Gesetz, Maaßregeln gegen die Rinderpest betreffend
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(Nr. 263.) Gesetz, Maaßregeln gegen die Rinderpest betreffend. Vom 7. April 1869.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen etc.
verordnen im Namen des Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:
§. 1.
Bearbeiten- Wenn die Rinderpest (Löserdürre) in einem Bundesstaate oder in einem an das Gebiet des Norddeutschen Bundes angrenzenden oder mit demselben im direkten Verkehre stehenden Lande ausbricht, so sind die zuständigen Verwaltungsbehörden der betreffenden Bundesstaaten verpflichtet und ermächtigt, alle Maaßregeln zu ergreifen, welche geeignet sind, die Einschleppung und beziehentlich die Weiterverbreitung der Seuche zu verhüten und die im Lande selbst ausgebrochene Seuche zu unterdrücken.
§. 2.
Bearbeiten- Die Maaßregeln, auf welche sich die im §. 1. ausgesprochene Verpflichtung und Ermächtigung je nach den Umständen zu erstrecken hat, sind folgende:
- 1) Beschränkungen und Verbote der Einfuhr, des Transports und des Handels in Bezug auf lebendes oder todtes Rindvieh, Schaafe und Ziegen, Häute, Haare und sonstige thierische Rohstoffe in frischem oder trockenem Zustande, Rauchfutter, Streumaterialien, Lumpen, gebrauchte Kleider, Geschirre und Stallgeräthe; endlich Einführung einer Rindviehkontrole im Grenzbezirke;
- 2) Absperrung einzelner Gehöfte, Ortstheile, Orte, Bezirke, gegen den Verkehr mit der Umgebung;
- 3) Tödtung selbst gesunder Thiere und Vernichtung von giftfangenden Sachen, ingleichen, wenn die Desinfektion nicht als ausreichend befunden wird, von Transportmitteln, Geräthschaften und dergl. im erforderlichen Umfange;
- 4) Desinfizirung der Gebäude, Transportmittel und sonstigen Gegenstände, sowie der Personen, welche mit seuchekranken oder verdächtigen Thieren in Berührung gekommen sind; [106]
- 5) Enteignung des Grund und Bodens für die zum Verscharren getödteter Thiere und giftfangender Dinge nöthigen Gruben.
§. 3.
Bearbeiten- Für die auf Anordnung der Behörde getödteten Thiere, vernichteten Sachen und enteigneten Plätze, sowie für die nach rechtzeitig erfolgter Anzeige des Besitzers gefallenen Thiere wird der durch unparteiische Taxatoren festzustellende gemeine Werth aus der Bundeskasse vergütet.
- Diese Entschädigung wird jedoch nicht gewährt für solches Vieh, welches innerhalb zehn Tage nach erfolgter Einfuhr oder nach Eintrieb über die Bundesgrenze an der Seuche fällt.
§. 4.
Bearbeiten- Jeder, der zuverlässige Kunde davon erlangt, daß ein Stück Vieh an der Rinderpest krank oder gefallen ist oder daß auch nur der Verdacht einer solchen Krankheit vorliegt, hat ohne Verzug der Ortspolizeibehörde Anzeige davon zu erstatten. Die Unterlassung schleunigster Anzeige hat für den Viehbesitzer selbst, welcher sich dieselbe zu Schulden kommen läßt, jedenfalls den Verlust des Anspruches auf Entschädigung für die ihm gefallenen oder getödteten Thiere zur Folge.
§. 5.
Bearbeiten- Die Einwohner von der Rinderpest betroffener Orte sind verpflichtet, die Behörden bei Ausführung der polizeilichen Maaßregeln entweder selbst oder durch geeignete Personen zu unterstützen.
§. 6.
Bearbeiten- Die Eisenbahnverwaltungen sind verpflichtet, so lange noch eine Gefahr der Einschleppung der Rinderpest von irgend einer Seite her droht oder die Seuche im Bundesgebiete an irgend einem Orte herrscht, diejenigen Eisenbahnwagen, welche zum Transporte von Rindvieh oder auch, sobald die Wagen solche sind, welche sich zum Rindviehtransporte eignen, von anderem Vieh gedient haben, nach jedesmaligem Gebrauch zu desinfiziren. Diese Verpflichtung liegt derjenigen Verwaltung ob, auf deren Strecke das Ausladen, beziehentlich im Transit die Ueberschreitung der Bundesgebietsgrenze beim Wiederausgange stattgefunden hat. Die Eisenbahnverwaltungen dürfen dafür von dem Versender eine Entschädigung von zehn Silbergroschen für den Wagen erheben.
§. 7.
Bearbeiten- Die näheren Bestimmungen über die Ausführung der vorstehenden Vorschriften und deren Ueberwachung durch die geeigneten Organe, über die Bestreitung der entstehenden Kosten und die Bestrafung der Zuwiderhandlungen sind von den Einzelstaaten zu treffen. Es ist jedoch von den deshalb erlassenen Verfügungen dem Bundespräsidium Mittheilung zu machen.
§. 8.
Bearbeiten- Vom Bundespräsidium wird eine allgemeine Instruktion erlassen, welche über die Anwendung der im §. 2. unter Nr. 1. bis 4. aufgeführten Maaßregeln nähere Anweisung giebt und den nach §. 7. von den Einzelstaaten zu treffenden Bestimmungen zur Grundlage dient. [107]
§. 9.
Bearbeiten- Sobald die Regierung eines Bundesstaates in die Lage kommt, ein Einfuhrverbot zu erlassen, zu verändern oder aufzuheben, hat dieselbe dem Bundespräsidium und den Regierungen der benachbarten Bundesstaaten davon Mittheilung zu machen.
§. 10.
Bearbeiten- Einfuhrbeschränkungen zwischen den einzelnen Bundesstaaten sind erst dann zulässig, wenn die Rinderpest innerhalb eines Bundesstaates ausbricht.
- Bricht die Rinderpest in einem Bundesstaate aus, so ist dem Bundespräsidium hiervon, sowie von den ergriffenen Maaßregeln Anzeige zu machen, dasselbe auch von dem weiteren Gange der Seuche in Kenntniß zu erhalten.
§. 12.
Bearbeiten- Dem Bundeskanzler liegt ob, die Ausführung dieses Gesetzes und der auf Grund desselben erlassenen Anordnungen zu überwachen. Erforderlichen Falls wird der Bundeskanzler selbstständig Anordnungen treffen, oder einen Bundeskommissar bestellen, welcher die Behörden des betheiligten Einzelstaates unmittelbar mit Anweisung zu versehen hat. Tritt die Seuche in einer solchen Gegend des Bundesgebietes oder in solcher Ausdehnung auf, daß von den zu ergreifenden Maaßregeln nothwendig die Gebiete mehrerer Bundesstaaten betroffen werden müssen, so hat der Bundeskommissar für Herstellung und Erhaltung der Einheit in den Seitens der Landesbehörden zu treffenden oder getroffenen Maaßregeln zu sorgen und deshalb das Erforderliche anzuordnen.
§. 13.
Bearbeiten- Die Behörden der verschiedenen Bundesstaaten sind verpflichtet, sich bei Ausführung der Maaßregeln gegen die Rinderpest auf Ansuchen gegenseitig zu unterstützen.
§. 14.
Bearbeiten- Zur Durchführung der Absperrungsmaaßregeln ist militairische Hülfe zu requiriren. Die Kommandobehörden haben den desfallsigen Requisitionen der kompetenten Verwaltungsbehörden im erforderlichen Umfange zu entsprechen.
- Sämmtliche Mehrkosten, welche durch die geleistete militairische Hülfe gegen die reglementsmäßigen Kosten des Unterhalts der requirirten Truppen in der Garnison entstehen, fallen der Bundeskasse zur Last.
- Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Bundes-Insiegel.
- Gegeben Berlin, den 7. April 1869.