Handel mit Giftwaaren (Großh Hess)(1821)

Gesetzestext
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Titel: Gesetz über den Handel mit Giftwaaren.
Abkürzung:
Art:
Geltungsbereich: Großherzogtum Hessen
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1921 S, 194-197
Fassung vom: 31. Mai 1821
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 1. Juni 1821
Inkrafttreten:
Anmerkungen:
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Gesetz über den Handel mit Giftwaaren.

LUDEWIG von Gottes Gnaden Großherzog von Hessen und bei Rhein etc. etc.

Um allen Nachtheilen möglichst zuvorzukommen, welche aus dem Verkaufe giftiger Substanzen für Gesundheit und Leben entstehen können, haben Wir mit Beirath und Zustimmung Unserer getreuen Landstände Nachfolgendes verordnet:

§. 1.

Die über den Handel mit Giftwaaren unterm 3ten November 1808 erlassene Verordnung tritt außer Wirksamkeit, und der Handel mit giftigen Substanzen wird den Apothekern und Specereihändlern wieder, jedoch unter folgenden Ausnahmen und näheren Bestimmungen, freigegeben.

§. 2.

Alle giftige Substanzen müssen in den Officinen der Apotheker und Läden der Specereihändler, an sicheren abgesonderten Orten, zu welchen nur der Apotheker und Specereihändler, und unter bleibender eigener strenger Verantwortlichkeit derselben, in deren Abwesenheit der Provisor oder der ältste zuverläßige Gehülfe den Schlüssel hat, so aufbewahrt werden, daß außer ihm niemand zu denselben gelangen kann. An diesen Orten sollen zugleich die zum Dispensiren derselben erforderlichen Waaren, Gewichte, Mörser, Reibschaalen und Löffel, und zwar zum alleinigen Gebrauch für Gifte sich befinden.
Die Gifte selbst, sie mögen in größerer oder kleinerer Menge begehrt werden, sind beim Verkauf sorgfältig einzupacken, zu versiegeln, und mit der Aufschrift: Gift, auf eine in die Augen fallende Art, zu bezeichnen.

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§. 3.

Diese Substanzen dürfen nur an bekannte und angesessene Personen, die zu ihrem erlaubten Geschäfte und Gewerbe, oder aus einer sonstigen bekannten Ursache derselben bedürfen, abgegeben werden. Ist der Käufer verhindert, sie selbsten abzunehmen, so ist es ihm zwar verstattet, dieselben bei eigener Verantwortung, auch durch andere sichere Personen, nie aber durch Kinder abholen zu lassen; es haben aber in diesem Falle, die Abnehmer sich durch ein schriftliche von dem Empfänger ausgestellte, und, bei unbekannter Handschrift desselben, von der Polizeibehörde des Wohnortes noch beglaubigte Vollmacht über den erhaltenen Auftrag bei dem Verkäufer auszuweisen. Ist die Verwendung oder das Bedürfniß solcher giftiger Substanzen zweifelhaft, so hat der Verkäufer auf Beibringung eines von der Polizeibehörde ausgestellten Erlaubnißscheins zu bestehen.
An unbekannte Personen aber ist ohne einen solchen Erlaubnißschein der Polizeibehörde keine Sorte Giftes abzugeben. Der Verkäufer, so gegen diese Vorschriften handelt und der Käufer, welcher das Gift zu einem anderen, als dem angegebenen Zwecke verwendet, oder an andere Personen es abgiebt, sollen das erstemal mit namhafter, nach den Umständen zu bestimmender Geldstrafe von 100 bis 500 fl., im Wiederholungsfall aber mit Verlust des Gewerbes bestraft werden.

§. 4.

Die Apotheker und Specereihändler sollen ein von der Polizeibehörde mit Seitenzahl und Handzug versehenes Register führen, in welches die Käufer giftiger Substanzen sogleich und ohne Raum zu lassen, ihren Namen, Stand und Wohnung, die Gattung und Menge der ihnen überlassenen Waaren, den Gebrauch, den sie davon machen wollen und den Tag des Einkaufs einschreiben. Die zuwider handelnden Verkäufer sind mit einer Strafe von 100 bis 500 fl. zu belegen.
Geschieht der Verkauf an Personen, welche nicht schreiben können, und von denen die Verkäufer doch wissen, daß sie dieser Substanzen bedürfen, so sind diese gehalten, den Eintrag zu machen. Die von der Polizeibehörde ertheilte Erlaubnißscheine, so wie die zur Abholung giftiger Substanzen von den Käufern ertheilte Vollmachten (§. 3.) sind als Beilage dieses Registers aufzubewahren.

§. 5.

Bei Untersuchung der Apotheken und Specereiläden haben die Visitatoren genau darauf zu sehen, daß der verschlossene Giftbehälter vorhanden, das Register über den Giftverkauf vorschriftsmäßig geführt und allen Bestimmungen dieser Verordnung genau nachgekommen sey, und haben solches jedesmal im Protocoll zu bemerken. Diese Visitationen sind wenigstens einigemal im Jahr und zwar mit Zuziehung des Physicatsarztes von der Polizeibehörde vorzunehmen.

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§. 6.

Ausnahmen von der im 1. §. festgesetzten Regel sind folgende: 1) Der Verkauf des weißen Arseniks, des gelben Arseniks, des Operments[WS 1], des Rauschgelbs[WS 2], des rothen Arseniks, des Fliegensteins[WS 3] (Mückengifts, Kobolts), des ätzenden Quecksilbersublimats, und des weissen und rothen Quecksilberpräcipitats bleibt den Specerei- und anderen Krämern durchaus verboten. Nur Apotheker dürfen diese Gifte im Kleinen, d. i. wenn die zu verkaufende Dosis nicht über 1/4 Pfund beträgt, und zwar nur mit Beobachtung der in den §.§. 2. 3. und 4. dieser Verordnung vorgeschriebenen Förmlichkeiten und Vorsichtsmaasregeln, verkaufen. Der Verkauf des Fliegensteins an Personen, so dessen zu einem erlaubten Gewerbe nicht bedürfen, sondern denselben zu andern Zwecken verwenden wollen, ist gänzlich untersagt. 2.) Der Detail-Verkauf aller derjenigen giftartigen Substanzen, welche nur als Heilmittel gebraucht werden, namentlich der spanischen Fliegen, des Euphorbiums, des Höllensteins, des Spießglanzglases, der Spießglanzbutter, der weißen Nießwurz, so wie aller zu Heilzwecken bestimmten Apparaten, (Pillen, Pulver, Tropfen etc.) bleibt den Apothekern ebenfalls vorbehalten, und diese haben dieselben nur auf Vorschrift approbirter Medicinalpersonen abzugeben.

§. 7.

Der Verkauf der Gifte mit Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten, wie auch der Verkauf der obengenannten, heftig wirkenden Arzneimittel an bekannte Personen, so deren zu ihrem Geschäfte bedürfen, ist auch den Materialisten, jedoch nur im Großen, d. i. wenn die zu verkaufende Quantität über 1/4 Pfund beträgt, unbenommen.

§. 8.

Den mit Befugnißscheinen der Regierung versehenen Rattenvertilgern, so wie auch allen anderen mit Erlaubnißscheinen für den Einkauf des Arseniks zur Vertilgung des Ungeziffers versehenen Personen ist dieses Gift, zur Vermeidung jeder schädlichen Verwechselung mit andern Consumtions-Artikeln, nicht anders, als durch einen Zusatz von ausgebranntem Kienruß schwarz gefärbt, zu verkaufen.
Die Vermengung des Arseniks mit Fett, Mehl, Zucker und dergleichen, ist aber, mit Ausnahme des von den Rattenvertilgern erkauften, lediglich von den Apothekern vorzunehmen, und darf der in diesen Mischungen befindliche Arsenik höchstens den 20ten Theil derselben, dem Gewicht nach, betragen.

§. 9.

Alle mit Erlaubnißscheinen Unserer Regierungen nicht versehene Verkäufe von Mäuse- und Ratten-Gift, so wie alle herumziehende Arzneikrämer sind, wo sie sich betreten lassen, anzuhalten und den Polizeibeamten zur Bestrafung oder Ablieferung an die geeignete Behörde anzuzeigen. In dem ersten Betretungsfalle ist ein solcher mit Confiscation seiner sämmtlichen [197] Waaren zu bestrafen, im Wiederholungsfalle aber mit weiteren Geld- oder Leibes-Strafen, nach Befund der Umstände zu belegen.

§. 10.

Der Verkauf von Bleizucker, Bleigelb, Bleiweiß, Grünspan, Menning, Silberglätte, Goldglätte, concentrirter Salpeter-Säure, concentrirter Salzsäure, concentrirter Schwefelsäure, ätzendem Salmiakgeist, Gummiguttä, u. s. w. an Künstler und Gewerbsleute, welche derselben zu ihrem Geschäfte bedürfen, ist demnach den Specereihändlern nach den Bestimmungen dieses Gesetzes gestattet. Nie dürfen jedoch von denselben oder von Materialisten und Apothekern, Bleimittel als Silber- oder Goldglätte, Bleiweiß, Bleizucker, Menning u. s. w. an Weinhändler und Wirthe, und überhaupt darf kein Gift zur vorgeblichen Vertilgung der Mäuse oder Ratten an Köche, Gastwirthe, Bäcker, Bierbrauer, Müller, Fleischer, Mehl- und Obsthändler, abgegeben werden.
Sämmtliche Regierungen, Polizeibeamten und Physicatsärzte haben über die genaueste Befolgung dieser Verordnung zu wachen.
Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und beigedruckten Staatssiegels.
Darmstadt den 31. May 1821.
(L. S.)
LUDEWIG.
von Grolman.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gelbe giftige Malerfarbe. Gemisch von Arsentrioxid und Arsensulfit.
  2. gelbes Schwefelarsen. Wurde als gelber Farbstoff (Königsgelb) verwendet.
  3. Gediegenes Arsen.