen der obengenannten Zweige feintechnischer Industrie im eigenen Wirkungskreis der Stiftungsbetriebe wie außerhalb derselben;
- 2. Betätigung in gemeinnützigen Einrichtungen und Maßnahmen zu Gunsten der arbeitenden Bevölkerung Jenas und seiner nächsten Umgebung;
- 3. Förderung naturwissenschaftlicher und mathematischer Studien in Forschung und Lehre.
- Die unter A bezeichneten Zwecke sind durch die Stiftung ausschließlich vermöge statutengemäßer Verwaltung ihrer Gewerbsinstitute und innerhalb dieser zu erfüllen.
[211] :Die unter B benannten Aufgaben sollen der Stiftung obliegen als dem Nutznießer der Erträgnisse, welche ihre Unternehmungen übrig lassen mögen, nachdem den erstgenannten Aufgaben in ihnen genügt ist.“
[6] § 2 des Statuts bestimmt, die Stiftung solle für alle Zeit den Namen „Carl-Zeiß-Stiftung“ führen, zu Ehren des Mannes, der zu obengenannten Unternehmungen den ersten Grund gelegt hat, und zur dauernden Erinnerung an sein eigenartiges Verdienst: geordnetes Zusammenwirken von Wissenschaft und technischer Kunst auf seinem besonderen Arbeitsfeld zielbewußt angebahnt zu haben.
[7] § 3 ordnet an:
- Der rechtliche Sitz der Stiftung ist Jena.
[8] § 4 enthält folgende Regelung der Organe der Stiftung:
- Für die Vertretung der Carl-Zeiß-Stiftung als juristischer Person, die Verwaltung ihres Vermögens und die oberste Leitung ihrer Angelegenheiten soll stets eine besondere „Stiftungsverwaltung“ bestehen.
- Für die Leitung der industriellen Tätigkeit der Stiftung und die Verwaltung ihrer Geschäftsbetriebe sollen durch dieses Statut als die weiteren geordneten Organe der Stiftung neben der Stiftungsverwaltung eingesetzt sein:
- Die „Vorstände (Geschäftsleitungen) der jeweils bestehenden Stiftungsbetriebe“, ein zur Vertretung der Stiftungsverwaltung bei diesen Betrieben berufener ständiger Kommissar (Stiftungskommissar); welche beide, Vorstände und Stiftungskommissar, durch die Stiftungsverwaltung zu ernennen sind, gemäß nachfolgenden Bestimmungen dieses Statuts.
[9] Nach § 5 Abs. 1 sollen die Rechte und Obliegenheiten der Stiftungsverwaltung demjenigen Departement des Großherzoglichen Sächsischen Staatsministeriums zustehen, dem die Angelegenheiten der Universität unterstellt sind.
[10] Nach § 5 Abs. 3 sind die Stiftungsverwaltung und der Stiftungskommissar verpflichtet, die Angelegenheiten der Carl-Zeiß-Stiftung in allem nach den Vorschriften dieses Statuts und gemäß den aus ihm erkennbaren Absichten des Stifters zu leiten. Sie dürfen dabei auf Staatsinteressen, welche den ausgesprochenen Zwecken der Stiftung fremd sind, nicht weitergehende Rücksicht nehmen, als auch für Privatpersonen gesetzlich geboten ist.
[11] Die Stiftung unterhielt als Einzelkaufmann in Jena die im § 1 zu A 1 erwähnten nicht mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten sogenannten [212] „Stiftungsbetriebe“, nämlich die „Optische Werkstätte“ unter der Firmenbezeichnung „Carl Zeiß“ und das Glaswerk unter der Firmenbezeichnung „Jenaer Glaswerk Schott u. Gen.“.
[12] Nach § 39 des Statuts ist eine Verlegung der Stiftungsbetriebe an Orte außerhalb der nächsten Umgebung von Jena unstatthaft.
[13] Die enge und unauflösliche Bindung der Stiftung an Jena und seine nächste Umgebung, an die dort wohnhaften „in industrieller und kleingewerblicher Arbeit stehenden Volkskreise“, deren Wohl und Förderung die Stiftung dienen soll, und an die wissenschaftlichen Einrichtungen der Universität Jena „im ganzen Bereich der naturwissenschaftlichen und mathematischen Lehrfächer“, deren Förderung die verfügbaren Mittel der Stiftung ebenfalls dienstbar zu machen seien, ergibt sich weiter auch aus §§ 103, 105, 106, 110 des Statuts.
[14] Für den Fall staatsrechtlicher Veränderungen sieht § 113 des Statuts den Übergang der Obliegenheiten und Befugnisse der Stiftungsverwaltung auf diejenige Staatsbehörde „innerhalb Thüringens“ vor, der die Angelegenheiten der Universität Jena unterstehen; äußerstenfalls wird die „oberste Verwaltungsbehörde innerhalb Thüringens“ dazu berufen.
[15] § 114 des Statuts trifft Bestimmungen für den Fall des Nichtbestehens einer dem Statut entsprechenden Stiftungsverwaltung bis zur Neukonstituierung dieser Verwaltung. Die interimistische Vertretung und Verwaltung der Stiftung soll in diesem Falle auf die Geschäftsleitung der Optischen Werkstätte, eventuell des ältesten in Jena und Umgebung bestehenden Stiftungsbetriebes übergehen, die aber die von ihnen in Verwahrung genommenen Objekte nur „an eine diesem Statut gemäße neue Stiftungsverwaltung wieder herauszugeben haben“.
[16] § 116 des Statuts enthält folgende Bestimmungen über die Auflösung der Stiftung:
- Sollte die Carl-Zeiß-Stiftung zu irgend einer Zeit infolge der Auflösung ihrer sämtlichen Betriebsunternehmungen, unter den Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 dieses Statuts oder durch andere Ereignisse, für weitere ersprießliche Fortsetzung der ihr zugedachten praktischen Tätigkeit im Gebiet der feintechnischen Industrie keinen Boden mehr haben und alsdann auch keine andern stiftungsgemäßen Einrichtungen dauernder Art und von erheblicher Bedeutung besitzen, deren Fortführung nicht wesentlich nur Vermögensverwaltung wäre, so soll sie nach Auflösung des letzten Stiftungsbetriebes und Abwicklung aller Verbindlichkeiten ihr übrig bleibendes Vermögen nur zur einen Hälfte an die Gemeinden Jena und Wenigenjena, zur [213] anderen Hälfte der Universität Jena, falls diese aber nicht mehr bestünde, nach Wahl der Stiftungsverwaltung einer anderen deutschen Hochschule, zu weiterer selbständiger Verwendung für im Sinne der Stiftung liegende Zwecke überweisen und als Rechtssubjekt mit eigenen Organen zu bestehen aufhören.
[17] § 118 ermächtigt zwar die „statutenmäßige Stiftungsverwaltung der Carl-Zeiß-Stiftung“ unter bestimmten eng begrenzten Voraussetzungen zu einer Änderung der Statuten.
[18] § 121 schränkt diese Befugnis der Stiftungsverwaltung jedoch dahin ein, daß die Bestimmungen der Satzung über Statutenänderung sowie
- „die Bestimmungen der vier §§ 1–4 ... unter keinen Umständen und auf keine Weise mit rechtlicher Wirkung abgeändert oder außer Kraft gesetzt werden“
dürfen.
[19] Nach dem ersten Weltkriege übernahm das Volksbildungsministerium des Landes Thüringen die Aufgaben der Stiftungsverwaltung. Nach 1934 maßte sich der faschistische „Reichsstatthalter“ in Thüringen diese Befugnisse an.
[20] Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges übernahm erneut das Thüringische Volksbildungsministerium die Aufgaben der Stiftungsverwaltung. Zu Stiftungskommissaren wurden am 21. Juni 1945 der damalige Landgerichtspräsident Dr. Barth und nach dessen Tode am 25. Mai 1951 der jetzige Direktor des Bezirksarbeitsgerichts Erfurt, Dr. Kunz, berufen. Auf Grund des Gesetzes über die weitere Demokratisierung der staatlichen Organe in den Ländern der Deutschen Demokratischen Republik vom 23. Juli 1952 (GBl. S. 613) übernahm der Rat des Bezirks Gera die Aufgaben der aufgelösten Behörden des Landes Thüringen in seinen örtlichen Bereich und damit auch die Aufgaben und Befugnisse der Stiftungsverwaltung.
[21] Über die Weiterentwicklung der beiden Jenaer Stiftungsbetriebe, den Rücktritt und „Abtransport“ ihrer Geschäftsleitungen und zahlreicher anderer Betriebsangehöriger durch die amerikanische Besatzungsbehörde, die Bestellung neuer Geschäftsleitungen, die Überführung der Stiftungsbetriebe in Volkseigentum unter Aufrechterhaltung der Carl-Zeiß-Stiftung und ihrer Zwecke, über die Gründung der westdeutschen „Opton G.m.b.H.“ (später „Zeiss Opton, Optische Werke Oberkochen G.m.b.H.“) und deren spätere Tarnung als „Stiftungsbetrieb“ auf Grund einer statutenwidrigen „Verlegung“ des Sitzes der Carl-Zeiß-Stiftung nach Heidenheim a. d. Brenz enthält der Tatbestand des angefochtenen Urteils eine ausführliche Darstellung, auf die im einzelnen Bezug genommen wird.
[214] [22] Die Kläger machen nun mit ausführlicher Begründung geltend, sie seien allein berechtigt, die Namens- und Warenzeichenrechte der Carl-Zeiß-Stiftung für sich in Anspruch zu nehmen. Die Verfügungen der württembergisch-badischen Behörden über die Sitzverlegung der Stiftung nach Heidenheim seien nichtige Verwaltungsakte.
[23] Ihr wahrer Zweck sei, den von den Werktätigen geschaffenen Ruf und die Weltgeltung der feinmechanisch-optischen Qualitätserzeugnisse der Jenaer Zeiß-Betriebe widerrechtlich zu usurpieren und den Raub der sie schützenden Namens- und Warenzeichenrechte zu verschleiern. Die Anerkennung dieser Akte durch westdeutsche Gerichte sei Rechtsbeugung im Dienste des Klassenkampfes.
[24] Da die Verklagte die Rechte der Kläger auch im Gebiete der Deutschen Demokratischen Republik verletzt habe, weiter verletze und in der Öffentlichkeit die Vorstellung zu erwecken versuche, als sei sie rechtmäßig Inhaberin der Zeiß-Namens- und Warenzeichenrechte, sei Abwehrklage geboten.
[25] Weil die Verklagte sich trotz ordnungsmäßiger Zustellungen und Ladungen auf den Rechtsstreit nicht eingelassen habe, haben die Kläger beantragt, über die von ihnen gestellten Klaganträge durch Urteil nach Lage der Akten zu entscheiden.
[26] Das von den Klägern auf Grund von § 36 Abs. 2 des Warenzeichengsetzes vom 17. Februar 1954 (GBl. S. 216) in Verbindung mit § 32 ZPO angerufene Bezirksgericht Leipzig hat diesen Anträgen durch Urteil vom 30. September 1959 zum größten Teil stattgegeben, indem es wie folgt erkannt hat:
- I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung einer vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Geldstrafe in unbeschränkter Höhe im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik zu unterlassen,
- 1. sich im geschäftlichen Verkehr, insbesondere zu Zwecken der Werbung, der Firmenbezeichnung „CARL ZEISS“ zu bedienen;
- 2. Waren oder deren Verpackung oder Umhüllung mit einem oder mehreren der folgenden Warenzeichen zu versehen:
- a) ZEISS,
- b) im Linsenrahmen obere Hälfte „CARL“, untere Hälfte „ZEISS“,
- c) im Linsenrahmen obere Hälfte „CARL ZEISS“, untere Hälfte „Jena“,
- d) dem Linsenrahmen
[215]
- oder die so bezeichneten Waren in Verkehr zu setzen oder auf Ankündigungen, Preislisten, Geschäftsbriefen, Empfehlungen, Rechnungen oder dergleichen eines oder mehrere der vorbezeichneten Warenzeichen anzubringen.
- II. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern allen Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die in I Ziff. 1 und 2 bezeichneten, seit dem 1. Januar 1955 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Des weiteren wird die Beklagte verurteilt, den Klägern Auskunft zu erteilen, in welchem Umfange sie seit dem 1. Januar 1955 Handlungen der in I Ziff. 1 und 2 bezeichneten Art begangen hat, unter Angabe der gelieferten Erzeugnisse und der betriebenen Werbung.
- IV. Die Kläger sind befugt, den erkennenden Teil des Urteils zu I Ziff. 1 und 2 unter Weglassung der Strafandrohung innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft auf Kosten der Beklagten je einmal in den Zeitschriften „Feinmechanik-Optik“ und „Feingerätetechnik“ in der Größe einer halben Seite dieser Zeitschriften und in den folgenden Zeitungen „Neues Deutschland“, „Nationalzeitung“ und „Die Wirtschaft“ in der Größe einer Viertelseite dieser Zeitungen zu veröffentlichen.
- V. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
- VI. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 3/4, die Kläger zu 1/4 zu tragen.
- VII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
[27] Die Abweisung der Klage bezieht sich auf den Klagantrag zu I Ziff. 1, soweit damit verlangt wird, die Verklagte habe es zu unterlassen, sich im Schriftverkehr mit Personen oder Behörden, einschließlich des Amtes für Erfindungs- und Patentwesen der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin (AEPW), der Firmenbezeichnung „Carl Zeiss“ zu bedienen. Abgewiesen wurde ferner der Antrag zu II, die Verklagte zu verurteilen, innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Urteils dafür Sorge zu tragen, daß zu den beim Amt für Erfindungs- und Patentwesen der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin auf den Namen der Beklagten laufenden Anmeldungen von Patenten, Gebrauchsmustern oder Warenzeichen sowie zu den für sie vorgenommenen Eintragungen oder Erteilungen von Patenten, Gebrauchsmustern oder Warenzeichen der Name des Berechtigten durch geeignete Maßnahmen in der Weise abgeändert wird, daß er I Ziff. 1 nicht mehr zuwiderläuft.
[216] [28] Der Anspruch auf Abänderung der beim AEPW laufenden Anmeldungen (zu II des Klagantrages) wird in den Urteilsgründen als berechtig und zuerkannt behandelt, während er nach Urteilsformel ebenfalls der Abweisung verfallen ist.
[29] Insoweit das Bezirksgericht Leipzig der Klage stattgegeben hat, geht es nach Bejahung seiner Zuständigkeit in der Begründung seines Urteils davon aus, daß über die ordnungsgemäße Gründung der Carl-Zeiß-Stiftung und die Rechtswirksamkeit ihres Statuts kein Streit bestehe. Die Verklagte bzw. deren Vertreter hätten jedoch in den vor den Gerichten der Bundesrepublik geführten Prozessen die Möglichkeit bestritten, die Zwecke der Stiftung innerhalb der Deutschen Demokratischen Republik zu erfüllen, weshalb die Verlegung des Sitzes der Stiftung nach Heidenheim betrieben worden sei. Zur Feststellung der Aktivlegitimation der Klägerin zu 1) sei es deshalb notwendig, festzustellen, ob die in Westdeutschland befindliche Einrichtung, die sich berühme, die aus Jena verlegte Carl-Zeiß-Stiftung zu sein, Rechtens entstanden ist. Das Bezirksgericht verneint dies mit dem Hinweise darauf, daß die Mitglieder der vormaligen Geschäftsleitung der Firma Carl Zeiß Jena „wenn auch nicht förmlich, so doch im Ergebnis abberufen worden seien“. Darauf, ob eine solche Abberufung überhaupt möglich sei, komme es nicht an, da die Mitglieder der Geschäftsleitung, Professor Dr. B. und Paul H., mit Schreiben vom 28. Januar 1946 ausdrücklich erklärt hätten, daß sie keinerlei Funktionen innerhalb der Geschäftsleitung mehr ausübten, was einem persönlichen Rücktritt gleichkomme. Dieser Stellungnahme habe sich auch Dr. K. mit Schreiben vom 23. April 1946 angeschlossen. Die vor den Gerichten der Bundesrepublik aufgestellte Behauptung dieser Mitglieder der Geschäftsleitung, sie seien nie zurückgetreten und an ihrer Stelle seien nur einstweilen Kollektivprokuristen bestellt worden, entspreche ebensowenig den Tatsachen wie ihr Einwand, es sei zu dem Schreiben vom 28. Januar 1946 nur wegen der Bedrohung mit einem Entnazifizierungsverfahren gekommen. Da mithin die vormalige Geschäftsleitung zumindest durch ihre Erklärung vom 28. Januar 1946 rechtsverbindlich von ihren Funktionen zurückgetreten sei und ihr Vertretungsvollmacht für einen Stiftungsbetrieb weder einzeln noch gemeinsam zugestanden habe, seien sie auch nicht berechtigt gewesen, etwaige, nach ihrem Ermessen notwendige Maßnahmen aus § 114 der Statuten herzuleiten. Sie hätten von der neuen in Jena bestellten Geschäftsleitung nur Vollmacht erhalten, für die in Oberkochen begründete spätere Zeiss-Opton-GmbH in Übereinstimmung mit den in Jena gefaßten Beschlüssen tätig zu werden.
[30] Alle späteren von Dr. B., Dr. K. und H. im Zusammenhang mit der Carl-Zeiß-Stiftung vorgenommenen Handlungen seien deshalb unwirksam. Die von den Gerichten der Bundesrepublik unter Übergehung dieser Feststellung gegebenen weiteren Begründungen zur rechtswirksamen Sitzverlegung [217] der Carl-Zeiß-Stiftung dienten nur dazu, diesen entscheidenden Mangel zu verdecken.
[31] Gleichwohl erachtet es das Bezirksgericht für notwendig, auf einige weitere Argumente, deren sich die frühere Geschäftsleitung zur Begründung von Klagschriften und Klagerwiderungen bedient hat und denen sich westdeutsche Gerichte angeschlossen hatten, einzugehen. Eine unrichtige, die Gerichte der Bundesrepublik auch nichts angehende Zweckbehauptung sei unter anderem der Einwand, daß mit der Überführung der Stiftungsbetriebe in Volkseigentum die Erfüllung des Zweckes der Stiftung nicht mehr gewährleistet sei. Dabei ließen die Gerichte der Bundesrepublik unbeachtet, daß es gerade die Mitglieder der früheren Geschäftsleitung der Stiftungsbetriebe gewesen seien, die durch Unterstützung des faschistischen Raubkrieges die Ursache für die Enteignung und Überführung der Betriebe in Volkseigentum gesetzt hätten. Durch den Beschluß der Deutschen Wirtschaftskommission vom 16. Juni 1948 sei eine die Stiftung und ihre enteigneten Betriebe betreffende Regelung getroffen worden, die unter den Verhältnissen des Arbeiter-und-Bauern-Staates in Verbindung mit § 118 des Statuts ohne Veränderung der Zweckbestimmung der Stiftung genügend Raum zur Wirksamkeit gebe. Diese sei keineswegs nur noch eine lediglich vermögensverwaltende Institution. Dem widerspreche es auch nicht, daß sie zur Zeit an der Wahrnehmung ihrer Rechte in der Bundesrepublik gehindert werde. Abgesehen davon hätte bei Wegfall des Zweckes der Stiftung diese aufgehoben oder mit einer anderen Zweckbestimmung ausgestattet werden müssen (§ 87 Abs. 1 BGB). Zuständig für eine solche Maßnahme wäre aber allein gewesen die oberste Landesbehörde in Thüringen bzw. diejenige, der die Stiftung unterstellt sei (§ 80 BGB).
[32] Mithin enthalte der von Dr. B., H. und Dr. K. gegenüber dem Staatsministerium Württemberg-Baden gestellte Antrag (auf Zuweisung eines neuen Sitzes der Stiftung) eine bewußte Irreführung. Die staatlichen Dienststellen dieses Landes hätten nichts getan, um den Sachverhalt aufzuklären, sondern hätten sogar zur Täuschung der Öffentlichkeit bewußt beigetragen. Das Staatsministerium des genannten westdeutschen Landes sei niemals Stiftungsverwaltung gewesen, habe es auch nach dem Willen des Stifters niemals werden können. Da auch die Antragsteller ohne Vertretungsmacht gehandelt hätten, sei der im Interesse einiger weniger getroffene Verwaltungsakt nichtig.
[33] Der Sitz der Carl-Zeiß-Stiftung sei nach wie vor Jena. Die in Heidenheim bestehende Carl-Zeiss-Stiftung sei ohne rechtliche Grundlage und führe den Namen Carl Zeiss zu Unrecht. Die Klägerin zu 1) sei danach zur Klage legitimiert. Die Aktivlegitimation des Klägers zu 2) ergebe sich aus dem zwischen den beiden Klägern geschlossenen schriftlichen Vertrage [218] vom 8. April 1954 über die Benutzung der der Klägerin zu 1) zustehenden Warenzeichenrechte.
[34] Das Bezirksgericht trifft anschließend tatsächliche Feststellungen mit dem Ergebnis, daß die verklagte Firma diese Rechte vorsätzlich und widerrechtlich durch von ihr auf dem Gebiete der Deutschen Demokratischen Republik begangene Handlungen verletze. In diesem Zusammenhange macht das Gericht auch Ausführungen über den Charakter der Warenzeichen der Kläger als sogenannte „notorische Marken“ und über einen „mit den streitigen Kennzeichnungsmitteln verbundenen Goodwill“, der den Betrieben der Kläger gehöre und in den die Verklagte in einer gegen §§ 1, 3 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb verstoßenden Weise eingreife. Auf diese Ausführungen (Seite 39 bis 41 des Urteils) wird im einzelnen verwiesen.
[35] Dem Unterlassungsbegehren der Kläger – so wird weiter ausgeführt – könne jedoch nicht stattgegeben werden, soweit die Verklagte den Namen „Carl Zeiss“ gegenüber staatlichen Dienststellen oder Personen der Deutschen Demokratischen Republik gebrauche, da damit „nach der bisherigen Rechtsauffassung“ eine Werbung für die Verklagte nicht verbunden sei. Die Teilnahme am Wirtschaftsleben, die durch westdeutsche Unrechtsurteile für die Verklagte die Möglichkeit geschaffen habe, sich innerhalb des westdeutschen Wirtschaftsgebietes des Namens „Carl Zeiss“ als Firma zu bedienen, erfordere auch die Verbindung mit der Deutschen Demokratischen Republik, die in immer stärkerem Maße internationale Anerkennung gewinne. Der Namensmißbrauch durch die Verklagte sei zwar nicht zweifelhaft, doch wäre das Verbot der Namensführung andererseits eine Irreführung, da die Verklagte sich im internationalen Verkehr in einem nicht unbeträchtlichen Teile der Welt dieses Namens bediene. Eine schädliche Folge für die Kläger trete durch den Gebrauch des Namens gegenüber staatlichen Dienststellen der Deutschen Demokratischen Republik nicht ein.
[36] Die zuerkannten Nebenansprüche – Schadenersatz, Auskunftserteilung, Veröffentlichung von Teilen des Urteilsausspruchs – finden im Urteil abschließend ihre dem Gesetz entsprechende Begründung.
[37] Gegen dieses Urteil haben die Kläger frist- und formgerecht Berufung eingelegt mit dem Antrage,
- das angefochtene Urteil insoweit abzuändern, als die Klage abgewiesen worden ist, den Anträgen der Klage also auch dahin stattzugeben, daß die Verklagte ferner verurteilt wird,
- 1. zu unterlassen, sich im Schriftverkehr mit Personen oder Behörden, einschließlich des Amtes für Erfindungs- und Patentwesen der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin, der Firmenbezeichnung „Carl Zeiss“ zu bedienen,
[219]
- 2. sie insbesondere zu verurteilen,
- a) es zu unterlassen, bei für sie laufenden Anmeldungen auf Erteilung oder Eintragung von Patenten, Gebrauchsmustern oder Warenzeichen beim Amt für Erfindungs- und Patentwesen der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin die Firmenbezeichnung „Carl Zeiss“ als Name des Berechtigten zu gebrauchen,
- b) darin zu willigen und zu beantragen, daß bei den für sie beim Amt für Erfindungs- und Patentwesen der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin bereits erfolgten Erteilungen oder Eintragungen von Patenten, Gebrauchsmustern und Warenzeichen die Firmenbezeichnung „Carl Zeiss“ als Name des Berechtigten gelöscht wird,
- 3. der Verklagten nachzulassen, innerhalb von drei Monaten seit Verkündung dieses Urteils an Stelle der Rücknahme der Anmeldung oder des Antrages auf Löschung der Firmenbezeichnung „Carl Zeiss“ dem Amt für Erfindungs- und Patentwesen der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin zwecks Eintragung oder Umschreibung der genannten Rechte als Name des Berechtigten eine Namens- oder Firmenbezeichnung bekanntzugeben, die den zu 1 und 2 dieses Urteils ausgesprochenen Verboten nicht zuwiderläuft,
- 4. die sämtlichen Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
[38] Zur Begründung haben sie geltend gemacht:
[39] Ausgehend von der Feststellung, daß Träger der „Zeiß“-Namens- und Warenzeichenrechte nur die Kläger seien, hätte das Bezirksgericht außer dem Verbot der Verwendung der Firmenbezeichnung „Carl Zeiss“ im geschäftlichen Verkehr das Verbot auch auf den Schriftverkehr mit Personen oder Behörden, einschließlich des Amtes für Erfindungs- und Patentwesen der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin, erstrecken müssen.
[40] Es möge richtig sein, daß in Fällen, in denen ein westdeutscher oder ausländischer Einzelkaufmann oder eine Gesellschaft eine prioritätsjüngere Firmenbezeichnung verwende, die mit einer Betriebsbezeichnung oder einem Warenzeichen im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik kollidiere, der westdeutsche oder ausländische Namensträger, wenn er seine Firma befugterweise benutze, verpflichtet sei; im geschäftlichen Verkehr in der Deutschen Demokratischen Republik unterscheidende Zusätze aufzunehmen, vielleicht sogar die Benutzung der Firma in der konkreten Form wegen Verwechslungsgefahr überhaupt zu unterlassen und auch gegenüber Behörden die Benutzung des Namens zu unterlassen, [220] wenn die Benutzung gegenüber diesen Behörden zur Eintragung in öffentliche Register führe, er im übrigen aber, da er nach seinem Heimatrecht befugterweise diese Firma führe, im amtlichen Verkehr mit staatlichen Dienststellen der Deutschen Demokratischen Republik berechtigt sei, seinen Namen ohne irgendwelche Zusätze zu verwenden.
[41] Hier aber lägen die Dinge völlig anders. Die von der Verklagten behauptete Identität mit der im Jahre 1889 in Jena errichteten Carl-Zeiß-Stiftung und die Inanspruchnahme der Stellung gesetzlicher Vertreter der Carl-Zeiß-Stiftung durch die für die Verklagte handelnden Personen soll nur der Usurpierung von Rechten der Carl-Zeiß-Stiftung zu Jena in Westdeutschland und im Ausland dienen.
[42] Wie das Bezirksgericht aber festgestellt habe, sei das Gebilde in Heidenheim weder mit der Carl-Zeiß-Stiftung identisch noch habe irgendeine der in Heidenheim ansässigen Personen gesetzliche Vertretungsbefugnis hinsichtlich der Stiftung.
[43] Die Benutzung der Firma „Carl Zeiss“ erfolge durch die Verklagte auch in Westdeutschland nicht befugterweise, so daß für eine Interessenabwägung, wie sie das Bezirksgericht vorgenommen habe und wie sie bei Gleichnamigen, die befugterweise ihre Firma gebrauchen, vielleicht notwendig sei, kein Raum sei. Daran ändern auch nichts die in Westdeutschland ergangenen, von politischen und wirtschaftlichen Erwägungen bestimmten Entscheidungen zugunsten der Verklagten.
[44] Eine Anerkennung des Rechts auf Verwendung der Bezeichnung „Carl Zeiss“ gegenüber Personen oder staatlichen Dienststellen der Deutschen Demokratischen Republik würde die vom Bezirksgericht durch das Verbot der Namensführung erwartete Irreführung nicht vermeiden, sondern geradezu schaffen.
[45] Bei der Weltgeltung des Namens „Zeiß“, den die Kläger durch die Präzisionsarbeit ihrer Werktätigen in langen Jahren und insbesondere durch die Friedensproduktion des VEB Carl Zeiss Jena ab 1948 geschaffen hätten, würden die Interessen der Kläger durch jede unrechtmäßige Verwendung des Namens „Carl Zeiß“ besonders empfindlich getroffen.
[46] Dem Antrage auf Verbot der Firmenbezeichnung „Carl Zeiss“ im Schriftverkehr mit Personen oder Behörden, einschließlich des Amtes für Erfindungs- und Patentwesen der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin, sei daher stattzugeben.
[47] Das Bezirksgericht habe auch den Klageantrag II, die Verklagte zu verurteilen, innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Urteils dafür Sorge zu tragen, daß zu den beim Amt für Erfindungs- und Patentwesen der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin auf den Namen der Verklagten laufenden Anmeldungen von Patenten, Gebrauchsmustern [221] oder Warenzeichen sowie zu den für sie vorgenommenen Eintragungen oder Erteilungen von Patenten, Gebrauchsmustern oder Warenzeichen den Namen des Berechtigten durch geeignete Maßnahmen in der Weise abzuändern, daß er I Ziff. 1 des Klageantrages nicht mehr zuwiderläuft, abgewiesen.
[48] Diese Klageabweisung ergebe sich zwar ebenfalls aus der Auffassung des Bezirksgerichts, daß die Verwendung des Namens gegenüber staatlichen Dienststellen der Deutschen Demokratischen Republik nicht verboten werden könne, indessen habe das Gericht andererseits den Antrag auf Abänderung der laufenden Anmeldungen sowie Eintragungen von Patenten, Gebrauchsmustern und Warenzeichen aus Gründen der Wiedergutmachung des Schadens nach § 249 BGB als gerechtfertigt betrachtet.
[49] Da die Eintragung in öffentliche Register des Patentamtes und insbesondere die Veröffentlichung von Warenzeichen-Eintragungen unter dem von der Verklagten rechtswidrig verwendeten Namen „Carl Zeiß“ einem besonders großen Personenkreis zugängig sei, sei der Eingriff in die Rechte der Kläger besonders stark, so daß dem Klageantrag aus dem Gesichtspunkt der Wiedergutmachung des Schadens nach § 249 BGB in vollem Umfang stattzugeben sei.
[50] Die Kläger beantragen, durch Urteil nach Lage der Akten zu erkennen, da die Verklagte jede Beteiligung auch am Berufungsverfahren abgelehnt hat.
[51] Das Oberste Gericht hat der Berufung der Klägerin in vollem Umfang stattgegeben.
[52] Obwohl sich die Berufung nur noch auf den vom Bezirksgericht abgewiesenen Teil der Klaganträge beschränkt, erweist es sich doch als notwendig, die vom Bezirksgericht gegebene Begründung der den Klaganträgen stattgebenden Entscheidung in einigen Punkten zu berichtigen. Diese Entscheidung ist zwar im Ergebnisse richtig, weist jedoch in der Begründung Fehler auf, die auf ungenügender Erkenntnis der in dem Streite der Parteien zum Ausdruck kommenden gesellschaftlichen Widersprüche beruhen.
[53] Vorweg sei bemerkt, daß es an sich zwar zu billigen ist, daß sich das Bezirksgericht in seinem Urteil auch mit den hauptsächlichsten Argumenten auseinandergesetzt hat, die in den Urteilen westdeutscher Gerichte vorgebracht worden sind, um den von den dortigen Verwaltungsbehörden gegen die Kläger im Zusammenwirken mit nicht legitimierten Vertretern der Klägerin zu 1) begangenen Rechtsbruch zu verschleiern. Dies hätte [222] jedoch im Zuge der Prüfung der sachlichen Berechtigung der Klaganträge geschehen müssen.
I
[54] Die Aktivlegitimation der Kläger war bereits ohne jeden Zusammenhang mit der erwähnten Gegenargumentation zu bejahen. Sie ergab sich für die Klägerin zu 1) allein schon aus ihrer vom Bezirksgericht zutreffend festgestellten ordnungsmäßigen Begründung und ihrem Fortbestande als selbständiges Rechtssubjekt in Verbindung mit ihrer Behauptung, sie sei Trägerin des von der Verklagten bestrittenen Namens- und Firmenrechts und Inhaberin der den Gegenstand der Sachanträge bildenden Warenzeichen, für den Kläger zu 2) aus seiner Behauptung, auch er sei Träger des Namensrechts „Carl Zeiß“, insbesondere des Rechtes zur Führung dieser Firma, und sei weiter kraft Vereinbarung auch zum Gebrauch der streitigen Warenzeichen befugt. Die Sachlegitimation ist, was das Bezirksgericht verkennt, nicht Sachurteilsvoraussetzung, sie ergibt sich nicht aus dem Bestände des materiellen Rechts, sondern aus dem Prozeßrecht. Es ist für den Parteibegriff bedeutungslos, ob die im Prozesse auftretenden Parteien nach der materiellen Rechtslage aus dem oder den streitigen Rechtsverhältnissen berechtigt bzw. verpflichtet sind. Prozeßpartei ist auch der Kläger, der in substantiierter Form behauptet, daß ihm nach dem streitigen oder unstreitigen Sachverhältnis der geltend gemachte Anspruch zustehe. Ob dies der Fall ist oder nicht, wird im Prozeßverfahren untersucht und führt jeweils zur Zuerkennung oder Abweisung der Klagansprüche.
[55] Nun haben allerdings westdeutsche Gerichte, vor allem der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in seinem neuesten Urteil vom 15. November 1960 – 1 ZR 10/59 –, es unternommen, dem Rate des Bezirks Gera die Eignung als Stiftungsverwaltung und damit seine Befugnis, die Carl-Zeiß-Stiftung gesetzlich zu vertreten, abzusprechen. Begründet wird dies damit, daß es sich bei dem Rat des Bezirks Gera um eine Behörde des Staates handele, der durch die Enteignung der Stiftungsbetriebe die Handlungsunfähigkeit der Stiftung herbeigeführt habe. Nach dem „zentralistischen Verwaltungsaufbau der SBZ“ sei diese Behörde hinsichtlich aller von ihr zu erfüllenden Aufgaben von den Weisungen der staatlichen Organe abhängig und daher „dem Enteignungsstaat gleichzusetzen“. Diesem Staat könne, nachdem er die Organisation der Stiftung – durch die Enteignung der Jenaer Betriebe – zerschlagen habe, nicht die Legitimation zuerkannt werden, einzelne seinen Zielen dienliche Funktionen früherer Stiftungsorgane aus der unzerteilbaren Gesamtheit des statutengemäßen Stiftungsorganismus herauszunehmen und sie nunmehr unter Berufung auf das Stiftungsstatut nicht als „der Enteignungsstaat“, der er sei, sondern unter dem Namen der Stiftung auszuüben.
[223] [56] Es liegt von vornherein auf der Hand, daß diese Ausführungen in gröblichem Widerspruch stehen mit der Regelung, die die „Stiftungsverwaltung“ als Vertretungsorgan der Carl-Zeiß-Stiftung in den §§ 5, 113 des Statuts gefunden hat. Danach ist niemand anderes als der Rat des Bezirks Gera, der allein die in den genannten Bestimmungen verlangte staatsrechtlich-historische Kontinuität für sich in Anspruch nehmen kann, als Stiftungsverwaltung im Sinne des nach wie vor gültigen Statuts zur Vertretung der Stiftung berufen. Irgendwelche anderen Qualitätsmerkmale als eben die staatsrechtliche Kontinuität in Verbindung mit dem wichtigen, vom Bundesgerichtshof aber bewußt völlig außer acht gelassenen Erfordernis, daß die vertretungsberechtigte Staatsbehörde ihren Sitz in Thüringen haben muß, fordert das Statut von der Stiftungsverwaltung nicht. Es ist daher unzulässig, derartige Merkmale, zum Teil – wie es der Bundesgerichtshof tut – unter Bezugnahme auf gewisse außerhalb der Stiftungsurkunde getane Äußerungen von Ernst Abbe, in das Statut hineinzuinterpretieren.
[57] Abwegig ist es insbesondere, wenn der Bundesgerichtshof dem Rat des Bezirks Gera unterstellt, er werde und müsse auf „Staatsinteressen, welche den ausgesprochenen Zwecken der Stiftung fremd seien“, weitergehendere Rücksicht nehmen, als auch für Privatpersonen gesetzlich geboten sei, und müsse daher notwendigerweise durch Verwaltungshandlungen ständig gegen den § 5 Abs. 3 des Statuts verstoßen.
[58] Daß entsprechend dem Entwicklungsprinzip der sozialistischen Gesellschaft und ihrer Staatsmacht – das eben ist der demokratische Zentralismus – die ständig fortschreitende Entwicklung des sozialistischen Aufbaus und der sozialistischen Demokratie gerade zu einer ständigen Erweiterung, nicht aber zu einer Einengung des Aufgaben- und Verantwortungsbereiches der örtlichen Organe der Staatsmacht führt, weil diese nämlich am unmittelbarsten mit den Werktätigen in Stadt und Land verbunden sind und daher alle Voraussetzungen dafür besitzen, breiteste Kreise der Bevölkerung ständig und umfassend in die Leitung des Staates und der Wirtschaft einzubeziehen, ist freilich eine Erkenntnis, die einem auf das kapitalistische System eingeschworenen Gericht vielleicht nicht zugemutet werden kann. Dennoch bleibt bestehen, daß gerade die Behörden eines Staates, dessen Grundprinzip die reale sozialistische Demokratie bildet, in weit höherem Maße als zum Beispiel die ursprüngliche, noch nach halbfeudalen Grundsätzen arbeitende monarchistische Stiftungsverwaltung in der Lage ist, den fortschrittlichen Gedanken des Stiftungsstatuts zum Erfolge zu verhelfen. In jedem Falle aber hätte der Bundesgerichtshof wenigstens doch erkennen können und auch erkennen müssen – wie insbesondere in dem Gutachten des bürgerlichen Juristen Professor Dr. Ernst Wolff vom 23. Juni 1957 überzeugend nachgewiesen wird –, [224] daß es keine juristische Beweisführung, sondern ein unverantwortliches Arbeiten mit Fiktionen ist, die Auslegung des Stiftungsstatuts nicht nach dem in dem Statut erklärten, sondern nach einem dem Stifter lediglich unterstellten Willen vorzunehmen, unterstellt nämlich für den Fall einer ökonomischen Entwicklung, die er gar nicht vorausgesehen hat und voraussehen konnte.
[59] Was aber den angeblichen Einfluß der Überführung der Jenaer Betriebe in Volkseigentum auf die Funktion der Stiftungsverwaltung anbetrifft, so ist in diesem Zusammenhange vorerst auf folgende Tatsachen hinzuweisen:
[60] Nicht nur die sowjetische Besatzungsmacht, sondern alle Besatzungsmächte waren völkerrechtlich verpflichtet, die im Abschnitt III Ziff. 6 und 12 des Potsdamer Abkommens enthaltenen gemeinsamen Beschlüsse im Wege ihrer Gesetzgebung innerhalb der von ihnen verwalteten Zonen durchzuführen. In der Tat hat zunächst auch die Amerikanische Militärregierung das Gesetz Nr. 52 erlassen, das mit dem Befehl Nr. 124 inhaltlich völlig und im Wortlaut annähernd übereinstimmt. Nach Bildung der Bi-Zone folgte die Verordnung Nr. 78 der Britischen Militärregierung vom 12. Februar 1947 (Amtsblatt der Mil.Reg. in Deutschland, Brit. Kontrollgebiet Nr. 16), in deren Einleitung – wie übrigens auch in dem späteren US-Gesetz Nr. 50 – die wirtschaftspolitischen Ziele der Ziff. 12 des Potsdamer Abkommens ausdrücklich wiederholt werden.
[61] Diese Vorsprüche, wie übrigens auch ähnliche Wiederholungen in späteren Gesetzen (Gesetz der beiden Militärregierungen Nr. 75 vom 10. November 1948 und Gesetz der Alliierten Hohen Kommission Nr. 27 vom 16. Mai 1950), betonten zwar nach außen hin den Willen auch der westlichen Besatzungsmächte, das Potsdamer Abkommen zu erfüllen, waren in Wirklichkeit aber dazu bestimmt, die Öffentlichkeit zu täuschen. Immerhin aber hatten sie wenigstens den Erfolg, daß sie ihre Verfasser ein für allemal der rechtlichen Möglichkeit beraubt haben, an der Auslegung der genannten Abschnitte des Potsdamer Abkommens irgendwie zu drehen und zu deuteln. Was aber in Wahrheit geplant war, zeigte sich deutlich und begann praktisch schon mit der Einsetzung des damaligen Vorstandsmitgliedes der Vereinigten Stahlwerke, Heinrich Dinkelbach, zum Leiter der „North German Iron and Steel Control“ und den dann folgenden „Entflechtungsgesetzen“. Diese „Entflechtung“ mit ihrer im Laufe der Zeit erfolgten Herausbildung von 25 sogenannten „Auffanggesellschaften“ aus den früheren Konzernverbänden führte weder zu deren Auflösung noch gar zu ihrer Enteignung. Die Vorschriften über die Zusammensetzung der neuen Aufsichtsräte sorgten vielmehr dafür, daß auch die alten Querverbindungen unter den verschiedenen Gruppen unverändert erhalten blieben. Durch die Gesetze 75 und 27 wurde die endgültige Entscheidung [225] über die Eigentumsverhältnisse in Kohle und Stahl ausdrücklich der Regierung der Bundesrepublik übertragen. Auf diese Weise konnte dann die Konzentration des Monopolkapitals, insbesondere in den letzten Jahren, in Westdeutschland ein Ausmaß erreichen, das jeden früheren Stand bei weitem in den Schatten stellt. Die Geschichte aber hat bewiesen, daß wer die Ruhrindustrie kontrolliert, praktisch auch die Produktion des gesamten übrigen Westdeutschlands beherrscht und zu steuern vermag.
[62] So wenig es daher zu verwundern ist, daß auch der Bundesgerichtshof völlig unter dem Zwange dieser Tendenzen steht und urteilt, gehört doch einiger Mut dazu, der Weltöffentlichkeit – denn darum geht es in diesen Streitigkeiten – begreiflich machen zu wollen, daß nun gerade die Regierung eines Staates, dessen gesamte Ökonomik vorherrschend unter monopolkapitalistischer Lenkung steht und daher auch die Regierungspolitik beeinflußt, dazu berufen sei, den im Stiftungsstatut verkörperten Willen des Stifters, insbesondere dessen sozialfortschrittliche Absichten, zur Geltung zu bringen, sei es auch nur in der Vertretung der Stiftung.
[63] Es muß nach alledem dabei verbleiben, daß nach der in den §§ 5, 113 des Statuts eindeutig getroffenen Bestimmung des Sitzes der Stiftung nur der Rat des Bezirks Gera zur Vertretung der Klägerin zu 1) berufen ist und daß von seiner in jeder Beziehung satzungswidrigen Ersetzung durch das Württembergische Kultministerium nicht entfernt die Rede sein kann. Nach dem Sitz der juristischen Person richtet sich deren Personalstatut, d. h. das Gesetz, das sie beherrscht, nach dem sie entsteht, lebt und vergeht. Auch dieses Prinzip verweist daher die Bestimmung über den Fortbestand der Carl-Zeiß-Stiftung, ihre Verfassung und Vertretung ausschließlich in die Gebietshoheit der Deutschen Demokratischen Republik.
II
[64] In materiellrechtlicher Beziehung ist in Ergänzung und zum Teil auch Berichtigung der bezirksgerichtlichen Urteilsgründe noch folgendes auszuführen:
[65] Den bereits zur Frage der Aktivlegitimation gewonnenen Ergebnissen steht nun freilich entgegen, daß das unter der Firma Carl Zeiss in Westdeutschland ins Leben gerufene, am 15. Januar 1951 in das Handelsregister eingetragene Gebilde, eben die Verklagte des vorliegenden Prozesses, sich als identisch betrachtet mit dem in Jena enteigneten Stiftungsbetrieb „Optische Werkstätte“ und dessen satzungsmäßige Stellung und Rechte für sich in Anspruch nimmt. Um diesem erkennbar auf ein ökonomisch-politisches Ziel gerichteten Streben, nämlich auf die Ausnutzung des Weltrufes der in den Jenaer Werkstätten unter dem Namen der [226] Firma Carl Zeiss erzeugten feintechnischen Produkte und die Aneignung der für sie begründeten Kennzeichnungsrechte, zum Erfolge zu verhelfen, haben die hinter der Verklagten stehenden monopolkapitalistischen Kräfte weder Mühe noch Mittel gescheut, sich mit Hilfe der ihren Interessen willfährigen westdeutschen Verwaltungsbehörden und Gerichte bis hinauf zum Bundesgerichtshof den Anschein einer Rechtsposition zu schaffen.
[66] An sich wäre es zwar Aufgabe der Verklagten, den Beweis hierfür in diesem Rechtsstreit zu führen. Da sie mit ihren Argumenten vor verschiedenen westdeutschen und ausländischen Gerichten mit mehr oder weniger Erfolg durchgedrungen ist, erscheint es geboten, unerachtet dessen, daß sich die Verklagte im vorliegenden Prozesse nicht vertreten läßt, die Beweisgründe der Verklagten zu überprüfen, um so zu einer Klärung der wirklichen Rechtslage zu gelangen. Dieser Aufgabe ist das Bezirksgericht nicht in genügendem Maße gerecht geworden.
[67] 1. Von ausschlaggebender Bedeutung hierfür ist die rechtliche Würdigung der im Tatbestande des bezirksgerichtlichen Urteils dargelegten historischen Fakten, die zur Gründung der Verklagten geführt haben, weil sich schon daraus der Beweis ergibt, daß die Verklagte ihre Entstehung einer offenkundigen, den württembergisch-badischen Verwaltungsbehörden zur Last fallenden Rechtsbeugung verdankt.
[68] Auszugehen ist dabei vom § 3 der Stiftungsurkunde, wonach der rechtliche Sitz der Stiftung Jena ist, und in Verbindung damit vom § 121 aaO, der mit aller Klarheit festlegt, daß die vier grundlegenden Bestimmungen des Statuts, die §§ 1 bis 4, „unter keinen Umständen und auf keine Wein mit rechtlicher Wirkung abgeändert oder außer Kraft gesetzt werden können“. Zwar enthalten die §§ 117 bis 119 gewisse Vorschriften über die Zulässigkeit von Statutenänderungen. Aber abgesehen davon, daß auch diese nur unter ganz bestimmten eng umgrenzten Voraussetzungen zugelassen werden, folgt aus dem klaren Wortlaut des den Bestimmungen folgenden § 121, der jede Änderung auch der §§ 117 bis 119 strikte untersagt, mit Rechtsnotwendigkeit, daß es keinem Stiftungsorgan, keiner Verwaltungsbehörde und demzufolge auch keinem Gericht jemals erlaubt sein sollte, einen zweiten Sitz der Stiftung außerhalb von Jena zu begründen oder anzuerkennen oder gar den „rechtlichen Sitz der Stiftung“ von Jena weg in einen weit entfernten Ort zu verlegen. Es ist klar, daß die unlösliche Bindung des Sitzes der Stiftung an Jena nicht etwa einer Laune des Stifters entsprang, sondern sich zwingend aus den Zwecken der Stiftung ergab, die durch § 1 A, besonders aber durch § 1 B des Statuts streng auf das Gebiet von Jena und Umgebung lokalisiert wurden. In näherer Ausführung dieser Bestimmungen wird dies im § 103 des Statuts für die Betätigung in „Gemeinnützigen Einrichtungen und Veranstaltungen“ und in den §§ 105 Abs. 2 und 3 und 107 Abs. 2 und 3 für die [227] Förderung wissenschaftlicher Studien und Forschungen im Interessenkreis der Universität Jena festgelegt. Die hohe Bedeutung, die gerade dem letzterwähnten Stiftungszwecke zukommt, ergibt sich aus der Errichtung eines besonderen Ergänzungsstatuts vom 24. Februar 1900 betr. den Universitätsfonds der Stiftung.
[69] Es besteht danach keine Möglichkeit, den württembergisch-badischen Verwaltungsbehörden auch nur zu unterstellen, sie hätten sich für berechtigt gehalten, entgegen § 5 des Statuts als „Stiftungsverwaltung“ aufzutreten. Daß sie sich im Gegenteil dessen bewußt waren, daß für sie keinerlei rechtliche Handhabe bestand, von den Bestimmungen der §§ 3 und 121 des Statuts auch nur im geringsten abzuweichen, ergibt sich daraus, daß das Staatsministerium mit einer Begründung, die nur als fadenscheinig bezeichnet werden kann, das Verbot der Änderung mit einer „Ergänzung“ des Statuts zu umgehen versucht, und zwar unter Berufung auf § 87 BGB. Die Willkürlichkeit dieser Argumentation liegt auf der Hand. § 87 trifft Bestimmung für die Fälle, daß die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich geworden ist oder das Gemeinwohl gefährdet. Der letztere Fall hat vorliegend erkennbar außer jedem Betracht zu bleiben. Aber auch wenn die Erfüllung des Stiftungszwecks wirklich unmöglich wird, läßt das Gesetz nur zwei Alternativen offen, nämlich die, daß die „zuständige Behörde“ entweder der Stiftung eine andere Zweckbestimmung gibt oder sie aufhebt. Auf keinen Fall durfte also die Verwaltungsbehörde – unter Aufrechterhaltung der Stiftung und ihrer Zweckbestimmung, woran ihr offensichtlich lag – ihr einen zweiten Sitz neben Jena in Heidenheim verleihen, ganz abgesehen davon, daß die Erfüllung der Zwecke der Stiftung, wie noch nachzuweisen sein wird, keineswegs unmöglich geworden ist.
[70] Wenn anschließend das Kultministerium unter dem 7. Mai 1949 feststellen zu müssen glaubt, das Staatsministerium habe Heidenheim „zum Sitz der Carl-Zeiss-Stiftung bestimmt“, so kann durch diese die Maßnahme des Staatsministeriums in unzulässiger Weise sogar noch erweiternde „Bestätigung“ einer gröblich ungesetzlichen Maßnahme nicht der Charakter der Gesetzmäßigkeit beigelegt werden.
[71] Hielten sich die westdeutschen Gerichte bei ihrer Stellungnahme zu diesem Verwaltungsakt an ihre eigene Gesetzlichkeit, dann wären sie nach der auch bei ihnen herrschenden Auffassung verpflichtet gewesen, den Willkürcharakter der behandelten Verwaltungsmaßnahmen aufzuzeigen und zur Grundlage ihrer Entscheidungen zu machen (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, Anm. 1 zu § 134).
[72] 2. Gleichwohl hat offenbar nur der Umstand, daß es auch mit bürgerlich-formalistischen Methoden unmöglich ist, derartig grobe Gesetzesverletzungen zu verschleiern, den Bundesgerichtshof veranlaßt, sich von den [228] genannten Verwaltungsmaßnahmen wenigstens insoweit zu distanzieren, als er deren Rechtswirksamkeit „dahingestellt sein“ läßt (vgl. das Urteil des 1. Zivilsenats des BGH vom 24. Juli 1957 in Sachen 1 ZR 21/56 – Seite 41 und 43). Allerdings glaubt er, das ihm erwünschte Ziel mit einer anderen Methode der Beweisführung erreichen zu können, die jedoch nicht weniger auf einer gröblichen Verletzung seiner eigenen Gesetzlichkeit beruht, also nicht minder anfechtbar ist.
[73] Der Bundesgerichtshof glaubt nämlich, auf den Seiten 45 ff. des vorbezeichneten Urteils die Existenzberechtigung der jetzigen Verklagten, damaligen Klägerin, mit folgenden Ausführungen beweisen zu können:
[74] Das unter der Firma Carl Zeiss betriebene Unternehmen der Verklagten sei mit dem früher in Jena domiziliert gewesenen Stiftungsbetrieb Optische Werkstätte (Firma Carl Zeiss) identisch, denn das zum Vermögenskomplex der Stiftung gehörige „im Westen“ gelegene, nicht unerhebliche Werte umfassende Sondervermögen der Stiftung – insbesondere die Niederlassungen in Köln, Berlin und Hamburg, die Vertriebsorganisationen und der in den Westzonen ansässige Kundenstamm der Firma – habe die Möglichkeit geboten, das Unternehmen „in den Westzonen identisch“ fortzuführen. Es habe also eine dem Verbote des § 39 des Statuts widersprechende „Betriebsverlegung“ überhaupt nicht stattgefunden. Infolge der Enteignung der Jenaer Betriebsstätten und ihres dortigen Betriebsvermögens habe sich vielmehr „der wirtschaftlich Schwerpunkt des Unternehmens ... automatisch nach dem Westen (!) verlagert“. Damit habe die jetzige Verklagte eine „zwar außerhalb der nächsten Umgebung von Jena gelegene Hauptniederlassung erhalten“. Das sei aber eine Folge der unabhängig von dem Willen der Geschäftsleitung eingetretenen tatsächlichen Entwicklung und bedeute daher keinen Verstoß gegen § 39 des Statuts. Wenn zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet worden sei, die Firma Carl Zeiss habe ihren Sitz von Jena nach Heidenheim „verlegt“, und der Registerrichter eine dem gleichlautende Eintragung verfügt habe, so sei damit nur der tatsächlich eingetretenen Verlagerung der Hauptniederlassung der Firma Rechnung getragen. Die Erwägungen schließen mit dem Satze (Seite 49):
- „Die Frage, ob die Verlagerung der Hauptniederlassung mit dem Statut zu vereinbaren ist oder nicht, hat damit rechtlich nichts zu tun.“
[75] Die Wirklichkeit sah freilich anders aus als diese ihre Auflösung in gekünstelte Abstraktionen. Nachdem von der amerikanischen Besatzungstruppe vor deren Abzug aus Jena 85 Betriebsangehörige, darunter die früheren Geschäftsleiter Dr. B., H. und Dr. K., in den amerikanisch besetzten Teil der Westzonen „abtransportiert“ worden waren, wurde im [229] Oktober 1946 in Heidenheim die „Opton“ – Optische Werkstätte Oberkochen – gegründet. Diese Gründung fand zwar statt mit Zustimmung der in Jena verbliebenen Stiftungsverwaltung, dem Stiftungskommissar und den nach dem Ausscheiden der früheren neu berufenen Geschäftsleitern der Stiftungsbetriebe, sowie unter Übernahme von Geschäftsanteilen von 95% des Gesamtkapitals der neu begründeten Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Dabei konnte man sich allenfalls auf die §§ 35, 36 der Satzung berufen, die innerhalb bestimmter Grenzen eine Ausdehnung „des Tätigkeitsbereichs“ (!) der Stiftung durch die Errichtung neuer „Geschäftsstellen und Handelsunternehmungen“ ohne örtliche Beschränkung gestatten.
[76] Auf keinen Fall aber konnte auf diese Weise in Oberkochen ein neuer „Stiftungsbetrieb“ geschaffen werden. Das wird auch vom Bundesgerichtshof auf den Seiten 44 und 47 des mehrfach genannten Urteils unumwunden anerkannt.
[77] Um so bemerkenswerter ist – zunächst historisch gesehen –, daß nicht etwa als Ergebnis eines angeblich „automatisch“ vor sich gegangenen Wandlungsprozesses, sondern auf Grund einer mit Hilfe der Verwaltungsbehörden praktizierten „Sitzverlegung“ von Jena nach Heidenheim im Handelsregister des dortigen Amtsgerichts unter dem 15. Januar 1951 eine dort ansässige Firma „Carl Zeiss“, also ein weit von Jena entfernter neuer Stiftungsbetrieb in die Erscheinung tritt. Inzwischen waren die Jenaer Betriebe zwar zur Deckung von Kriegsschäden demontiert worden. Aber bereits im Oktober 1946 hatte der Neuaufbau der alten Betriebsstätten wieder begonnen, wofür das Land Thüringen 30 Millionen Reichsmark zur Verfügung gestellt hatte.
[78] Spricht schon dieser Tatsachenablauf gegen die vom Bundesgerichtshof aufgestellte These einer „automatischen Verlagerung“ des Sitzes – zwischen der Enteignung der Betriebe und der Registrierung des neuen „Stiftungsbetriebes“ in Heidenheim lagen mehr als drei Jahre! –, so ergibt sich ihre Unhaltbarkeit auch aus folgenden rechtlichen Erwägungen:
[79] Wenn das Gericht eines Staates seinem Urteil eine bestimmte Rechtsauffassung zugrunde legt, so ist es – jedenfalls nach deutschem Prozeßrecht – verpflichtet, dafür Entscheidungsgründe anzugeben (§ 313 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO). Diese müssen erschöpfend und vollständig sein (§ 286 ZPO). Dazu gehört nicht zuletzt, daß das Gericht den rechtsuchenden Parteien klar erklärt, auf welche für sie gültigen gesetzlichen Bestimmungen sich seine Entscheidung gründet. Es fällt auf, daß keines der westdeutschen Gerichte, die die Theorie der „automatischen Verwandlung von Ost in West“ vertreten, auch nur eine in Betracht kommende Gesetzesbestimmung anzuführen vermag, auf die diese Auffassung gestützt werden könnte. Das gilt auch für den Bundesgerichtshof, wie das erwähnte Urteil [230] vom 24. Juli 1957 beweist. Der Grund für diesen Mangel ist kein andern, als daß es eine solche Bestimmung im deutschen Recht schlechterdings nicht gibt.
[80] Um dies zu verschleiern, haben gewisse westdeutsche Theoretiker und Praktiker des Kapitalismus und, ihnen folgend, die westdeutschen Gerichte – selbstverständlich unter Berufung auf ihre „Rechtsstaatlichkeit“ – ein sogenanntes „Interzonenrecht“ erfunden, das es zwar in keinem deutschen Gesetzbuch gibt, das man aber immer dann in Erscheinung treten läßt, wenn es sich darum handelt, im kapitalistischen, besonders monopolistischen Interesse die wirtschaftliche Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik dadurch zu stören, daß man sich alle irgendwie erreichbaren, zum Eigentum der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik gehörigen Vermögenswerte unter dem Anschein des Rechts zueignet.
[81] Besonders beliebt ist dieses Verfahren, wenn es sich um nicht malterielles industrielles Eigentum des Staates oder der Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, im vorliegenden Falle also um die Firma, den Weltruf, den Kundenkreis und die weltbekannten Warenzeichen der Jenaer Zeiß-Betriebe, handelt. Daß man dabei bewußt die eigene Gesetzlichkeit beiseite setzt und durchbricht, zeigen folgende Erwägungen:
[82] a) Bis zur Erfindung des „Interzonenrechts“ war es im ganzen, damals kapitalistischen Deutschland herrschende Auffassung, daß das Personalstatut der juristischen Personen durch den Sitz ihrer Verwaltung bestimmt wurde (vgl. Staudinger, Kommentar zum BGB, 9. Auflage, Band VI, Teil 2, S. 124, 125).
[83] Tatsächlicher und nach § 3 des Statuts auch rechtlicher Sitz der Zeiß-Stiftung und ihrer Betriebe war und ist aber, wie nachgewiesen, noch heute Jena. Personalstatut der Carl-Zeiß-Stiftung ist also das in Jena wirklich, nicht das in Bonn angeblich geltende Recht. Daran konnte sich auch dadurch nichts ändern, daß gewisse Beteiligungsgesellschaften der Stiftung zufolge der von den Westmächten unter Verletzung des Potsdamer Abkommens herbeigeführten Spaltung Deutschlands nunmehr im Gebiete der Bundesrepublik liegen. Selbst unter Anwendung des „Interzonenrechts“ ließe sich die gegenteilige Auffassung nicht rechtfertigen. Denn offenkundig wäre es absurd, dem Abtransport der 85 Betriebsangehörigen die Wirkung zuzuschreiben, daß sich damit – wie sich der Bundesgerichtshof auszudrücken beliebt – der „wirtschaftliche Schwerpunkt des Unternehmens nach dem Westen verlagert“ habe, wobei übrigens unerfindlich bleibt, aus welchen Gründen dieser „Schwerpunkt“ ausgerechnet in Heidenheim entstanden sein sollte und nicht etwa sonst an irgendeinem Orte beispielsweise der britischen oder französischen Besatzungszone. [231] Die Widersinnigkeit der Verlagerungstheorie wird durch solche Ungereimtheiten nur um so klarer. Letzten Endes aber können aus einem offenkundigen Bruch völkerrechtlicher Verträge keine Rechtsvorteile für den Rechtsbrecher oder den Nutznießer des Rechtsbruches erwachsen.
[84] b) Angesichts dessen mußte man nach einem weiteren Tatsachenmoment Ausschau halten, und zwar nicht auf Grund von Gesetzesrecht – was unmöglich wäre –, aber mit Hilfe des „Interzonenrechts“ den gewünschten Erfolg zu erreichen. Ein solches Moment glaubt man – wie auch schon früher in Fällen der „Verlagerung“ privatkapitalistischer Industrie- oder Handelsbetriebe – in der „entschädigungslosen Enteignung“ der Stiftungsbetriebe in der Deutschen Demokratischen Republik gefunden zu haben. Damit aber hat es folgende rechtliche Bewandtnis:
[85] Abschnitt III Ziff. 6 des Potsdamer Abkommens legt fest:
- „Alle Mitglieder der nazistischen Partei, welche mehr als nominell an ihrer Tätigkeit teilgenommen haben, und alle anderen Personen, die den alliierten Zielen feindlich gegenüberstehen, sind aus den öffentlichen und halböffentlichen Ämtern und von den verantwortlichen Posten in wichtigen Privatunternehmen zu entfernen. Diese Personen müssen durch Personen ersetzt werden, welche nach ihren politischen und moralischen Eigenschaften fähig erscheinen, an der Entwicklung demokratischer Einrichtungen in Deutschland mitzuwirken.“
[86] Unter Ziff. 12 heißt es weiter:
- „In praktisch kürzester Frist ist das deutsche Wirtschaftsleben zu dezentralisieren mit dem Ziel der Vernichtung der bestehenden übermäßigen Konzentration der Wirtschaftskraft, dargestellt insbesondere durch Kartelle, Syndikate, Truste und andere Monopolvereinigungen.“
[87] Auf Grund dieses Abkommens, das, wie bereits erwähnt, völkerrechtliche Verbindlichkeit für ganz Deutschland, auch für die Bundesrepublik (Art. 25 ihres Grundgesetzes), besitzt, hatten die Besatzungsmächte, die die oberste Gewalt in Deutschland ausübten, die Pflicht, konkrete Anordnungen zu erlassen, die den Kriegsinteressenten und Kriegsgewinnlern ihre materiellen Hilfsquellen entzogen. Das war um so notwendiger, als die Feinde des deutschen Volkes von Anfang an danach strebten, wertvolle Produktionsgüter der Wirtschaft zu entziehen, um den demokratischen Neuaufbau insbesondere im Gebiet der damaligen sowjetischen Besatzungszone zu verhindern. Der Kampf gegen die volksfeindlichen Kräfte mußte deshalb mit aller Entschiedenheit geführt werden, da von seinem Ergebnis die Zukunft Deutschlands und die Erhaltung des Friedens [232] in Europa abhing (näheres hierüber bei Wilfriede Otto, „Zur Bedeutung des Befehls Nr. 124 der SMAD“, in Heft 2, S. 112 ff., in den Beiträgen zur Zeitgeschichte, wissenschaftliche Beilage der „Dokumentation der Zeit“, 1960).
[88] In Durchführung des Potsdamer Abkommens, mithin als Repräsentant aller vier Besatzungsmächte (so auch Dr. Mann, London, in „Süddeutsche Juristenzeitung“, 1947, Nr. 9), hat deshalb, wie ebenfalls bereits erörtert, die Sowjetische Militäradministration am 30. Oktober 1945 den Befehl Nr. 124 erlassen. Dieser Befehl verordnete die Beschlagnahme des Eigentums u. a. „der führenden Mitglieder und Anhänger der NSDAP“, der „vom Sowjetischen Militärkommando verbotenen und aufgelösten Gesellschaften ... und Vereinigungen“ sowie endlich der Personen, „die von dem Sowjetischen Militärkommando durch besondere Listen oder auf eine andere Weise bezeichnet“ wurden. Gemäß Ziff. 1 d der zum Befehl 124 erlassenen Instruktion wurden erläuternd auch „Rechte und Industrieeigentum“, d. h. auch betriebliche Kennzeichnungsrechte (Firma, Patente, Warenzeichen usw.), soweit sie den unter den Befehl fallenden natürlichen Personen oder Personenvereinigungen zustanden, sequestermäßig festgelegt.
[89] Die örtlichen Selbstverwaltungsorgane wurden verpflichtet, das beschlagnahmte Eigentum „listenmäßig zu erfassen und sicherzustellen“.
[90] Das ist in Ausführung des Befehls von seiten der Kreisverwaltungen der damaligen sowjetischen Besatzungszone unter Teilnahme dazu berufener Kommissionen durch Aufstellung konkreter und begründeter Sequesterlisten exakt durchgeführt und demgemäß später von der Besatzungsbehörde bestätigt worden.
[91] c) Zu den vom Befehl Nr. 124 erfaßten Personen gehörten – und zwar bei Beachtung jeder der oben dargelegten Kategorien – auch die damaligen Geschäftsleiter der Jenaer Stiftungsbetriebe, die sich in größtem Umfange an der Vorbereitung und Durchführung des faschistischen Raubkrieges und an den Gewinnen aus diesem Kriege sowohl persönlich als auch – worauf es für den vorliegenden Fall besonders ankommt – mit den ihrer Verwaltung anvertrauten Teilen des Stiftungsvermögens beteiligt hatten. Damit hatten sie die Politik der NSDAP in entscheidendem Maße aktiv unterstützt und verteidigt, ja sogar sich der Teilnahme an einem Kriegsverbrechen schuldig gemacht.
[92] Die beiden Jenaer Stiftungsbetriebe gingen daher ebenfalls in die Verwaltung und Verfügung der für sie staatlich zum Sequester (Treuhänder) bestellten Personen über.
[93] Als notwendige Rechtsfolge ergab sich aus diesem Sequesterverfahren, daß sich die Sowjetische Militäradministration die [233] letzte Entscheidung über das weitere tatsächliche und rechtliche Schicksal dieser Betriebe vorbehielt. Diese Entscheidung wurde durch den Befehl Nr. 64 (Richtlinie Nr. 1) vom 28. April 1948 (ZVOBl. S. 141) getroffen. Sie erging dahin, daß die Betriebe der Monopolisten und anderer Kriegs- und Naziverbrecher, die in den von der Deutschen Wirtschaftskommission vorgelegten Listen enthalten waren, gemäß den Beschlüssen der Länderregierungen auf Grund der von den Kommissionen des Blocks der demokratischen Parteien und der gesellschaftlichen Organisationen gemachten Vorschläge enteignet und in den Besitz des Volkes übergeführt wurden (vgl. auch die als Anlage 11 der Klarschrift beigefügte, die Optische Werkstätte betreffende „Enteignungsurkunde“ vom 1. Juni 1948).
[94] Demnach läuft es ebenfalls auf eine bewußte Fälschung der auch für die Bundesrepublik geltenden Rechtslage hinaus, wenn die westdeutschen Gerichte es unternehmen, die von der damaligen Besatzungsbehörde als Trägerin der obersten Regierungsgewalt gesetzmäßig getroffenen rechtsgestaltenden Maßnahmen als Verletzung des angeblich im Art. 14 des Grundgesetzes verkörperten ordre public hinzustellen oder ihnen kraft angeblichen „Interzonenrechts“ wenigstens die Rechtswirksamkeit für das Bundesgebiet zu versagen.
[95] Es handelt sich nicht um zivil- oder verwaltungsrechtliche Verfügungen im Sinne von Art. 14 des Bonner Grundgesetzes oder Art. 22, 23 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, sondern um Akte der Gesetzgebung, die eine der damaligen Besatzungsmächte im Rahmen ihrer Befugnisse erlassen hat und die daher in dem ganzen damals noch ungeteilten Deutschland (vgl. auch die Bestimmung III B Ziff. 14 des Potsdamer Abkommens über die wirtschaftliche Einheit Deutschlands während der Besatzungszeit) kraft Völkerrechts, nämlich kraft des für Gesamtdeutschland verkündeten Besatzungsrechts, zu respektieren und durchzuführen waren. Diese klare Rechtslage mit Hilfe des sogenannten „Territorialprinzips“ in ihr Gegenteil umzufälschen, bedeutet Rechtswillkür, wie das Oberste Gericht bereits in seiner Entscheidung vom 5. Oktober 1953 – 1 Uz 78/52 – (OGZ Bd. 3, S. 29 ff.) dargelegt hat, von der abzuweichen keinerlei Anlaß besteht.
[96] Dabei erhellt die Willkür, mit der die westdeutschen Gerichte ihr angebliches „Interzonenrecht“ handhaben, besonders daraus, daß das die Spaltung Deutschlands besiegelnde Grundgesetz des Bonner Staates laut Verkündung erst am 23. Mai 1949 in Kraft getreten ist, zu einem Zeitpunkt also, in dem die von der sowjetischen Besatzungsmacht erlassenen gesetzlichen Bestimmungen und die auf dieser Grundlage getroffenen und von der Besatzungsmacht bestätigten Maßnahmen längst in Kraft standen. Einer richterlichen Nachprüfung unterliegen sie ohnehin nicht und schon gar nicht von seiten der westdeutschen Gerichte.
[234] [97] d) Untersucht man nun, welche Rechtswirkungen die von der sowjetischen Besatzungsmacht zur Durchführung des Potsdamer Abkommens getroffenen Maßnahmen speziell auf den Bestand der Carl-Zeiß-Stiftung und deren Stiftungsbetriebe ausgeübt haben, so kann man nur zu folgenden Ergebnissen gelangen:
[98] Die tatsächliche und rechtliche Existenz der Klägerin zu 1) – der Carl-Zeiß-Stiftung zu Jena – ist durch die Enteignung der Stiftungsbetriebe nicht betroffen worden, denn sie hat, abgesehen davon, daß sie ab 17. April 1948 oder – wenn man so will – ab 1. Juni 1948 aufgehört hat, Unternehmer der bisherigen Jenaer Stiftungsbetriebe zu sein, keine weitere Vermögenseinbuße erlitten.
[99] Darüber zu befinden, ob die Stiftung weiter bestehen sollte oder ob die Staatsgewalt berechtigt und willens war, die Stiftung auf Grund von § 57 Abs. 1 BGB aufzuheben, war, wie bereits dargelegt, allein Sache der dafür zuständigen Behörden der Deutschen Demokratischen Republik.
[100] Überdies aber ist die Stiftung trotz der Überführung der beiden Jenaer Betriebe in Volkseigentum noch immer im Besitze sehr ansehnlicher Vermögenswerte verblieben. Das gilt vor allem von den Mitteln, die sie von unserem Staate nach wie vor zur Erfüllung der Stiftungszwecke erhält und die ziffernmäßig die früheren Abführungen der Stiftungsbetriebe zur Erfüllung der Stiftungsaufgaben sogar übersteigen. Das gilt insbesondere auch für die der Universität Jena aus dem Fonds der volkseigenen Betriebe nach wie vor zufließenden hohen Sondermittel.
[101] In den Urteilen der westdeutschen Gerichte und namentlich auch des Bundesgerichtshofes wird absichtlich der Umstand völlig übergangen oder doch bis zur Unkenntlichkeit in den Hintergrund gerückt, daß die Carl-Zeiß-Stiftung nach ihrem Statut zwei Aufgaben hat. Neben dem Betriebe der beiden Jenaer Produktionsstätten fällt ihr nämlich auch die Aufgabe zu, alle ihr zufließenden Mittel statutengemäß teils zu gemeinnützigen Zwecken für die arbeitende Bevölkerung von Jena und Umgbung, teils zur Förderung wissenschaftlicher Zwecke der Universität Jena zu verwenden. Darin genießt sie – wie überall innerhalb der geltenden Gesetze – auch in der Deutschen Demokratischen Republik Handlungsfreiheit. Den Umstand, daß die westdeutschen Behörden sie rechtswidrig daran hindern, die Überschüsse der westdeutschen Beteiligungsbetriebe in gleicher Weise zu nutzen, hat weder die Stiftung selbst noch haben ihn die Behörden der Deutschen Demokratischen Republik zu verantworten.
[102] Aber auch wenn man das Bonner „Interzonenrecht“ zu Hilfe nehmen wollte, ließe sich die Behauptung des Bundesgerichtshofes, die Carl-Zeiß-Stiftung habe infolge der Enteignung der Stiftungsbetriebe aufgehört in Jena zu existieren und sei im gleichen Augenblick mit ihren Betrieben in [235] Heidenheim a. d. Brenz „automatisch“ wieder erwacht, in keiner Weise rechtfertigen.
[103] Zwar hat man mit Hilfe des „Interzonenrechts“ zu konstruieren versucht, daß die im Gebiete der Deutschen Demokratischen Republik erfolgte Enteignung des Vermögens einer juristischen Person deren Zweigniederlassungen und Vermögensgegenstände, die „außerhalb der Zone“ lägen, nicht betreffe. Aber ganz abgesehen davon, daß diese Auffassung, wie dargelegt, dem Potsdamer Abkommen und dem in Übereinstimmung mit dessen Abschnitt III Ziff. 12 erlassenen Befehl Nr. 124 widerspricht, wird auch nach „Interzonenrecht“ ganz allgemein zur Rechtswirksamkeit der „Verlagerung“ nach Westdeutschland eine ordnungsmäßige Sitzverlegung durch die zuständigen Organe der juristischen Person sowie die Anmeldung beim Handelsregister verlangt. Es sei hierzu auf die Ausführungen bei Palandt, Kommentar zum BGB (17. Auflage, Seite 1664, Anm. bb) und in dem Artikel von Fritz Karl „Zur Sitzverlegung deutscher juristischer Personen“ im Archiv für Zivilistische Praxis, 1960, Bd. 159, Seite 293 ff., verwiesen. Karl lehnt – wohl bemerkt mit überzeugenden, dem in Westdeutschland geltenden Recht entnommenen Gründen – sowohl die Zulässigkeit der Begründung eines Doppelsitzes der juristischen Person als auch die Theorie der angeblich „automatischen“ Verlagerung ab. Dabei kann er sich sogar auf eine nach dem oben erwähnten Urteil des Bundesgerichtshofes ergangene und sogar veröffentlichte Entscheidung des 2. Zivilsenats desselben Gerichts berufen, die zur Sitzverlegung in die Bundesrepublik ebenfalls einen „besonderen konstitutiven Akt“ der betreffenden juristischen Person selbst erfordert (vgl. Archiv für die Zivilistische Praxis, a. a. O., S. 312, und Neue Juristische Wochenschrift, 12. Jahrgang, 1. Halbhand 1959, S. 673).
[104] Im vorliegenden Falle aber kommt sogar noch das satzungsmäßige absolute Verbot einer jeden Sitzverlagerung aus dem Gebiet von Jena und Umgebung hinzu. Das Statut einer Stiftung bildet – gerade nach bürgerlich-kapitalistischer Auffassung – „die“ Rechtsgrundlage der Stiftung und regelt deren Rechtsverhältnisse. Wenn danach aber die Carl-Zeiß-Stiftung entweder mit dem Sitz in Jena fortbestehen oder zu existieren aufhören muß – eine dritte Alternative gibt es nicht –, so besteht auch satzungsgemäß keine Rechtsgrundlage für das „automatische“ Wiedererstehen der Carl-Zeiss-Stiftung in Heidenheim.
[105] e) Was nun die Qualität und Betätigung der ehemaligen Jenaer Stiftungsbetriebe selbst anlangt, so ist die insoweit in den westdeutschen Urteilen zum Ausdruck kommende geistige Verwirrung – auch der Bundesgerichtshof spricht zum Beispiel auf Seite 61 des mehrfach erwähnten Urteils von dem angeblich vom Stifter gewollten „Betriebssozialismus“ im [236] Gegensatz zu dem angeblich in der Deutschen Demokratischen Republik herrschenden „Gesamtsozialismus“ – nichts anderes als die Bekundung der Unfähigkeit und des mangelnden Willens, sich mit dem sozialistischen Charakter unseres Staates der Arbeiter und Bauern auseinanderzusetzen. Man erkennt nicht oder, richtiger gesagt, darf und will nicht erkennen, daß in der Deutschen Demokratischen Republik die Bestimmung des Art. 3 Abs. 1 der Verfassung, wonach alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, dahin verwirklicht worden ist, daß die Staatsmacht die allumfassende Organisation des werktätigen Volkes ist, durch die die Arbeiterklasse das Bündnis mit der werktätigen Bauernschaft und den anderen werktätigen Schichten vollständig und unmittelbar verwirklicht und ausübt. Man bemüht sich daher, die gerade in der Bonner militaristisch-klerikalen Staatsordnung sich ständig verschärfenden Widersprüche zwischen den friedlich gesinnten arbeitenden Menschen und der kriegerische und revanchistische Ziele verfolgenden Staatsgewalt auf die sich gerade auch im Volkseigentum ausdrückenden neuen sozialistischen Beziehungen unseres Staates zu den Werktätigen zu übertragen. Nichts kann falscher sein, denn in der sozialistischen Gesellschaftsordnung sind die Interessen des Staates und die der Werktätigen identisch. Wenn also die spezifische Qualität der volkseigenen Betriebe durch die in ihnen verkörperte untrennbare Einheit zwischen materieller Produktion einerseits und der durch den sozialistischen Staat verwirklichten Befreiung der Werktätigen von der kapitalistischen Ausbeutung andererseits bestimmt wird, so kann die höhere von der Optischen Werkstätte Carl Zeiß mit der Überführung in Volkseigentum erreichte rechtliche und politisch-ökonomische Qualität offensichtlich mit keiner Bestimmung der Stiftungsatzung in Widerspruch gesetzt werden.
[106] f) Abschließend mag, obwohl dies nicht unmittelbar zur Widerlegung der These von der „automatischen Verlagerung“ erforderlich ist, auch noch auf die den ehemaligen Geschäftsleitern der Zeißbetriebe im Kampf um die Anmaßung der Zeißschen Kennzeichnungsrechte zugewiesene Rolle eingegangen werden. Es ist das notwendig – wie auch das Bezirksgericht erkannt hat –, um aufzuzeigen, daß die westdeutschen Gerichte, obenan der Bundesgerichtshof, auch in dieser Frage nichts anderes zu tun vermögen, als ihre eigene Gesetzlichkeit zu liquidieren.
[107] Es ist in Deutschland allgemein anerkanntes Recht, daß man Urkunden, in deren Wortlaut der Wille des Erklärenden eindeutig zum Ausdruck kommt, nicht mit Hilfe der §§ 133, 157 BGB eine damit in Widerspruch stehende „Auslegung“ geben darf. Gerade dieses gröblichen Verstoßes aber macht sich der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes bei der Würdigung des über den Rücktritt der früheren Vorstandsmitglieder geführten Schriftwechsels schuldig.
[237] [108] In dem Schreiben vom 12. Januar 1946 hatte die neue Geschäftsleitung der Stiftungsbetriebe erklärt, sie halte es im Interesse der gesamten Carl-Zeiß-Stiftung für erforderlich, zunächst eine einwandfreie Klarstellung ihrer rechtlichen Zuständigkeit als einziger ihrer Geschäftsleitungen herbeizuführen, bevor weitere Maßnahmen bezüglich der Handhabung der Geschäfte der Stiftung und der Stiftungsbetriebe in der amerikanisch, französisch und englisch besetzten Zone verabredet werden könnten. Wörtlich wird hinzugefügt:
- „Wir stehen auf dem Standpunkt, daß, nachdem wir auf Ihren Vorschlag von der Stiftungsverwaltung als Geschäftsleitung eingesetzt sind, wir die alleinige verantwortliche Geschäftsleitung und Sie damit abgetreten sind, wobei wir die Verpflichtung eingegangen sind, daß wir bei Ihrer etwaigen Rückkehr nach Jena und der Möglichkeit, Ihr früheres Amt wieder zu übernehmen, auf Wunsch der Stiftungsverwaltung zu Ihren Gunsten wieder zurücktreten.“
[109] Auf Seite 2 dieses Schreibens wird den Empfängern weiter der Vorschlag gemacht, auf die Bestellung zu Mitgliedern der Geschäftsleitungen zu verzichten, um die sonst praktisch notwendig werdende Abberufung zu vermeiden.
[110] Das Antwortschreiben der früheren Vorstandsmitglieder vom 28. Januar 1946 beginnt mit der Erklärung:
- „Wir stimmen voll mit Ihnen in der Auffassung überein, daß es aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nur eine allein verantwortliche Geschäftsleitung mit dem Sitze in Jena geben kann ... Wir wünschen Ihnen klar und zweifelsfrei zu bestätigen, daß wir Sie seit unserem Abtransport aus Jena als die nunmehr allein und voll verantwortlichen Geschäftsleitungen nach innen und außen betrachtet haben und weiter betrachten.“
[111] Auf Seite 2 bestätigen die früheren Vorstandsmitglieder weiter, daß sie
- „somit keine Funktionen als Geschäftsleitung mehr“ innehaben.
[112] Hatten also die früheren Vorstandsmitglieder in ihrem Schreiben vom 12. Oktober 1945 noch Winkelzüge zu machen versucht, indem sie auf Blatt 3 dieses Schreibens „für die Dauer ihrer Behinderung die Geschäfte in Jena zu führen“ von der Einsetzung „einer zweiten Geschäftsleitung“ sprachen, so haben sie diese ohnehin satzungswidrige These auf die feste im Schreiben vom 12. Januar 1946 von Jena aus eingenommene Haltung [238] rückhaltlos aufgegeben und das völlige Aufhören jeder Vertretungsbefugnis bestätigt.
[113] Es ist nicht Auslegung, sondern Rechtsverdrehung, wenn der Bundesgerichtshof diesen Schriftwechsel dahin zu würdigen unternimmt, Dr. B., Dr. K. und H. seien nicht zurückgetreten, man habe vielmehr nur sicherstellen wollen, „während der tatsächlichen Behinderung der alten Geschäftsleitung“ die Aktionsfähigkeit des Stiftungsbetriebes Carl Zeiß zu gewährleisten.
[114] Da der Rücktritt von einem Vertrage, vollends aber von einem mit weitgehenden Vollmachten verbundenen Dienstleistungsvertrage, wie auch dem Bundesgerichtshof bekannt sein sollte, ein bedingungsfeindliches Rechtsgeschäft ist, kann es unmöglich Rechtens sein, die vom Bundesgerichtshof beliebte Auslegung auf die im Schreiben vom 12. Januar 1946 enthaltene Erklärung über eine im Falle der etwaigen Rückkehr nach Jena vielleicht mögliche erneute Berufung in die Vorstandsgeschäfte, falls es nämlich die Stiftungsverwaltung dann wünschen sollte, zu stützen.
[115] Ein jedes denkbare Maß an Rechtswillkür aber übersteigt es, wenn der Bundesgerichtshof auf Blatt 54 seines Urteils als Gipfelpunkt seiner Auslegungsmethoden sogar feststellen zu können glaubt, mit der Enteignung der Jenaer Stiftungsbetriebe sei der freiwillig zurückgetretene Professor Dr. B. wieder voll in die ihm auf Lebenszeit übertragenen Rechte als Vorstandsmitglied und Bevollmächtigter für die Stiftung der Firma Carl Zeiß eingerückt. Einen derartigen Widersinn zu behaupten, scheut sich der Bundesgerichtshof nicht, obwohl ihm doch bekannt war, daß im Statut der endgültige freiwillige Rücktritt eines Vorstandsmitgliedes jederzeit gestattet wird, gleichgültig ob die Anstellung auf Zeit oder Lebensdauer erfolgt war (§ 27 Abs. 2 aaO).
III
[116] Alle weiteren Schlußfolgerungen der westdeutschen Gerichte und besonders des Bundesgerichtshofes aber verlieren jede Stütze, wenn sich sowohl die These der Sitzverlegung als auch die der „automatischen Verlagerung“ als gesetzwidrig erweist und sogar auf einer Rechtsbeugung unter Verletzung der eigenen Gesetzlichkeit beruht.
[117] 1. Was zunächst das Recht zur Namens- und Firmenführung anbetrifft, so ist es erstaunlich, daß der Bundesgerichtshof, obwohl er richtig davon ausgeht, daß auch hierfür Heimatrecht maßgeblich ist, dennoch wagt, dieses Recht der Verklagten zuzusprechen.
[118] Auch dieses Kennzeichnungsrecht soll zwar nach Meinung des Bundesgerichtshofes „automatisch“ entstanden sein, frühestens aber doch mit [239] dem Inkrafttreten der Enteignung, also 1948. Bekanntlich aber hatte bereits etwa hundert Jahre vorher Carl Zeiß in Jena eine optische Werkstätte gegründet, die im Jahre 1891 mit der gleichen Firma in einen Beirieb der gleichnamigen Stiftung umgewandelt wurde. Stiftung und Firma haben dem Namen, den sie seither trugen, Weltgeltung verschafft, d. h. sie sind juristisch betrachtet im Besitze des jeden unbefugten Gebrauch ausschließenden Prioritätsrechtes in der Führung des Namens wie auch der Firma.
[119] Es kann also zunächst dahingestellt bleiben, ob und in welcher Form das Namens- oder Firmenrecht auf den jetzt in Jena bestehenden volkseigenen Betrieb übergegangen ist. Gegenüber dem Prioritätsrechte der Carl-Zeiß-Stiftung Jena am Gebrauche des Namens „Carl Zeiß“ hatte niemand, konnten am allerwenigsten aber die 1946 aus ihren Ämtern ausgeschiedenen ehemaligen Vorstandsmitglieder das Recht haben, in Oberkochen oder Heidenheim einen Industriebetrieb unter dem Namen „Carl Zeiss“ zu eröffnen. Wenn es dennoch geschah, so war dies – kapitalistisch gesprochen – nichts anderes als ein Konkurrenzmanöver von einer Unsauberkeit, wie sie überhaupt nur in dem von den Westmächten gespaltenen Deutschland denkbar ist.
[120] Die Verklagte kann für sich nicht in Anspruch nehmen, jemals den Namen Carl Zeiß aus der Hand der Stiftung erworben zu haben. Es war ihr nur die Führung des Namens Zeiss-Opton für eine G.m.b.H., also für eine – wie jeder einigermaßen Fachkundige erkennen konnte – reine Beteiligungsgesellschaft der in Jena ansässigen Stiftung erlaubt worden. Die westdeutschen Geschäftsführer dieser Gesellschaft hatten zwar um die Mitte des Jahres 1945 Handlungsvollmacht für die Carl-Zeiß-Stiftung erhalten. Diese aber umfaßte nicht die Befugnis, aus der G.m.b.H. einen Geschäftsbetrieb der Stiftung zu machen oder gar die Stiftung auf westdeutsches Gebiet in irgendeiner Form zu verlagern. Das so als „Carl-Zeiss-Stiftung in Heidenheim“ bezeichnete Gebilde ist null und nichtig und kann daher von Rechts wegen nicht den Namen „Carl Zeiß“ führen, schon gar nicht aber für die neu errichteten, ihm angeblich angehörigen Betriebe die alte, allein der Jenaer Stiftung zustehende Priorität in Anspruch nehmen.
[121] Umgekehrt aber entspricht es der wirklichen Rechtslage, daß das Recht zur Führung des Namens „Carl Zeiß“ originär, eventuell aber in abgeleiteter Form auf den jetzigen volkseigenen Betrieb übergegangen ist.
[122] Zunächst ist historisch gesehen die Kontinuität in der Namensführung bestehen geblieben und auch nicht etwa durch die vorübergehende Demontage unterbrochen worden. Soweit daraus in der auswärtigen Rechtsprechung gelegentlich andere Schlußfolgerungen gezogen worden sind, entspricht dies jedenfalls nicht deutschem Recht, das schon als Folge der [240] nach dem Ende des ersten Weltkrieges in ähnlicher Form vorgekommenen Ereignisse, zum Beispiel im Falle der Karlsruher Waffenwerke, angenommen hatte, daß derartige kriegsrechtliche Maßnahmen die Identität der Betriebe nicht berühren.
[123] Das gleiche muß für die beiden Jenaer Industriebetriebe, insbesondere auch für die Produktionsbetriebe Carl Zeiß gelten, denn es handelt sich bei dem alsbald eingeleiteten und durchgeführten Wiederaufbau um die gleiche Werkstätte, den gleichen Stamm der Belegschaft und die gleichen technischen Produktionsformen.
[124] Äußersten Falles aber hat die Stiftung mit der „Vereinbarung“ vom 8. April 1954 unter Ziff. 2 das Gebrauchsrecht am Firmennamen Carl Zeiß auf den Kläger zu 2) übertragen, und zwar als abgeleitetes Recht, also mit der der Stiftung unbestreitbar zustehenden Priorität. Auch in dieser Beziehung vermag der Bundesgerichtshof nur mit seiner abwegigen Verlagerungstheorie der entgegengesetzten Auffassung eine Scheinbegründung zu verleihen (Seite 67 des Urteils vom 24. Juli 1957).
[125] Für das Maß der der Verklagten zur Last fallenden Unredlichkeit ist dabei von besonderer Bedeutung, daß der Name Carl Zeiß eine besonders hohe Kennzeichnungskraft als Herkunftsbezeichnung für die in Jena hergestellten und unter dem Namen „Carl Zeiß“ gehandelten optischen Geräte und Gläser besitzt, die durch ihre hohe Qualität seit vielen Jahrzehnten Weltruf erlangt haben. Die auch insoweit von der Verklagten beabsichtigte und begangene Irreführung wird auch dadurch besonders deutlich, daß sie in ihren Geschäftspapieren besonders hervortretend den auch zeichenrechtlich geschützten Namen „Carl Zeiss“ in dem gleichermaßen für die Klägerin zu 1) geschützten Linsenrahmen unter Verschweigung des Herstellungsortes ihrer Fabrikate führt.
[126] International ist übrigens die Führung des zugleich die Herkunftsbezeichnung enthaltenden Handelsnamens „Carl Zeiß Jena“ durch die Artikel 8 und 10 der auch von der Deutschen Demokratischen Republik als verbindlich anerkannten Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 1883 zum Schütze des gewerblichen Eigentums in der für Deutschland geltenden Londoner Fassung vom 2. Juni 1934 geschützt (vgl. GBl. I, 1956, S. 271, 340).
[127] 2. Für das Recht zum Gebrauche der Warenzeichen gelten die vorherigen Darlegungen mit der Maßgabe, daß dabei auf die besondere Eigenart der Verbindung der nunmehr volkseigenen Jenaer Produktionsbetriebe mit der Stiftung Rücksicht zu nehmen ist, wie sie durch die Fortgeltung des Stiftungsstatuts gewährleistet ist und, wie dargelegt, auch in der Praxis real fortbesteht. Diese Verbindung ist, weil durch das Statut vermittelt, rechtlicher Natur.
[241] [128] Von Bedeutung ist weiter der Umstand, daß nach § 20 des Warenzeichengesetzes vom 17. Februar 1954 (GBl. S. 216) die Eintragung des Warenzeichens in das beim Amt für Erfindungs- und Patentwesen geführte Warenzeichenregister konstitutive Bedeutung hat und die Wirkung erzeugt, daß das Recht daraus dem eingetragenen Inhaber zusteht.
[129] Endlich ist es für die hier in Betracht kommenden drei Warenzeichen wesentlich, daß es sich um bereits vor dem 8. Mai 1945 vom ehemaligen Reichspatentamt erteilte, also um sogenannte Alt-Warenzeichen handelt, deren Fortgeltung nach §§ 42 ff. WZG davon abhing, daß sie gemäß § 44 aaO durch Beschluß des AEPW aufrechterhalten und neu registriert wurden. Das ist nach den Anlagen 39 bis 41 zur Klageschrift in der Weise geschehen, daß die drei in Betracht kommenden Warenzeichen auf den Namen der Carl-Zeiß-Stiftung Jena, also der Klägerin zu 1), aufrechterhalten und registriert worden sind.
[130] Danach schließt sich der erkennende Senat der Auffassung der Klägerin zu 1) an, daß die drei Warenzeichen noch heute dem Rechte nach der genannten Klägerin zustehen.
[131] Offenbar hat also das AEPW die durch das Stiftungsstatut vermittelte und wirksam gebliebene Verbindung der Jenaer Betriebe mit der Stiftung für stark genug gehalten, um danach die Klägerin zu 1) nach wie vor auch als „Hersteller“ der damit gekennzeichneten Waren anzusehen. Angesichts dessen besteht kein Anlaß, bei der besonderen Lage des vorliegenden Falles zu prüfen, welcher Art im allgemeinen die auch nach unserem WZG verlangte Verbindung des Warenzeichens mit einem bestimmten Herstellungsbetriebe sein und wie weit sie gehen muß, dies um so weniger, als schon Feiler in Neue Justiz 1950, S. 155, mit Recht auf die nur zweitrangige Bedeutung der Betriebszugehörigkeit des Warenzeichens hingewiesen hat.
[132] Bestehen danach keine Bedenken, die Klägerin zu 1) nach wie vor als Inhaberin des Warenzeichenrechts anzusehen, so besteht nach Ansicht des Senats auch der auf die Warenzeichen bezügliche schuldrechtliche Gebrauchsüberlassungsvertrag vom 8. April 1951 zu Recht. Irgendwelche Unklarheiten oder Irrtümer über den Ursprungsort der Waren werden durch die Tatsache, daß beide Betriebe nach wie vor fest an den Sitz der Stiftung, d. h. an die Stadt Jena, gebunden sind und bleiben werden, vollkommen ausgeschlossen.
[133] Daß trotz dieser Gebrauchsüberlassung die Klägerin zu 1) Dritten gegenüber nach wie vor zur Geltendmachung der Rechte aus den Warenzeichen berechtigt ist und bleibt, bedarf keiner näheren Ausführung.
[134] Äußerstenfalls aber, wenn man nämlich der Meinung sein wollte, daß ungeachtet der besonderen Lage des vorliegenden Falles durch die Sequstration [242] und die Überführung in Volkseigentum die Warenzeichenrechte dem Bestande nach originär auf den Kläger zu 2) übergegangen wären (§ 47 WZG, § 71 Abs. 1 und 2 PatGes, vgl. auch das Urteil des Obersten Gerichts vom 15. Oktober 1953, Neue Justiz 1954, S. 58 ff.), wäre dieser Kläger berechtigt, den Klaganspruch gegen die Verklagte mit Erfolg geltend zu machen.
[135] Die Verklagte aber vermag auch hinsichtlich der Warenzeichen keinen rechtlich anzuerkennenden Erwerbsakt zu behaupten, geschweige denn zu beweisen. Der angeblich „automatische“ Erwerb ist ein tatsächliches und rechtliches Unding. International ergibt sich der Schutz auch der Warenzeichen (Fabrik- und Handelsmarken der Kläger) aus Artikel 6 der Pariser Verbandsübereinkunft, unterstützt und verstärkt durch die Registrierung dieser Warenzeichen beim Internationalen Büro in Bern gemäß Art. 1 und 4 des von der Deutschen Demokratischen Republik ebenfalls anerkannten Madrider Abkommens vom 14. April 1891.
IV
[136] Soweit das Bezirksgericht den Klaganträgen stattgegeben hat, ist seine Entscheidung mithin im Ergebnisse voll gerechtfertigt, und zwar soweit es sich um den Namens- und Firmenmißbrauch handelt, auf Grund von § 12 BGB, § 37 Abs. 2 HGB, soweit unbefugter Gebrauch der Warenzeichen vorliegt auf Grund der §§ 29 bis 31 des Warenzeichengesetzes vom 17. Februar 1954 (GBl. Nr. 23 vom 26. Februar 1954). In der Begründung ist freilich zu beanstanden, daß das Bezirksgericht im Zusammenhange mit der richtigen Feststellung des Erlöschens der Vertretungsmacht der früheren Geschäftsleiter von deren „fiktiver Abberufung“ spricht. Es war überflüssig, überhaupt auf die Frage der Abberufung einzugehen, da auch das Bezirksgericht richtig feststellt, daß alle bis zum Jahre 1945 tätig gewesenen Vertreter der Jenaer Stiftungsbetriebe rechtswirksam und endgültig von ihren Funktionen zurückgetreten sind. Im übrigen aber widerspräche es bereits den Denkgesetzen, die – etwa berechtigte – Abberufung als eine „fiktive“, also nur gedachte, zu charakterisieren, womit ihr ja jede Rechtswirksamkeit abgesprochen würde.
[137] Es erübrigte sich auch, im Zusammenhang mit der unbedenklich berechtigten Zurückweisung des Einwandes mangelnder Willensfreiheit gegen den ersichtlich in voller Erkenntnis der Tragweite erklärten und von der Stiftungsverwaltung angenommenen Rücktritt – übrigens ohne ausreichende Fundierung – auch den irrealen Fall zu erörtern, ob es möglich gewesen wäre, die Vertreter der Stiftungsbetriebe wegen aktiver Unterstützung des Faschismus abzuberufen.
[138] Rechtlich wie politisch fehlsam ist weiter die Begründung des bezirksgerichtlichen Urteils auch insoweit, als sie die von den westdeutschen Gerichten [243] richten zur Rechtfertigung des vom Staatsministerium und Kultministerium Baden-Württemberg verübten Rechtsmißbrauchs angezogenen Beweisgründe zurückweist, weil sie auf einer „bewußten Verletzung des auch in der Bundesrepublik geltenden Grundsatzes, die richterliche Würdigung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen vorzunehmen“, beruhten. Richtig daran ist die Feststellung, daß die beiden Ministerien das Gesetz bewußt verletzt haben. Wenn die Gerichte diesen Rechtsmißbrauch gebilligt haben, so haben sie nicht den Sachverhalt falsch gewürdigt, sondern haben sich selbst einer Rechtsbeugung schuldig gemacht.
[139] Durchaus entbehrlich und vor allem ideologisch verfehlt ist auch die Auseinandersetzung des Bezirksgerichts mit dem vermeintlichen Charakter des Willens des Stifters als einer der Grundanschauung des Marxismus nahestehenden Gedankenwelt. Es genügte, tatsächlich wie rechtlich darauf hinzuweisen, daß die Deutsche Wirtschaftskommission in Anerkennung und Würdigung der Einmaligkeit seines Werkes die Carl-Zeiß-Stiftung aufrechterhalten hat.
[140] Schließlich bedurfte es bei der klaren Sach- und Rechtslage auch nicht der vom Bezirksgericht angestellten wettbewerblichen Erörterungen. Sie sind einer klaren und überzeugenden Beurteilung der Rechtslage sogar insofern abträglich, als die Anwendung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909 (RGBl. S. 419) sowohl auf die ökonomischen Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik als auch auf die Durchsetzung der Klagansprüche im internationalen Rechtsverkehr zum mindesten einer tiefgründigeren Untersuchung bedurft hätte. Dabei hätte dem Bezirksgericht nicht entgehen können, daß die Abgrenzung der in diesem Falle in Betracht kommenden Spezialvorschrift des § 16 UWG über die „unlautere“ Benutzung geschäftlicher Bezeichnungen gegen die hierfür anderweit bestehenden Schutzvorschriften, zum Beispiel gerade des Namens- und Firmenrechts, erheblichen Schwierigkeiten begegnet und daß § 16 Abs. 3 Satz 2 aaO die Anwendung dieser Vorschrift auf den Schutz von Warenzeichen und Ausstattungen sogar überhaupt ablehnt.
[141] Auch aus dem von den Klägern zu den Akten überreichten und vom Bezirksgericht für seine Beweisführung benutzten Urteil des District Court of Columbia (USA) vom 8. Dezember 1958 ergibt sich, daß die Vereinigten Staaten trotz der gerichtlich verfügten Löschung der der Klägerin zu 1) gehörigen, für den Generalstaatsanwalt der Vereinigten Staaten zu Unrecht eingetragenen Schutzmarke „Zeiß“ die Einfuhr auch von Erzeugnissen der Verklagten unter dieser von ihr zu Unrecht in Benutzung genommenen Schutzmarke ungehindert zulassen. Erkennbar ist also gerade dieses Urteil – unbeschadet des darin der Klägerin zu 1) und ihrer Warenzeichen- und Ausstattungsrechte zuteil gewordenen gerichtlichen [244] Schutzes durch das ausländische Gericht – wenig geeignet, die wettbewerbsrechtlichen Ausführungen des Bezirksgerichts zu unterstützen. Gerade wenn das Bezirksgericht – mit Recht – den offenkundig vorliegenden Namens- und Firmenmißbrauch und die Verletzung der Warenzeichenrechte der Kläger durch die Verklagte anerkannte, hätte es erkennen müssen, wie wenig seine dem Wettbewerbsgesetze entnommenen Ausführungen geeignet waren, diese Feststellung zu unterstützen, daß es vielmehr allein darauf ankommen kann, vom Standpunkte einer streng zu wahrenden sozialistischen Gesetzlichkeit, die entsprechend den auf Wahrung des Friedens, der Demokratie und Völkerfreundschaft beruhenden Grundprinzipien unseres Staates (Art. 4 und 5 der Verfassung) die Bindung an internationale Vereinbarungen anerkennt, den Unrechtsgehalt der zur Beurteilung stehenden Handlungen der westdeutschen Verwaltungsbehörden und Gerichte schonungslos aufzuzeigen.
V
[142] Mit Recht beanstanden die Kläger als unrichtig und widersprüchlich den klagabweisenden Teil der Entscheidung des Bezirksgerichts und seine Begründung.
[143] Richtigzustellen war hier vorweg der Widerspruch zwischen Urteilsformel und -begründung, insoweit die Kläger im ersten Rechtszuge zu Ziff. II ihres Klagantrages die Berichtigung der auf den Namen der Verklagten bereits bestehenden Anmeldungen gewerblicher Schutzrechte beim Amt für Erfindungs- und Patentwesen (AEPW) verlangt hatten. Insoweit liegt indessen nur ein offenbares Versehen im Sinne von § 319 Abs. 1 ZPO vor, denn das Bezirksgericht erklärt auf Seite 43 seines Urteils den Klagantrag zu II ohne Einschränkung für begründet, während dies in der Urteilsformel nicht zum Ausdruck kommt, der Antrag danach also mit unter die Klagabweisung fiele.
[144] Soweit das Bezirksgericht aber den das Verbot eines Schriftverkehrs der Verklagten unter Gebrauch der Firma „Carl Zeiss“ mit Personen und Behörden, einschließlich des AEPW, bezweckenden Klagantrag zu I, 1 abweist, verfällt es nunmehr allerdings bewußt in den gleichen Widerspruch, der vorstehend beanstandet werden mußte.
[145] Das Gericht stellt, sogar mit ausdrücklichen Worten, den von der Verklagten ständig geübten Namensmißbrauch fest, um ihn dann aber im gleichen Zusammenhange – sogar für das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik – zu legalisieren. Es gibt hierfür zwar eine besondere Begründung. Jedoch vermag die Unterscheidung zwischen einer verbotenen Führung des Namens und der Firma für Werbungszwecke und einer Freigabe für den sonstigen geschäftlichen und behördlichen Verkehr [245] in keiner Weise zu überzeugen. Abgesehen davon, daß sich erkennbare Grenzen zwischen den beiden Sachgebieten kaum feststellen lassen, ist das Recht auf die Führung des bürgerlichen und des Handelsnamens unteilbar. Zu seiner Verletzung genügt der objektive Tatbestand des unbefugten Gebrauchs. Zweck und Beweggründe dafür sind irrelevant. Niemand braucht es sich gefallen zu lassen, daß ein anderer seinen Namen oder seine Firma, gleichgültig wie und zu welchen Zwecken, unbefugt gebraucht. Der Schutz des Namens beginnt mit der Ingebrauchnahme. Nun kann es natürlich vorkommen, daß zum Beispiel die neu begründete Firma eines westdeutschen oder ausländischen Kaufmannes oder einer Handelsgesellschaft mit einem im Gebiete der Deutschen Demokratischen Republik geschützten Handelsnamen oder Warenzeichen kollidiert. Aber selbst dann ist der prioritätsjüngere Namensträger im gesetzlich garantierten Schutzbereiche des älteren Rechts genötigt, seinen Namen oder seiner Firma im geschäftlichen Verkehr genügend erkennbare Unterscheidungsmerkmale hinzuzufügen. Das würde zugunsten prioritätsälterer Namens- und Firmenrechte im Schutzbereich der Deutschen Demokratischen Republik auch für den im Klagantrage zu I, 2 gemeinten geschäftlichen Verkehr gelten. Im vorliegenden Falle aber liegen die Dinge so, daß die Verklagte für sich die völlige Identität der Rechtspersönlichkeit mit der im Jahre 1889 gegründeten Carl-Zeiß-Stiftung und ebenso das alleinige Recht zu ihrer gesetzlichen Vertretung durch die von ihr bestellten Organe beansprucht, und zwar allein auf der Grundlage gesetzwidriger und zugleich willkürlicher, also absolut nichtiger Akte westdeutscher Staatsorgane.
[146] Die Irreführung, von der das Bezirksgericht spricht, liegt in diesem Falle allein auf Seiten der Verklagten und der hinter ihr stehenden, an einer Schädigung des wirtschaftlichen Aufbaus unseres Staates interessierten Kräfte, kann aber niemals einem Gerichte, das dieser Rechtsanmaßung entgegentritt, zur Last fallen. Ebensowenig kann es in diesem Zusammenhange auf die Frage der materiellen Schädigung der Kläger ankommen, ganz abgesehen davon, daß auch diese bereits offenkundig vorliegt, wenn es der Verklagten weiterhin gestattet bliebe, Patente oder andere Schutzrechte beim AEPW unter der von ihr rechtswidrig usurpierten Firmenbezeichnung „Carl Zeiss“ anzumelden. Künftighin werden die geschädigten Betriebe sogar zu erwägen haben, über die bloßen Abwehransprüche hinaus zur Wahrung der innerstaatlich wie international unantastbaren Legalität unseres Volkseigentums die westdeutschen Usurpatoren und Schädiger in jedem Falle auch zur vollen finanziellen Schadenersatzleistung heranzuziehen.