Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher (1898)

Gesetzestext
korrigiert
Titel: Bekanntmachung des Textes der Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher in der vom 1. Januar 1900 an geltenden Fassung.
Abkürzung:
Art:
Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1898, Nr. 25, Seite 683 - 688
Fassung vom: 20. Mai 1898
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 14. Juni 1898
Inkrafttreten:
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Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher.
In den vor die ordentlichen Gerichte gehörigen Rechtssachen, auf welche die Civilprozeßordnung, die Strafprozeßordnung oder die Konkursordnung Anwendung findet, werden Gebühren und Auslagen des Gerichtsvollziehers nur nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen erhoben.
Die Gebühr für jede Zustellung beträgt 80 Pfennig,
in den amtsgerichtlichen und den schöffengerichtlichen Sachen, soweit diese Sachen nicht durch Einlegung eines Rechtsmittels an ein höheres Gericht gebracht sind 50 Pfennig,
für die Zustellung durch Aufgabe zur Post (Civilprozeßordnung §. 175), für das an die Post gerichtete Ersuchen um Bewirtung einer Zustellung (Civilprozeßordnung §. 194), sowie für die im Auftrag eines Anwalts an den Gegenanwalt bewirkte Zustellung die Hälfte jener Sätze.
Die Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten mehrerer Betheiligter (Civilprozeßordnung §. 189 Abs. 2) gilt als Eine Zustellung.
Ist eine Zustellung durch den Gerichtsvollzieher bewirkt, obgleich sie mit geringeren Kosten durch die Post hätte erfolgen können, so erhält derselbe die Mehrkosten nur, wenn er zur Vornahme der Zustellung ohne Benutzung der Post ausdrücklich ermächtigt worden ist.
Die Gebühr für die Pfändung von beweglichen körperlichen Sachen (Civilprozeßordnung §§. 808, 809), von Früchten, welche von dem Boden noch nicht getrennt sind (Civilprozeßordnung §. 810), sowie von Forderungen aus Wechseln [684] oder anderen Papieren, welche durch Indossament übertragen werden können (Civilprozeßordnung §. 831), beträgt nach der Höhe der beizutreibenden Forderung:
bei einem Betrage bis 50 Mark einschließlich 1 Mark,
bei einem Betrage bis 100 Mark einschließlich 2 Mark,
bei einem Betrage bis 300 Mark einschließlich 3 Mark,
bei einem Betrage bis 1.000 Mark einschließlich 4 Mark,
bei einem Betrage bis 5.000 Mark einschließlich 5 Mark,
bei einem Betrage über 5.000 Mark 6 Mark.
Erfolgt die Pfändung zur Vollziehung eines Arrestes, so ist der in dem Arrestbefehle nach §. 923 der Civilprozeßordnung festgestellte Geldbetrag maßgebend. Bei der Pfändung eines im Schiffsregister eingetragenen Schiffes (Civilprozeßordnung §. 931) ist der Mindestbetrag der Gebühr 3 Mark.
Nimmt die Pfändung einen Zeitaufwand von mehr als zwei Stunden in Anspruch, so erhöht sich die Gebühr für jede angefangene weitere Stunde um ein Viertheil.
Ist eine versuchte Pfändung ohne Erfolg geblieben, weil nach Inhalt des Protokolls pfändbare Gegenstände nicht vorhanden waren oder die Pfändung nach §. 803 Abs, 2, §. 812 der Civilprozeßordnung zu unterbleiben hatte, so erhält der Gerichtsvollzieher die Hälfte der Gebühr.
Für die Uebernahme beweglicher Sachen zum Zwecke der Verwerthung in den Fällen der §§. 790, 847, 854 der Civilprozeßordnung, sowie im Falle des Ausscheidens des Gerichtsvollziehers, welcher die Pfändung vorgenommen hat, und für die Pfändung bereits gepfändeter Sachen (Civilprozeßordnung §. 826) erhalt der Gerichtsvollzieher die Hälfte der in §. 4 bestimmten Gebühr.
Der Gerichtsvollzieher erhält für die Wegnahme beweglicher Sachen einschließlich der Uebergabe derselben (Civilprozeßordnung §. 883) eine Gebühr von 3 Mark.
Nimmt das Geschäft einen Zeitaufwand von mehr als zwei Stunden in Anspruch, so erhöht sich die Gebühr für jede angefangene weitere Stunde um 1 Mark.
Ist eine versuchte Wegnahme ohne Erfolg geblieben, weil nach Inhalt des Protokolls die herauszugebenden Sachen nicht aufzufinden waren, so erhält der Gerichtsvollzieher die Hälfte der Gebühr, jedoch nicht unter 2 Mark.
Für die Versteigerung oder den Verkauf aus freier Hand von beweglichen Sachen, Früchten, welche von dem Boden noch nicht getrennt sind, Forderungen oder anderen Vermögensrechten erhält der Gerichtsvollzieher
Für die Versteigerung oder den Verkauf aus freier Hand von beweglichen Sachen, Früchten, welche von dem Boden noch nicht getrennt sind, Forderungen oder anderen Vermögensrechten erhält der Gerichtsvollzieher
von dem Betrage des erzielten Erlöses bis zu 100 Mark 5 vom Hundert,
von dem Betrag über 100 Mark bis 300 Mark 3 vom Hundert,
von dem Betrag über 300 Mark bis 1.000 Mark 2 vom Hundert,
von dem Betrag über 1.000 Mark bis 5.000 Mark 1 vom Hundert,
von dem Betrag über 5.000 Mark ½ vom Hundert.
jedoch nicht unter 2 Mark. [685]
Der Gerichtsvollzieher erhält
1. für die Entsetzung aus dem Besitz unbeweglicher Sachen oder bewohnter Schiffe und die Einweisung in denselben (Civilprozeßordnung §. 885),
2. im Falle der Zuziehung zur Beseitigung des Widerstandes des Schuldners gegen die Vornahme einer Handlung (Civilprozeßordnung §. 892)
eine Gebühr von 3 Mark für jede angefangene Stunde von dem Erscheinen an Ort und Stelle bis zur Beendigung seiner Thätigkeit.
In die Dauer der unter Nr. 1 erwähnten Vollstreckungshandlungen ist auch die Zeit einzurechnen, welche der Gerichtsvollzieher zu verwenden hat, um bewegliche Sachen, welche nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, wegzuschaffen, zu übergeben oder in Verwahrung zu bringen.
Der Gerichtsvollzieher erhält für die Verhaftung einer Person, einschließlich der Ablieferung derselben zur Haft, und für die zwangsweise Vorführung einer Person eine Gebühr von 15 Mark, für die Nachverhaftung einer bereits verhafteten Person 2 Mark.
Konnte eine unternommene Verhaftung nicht ausgeführt werden, weil nach Inhalt des Protokolls sich bei derselben das Vorhandensein eines der in den §§. 904, 906 der Civilprozeßordnung aufgeführten Gründe herausgestellt hat, so erhält der Gerichtsvollzieher eine Gebühr von 5 Mark.
Hat eine Vollstreckungshandlung, nachdem der Gerichtsvollzieher sich an Ort und Stelle begeben hatte, zufolge der Vorschrift des §. 775 der Civilprozeßordnung oder in Folge der Zurücknahme des Auftrags nicht stattgefunden, so erhält derselbe
in den Fällen der §§. 4, 5 die Hälfte der im §. 4 Abs. 1, 2 bestimmten Gebühr, im Falle des §. 4 Abs. 2 Satz 2 jedoch nicht unter 2 Mark,
im Falle des §. 6 die daselbst Abs. 3 bestimmte Gebühr,
im Falle des §. 7 eine Gebühr von 2 Mark,
im Falle des §. 8 eine Gebühr von 3 Mark,
im Falle des §. 9 eine Gebühr von 5 Mark.
Wird der Auftrag zur Zwangsvollstreckung durch Leistung an den Gerichtsvollzieher erledigt, so erhält derselbe
bei Zahlungen die in §. 4 bestimmte, nach dem gezahlten Betrage zu verrechnende Gebühr, jedoch wenn eine Pfändung vorausgegangen war, nicht unter 2 Mark,
bei Herausgabe von Sachen die in §. 6 bestimmte Gebühr. [686]
Die in den §§. 4 bis 11 bestimmten Gebühren umfassen die gesammte Thätigkeit des Gerichtsvollziehers bei der Zwangsvollstreckung, insbesondere:
1. die Nachsuchung der Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane und die Zuziehung der Zeugen und Sachverständigen (Civilprozeßordnung §§. 758, 759, 813, 814);
2. die zu den Vollstreckungshandlungen gehörenden Mittheilungen, Aufforderungen, Zustellungen und Postsendungen;
3. die Umschreibung eines auf den Namen lautenden Werthpapiers auf den Namen des Käufers und die Wiederinkurssetzung eines gepfändeten Inhaberpapiers (Civilprozeßordnung §§. 822, 823);
4. die Annahme und Quittirung, Ablieferung oder Hinterlegung der schuldigen Leistungen, sowie des gepfändeten oder erlösten Geldes und die Zurückgabe gepfändeter Gegenstände;
5. die Bekanntmachung der Versteigerung.
An baaren Auslagen werden dem Gerichtsvollzieher vergütet:
1. die Schreibgebühren;
2. die Post- und Telegraphengebühren;
3. die durch öffentliche Bekanntmachungen, insbesondere durch Einrückung in öffentliche Blätter entstandenen Kosten;
4. die an Zeugen und Sachverständige zu zahlenden Beträge;
5. die Entschädigung der zum Oeffnen von Thüren und Behältnissen zugezogenen Personen;
6. die für Umschreibung eines auf Namen lautenden Werthpapiers oder für Wiederinkurssetzung eines Inhaberpapiers zu zahlenden Beträge;
7. die Kosten eines Transports von Personen oder Sachen, die Kosten der Verwahrung und Beaufsichtigung von Gegenständen, die Kosten der Aberntung von Früchten, sowie der Erhaltung von Thieren;
8. die Reisekosten.
Schreibgebühren werden dem Gerichtsvollzieher nach Maßgabe des §. 80 des Gerichtskostengesetzes vergütet:
1. für alle nach gesetzlicher Vorschrift oder auf Antrag ertheilten Abschriften der von demselben aufgenommenen Urkunden und Protokolle, mit Ausnahme der nach gesetzlicher Vorschrift zu ertheilenden Abschrift der Zustellungsurkunde; im Falle des §. 2 Abs. 2 wird ihm jedoch für jede Abschrift der Zustellungsurkunde die Schreibgebühr vergütet; [687]
2. für die bei einer Hinterlegung zu erstattende Anzeige an das Vollstreckungsgericht (Civilprozeßordnung §§. 827, 854),
3. für die Aufnahme der von dem Drittschuldner nach Zustellung eines Pfändungsbeschlusses abgegebenen Erklärungen (Civilprozeßordnung §. 840);
4. für die vor der Verhaftung erforderliche Anzeige an die vorgesetzte Dienstbehörde des zu Verhaftenden (Civilprozeßordnung §. 910).
Den zu einer Vollstreckungshandlung in Gemäßheit der Vorschrift des §. 759 der Civilprozeßordnung zugezogenen Zeugen kann eine Entschädigung bis zum Betrage von je 1 Mark gewährt werden.
Dem in den Fällen der §§. 813, 814 der Civilprozeßordnung zugezogenen Sachverständigen kann eine Vergütung nach dein ortsüblichen Preise einer solchen Leistung gewährt werden.
Muß der Gerichtsvollzieher behufs Vornahme einer Amtshandlung außerhalb seines dienstlichen Wohnsitzes einen Weg bis zur Entfernung von mehr als 2 Kilometer zurücklegen, so erhält er an Reisekosten für jedes angefangene Kilometer des Hinweges und des Rückweges eine Entschädigung von 10 Pfennig.
Nimmt der Gerichtsvollzieher mehrere Geschäfte auf derselben Reise vor, so erhält er für jedes derselben die volle, nach der Entfernung des Ortes von seinem Amtssitz zu berechnende Entschädigung; dabei gelten jedoch mehrere Geschäfte, welche für denselben Auftraggeber an demselben Orte vorgenommen werden und welche sich auf dieselbe Rechtsangelegenheit beziehen, als Ein Geschäft.
Der Gerichtsvollzieher kann die Uebernahme eines Geschäfts von der Zahlung eines zur Deckung der baaren Auslagen und des vermuthlichen Betrags der Gebühren hinreichenden Vorschusses abhängig machen, sofern nicht das Geschäft von Amtswegen angeordnet oder für eine zum Armenrecht zugelassene Person auszuführen ist.
Schuldner der Gebühren und Auslagen des Gerichtsvollziehers ist bei Geschäften, welche von Amtswegen angeordnet werden, die Staatskasse, bei sonstigen Geschäften der Auftraggeber.
Die Gebühren und Auslagen sind, unbeschadet der Bestimmung des §. 788 der Civilprozeßordnung, fällig, sobald der Auftrag erledigt ist. Der Gerichtsvollzieher ist berechtigt, dieselben von dem Auftraggeber durch Postvorschuß zu erheben. [688]
Im Falle der Bewilligung des Armenrechts werden dem für die arme Partei bestellten Gerichtsvollzieher die baaren Auslagen von der Staatskasse ersetzt, falls nicht dieselben von dem Ersatzpflichtigen beigetrieben werden können (Civilprozeßordnung §§. 124, 788).
Bei Erinnerungen gegen den Ansatz von Gebühren oder Auslagen des Gerichtsvollziehers findet, soweit nicht §. 766 Abs. 2 der Civilprozeßordnung Platz greift, §. 4 des Gerichtskostengesetzes entsprechende Anwendung.
Die Gerichtsvollzieher sind verpflichtet, unter den Urschriften und Abschriften ihrer Akte eine Berechnung der Gebühren und Auslagen aufzustellen, und bei Geschäften, welche nach Verhältniß der verwendeten Zeit vergütet werden, in dem Protokolle die Dauer der letzteren anzugeben. Ist die Zeitangabe unterblieben, so darf nur die für die geringste Zeitdauer bestimmte Gebühr berechnet werden.
Den einzelnen Bundesstaaten bleibt vorbehalten:
1. für Zustellungen, für deren Nachweis auf Grund des §. 39 der Strafprozeßordnung einfachere Formen zugelassen sind, abweichend von den Vorschriften dieses Gesetzes geringere Gebühren zu bestimmen;
2. an Stelle von Gebühren und Auslagen, welche die Gerichtsvollzieher auf Grund dieses Gesetzes zu beanspruchen haben, denselben eine anderweite Vergütung zu gewähren.
Für die von den ersatzpflichtigen Personen zu erhebenden Beträge bleiben im Falle der Nr. 2 die Bestimmungen dieses Gesetzes maßgebend.
Den einzelnen Bundesstaaten bleibt die Feststellung der Vergütung überlassen, wenn den Gerichtsvollziehern in Sachen, auf welche die Civilprozeßordnung, die Strafprozeßordnung oder die Konkursordnung Anwendung findet, Geschäfte übertragen werden, welche denselben in jenen Gesetzen nicht ausdrücklich zugewiesen sind.