Gesetz, betreffend die Bekämpfung der Reblaus

Gesetzestext
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Titel: Gesetz, betreffend die Bekämpfung der Reblaus.
Abkürzung:
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Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1904, Nr. 30, Seite 261 - 265
Fassung vom: 6. Juli 1904
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 14. Juli 1904
Inkrafttreten:
Anmerkungen:
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Quelle: Scans auf Commons
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(Nr. 3058.) Gesetz, betreffend die Bekämpfung der Reblaus. Vom 6. Juli 1904.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was folgt:

Alle Rebpflanzungen unterliegen der amtlichen Beaufsichtigung zum Zwecke der Bekämpfung der Reblaus. Die zur Ermittelung von Verseuchungen erforderlichen Untersuchungen, bei denen eine entsprechende Anzahl von Rebstöcken entwurzelt werden darf, sind in angemessenen Zwischenräumen zu wiederholen.
Rebschulen, in welchen Reben zum Verkaufe gezogen werden, sowie Rebpflanzungen in Handelsgärtnereien sind mindestens einmal jährlich zu untersuchen. Zu Gunsten kleiner Rebschulen können Ausnahmen durch die höheren Verwaltungsbehörden bewilligt werden.
Den zuständigen Behörden liegt ob, durch geeignete Maßregeln der Verbreitung der Reblaus vorzubeugen und festgestellte Verseuchungen schleunig und gründlich auszurotten und zu unterdrücken.
Zu diesem Zwecke können sie
1. Reben, Rebteile und Erzeugnisse des Weinstocks, gebrauchte Rebpfähle und Rebbänder vernichten und verseuchte oder der Verseuchung verdächtige Flächen und auf solchen verwendete Weinbaugerätschaften desinfizieren lassen;
2. das Entfernen von Reben, Rebteilen und Erzeugnissen des Weinstocks, ferner von anderen Pflanzen oder Pflanzenteilen, Rebpfählen, Rebbändern, Weinbaugerätschaften, Dünger, Kompost, Erde oder einzelnen [262] Bodenbestandteilen von verseuchten oder der Verseuchung verdächtigen Flächen sowie das Betreten solcher Flächen verbieten und deren weitere Benutzung Beschränkungen unterwerfen;
3. den Anbau von Reben oder bestimmten Arten von Reben oder die Anlage von Rebschulen auf bestimmten Flächen oder innerhalb bestimmter Grenzen verbieten oder beschränken; insbesondere die Anmeldung aller Neuanlagen bei der Polizeibehörde anordnen;
4. den Verkehr mit Reben, Rebteilen und Erzeugnissen des Weinstocks, mit gebrauchten Rebpfählen, Rebbändern oder Weinbaugerätschaften, mit Dünger, Kompost oder aus Rebpflanzungen entnommener Erde oder einzelnen Bodenbestandteilen sowie mit Pflanzen, welche im Gemenge mit Reben oder in der Nähe von Reben gewachsen sind oder mit Teilen solcher Pflanzen – ausgenommen jedoch oberirdisch abzuerntende Früchte und Samen – verbieten oder beschränken.
Erforderlichenfalls können auch andere Maßregeln angeordnet werden. Jedoch bedürfen Verkehrsbeschränkungen, die über das Maß von Abs. 2 Nr. 4 hinausgehen, der Genehmigung des Bundesrats.
Versuche zur Anzucht reblausfester Reben dürfen nur mit Genehmigung und unter Aufsicht der zuständigen Behörden veranstaltet werden; die Genehmigung ist widerruflich.
Die am Weinbaue beteiligten Gebiete des Reichs werden in Weinbaubezirke eingeteilt, deren Abgrenzung durch den Reichskanzler im Reichs-Gesetzblatte bekannt zu machen ist.
Als Weinbau gilt der Anbau von Reben zum Zwecke der Gewinnung von Wein.
Es ist verboten, bewurzelte Reben oder Blindreben über die Grenzen eines Weinbaubezirkes zu versenden, einzuführen oder auszuführen. Ausnahmen können für Blindreben und im Verkehre zwischen benachbarten Weinbaubezirken zu Gunsten einer Person, welche in beiden Bezirken Rebpflanzungen besitzt, auch für Wurzelreben durch die höheren Verwaltungsbehörden zugelassen werden; die Bewilligung sonstiger Ausnahmen bedarf der Zustimmung des Reichskanzlers.
Die Durchfuhr von bewurzelten Reben, welche weder aus einem Weinbaubezirke stammen, noch zur Einfuhr in einen solchen bestimmt sind, unterliegt dem Verbote des Abs. 3 nicht, kann jedoch Beschränkungen unterworfen werden.
Der zur Nutzung eines mit Reben bestandenen Grundstücks Berechtigte ist verpflichtet, der Ortspolizeibehörde unverzüglich alle verdächtigen Erscheinungen anzuzeigen, welche auf das Auftreten der Reblaus auf seinem oder einem benachbarten Grundstück oder innerhalb des Gemeindebezirkes oder selbständigen Gutsbezirkes, welchem sein Grundstück angehört, schließen lassen. Zu der Anzeige [263] sind auch Weinbergsaufseher sowie die mit dem Vollzuge dieses Gesetzes betrauten Personen hinsichtlich der Bezirke verpflichtet, auf welche sich ihre Tätigkeit erstreckt.
Die Anzeigepflicht entsteht nicht, wenn von anderer Seite bereits Anzeige erstattet worden ist
Wer mit Reben oder Rebteilen Handel treibt, ist verpflichtet, Bücher zu führen, aus welchen die Herkunft, die Abgabe und der Versand der Reben oder Rebteile zu ersehen ist, und der höheren Verwaltungsbehörde auf Verlangen unter Vorlage dieser Bücher über die bezeichneten Punkte Auskunft zu geben. Die Bücher sind bis zum Ablaufe von zehn Jahren, von dem Tage der darin vorgenommenen letzten Eintragung an gerechnet, aufzubewahren.
Derjenige, dessen Rebpflanzungen von den in den §§ 1 und 2 bezeichneten Maßregeln betroffen werden, ist befugt, aus der Kasse des Bundesstaats, zu dessen Gebiete das betreffende Grundstück gehört, den Ersatz des Wertes der vernichteten und des Minderwerts der bei der Untersuchung beschädigten gesunden Reben zu verlangen.
Wird eine Rebpflanzung vernichtet, welche weder verseucht noch der Verseuchung verdächtig ist, so erstreckt sich der Ersatzanspruch auf den vollen Betrag des Schadens.
Die Bestimmungen darüber, nach welchen Grundsätzen die Entschädigung zu ermitteln und festzustellen ist, sind von den Bundesstaaten zu treffen.
Eine Entschädigung wird nicht gewährt:
1. wenn die Vernichtung dadurch veranlaßt wird, daß bei Anlage oder Erneuerung der Rebpflanzung eine zum Schutze gegen die Reblaus erlassene gesetzliche Vorschrift oder polizeiliche Anordnung verletzt worden ist;
2. wenn außer dem Falle der Nr. 1 der Beschädigte oder sein Erblasser in bezug auf die von der Vernichtung betroffene Fläche oder in bezug auf eine andere Fläche, von welcher die Reblaus auf die erstere Fläche verschleppt worden ist, eine zum Schutze gegen die Reblaus erlassene gesetzliche Vorschrift oder polizeiliche Anordnung vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat, oder wenn ein anderer Vorgänger im Besitze der Fläche sich einer solchen Verletzung schuldig gemacht hat und dies dem Beschädigten oder seinem Erblasser bei dem Erwerbe bekannt war.
Wer unter vorsätzlicher Verletzung der zum Schutze gegen die Reblaus erlassenen gesetzlichen Vorschriften oder polizeilichen Anordnungen eine Rebpflanzung [264] anlegt oder erneuert oder Rebmaterial für eine Rebpflanzung liefert, imgleichen wer vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit die Reblaus auf einem Grundstücke verbreitet, haftet für die Kosten der durch sein Verhalten veranlaßten behördlichen Maßregeln. Zu diesen Kosten sind auch die an Dritte zu zahlenden Entschädigungen zu rechnen
Die Bestimmungen über Festsetzung und Beitreibung der Kosten werden von den Bundesstaaten erlassen.
Mit Gefängnis nicht unter einem Monat und mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark wird bestraft, wer vorsätzlich die Reblaus auf einem Grundstücke verbreitet.
Der Versuch ist strafbar.
Mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstraft bis zu eintausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft:
1. wer vorsätzlich dem Verbote des § 3 zuwider Reben über die Grenzen eines Weinbaubezirkes versendet, einführt oder ausführt;
2. wer vorsätzlich den nach Maßgabe des § 2 oder des § 3 Abs. 4 erlassenen Anordnungen oder den zum Schutze gegen die Reblaus für die Ein- und Ausfuhr über die Grenzen des Reichs erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt;
3. wer wissentlich unrichtige Eintragungen in die nach § 5 zu führenden Bücher macht oder die nach Maßgabe des § 5 von ihm geforderte Auskunft wissentlich unrichtig erteilt.
Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Haft wird bestraft:
1. wer eine der im § 9 oder im § 10 Nr. 1, 2 bezeichneten Handlungen fahrlässig begeht;
2. wer außer dem Falle des § 10 Nr. 3 den Vorschriften über die nach § 5 zu führenden Bücher zuwiderhandelt;
3. wer die nach Maßgabe des § 5 von ihm geforderte Auskunft verweigert oder aus Fahrlässigkeit unrichtig erteilt.
Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird bestraft, wer der ihm nach § 4 obliegenden Anzeigepflicht nicht genügt.
Der Bundesrat ist ermächtigt, Grundsätze für die Ausführung der §§ 1 bis 3 und des § 5 aufzustellen.
Erweist sich die Unterdrückung der Reblaus in einer Gegend als nicht mehr durchführbar, so kann durch Beschluß des Bundesrats angeordnet werden, [265] daß für die Gegend einzelne Vorschriften dieses Gesetzes außer Anwendung treten. In diesem Falle hat der Bundesrat über die zum Schutze des übrigen Weinbaues erforderlichen besonderen Anordnungen zu beschließen.
Der Vollzug dieses Gesetzes liegt den Landesregierungen ob.
Die mit dem Vollzuge betrauten Personen sind befugt, in Erfüllung ihrer Aufgabe jederzeit mit ihren Gehilfen die in Betracht kommenden Grundstücke zu betreten und dort die erforderlichen Arbeiten vorzunehmen.
Die Kosten der auf Anordnung der Behörden ausgeführten Vernichtung von Rebpflanzungen und Desinfektion des Bodens fallen der Kasse des Bundesstaats zur Last, zu dessen Gebiete die Rebpflanzung gehört.
Der Reichskanzler hat die Ausführung zu überwachen, insbesondere auf die gleichmäßige Handhabung des Gesetzes hinzuwirken; die zu diesem Zwecke abgeordneten Beamten und Sachverständigen sind befugt, den Bekämpfungsarbeiten beizuwohnen und hierbei die Erweiterung oder Wiederholung der Untersuchungen zu verlangen.
Tritt die Reblaus in einer solchen Gegend auf oder erlangt sie eine solche Verbreitung, daß sich die zu ergreifenden Maßregeln auf die Gebiete verschiedener Bundesstaaten erstrecken müssen, oder daß die Gefahr der Verbreitung auf das Gebiet eines Nachbarstaats entsteht, so hat der Reichskanzler oder ein von ihm bestellter Reichskommissar für Herstellung und Erhaltung der Einheit in den seitens der Landesbehörden zu treffenden oder getroffenen Maßregeln zu sorgen und das zu diesem Zwecke Erforderliche anzuordnen, nötigenfalls auch die Behörden der beteiligten Bundesstaaten unmittelbar mit Anweisung zu versehen.
Dieses Gesetz tritt am 1. April 1905 an die Stelle des Gesetzes, betreffend die Abwehr und Unterdrückung der Reblaus, vom 3. Juli 1883, insoweit nicht durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats für einzelne Bestimmungen ein früherer Zeitpunkt bestimmt wird.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Swinemünde, an Bord M. Y. „Hohenzollern“, den 6. Juli 1904.
(L. S.)  Wilhelm.

  Graf von Posadowsky.