Oberlandesgericht München - Oktoberfest als Volksfest

Entscheidungstext
Gericht: Oberlandesgericht München
Ort:
Art der Entscheidung: Urteil
Datum: 27 Februar 1932
Aktenzeichen: L 910/51 1
Zitiername: Oktoberfest
Verfahrensgang:
Erstbeteiligte(r):
Gegner:
Weitere(r) Beteiligte(r):
Amtliche Fundstelle:
Quelle: Scan von Schulze, Rechtsprechung zum Urheberrecht (RzU), OLGZ 1
Weitere Fundstellen:
Inhalt/Leitsatz:
Zitierte Dokumente: § 27 LUG; RT-Verh.10/II, Anl.97
Anmerkungen:
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1. Das Münchner Oktoberfest ist ein Volksfest im Sinne des § 27 Abs. 1 Ziff. 1 LitUrhG.

2. Musikaufführungen während des Oktoberfestes in einem auf der Festwiese befindlichen „Bierpalast“ sind gebührenfrei, da sie nicht nur gelegentlich dieses Volksfestes, sondern „bei“ dem Fest stattfinden.

Oberlandesgericht München, 27. 2. 1932 – BerReg. L 910/51 1.

TATBESTAND

[1] Der Bekl. betreibt alljährlich während des Münchner Oktoberfestes auf der Theresienwiese in der von ihm errichteten .... Festhalle eine der größten Bierwirtschaften und veranstaltet dabei mit einer von ihm bestellten und entlohnten, meist 32 Mann starken Musikkapelle öffentliche Musikaufführungen. Während des Oktoberfestes 1930 wurden bei diesen Musikaufführungen in der Bierhalle des Bekl. in der Zeit vom 25. 9. bis 5. 10. einhundertdreißigmal TonstÜcke, hinsichtlich deren die konzertmäßigen Aufführungsrechte den Kl. zustanden, zum öffentlichen Vortrag gebracht, ohne daß der Bekl. hierzu die Genehmigung der Berechtigten eingeholt hatte.

[2] Die Kl. behaupten, der Bekl. habe durch die Aufführung dieser Tonstücke das Urheberrecht der Kl. zumindest fahrlässig oder mit bedingtem Vorsatz verletzt und sei daher zum Ersatz des dadurch den Urhebern entstandenen Schadens verpflichtet...... Sie haben daher mit der am 4. 2. 1931 erhobenen Klage schließlich verlangt, den Bekl. kostenfällig zur Zahlung von 1300 RM nebst 2% Zinsen über dem jeweiligen Reichsbankdiskont seit Klagzustellung zu verurteilen.

[3] Der Bekl. hat kostenfällige Abweisung der Klage beantragt und im wesentlichen eingewendet, die fraglichen Musikaufführungen seien für ihn frei gewesen, weil sie bei einem Volksfeste erfolgt seien, jedenfalls sei eine Entschädigung von 10 RM für die einmalige Aufführung eines Stückes unangemessen hoch.

[4] Das LG hat am 21. 5. 1931 folgendes Urteil erlassen:

I. Der Bekl. hat den Kl. 1300 RM nebst Zinsen hieraus ab 4. 2. 1931 in Höhe von 2% über dem jeweiligen Reichsbankdiskontsatz zu bezahlen. [2]
II. Der Bekl. hat die sämtlichen Kosten des Rechtsstreits zu tragen bzw. zu erstatten.
III. Das Urteil wird gegen eine bei der Bayer. Staatsbank München zu erlegende Sicherheit der Kl. in Höhe von 1600 RM für vorläufig vollstreckbar erklärt.

[5] Gegen das Urteil, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, legte der Bekl. Berufung ein. Er beantragte, das Urteil aufzuheben und die Klage kostenfällig abzuweisen. Zur Begründung wurde im wesentlichen vorgebracht:

[6] Der Erstrichter habe dadurch, daß er trotz Anerkennung des Volksfestcharakters des Oktoberfestes den Wirtschaftsbetrieb des Bekl. als gebührenpflichtig bezeichnet habe, der Bestimmung des § 27 Abs. 1 Nr. 1 des LitUrhG eine Auslegung gegeben, die unhaltbar sei, diese Bestimmung überhaupt völlig beseitigen würde und sich insbesondere auch nicht mit der Begründung des Gesetzes, auf die der Erstrichter ein viel zu großes Gewicht gelegt habe, rechtfertigen lasse. Das Oktoberfest habe bereits im Jahre 1901 in einem Umfange bestanden, der von dem heutigen nicht allzusehr abweiche, es sei daher schon bei Entstehung des Gesetzes „hergebrachte Gewohnheit“ gewesen. Die Erhebung von Gebühren für die Musikaufführungen in den Bierhallen sei damals um nichts schwerer gewesen als heute. Diese Musikaufführungen hätten auch von jeher einen wesentlichen Bestandteil des Festes selbst gebildet und könnten daher nicht als Veranstaltungen bezeichnet werden, die nur bei Gelegenheit des Oktoberfestes erfolgten. ......

[7] Der Vertreter der Kl. beantragte kostenfällige Zurückweisung der Berufung. Er widersprach unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Rechtsstandpunktes und unter Bezugnahme auf die als zutreffend bezeichneten Gründe des landgerichtlichen Urteils den gegnerischen Ausführungen.....

[8] Wegen der sonstigen einzelnen Ausführungen der Parteivertreter und der von ihnen gestellten Beweisanträge wird auf den vorgetragenen Inhalt der im zweiten Rechtszug gewechselten vorbereitenden Schriftsätze und der vorgelegten Schriftstücke Bezug genommen...... [3]

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

[9] Die Berufung des Bekl. entspricht in formeller Beziehung den gesetzlichen Bestimmungen – §§ 551 ff. ZPO –; sie war auch sachlich als begründet zu erachten.

[10] Es steht unbestritten fest, daß der Bekl. während des Oktoberfestes 1930 in seiner Bierhalle auf der Festwiese durch die von ihm bestellte Musikkapelle einhundertdreißigmal Tonstücke, hinsichtlich deren die konzertmäßigen Aufführungsrechte für Deutschland den Kl. zustehen, ohne vorherige Einholung der Bewilligung der Berechtigten zur öffentlichen Aufführung bringen ließ. Es kommt für die hier zu treffende Entscheidung der Frage, ob der Bekl. dadurch das Urheberrecht der Kl. vorsätzlich oder fahrlässig gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 11 Abs. 2, 37 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 19. 6. 1901 in der Fassung des Gesetzes vom 22. 5. 1910 verletzt hat, daher zunächst auf die Entscheidung der Frage an, ob es sich hierbei um Aufführungen bei einem Volksfeste im Sinne des § 27 Abs. 1 Nr. 1 LitUrhG gehandelt hat. Nach dieser Gesetzesbestimmung sind öffentliche Aufführungen eines erschienenen Werkes der Tonkunst ohne Einwilligung des Berechtigten dann zulässig, wenn sie bei Volksfesten, mit Ausnahme der Musikfeste, stattfinden. Wenn daher diese Voraussetzungen hier zutreffen, erweist sich das Klagbegehren ohne weiteres als unbegründet.

[11] Bei der Würdigung der hiernach im Vordergrund stehenden Frage, ob das Münchner Oktoberfest als ein Volksfest im Sinne des Gesetzes zu erachten ist, geht mit dem Erstrichter auch das BerGer. von der Begriffsbestimmung aus, welche der im Gesetz selbst nicht näher erläuterte Begriff der Volksfeste in der Rechtslehre gefunden hat. Nach den im landgerichtlichen Urteil aufgeführten Erläuterungen der bekanntesten Kommentatoren des literarischen Urheberrechtsgesetzes sind darunter zu verstehen allgemein zugängliche, nicht im geschäftlichen Interesse einzelner, sondern im Interesse der Allgemeinheit getroffene Veranstaltungen, durch die das Volksgemüt nach der Seite der Fröhlichkeit, Heiterkeit angeregt werden soll. Mar- [4] witz-Möhring (Anm. 7 zu § 27) hebt dabei insbesondere auch hervor, daß das Volksfest nicht von einer öffentlichen Behörde veranstaltet zu sein brauche, daß aber doch die Person des Veranstalters häufig für die Entscheidung, ob Volksfest oder nicht, von Bedeutung sein werde.

[12] Daß nach dieser Begriffsbestimmung das Münchner Oktoberfest ein Volksfest im Sinne des § 27 Abs. 1 Nr. 1 LitUrhG ist, steht für das BerGer. außer Zweifel. Das Fest verdankt seine Entstehung einer Feier, die im Oktober 1810 aus Anlaß der Vermählung des damaligen Kronprinzen und späteren Königs Ludwig I. mit der Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen auf der nach der letzteren benannten Theresienwiese für das Volk abgehalten wurde und, wie auf dem bekannten Gemälde des damals lebenden Malers Wilhelm von Kobell zu sehen ist, zum Mittelpunkte die beim Volke so beliebte Veranstaltung eines Pferderennens hatte. Das Fest wurde in der Folge, soweit nicht in einigen wenigen Jahren besonders widrige Umstände wie Epidemien oder Kriegsereignisse seine Abhaltung unmöglich machten, alljährlich auf der Theresienwiese gefeiert und bildete sich im Laufe der Jahre auf der landwirtschaftlichen Grundlage, die schon in den ersten Jahren den Kern des Festes gebildet hatte, zu einem die Bevölkerung von Stadt und Land vereinenden bayerischen Landesfest mit Pferderennen, Landwirtschaftsausstellung, Viehprämiierung, Preisschießen der Schützengesellschaften und Volksbelustigungen aller Art aus. Veranstalterin des Festes ist jeweils die Stadtgemeinde München.

[13] Angesichts dieses Ursprungs und der historischen Entwicklung des Festes, seiner Anlage und Durchführung und insbesondere des Umstandes, daß das Fest nicht im geschäftlichen Interesse eines einzelnen privaten Unternehmers, sondern von einer öffentlichen Körperschaft zum Nutzen und zur Unterhaltung der Allgemeinheit veranstaltet wird, kann vor allem nicht bestritten werden, daß das nunmehr 120 Jahre alte Fest jedenfalls in der Vergangenheit Jahrzehnte hindurch die Voraussetzungen für die Annahme eines Volksfestes im [5] Sinne der fraglichen Bestimmung des Urheberrechtsgesetzes erfüllt hat. Es geht daher keineswegs an, wenn die Kl. dem Oktoberfeste schon von vornherein den Charakter eines Volksfestes für die Vergangenheit wie für die Gegenwart deswegen absprechen wollen, weil der Gesetzgeber bei der Schaffung des Gesetzes vom 19. 6. 1901, die in eine Zeit falle, in der Deutschland reich und blühend und dementsprechend festesfreudiger gewesen sei als heute, nur Volksfeste lokaler Art und geringeren Umfangs wie Turner- und Schützenfeste in kleinen Städten, bei welchen das Volk sich nicht nur vergnügen, sondern auch ideell habe begeistern können, im Auge gehabt habe. Es ist der Klagpartei ohne weiteres zuzugeben, daß, wie in der Rechtslehre allgemein anerkannt, die Bestimmung des § 27 LitUrhG eine Ausnahmevorschrift darstelltund daher einschränkend auszulegen ist; eine derartig einschränkende Auslegung aber, wie sie die Klagepartei der Bestimmung geben will, ist nach der in den Worten des Gesetzes enthaltenen Erklärungsform, die nach der Rechtslehre und der Rechtsprechung für die Auslegung des Gesetzes grundsätzlich in erster Linie entscheidend ist (vgl. Staudinger BGB, Bd. VI S. 554, 555) nicht gerechtfertigt. In dem Entwurf und der Begründung zu § 27 aaO heißt es:

[14] „Wenn gemäß § 11 die Grenzen erweitert werden, die bisher der ausschließlichen Befugnis des Komponisten zur öffentlichen Aufführung seines Werkes gezogen waren, so erscheint es zur Schonung hergebrachter Gewohnheiten geboten, für einige Ausnahmefälle die Aufführung freizugeben . . . Andererseits läßt sich für Volksfeste mit Ausnahme von Musikfesten das Aufführungsrecht nicht zur Geltung bringen, da es mit erheblichen, zu dem voraussichtlichen Erträgnis in keinem Verhältnis stehenden Belästigungen verbunden wäre“ (Verhandlungen des Reichstags 1900/1902, Bd. 109 Anlage Bd. I S. 402). Die Klagepartei will aus dieser Begründung entnehmen, daß der Gesetzgeber bei der Freigabe der Aufführungen bei Volksfesten mit keiner nennenswerten Vermögenseinbuße für den Urheber gerechnet habe und eine beträchtliche ihm nicht habe zumuten wollen und daß er daher nur lokale Feste geringen [6] Umfanges in kleinen Städten im Auge gehabt habe. Mit einer solchen Annahme läßt sich jedoch der in der Begründung ausdrücklich hervorgehobene Zweck der Schonung hergebrachter Gewohnheiten kaum verneinen, nachdem immerhin auch schon zur Zeit der Entstehung des Gesetzes im Jahre 1901 Volksfeste größten Stils, darunter insbesondere das althergebrachte Oktoberfest, gefeiert wurden. Selbst wenn aber der Gesetzgeber wirklich nur die Befreiung von Festen geringen Umfangs beabsichtigt haben sollte, würde dies die von der Klagepartei gewollte Gesetzesauslegung nicht rechtfertigen, nachdem durch die, wie oben erwähnt, grundsätzlich für die Auslegung entscheidende Erklärungsform des Gesetzes, neben welcher der das Gesetz schaffende Wille des Gesetzgebers in den Hintergrund zu treten hat, in keiner Weise zum Ausdruck gelangt ist, daß es irgendwelchen Unterschied machen soll, ob das Fest größeren oder kleineren Umfanges ist, und daß als „Volksfeste“ nur solche der letzteren Art anzusehen sind.

[15] Mangels einer solchen Unterscheidung zwischen größeren und kleineren Festen im Gesetze kann es auch nicht ins Gewicht fallen, daß das Oktoberfest im Laufe der Jahre immer mehr an Umfang zugenommen hat, und es ist auch nicht von ausschlaggebender Bedeutung, ob die Ausdehnung des Festes gerade in der Zeit nach der Entstehung des Gesetzes, also seit dem Jahre 1901, ein größeres Ausmaß angenommen hat. In Frage könnte nur kommen, ob das Fest durch diese Veränderungen seinen Charakter als Volksfest verloren hat und daher, wie die Kl. weiterhin behaupten, in seiner jetzigen Form nicht als Volksfest im Sinne des Gesetzes anzusehen ist. Allein auch diese Frage muß verneint werden. Wohl ist das Fest, dessen zeitliche Dauer von anfänglich 3 Tagen schon längst auf 14 Tage erstreckt wurde, mit der Zeit auch räumlich durch Vermehrung der Vergnügungsgelegenheiten und insbesondere auch hinsichtlich der Besucherzahl erheblich gewachsen. Dieses Wachsen ist aber die natürliche Folge des Ansteigens der Zahl und der Lebenshaltung der Bevölkerung und der mit dem Fortschreiten der Technik eingetretenen Erhöhung der Ansprüche des Volkes an die [7] Art und Aufmachung der zu seiner Unterhaltung dienenden Schaustellungen und Vergnügungsstätten. Durch diese Anpassung des Festes an die veränderten Zeitverhältnisse hat sich jedoch der Grundcharakter des Festes in keiner Weise geändert. Auch jetzt noch kommt die landwirtschaftliche Grundlage des Festes durch die Veranstaltung von Landwirtschaftsausstellungen zum Ausdruck; daß diese infolge der derzeitigen Not der Landwirtschaft nicht mehr wie früher alljährlich, sondern nur noch alle 2—3 Jahre abgehalten werden können, kann an der Sache nichts ändern. Ebensowenig fällt es ins Gewicht, daß sich die früher üblichen Pferderennen aus Gründen der Verkehrssicherheit bei dem nunmehrigen Massenbesuch der Festwiesen nicht mehr durchführen lassen. Wie früher finden jetzt noch der Aufzug und das Preisschießen der Schützengesellschaften statt. Das Münchner Oktoberfest ist daher auch in seiner heutigen Form nicht lediglich, wie es von den Kl. bezeichnet wird, „eine dem Austausch von Waren dienende Rummelangelegenheit“, sondern das bayerische Landesfest, das in althergebrachter Weise alljährlich alle Schichten der Bevölkerung aus dem ganzen Lande auf der Theresienwiese zu den Füßen des Denkmals der Bavaria zu fröhlichem Beisammensein zusammenführt und damit nach wie vor ein „Volksfest“, und zwar nicht nur nach dem allgemeinen Volksempfinden, sondern auch im Sinne des § 27 des LitUrhG. Als solches ist denn gerade auch das Münchner Oktoberfest schon wiederholt in der Literatur, so von Dernburg-Kohler in Bd. 6 des Werkes „Bürgerliches Recht“ S. 196 und wie bisher auch von Allfeld in der neuesten Auflage von dessen Kommentar zum literarischen Urheberrechtsgesetz vom Jahre 1928, also auch für die gegenwärtige Zeit ausdrücklich anerkannt worden.

[16] Dabei kann nun allerdings die Frage aufgeworfen werden, ob unter die von der Abgabepflicht befreiten öffentlichen Aufführungen von geschützten Tonwerken bei Volksfesten auch solche Aufführungen zu rechnen sind, welche, wie dies hier der Fall, innerhalb der auf dem Festplatz errichteten Bierhallen, also in abgesonderten Räumen stattfinden. Auch diese Frage [8] wird in dem bezeichneten Kommentar von Allfeld (S. 266) ohne jede Einschränkung bejaht. Aber auch wenn man sich zugunsten der berechtigten Autoren auf den von Marwitz-Möhring in dessen Kommentar zum literarischen Urheberrechtsgesetz in Anm. 6 zu § 27 vertretenen etwas strengeren Standpunkt stellt, daß die Aufführung, um abgabefrei zu sein, ein Teil des Volksfestes selbst sein muß, und demnach bei dem Feste, nicht nur gelegentlich des Festes stattfinden muß, kann hier nach Anschauung des BerGer. eine andere Beurteilung nicht Platz greifen. Denn die Musikaufführungen in den Bierhallen des Münchner Oktoberfestes sind ebenso wie die Hallen selbst ein so wesentlicher Bestandteil des Festes, daß nicht gesagt werden kann, die Aufführungen fänden nicht bei dem Feste, d. i. nicht im Rahmen (vgl. Daude LitUrhG § 27 Anm. 2 S.74), sondern nur gelegentlich des Festes statt. Nach der ganzen Art und Entwicklung des Festes bildete von jeher der Ausschank von Getränken und insbesondere von Bier auf der Festwiese, der anfänglich nur im Freien und späterhin wegen der wechselnden Witterungsverhältnisse in gedeckten Hallen stattfand, eines der hauptsächlichsten Mittel zur Anregung der allgemeinen Fröhlichkeit. Die Wirtschaftsbuden nahmen daher stets einen breiten Raum innerhalb der ganzen festlichen Veranstaltung ein und gehörten neben den Schaubuden und sonstigen Volksbelustigungen zu den bevorzugten Sammelstätten des fröhlichen Volkstreibens. Seit Jahrzehnten und insbesondere auch schon lange vor dem Inkrafttreten des literarischen Urheberrechtsgesetzes fanden in den Wirtschaftsbuden zur Unterhaltung der Gäste und Hebung der Stimmung auch musikalische Darbietungen statt. Die Wirtschaftsbuden können hiernach nicht, wie die Klagepartei will, als vom Festbetriebe losgelöste, abgesonderte Räume angesehen werden, in welchen außerhalb des Rahmens des Festes das Volk lediglich im Interesse des Wirtes durch musikalische Aufführungen in Stimmung versetzt werden soll, sie gehören vielmehr samt den musikalischen Darbietungen zum Feste selbst. Weder die Wirtschaftsbuden noch auch nur die darin veranstalteten Musikauffüh- [9] rungen lassen sich wegdenken, ohne daß dem Feste selbst ein wesentlicher Bestandteil fehlen würde. Eine andere Beurteilung läßt sich auch nicht etwa, wie die Klagepartei will, damit begründen, daß die vordem ganz einfachen Bretterbuden der Wiesenwirte sich im Laufe der Zeit zu kostspieligen „Bierpalästen“ gewandelt haben und auch die musikalischen Darbietungen einen größeren Raum einnehmen als früher. Dieses Wachstum hängt naturgemäß mit der fortschreitenden Entwicklung auf allen Lebensgebieten zusammen, die dazu geführt hat, daß auch hinsichtlich der Ausgestaltung von Festen viel größere Ansprüche gestellt werden als ehedem. Auch die Karussells, die Schaubuden und die sonstigen Volksbelustigungen des Oktoberfestes haben sich infolge der technischen Errungenschaften wesentlich geändert und ein ganz anderes Ausmaß angenommen, ohne daß daraus etwa gefolgert werden könnte, daß sie nicht mehr zum Feste gehörten. Wenn ferner die Kl. darauf hinweisen, daß die musikalischen Aufführungen in den Bierhallen mit Rücksicht auf das in den hohen Bierpreis eingerechnete Eintrittsgeld für die Gäste nicht unentgeltlich seien und den Wirten einen hohen Gewinn bringen würden, so ist dem entgegenzuhalten, daß nach dem Gesetz, wie sich aus dem Wortlaut in Satz 1 und Satz 2 des § 27 Abs. 1 deutlich ergibt (vgl. insbesondere Allfeld aaO § 27 Anm. 7 S. 265), auch entgeltliche oder zu gewerblichen Zwecken veranstaltete Musikaufführungen bei einem Volksfeste ohne Einwilligung des Berechtigten zulässig sind, so daß auch die Größe des Verdienstes des Wirtes hier keine Rolle spielt.

[17] Die Musikdarbietungen in der Festhalle des Bekl. während des Oktoberfestes 1930 können hiernach nicht als lediglich gelegentlich des Festes veranstaltete Musikaufführungen erachtet werden, sie sind vielmehr ein Teil des Volksfestes selbst und daher nach § 27 Nr. 1 LitUrhG abgabefrei......

[18] Was schließlich die Stellungnahme des LG anlangt, so ist dieses, obwohl es im Anschluß an Allfeld sowohl den Volksfestcharakter des Oktoberfestes als auch die Frage, ob die Musikaufführungen in den Wirtsbuden in den Bereich des Festes [10] fallen, bejaht hat, zur Annahme einer Urheberrechtsverletzung des Bekl. mit einer Begründung gelangt, der nicht beigepflichtet werden kann. Das LG hat sich im Hinblick auf den in der Begründung des Gesetzes zum Ausdruck gekommenen Gedanken, daß sich für Volksfeste das Aufführungsrecht nicht zur Geltung bringen lasse, da es mit erheblichen, zu dem voraussichtlichen Ertrag in keinem Verhältnis stehenden Belästigungen verbunden wäre, auf den Standpunkt gestellt, daß nach der hieraus sich ergebenden Absicht des Gesetzgebers nicht alle öffentlichen Aufführungen eines erschienenen Werkes der Tonkunst auf allen Volksfesten unter allen Umständen ohne Einwilligung des Berechtigten zulässig sein sollen, diese Zulässigkeit sich vielmehr auf die Fälle beschränke, in denen die Geltendmachung des Aufführungsrechtes mit den fraglichen erheblichen Belästigungen verbunden sei, was bei dem Wirtschaftsbetriebe des Bekl. nicht zutreffe. Diese Auslegung des Gesetzes ist nicht haltbar, sie läßt sich aus der Fassung, die das Gesetz gefunden hat, nicht entnehmen. Das Gesetz macht keinen Unterschied zwischen Musikaufführungen, bei welchen sich das Aufführungsrecht nur mit erheblichen Belästigungen zur Geltung bringen läßt und solchen, bei welchen dies nicht der Fall ist, es spricht von Aufführungen bei Volksfesten schlechthin, begründet die von ihm gewährte Vergünstigung also tatsächlich für alle bei Volksfesten stattfindenden öffentlichen Aufführungen von Werken der Tonkunst. Hätte der Gesetzgeber eine solche Unterscheidung beabsichtigt, wie sie das LG annimmt, so hätte er dies im Gesetz selbst zum Ausdruck bringen können. Die derzeitige ganz allgemein gehaltene Fassung laßt jedenfalls diese Unterscheidung nicht zu.

[19] Das BerGer. verkennt dabei keineswegs, daß die fragliche Vorschrift des § 27 eine große Unbilligkeit und Härte gegenüber den Urhebern in sich schließt, die sich mit der Zeit durch die Steigerung des Musikbedürfnisses des Volkes immer mehr ausgewirkt und verschärft hat. Die Bestimmung wurde denn auch schon von Anfang an von den Kommentatoren des Geset- [11] zes teilweise in sehr scharfen Worten, so insbesondere von Goldbaum, der sie als freche Ausbeutung fremder Arbeit bezeichnet, als unbillig betrachtet und heftig bekämpft. Allein im Wege der Auslegung läßt sich diese Härte nicht beseitigen, hier könnte nur eine Änderung des Gesetzes den Urhebern zu ihrem natürlichen Rechte verhelfen. Nach alledem konnte das BerGer. den Anspruch der Kl. schon mangels Vorliegens einer objektiven Urheberrechtsverletzung nicht als begründet erachten. Es mußte daher das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen werden. Das hatte zur Folge, daß die Kosten beider Rechtszüge nach §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO den Kl. zu überbürden waren. Gemäß § 708 Nr. 7 war das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären.