Großherzoglich Hessisches Heilquellenschutzgesetz 1896

Gesetzestext
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Titel: Gesetz, den Schutz der Heilquellen im Großherzogthum betreffend.
Abkürzung: Großherzoglich Hessisches Heilquellenschutzgesetz
Art:
Geltungsbereich: Großherzogtum Hessen
Rechtsmaterie: Bergrecht
Fundstelle: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1896 Nr. 24 S. 89.
Fassung vom:
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 20. Juli 1896
Inkrafttreten: 20. Juli 1896
Anmerkungen:
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Quelle: Scan auf Commons
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Gesetz,
den Schutz der Heilquellen im Großherzogthum betreffend.
Vom 15. Juli 1896.


ERNST LUDWIG von Gottes Gnaden Großherzog von Hessen und bei Rhein etc.

Mit Zustimmung Unserer getreuen Stände haben Wir verordnet und verordnen, wie folgt:

Artikel 1.

Innerhalb des im Wege der Verordnung abzugrenzenden Umkreises von den im Großherzogthum vorhandenen oder erschlossen werdenden Heilquellen ist freie, chemisch nicht gebundene Kohlensäure aus unterirdischen Fundstätten von dem Verfügungsrechte des Grundeigenthümers ausgeschlossen. Ihre Aufsuchung und Gewinnung unterliegt den Vorschriften des Berggesetzes vom 28. Januar 1876 (Regierungsblatt Seite 73).
Welche Quellen als Heilquellen im Sinne des gegenwärtigen Gesetzes anzuerkennen sind, unterliegt der Entschließung Unseres Ministeriums des Innern und der Justiz, welches nach Anhörung der Interessenten in kollegialischer Berathung hierüber entscheidet.

Artikel 2.

Innerhalb des nach Artikel 1 bestimmten Umkreises dürfen zu anderen, als den daselbst genannten Zwecken, Ausgrabungen und unterirdische Arbeiten über eine gleichfalls im Verordnungswege [90] festzusetzende Tiefe nur nach vorgängiger Genehmigung des Kreisamts und unter Beobachtung der an dieselbe geknüpften Bedingungen vorgenommen werden.
Die Genehmigung ist zu versagen oder an Bedingungen zu knüpfen, wenn und soweit nach dem einzuholenden Gutachten der Oberen Bergbehörde die Gefahr besteht, daß dadurch der Bestand oder die bestimmungsgemäße Benützung der zu schützenden Heilquellen beeinträchtigt werden könne.
Gegen die Verfügung des Kreisamtes steht dem Besitzer der Heilquellen und dem Antragsteller binnen 14 Tagen die Beschwerde an Unser Ministerium des Innern und der Justiz zu. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Doch kann im Falle kreisamtlicher Versagung der Erlaubniß die Beschwerdeinstanz die Vornahme der Arbeiten mit oder ohne Bedingungen gestatten.

Artikel 3.

Der Betrieb bestehender gewerblicher Anlagen zur Aufsuchung freier, chemisch nicht gebundener Kohlensäure aus unterirdischen Fundstätten und zu ihrer Gewinnung aus denselben unterliegt der Untersagung nach Maßgabe der Gewerbeordnung § 51, falls der Betrieb die in Artikel 2 Absatz 2 erwähnte und auf dem dort bezeichneten Wege festzustellende Gefahr bedingt oder die an die Genehmigung geknüpften Bedingungen nicht erfüllt werden.
Vorhandene Betriebsanlagen und Einrichtungen unterliegen der polizeilichen Aufsicht der Bergbehörden. (Berggesetz Artikel 188 ff.)
Auf die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes im Betrieb befindlichen Bergwerke finden, soweit dieselben in den Quellenschutzbezirk (Artikel 1) fallen, die Vorschriften des ersten Absatzes entsprechende Anwendung.

Artikel 4.

Unter der in Artikel 2 Absatz 2 bezeichneten Voraussetzung kann ein verliehenes Bergwerkseigenthum, auf welches nicht Artikel 3 Absatz 3 anwendbar ist, für den in den Quellenschutzbezirk fallenden Theil des verliehenen Feldes durch Beschluß der Oberen Bergbehörde und gegen Erstattung der dem Bergwerkseigenthümer vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erwachsenen Schürfungs-, Muthungs-, Verleihung- und sonstigen erweislichen Erwerbungskosten aufgehoben werden. Mit der Aufhebung erlöschen alle Ansprüche auf das Bergwerk bezw. den aufgehobenen Theil desselben, von welcher Art sie auch sein mögen.
Wenn der überwiegend werthvollere Theil des Bergwerkseigenthums aufgehoben wird, kann der Eigenthümer den Ersatz der ganzen von ihm aufgewendeten Kosten fordern. Wegen der Entschädigung steht der Rechtsweg offen.

Artikel 5.

Ergibt sich die in Artikel 2 Absatz 2 bezeichnete Gefahr innerhalb des Quellenschutzbezirks bei Ausgrabungen und unterirdischen Arbeiten zu anderen, als den in Artikel 1 genannten [91] Zwecken auf eine geringere, als die durch Verordnung festgesetzte Tiefe (Artikel 2 Absatz 1), so kann das im Gefahrenbereich liegende Gelände vom Besitzer der Heilquelle der Enteignung nach Maßgabe des Gesetzes vom 26. Juli 1884 (Regierungsblatt Seite 175) unterworfen werden.

Artikel 6.

Ist für eine Heilquelle die Festsetzung eines Schutzbezirks nach Maßgabe des Artikels 1 dieses Gesetzes noch nicht erfolgt, so kann die Vornahme von Ausgrabungen und unterirdischen Arbeiten durch das Kreisamt nach Maßgabe des Artikels 79 der Kreisordnung und bezw. Artikel 56 Ziff. 2 der Städteordnung vorläufig untersagt oder an Bedingungen geknüpft werden, wenn und soweit die ungestörte Erhaltung der Heilquelle im öffentlichen Interesse liegt und für dieselbe die in Artikel 2 Absatz 2 erwähnte und auf dem dort bezeichneten Wege festzustellende Gefahr besteht.

Artikel 7.

Wer in Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften dieses Gesetzes Anlagen zur Aufsuchung und Gewinnung freier, chemisch nicht gebundener Kohlensäure aus unterirdischen Fundstätten herstellt oder betreibt, wird mit Geldstrafe bis zu 600 M bestraft, an deren Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit Haftstrafe bis zu 6 Wochen tritt.
Uebertretungen der Vorschriften der Artikel 2 und 6 dieses Gesetzes werden mit Geldstrafe bis zu 150 M, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft.
Unabhängig von der Strafverfolgung kann die Einstellung der weiteren Arbeiten, sowie die Wiederherstellung des früheren Zustands auf Kosten des Schuldigen nach Maßgabe der Artikel 190 ff. und 201 des Berggesetzes und Artikel 80 der Kreisordnung angeordnet werden.

Artikel 8.

Auf die zu Zwecken des Betriebs der Heilquellen erforderlichen Arbeiten und Einrichtungen findet das gegenwärtige Gesetz keine Anwendung.

Artikel 9.

Gegenwärtiges Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündigung in Kraft. Mit der Ausführung desselben ist Unser Ministerium des Innern und der Justiz beauftragt.
Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und beigedrückten Großherzoglichen Siegels.
Darmstadt, den 15. Juli 1896.

(L. S.)

ERNST LUDWIG
Finger.