Durchführungsverordnung über die Sühneleistung der Juden
[1638]
Auf Grund des § 2 der Verordnung über eine Sühneleistung der Juden vom 12. November 1938 (Reichsgesetzbl. I S. 1579) und auf Grund des § 3 der Verordnung zur Wiederherstellung des Straßenbildes bei jüdischen Gewerbebetrieben vom 12. November 1938 (Reichsgesetzbl. I S. 1581) wird im Einvernehmen mit dem Reichswirtschaftsminister und den übrigen beteiligten Reichsministern hierdurch verordnet:
§ 1 Abgabepflicht
- (1) Die Kontribution von einer Milliarde Reichsmark wird als Vermögensabgabe von den Juden deutscher Staatsangehörigkeit und von den staatenlosen Juden eingezogen (Judenvermögensabgabe).
- (2) Abgabepflichtig ist jeder Jude [1639] (§ 5 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935, Reichsgesetzbl. I S. 1333), der nach der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. April 1938 (Reichsgesetzbl. I S. 414) sein gesamtes in- und ausländisches Vermögen anzumelden und zu bewerten hatte.
- (3) Juden fremder Staatsangehörigkeit unterliegen nicht der Abgabepflicht.
§ 2 Mischehen
- Bei Mischehen ist nur der jüdische Ehegatte mit seinem Vermögen abgabepflichtig.
§ 3 Bemessungsgrundlage
- (1) Die Abgabe wird nach dem Gesamtwert des Vermögens nach dem Stand vom 12. November 1938 bemessen.
- (2) Auszugehen ist von dem Vermögen, das der Abgabepflichtige auf Grund der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. April 1938 (Reichsgesetzbl. I S. 414) angemeldet hat. Dabei sind die Verbindlichkeiten und die eingetretenen Veränderungen (§ 5 der genannten Verordnung) zu berücksichtigen.
- (3) Geben die Angaben in der Vermögensanmeldung zu Beanstandungen Anlaß, so ist das Finanzamt befugt, dem Abgabepflichtigen die Berechnung der Abgabe nach dem berichtigten Gesamtwert des Vermögens vorzuschreiben.
- (4) Die Abgabe wird nicht erhoben, wenn der Gesamtwert des Vermögens nach Abzug der Verbindlichkeiten, jedoch vor Abrundung, 5 000 Reichsmark nicht übersteigt.
- (5) Der Gesamtwert des Vermögens ist auf volle 1 000 Reichsmark nach unten abzurunden.
§ 4 Höhe und Entrichtung der Abgabe
- (1) Die Abgabe beträgt insgesamt 20 vom Hundert des Vermögens (§ 3). Sie zerfällt in vier Teilbeträge von je 5 vom Hundert des Vermögens.
- (2) Der erste Teilbetrag ist am 15. Dezember 1938 fällig. Die weiteren Teilbeträge sind am 15. Februar, 15. Mai und 15. August 1939 fällig.
- (3) Die Zahlungen sind ohne besondere Aufforderung zu leisten.
§ 5 Haftung von Ehegatten
- Ehegatten haften für die Abgabe des anderen Ehegatten als Gesamtschuldner. Das gilt nicht für Mischehen.
§ 6 Zuständigkeit
- Die Abgabe ist an das Finanzamt zu entrichten, in dessen Bezirk der Abgabepflichtige einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Abgabepflichtige, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ist das Finanzamt Berlin-Moabit-West zuständig.
§ 7 Einziehung und Anrechnung von Versicherungsansprüchen
- (1) Zahlungen aus Versicherungsansprüchen von Juden deutscher Staatsangehörigkeit und von staatenlosen Juden (Verordnung zur Wiederherstellung des Straßenbildes bei jüdischen Gewerbebetrieben vom 12. November 1938, Reichsgesetzbl. I S. 1581) sind unverzüglich an das zuständige Finanzamt (§ 6) zu leisten.
- (2) Diese Zahlungen werden auf die Abgabe des aus der Versicherung berechtigten Juden angerechnet. Übersteigende Beträge verbleiben dem Reich.
§ 8 Inzahlungnahme von Sachgütern
- Der Reichsminister der Finanzen trifft im Verwaltungsweg Bestimmungen darüber, inwieweit die Finanzämter in geeigneten Fällen Wertpapiere und Grundbesitz in Zahlung nehmen können.
§ 9 Anwendbarkeit der Reichsabgabenordnung
- (1) Die Abgabe fließt dem Reich zu.
- (2) Die Vorschriften der Reichsabgabenordnung, des Steueranpassungsgesetzes und des Steuersäumnisgesetzes sind sinngemäß anzuwenden.
- (3) Das Finanzamt ist nur dann verpflichtet, einen Bescheid über die Abgabe zu erteilen, wenn der Abgabepflichtige dies beantragt. Die Vorschrift des § 4 Absatz 3 bleibt unberührt. [1640]
- (4) Das Finanzamt kann Sicherheitsleistung verlangen, wenn dies nach seinem Ermessen erforderlich ist. Der Sicherheitsbescheid ist wie ein Steuerbescheid vollstreckbar (auch vorläufig vollstreckbar).
- (5) Gegen Entscheidungen der Finanzämter ist nur die Beschwerde (§ 237 der Reichsabgabenordnung) zulässig.
- (6) § 326 Absatz 5 der Reichsabgabenordnung findet keine Anwendung.
§ 10 Vorläufigkeit der Regelung
- Es bleibt vorbehalten
- a) die Zahlungspflicht zu beschränken, sobald der Betrag von einer Milliarde Reichsmark erreicht ist, oder
- b) die Zahlungspflicht zu erweitern, soweit dies zur Erreichung des Betrags von einer Milliarde Reichsmark erforderlich ist.
- Berlin, 21. November 1938