Oberlandesgericht Hamm - Anzeigenübernahme

Entscheidungstext
Gericht: Oberlandesgericht
Ort: Hamm
Art der Entscheidung: Urteil
Datum: 6. Oktober 1987
Aktenzeichen: 4 U 189/87
Zitiername:
Verfahrensgang:
Erstbeteiligte(r):
Gegner:
Weitere(r) Beteiligte(r):
Amtliche Fundstelle:
Quelle: Scan von AfP 1988, Heft 1, S. 66–67
Weitere Fundstellen:
Inhalt/Leitsatz:
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Zulässigkeit fototechnischer Übernahme anderweitig erschienener Anzeigen

§ 1 UWG

1. Die bloße fototechnische Übernahme von Anzeigen aus fremden Veröffentlichungen ist für sich genommen nicht wettbewerbswidrig.

2. Dies gilt auch dann, wenn der Nachahmer dabei Entwicklungs- oder Herstellungskosten einspart.

Oberlandesgericht Hamm,
Urteil vom 6. Oktober 1987 – 4 U 189/87 –

Sachverhalt

[1] Die Antragstellerin gibt die örtlichen Fernsprechbücher in Detmold und einer Reihe von anderen Orten heraus. Die Antragsgegnerin gibt, erstmalig für 1987/88, „Krause's Detmolder Telefon-Branchen-Adreßbuch“ heraus. Beide Telefonbücher werden jeweils kostenlos abgegeben. In beiden ist in erheblichem Umfang Werbung örtlicher Anbieter enthalten. In einer Vielzahl von Fällen stimmen die Anzeigen der Werbenden in beiden Telefonbüchern inhaltlich und in ihrer Gestaltung zum Teil weitgehend, zum Teil gänzlich überein.

[2] Die Antragstellern hat unter dem 16. Juni 1987 eine Beschlußverfügung des Landgerichts erwirkt, durch die der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt worden ist,

a) Anzeigen aus den von der Antragstellerin herausgegebenen Veröffentlichungen – Fernsprechbüchern, Adreßbüchern – durch Ablichtung und/oder sonstige technische Verfahren zu reproduzieren.
b) Druckerzeugnisse herauszugeben, zu verlegen und/oder zu verteilen, die Anzeigen enthalten, welche aus Veröffentlichungen der Antragstellerin durch Ablichtung und/oder sonstige technische Verfahren reproduziert worden sind.

[3] Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht die vom Kammervorsitzenden erlassene Beschlußverfügung durch Urteil bestätigt. Es stelle einen Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG dar, wenn die Antragsgegnerin zur Fertigung der Anzeigen in ihrem eigenen Telefonbuch sich des örtlichen Fernsprechbuchs der Antragstellerin als technischer Vorlage in der Weise bediene, daß aus dem Buch der Antragstellerin durch Ablichten oder ein sonstiges technisches Verfahren die Anzeige lediglich reproduziert werde. Daß die Antragsgegnerin hier so vorgegangen sei, ergebe sich aus dem Telefonbuch der Antragsgegnerin mit den den jeweiligen Anzeigen beigehefteten deckungsgleichen oder nahezu deckungsgleichen Filmklischees der Anzeigen aus dem Telefonbuch der Antragstellerin.

[4] Gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Entscheidungsgründe

[5] Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet. Es fehlt für das Verfügungsbegehren der Antragstellerin an einem Verfügungsanspruch. Das Landgericht hat hier zu Un- [67] recht eine wettbewerbswidrige Ausnutzung fremder Leistung durch die Antragsgegnerin nach § 1 UWG angenommen.

[6] Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, daß die bloße Übernahme von Anzeigen aus fremden Veröffentlichungen für sich genommen nicht wettbewerbswidrig ist, soweit kein Sondenechtsschutz für die jeweilige Anzeige eingreift (Senatsurteile vom 13. Dezember 1979, Aktenzeichen 4 U 234/79; vom 23. März 1982, Aktenzeichen 4 U 320/81; vom 16. April 1985, Aktenzeichen 4 U 76/85).

[7] Der gegenteilige Standpunkt würde zudem zu einer nicht gerechtfertigten Monopolstellung dessen führen, der zum ersten Mal eine bestimmte Anzeige eines Inserenten gebracht hat. Gerade bei periodisch erscheinenden Blättern und ähnlichen Veröffentlichungen, wie es gerade auch ein Telefonbuch darstellt, kommt es dem Inserenten darauf an, den Kunden immer in der gleichen Aufmachung anzusprechen, um so nachhaltiger in dessen Erinnerung zu bleiben. Dieser Werbeeffekt würde gemindert, wenn der Inserent bei einem Wechsel zu einem anderen Werbeträger auch die Gestaltung der Werbeanzeige ändern müßte.

[8] Auch die Antragstellerin knüpft deshalb mit ihrem Verbotsantrag nicht an dem Erscheinungsbild der jeweiligen Anzeige als solchem an, sondern wendet sich nur gegen die Art und Weise der Herstellung der jeweiligen Anzeige, daß sich die Antragsgegnerin nämlich dabei der Anzeige der Antragstellerin als Vorlage bediene, indem sie sie reproduziere und die Reproduktion dann in den eigenen Druckvorgang einbringe. Es ist also nicht die ideenmäßige Ausbeutung, die die Antragstellerin hier als wettbewerbswidrig rügt, sondern die technische Ausnutzung vorhandenen Materials. Dementsprechend führt die Antragstellerin als besonderen Umstand, der die Nachahmung der Anzeigen durch die Antragsgegnerin hier als wettbewerbswidrig erscheinen lassen könnte, auch keine Irreführungsmomente an, sondern beschränkt sich darauf, auf ersparte Druckkosten der Antragsgegnerin hinzuweisen. Die Antragstellerin würde es also hinnehmen wollen, wenn die Antragsgegnerin die Anzeigen der Antragstellerin lediglich als Ideenvorlage nähme und im übrigen den Druck der eigenen Anzeigen in vollem Umfange eigenständig durchführte.

[9] Eine solche Vorgehensweise kann die Antragstellerin aber auch unter dem Gesichtspunkt des § 1 UWG von der Antragsgegnerin nicht verlangen. Denn die Ausnutzung fremder Arbeitsergebnisse ist nicht schlechthin wettbewerbswidrig, insbesondere dann nicht, wenn der Verletzte seine Arbeitsleistung weitgehend amortisiert hat (Senatsurteil vom 10. Januar 1984, Aktenzeichen 4 U 366/83). Davon muß aber bei den reproduzierten Anzeigen der Antragstellerin ausgegangen werden. Auch wenn bei der Antragstellerin eine gewisse Mischkalkulation vorliegen mag, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen, daß die Preise für die Erstanzeige in der Hoffnung auf dann billiger herzustellende Folgeanzeigen relativ niedrig angesetzt werden, so ändert das doch nichts daran, daß der Preis für die jeweilige Anzeige selbst festgesetzt wird und daß es sich bei der größeren Gewinnspanne bei Folgeanzeigen lediglich um eine rechtlich unabgesicherte Hoffnung handelt. Muß aber die Arbeitsleistung der Antragstellerin bereits mit der Bezahlung der Erstanzeige prinzipiell als amortisiert betrachtet werden, wird damit das Arbeitsergebnis aber auch Dritten prinzipiell frei zugänglich. Die Antragstetlerin kann nicht verlangen, daß Dritte, auch wenn sie, wie hier die Antragsgegnerin, Konkurrenten sind, bei ihrer Anzeigen Veröffentlichung so vorgehen müssen, als gäbe es die Anzeigendrucke der Antragstellerin noch nicht, zumal auch von der Antragstellerin irgendeine wettbewerbliche Eigenart für die Anzeige nicht in Anspruch genommen wird. Andernfalls würde den Anzeigen der Antragstellerin auf dem Umweg über das Verbot der rein technischen Ausnutzung der vorhandenen Anzeigen doch eine Art Sonderrechtsschutz eingeräumt, wie er ihnen nach Idee und Gestaltung gerade nicht zukommen soll.

[10] Außerhalb des Gebiets des Sonderrechtsschutzes soll eben auf fremden Arbeitsergebnissen prinzipiell aufgebaut werden können, auch wenn der Nachahmer dabei Entwicklungskosten teilweise einsparen mag. Bei Anzeigendruckaufträgen, wie hier, führt das ja lediglich dazu, daß zwischen den Parteien bei den Folgeanzeigen nunmehr gleiche Wettbewerbsbedingungen bestehen, indem beide Parteien bei der Neuschaltung der Anzeige in gleicher Weise auf das vorhandene Anzeigenmaterial zurückgreifen können. Mit ihrem Verbotsantrag will die Antragstellerin dagegen für sich einen Vorsprung gewinnen, indem sie der Antragsgegnerin dadurch höhere Druckkosten aufzwingen will, daß sie ihr diesen Rückgriff auf das vorhandene Anzeigenmaterial verwehrt. Dies ist aber nicht gerechtfertigt, weil die Antragstellerin dadurch, daß sie sich die erste Anzeige, auf die zurückgegriffen werden soll, vollständig als einmalige und abgeschlossene Leistung hat bezahlen lassen, diese Anzeige hinsichtlich der weiteren Verwertung aus ihrem eigenen Vorratsschatz entlassen hat. Sollten erst Folgeanzeigen die vollständige Amortisation der Entwicklungskosten bringen, hätte sie die Verträge mit den Anzeigenkunden anders, nämlich längerfristiger gestalten müssen.

[11] Der vorliegende Fall bekommt dadurch kein anderes Gepräge, daß die Anzahl der nachgeahmten Anzeigen hier größer ist. Auch wenn die Antragstellerin in ihrem Vortrag ferner noch rügt, daß die Antragsgegnerin sogar ihr Inhaltsverzeichnis mit den Symbolfiguren für die einzelnen Ansagedienste nachgeahmt habe, so geht es gleichwohl nicht um die wie immer auch zu bestimmende Idee eines „bebilderten“ Telefonbuchs, sondern allein um das Nachahmen der einzelnen Anzeigen. Dann kann der Wettbewerbsverstoß aber nicht über die große Zahl der nachgeahmten Anzeigen begründet werden, wenn die Nachahmung der einzelnen Anzeigen für sich nicht wettbewerbswidrig ist.

Mitgeteilt von
Richter am OLG Uwe Jürgens, Hamm