Gesetz, betreffend einige Aenderungen von Bestimmungen über das Postwesen

Gesetzestext
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Titel: Gesetz, betreffend einige Aenderungen von Bestimmungen über das Postwesen.
Abkürzung:
Art:
Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1899, Nr. 51, Seite 715 - 719
Fassung vom: 20. Dezember 1899
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 23. Dezember 1899
Inkrafttreten:
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(Nr. 2636.) Gesetz, betreffend einige Aenderungen von Bestimmungen über das Postwesen. Vom 20. Dezember 1899.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

Artikel 1.

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Das Gesetz über das Posttaxwesen im Gebiete des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871 (Reichs-Gesetzbl. S. 358) wird dahin geändert:
I. An die Stelle des §. 1 treten folgende Vorschriften:

Porto für Briefe.

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Das Porto beträgt für den frankirten gewöhnlichen Brief
bis zum Gewichte von 20 Gramm einschließlich 10 Pfennig,
bei größerem Gewichte 20 Pfennig.
Bei unfrankirten Briefen tritt ein Zuschlagporto von 10 Pfennig, ohne Unterschied des Gewichts des Briefes, hinzu. Dasselbe Zuschlagporto wird bei unzureichend frankirten Briefen neben dem Ergänzungsporto erhoben.
Portopflichtige Dienstbriefe werden mit Zuschlagporto nicht belegt, wenn ihre Eigenschaft als Dienstsache durch eine von der Reichs-Postverwaltung festzustellende Bezeichnung auf dem Umschlage vor der Postaufgabe erkennbar gemacht worden ist.
II. Als §. 1a wird folgende Vorschrift eingestellt:

Nachbarortsverkehr.

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Der Reichskanzler ist ermächtigt, den Geltungsbereich der Ortstaxe (§. 50, 7 des Gesetzes über das Postwesen des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871) auf Nachbarorte auszudehnen.
III. An die Stelle des §. 10 treten folgende Vorschriften:
Die Zeitungsgebühr beträgt:
a) 2 Pfennig für jeden Monat der Bezugszeit,
b) 15 Pfennig jährlich für das wöchentlich einmalige oder seltenere Erscheinen sowie 15 Pfennig jährlich mehr für jede weitere Ausgabe in der Woche,
c) 10 Pfennig jährlich für jedes Kilogramm des Jahresgewichts unter Gewährung eines Freigewichts von je 1 Kilogramm jährlich für soviel Ausgaben, wie der Gebühr zu b unterliegen. [716]
Das Jahresgewicht wird für jedes Kalenderjahr nach dem thatsächlichen Gewichte der Zeitungsnummern des vorausgegangenen Rechnungsjahrs festgestellt. Bei neuen Zeitungen erfolgt bis zur Anwendbarkeit dieser Bestimmung die Gewichtsberechnung vierteljährlich nach dem Gewichte der erschienenen Nummern.
Der Verleger hat zum Zwecke der Gewichtsberechnung der ihm bezeichneten Postdienststelle ein vollständiges Pflichtexemplar von jeder Zeitungsnummer beim Erscheinen zu liefern.
Die Selbstverpackung ist auf Antrag des Verlegers zu gestatten,

Artikel 2.

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Das Gesetz über das Postwesen des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871 (Reichs-Gesetzbl. S. 347) wird dahin geändert:
I. Als §. 1a wird folgende Vorschrift eingestellt:
Die §§. 1, 27, 28, 30 bis 33 dieses Gesetzes finden auch Anwendung auf verschlossene und solchen gleichzuachtende Briefe, die innerhalb der Gemeindegrenzen ihres mit einer Postanstalt versehenen Ursprungsorts verbleiben.
II. Als §. 2a werden folgende Vorschriften eingestellt:
Die Beförderung von verschlossenen Briefen im Ursprungsorte (§. 1a) gegen Bezahlung durch Boten, welche weder die Einsammlung von Briefen, Karten, Drucksachen, Zeitungen und Zeitschriften oder Waarenproben gewerbsmäßig betreiben, noch im Dienste einer Privatbeförderungsanstalt stehen, ist ohne die im §. 2 vorgeschriebenen Einschränkungen gestattet.
Privatbeförderungsanstalten dürfen in eigener Angelegenheit verschlossene Briefe auch durch ihre Bediensteten befördern lassen.

Artikel 3.

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Anstalten zur gewerbsmäßigen Einsammlung, Beförderung oder Vertheilung von unverschlossenen Briefen, Karten, Drucksachen und Waarenproben, die mit der Aufschrift bestimmter Empfänger versehen sind, dürfen vom 1. April 1900 ab nicht betrieben werden.
Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.
Abgesehen von den bezeichneten Anstalten ist die gewerbsmäßige oder nicht gewerbsmäßige Beförderung von unverschlossenen politischen Zeitungen innerhalb der Gemeindegrenzen eines Ortes, insbesondere auch wenn sie durch die Post oder durch Expreßboten dorthin befördert wurden, Jedermann gestattet, auch an Sonn- und Feiertagen während der Stunden, in denen die Kaiserliche Post bestellt. [717]

Artikel 4.

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Den vor dem 1. April 1898 eingerichteten und seitdem bis zur Verkündigung dieses Gesetzes ohne Unterbrechung betriebenen Privat-Briefbeförderungsanstalten und ihren Bediensteten, die in Folge dieses Gesetzes Schaden erleiden, sind Entschädigungen nach den folgenden Bestimmungen zu gewähren:
A. Der den Anstalten zu ersetzende Schaden umfaßt auch den entgangenen Gewinn. Die Feststellung des entgangenen Gewinns richtet sich nach §. 252 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Jedoch soll die Entschädigung für den entgangenen Gewinn in keinem Falle mehr als das Zehnfache des jährlichen Reingewinns betragen, den die Anstalt im Durchschnitte der vor dem 1. April 1898 liegenden drei letzten Geschäftsjahre erzielt hat. Das erste Geschäftsjahr nach Errichtung oder Erwerbung der Anstalt wird hierbei nicht in Betracht gezogen. Hat die Anstalt bis zum 1. April 1898 noch nicht vier Jahre bestanden, so wird der durchschnittliche Jahresbetrag des Reingewinns in der Weise gebildet, daß der im Durchschnitte für den Monat nach Ablauf des ersten Geschäftsjahrs erzielte Reingewinn mit zwölf vervielfältigt wird. Als Reingewinn gilt die Roheinnahme aus der Beförderung der ihrem Betrieb auf Grund dieses Gesetzes entzogenen Gegenstände nach Abzug des dem Verhältnisse dieser Einnahme zur Roheinnahme aus dem gesammten Beförderungsgeschäft entsprechenden Theiles der Geschäftskosten. Zu den Geschäftskosten werden auch gerechnet die Abnutzung der der Anstalt gehörenden Gebäude und Betriebsmittel, soweit sie dem Beförderungsgeschäfte dienen, und vierprozentige Zinsen des Anlage- und Betriebskapitals.
B. Die Bediensteten, die in Folge des Eingehens oder der Beschränkung des Betriebs der Anstalten aus der Beschäftigung austreten oder entlassen werden und mindestens drei Monate lang, vom Tage der Verkündigung dieses Gesetzes rückwärts gerechnet, im Dienste der Anstalten gestanden sowie ihren Erwerb ausschließlich oder überwiegend aus dieser Beschäftigung gezogen und vor dem Tage der Verkündigung dieses Gesetzes das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, erhalten, wenn die Beschäftigung gedauert hat:
3 Monate bis einschließlich 6 Monate 1/12,
mehr als 6 Monate bis einschließlich 1 Jahr 2/12,
mehr als 1 Jahr bis einschließlich Jahr 3/12,
mehr als Jahr bis einschließlich 2 Jahre 4/12,
mehr als 2 Jahre bis einschließlich 3 Jahre 6/12,
mehr als 3 Jahre bis einschließlich 4 Jahre 9/12,
mehr als 4 Jahre bis einschließlich 5 Jahre 11/12,
mehr als 5 Jahre bis einschließlich 6 Jahre 14/12,
mehr als 6 Jahre bis einschließlich 7 Jahre 17/12,
mehr als 7 Jahre bis einschließlich 8 Jahre 20/12,
mehr als 8 Jahre bis einschließlich 9 Jahre 23/12,
mehr als 9 Jahre bis einschließlich 10 Jahre 26/12,
mehr als 10 Jahre bis einschließlich 11 Jahre 29/12,
mehr als 11 Jahre bis einschließlich 12 Jahre 32/12
[718]
u. s. w. für jedes weitere Beschäftigungsjahr mehr 3/12 des innerhalb der letzten zwölf Monate bezogenen Gehalts oder Arbeitsverdienstes als einmalige Entschädigung.
Gehälter oder Arbeitsverdienste, welche mehr als 5.000 Mark pro Jahr betragen haben, dürfen nur mit 5.000 Mark bei der Feststellung der Entschädigung angerechnet werden.
Besteht das Gehalt oder der Arbeitsverdienst ganz oder zum Theil aus Antheilen an der Geschäftseinnahme oder am Geschäftsgewinne, so werden diese Antheile mit dem Durchschnitte der vor der Verkündigung dieses Gesetzes liegenden zwei Beschäftigungsjahre angesetzt.
Hat die Beschäftigung weniger als zwölf Monate gedauert, so wird der Berechnung der Entschädigung der Betrag zu Grunde gelegt, der nach dem durchschnittlich für den Tag bezogenen Gehalt oder Arbeitsverdienste sich im Laufe eines Jahres ergeben hätte.
Von der Entschädigung sind die Bediensteten ausgeschlossen, die von der Postverwaltung in eine ihrem bisherigen Beschäftigungsverhältniß entsprechende Dienststelle von mindestens ihren bisherigen Bezügen gleichkommenden Dienstbezügen übernommen werden.
Bei der Uebernahme in den Reichs-Postdienst ist den Bediensteten die im Dienste der Privatpostanstalten verbrachte Dienstzeit so anzurechnen, als wenn sie im Dienste der Reichs-Postverwaltung thätig gewesen wären.
Ist mit dem Antritt einer derartigen Stelle ein Wechsel des Wohnorts verbunden, so werden die Umzugskosten ersetzt.
Anspruch auf obige Entschädigung haben auch diejenigen Angestellten, die nach der Einstellung in den Postdienst innerhalb drei Monate, ohne sich eines Vergehens oder Verbrechens schuldig gemacht zu haben, als ungeeignet entlassen werden müssen.

Artikel 5.

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Der Anspruch auf Entschädigung ist innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten bei einer Postbehörde schriftlich anzumelden. Die Frist beginnt mit dem 1. April 1900, für die im letzten Satze des Artikels 4 erwähnten Angestellten mit dem Tage der Entlassung aus dem Postdienste. Die Feststellung der Entschädigung erfolgt für das Reichs-Postgebiet durch das Reichs-Postamt, für Bayern und Württemberg durch die obere Postverwaltungsbehörde dieser Staaten. [719]
Die Postverwaltungen und deren Beauftragte sind befugt, unter Hinzuziehung eines vereideten Protokollführers, Zeugen und Sachverständige eidlich zu vernehmen oder die Gerichte um deren Vernehmung zu ersuchen.
Gegen den Bescheid der Postbehörde, durch den der Entschädigungsanspruch abgelehnt oder die Entschädigung festgestellt wird, findet die Berufung auf schiedsrichterliche Entscheidung statt.
Die Berufung ist bei Vermeidung des Ausschlusses binnen vier Wochen nach der Zustellung des Bescheids bei dem Schiedsgerichte zu erheben.
Der Bescheid der Postbehörde muß die Bezeichnung des für die Berufung zuständigen Schiedsgerichts und die Belehrung über die einzuhaltende Frist enthalten.
Das Schiedsgericht wird aus drei Mitgliedern des Reichsgerichts gebildet. Die Ernennung derselben und der Stellvertreter erfolgt für die Dauer ihres Hauptamts durch den Reichskanzler.
Auf die Beweisaufnahme im schiedsrichterlichen Verfahren finden die für das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.
Die Entschädigungssummen sind für das Reichs-Postgebiet aus den Mitteln der Reichs-Post- und Telegraphenverwaltung, für Bayern und Württemberg aus den Landesmitteln zu bestreiten.

Artikel 6.

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Die Bestimmungen des Artikels 1 III Abs. 1, 2 und 4 treten am 1. Januar 1901, Abs. 3 am 1. Januar 1900, die übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes am 1. April 1900 in Kraft.
Für das Kalenderjahr 1901 wird der Gewichtsberechnung (Artikel 1 III) das Gewicht der vom 1. Januar bis 30. September 1900 erschienenen Zeitungsnummern unter Erhöhung um ein Drittel zu Grunde gelegt.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Neues Palais, den 20. Dezember 1899.
(L. S.)  Wilhelm.

  Fürst zu Hohenlohe.