Die geschichtliche Entwickelung des Thierschutzes

Textdaten
Autor: Gustav Schaefer
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Titel: Die geschichtliche Entwickelung des Thierschutzes
Untertitel: Festgabe zur 50 jährigen Jubelfeier des unter dem Protectorate Sr. Majestät des Königs Albert von Sachsen stehenden Dresdner Vereins zum Schutze der Thiere
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Herausgeber: Verein zum Schutze der Thiere
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Verlag des Vereins zum Schutze der Thiere
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Erscheinungsort: Dresden
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Quelle: Commons
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[NN]
Die geschichtliche Entwickelung
des
Thierschutzes.




Festgabe
zur
50 jährigen Jubelfeier
des
unter dem Protectorate Sr. Majestät des Königs Albert von Sachsen
stehenden
Dresdner Vereins zum Schutze der Thiere.




Verfasst
von
Gustav Schaefer.
stellvertr. Vorsitzender des Dresdner Vereins zum Schutze der Thiere,

Ehrenmitglied der Thierschutz-Vereine in Wien und München.

Corresp. Mitglied des Darmstädter Thierschutz-Vereins.




DRESDEN
Verlag des Dresdner Vereins zum Schutze der Thiere.
1889.

[NN] ALBERT, König von Sachsen.

Allerhöchster Protector

des

Dresdner Vereins zum Schutze der Thiere.

[1]
Die geschichtliche Entwickelung
des
Thierschutzes.




Festgabe
zur
50 jährigen Jubelfeier
des
unter dem Protectorate Sr. Majestät des Königs Albert von Sachsen
stehenden
Dresdner Vereins zum Schutze der Thiere.




Verfasst
von
Gustav Schaefer.
stellvertr. Vorsitzender des Dresdner Vereins zum Schutze der Thiere,

Ehrenmitglied der Thierschutz-Vereine in Wien und München.

Corresp. Mitglied des Darmstädter Thierschutz-Vereins.




Der königl. öffentlichen Bibliothek zugeeignet
vom Verfasser.


DRESDEN
Verlag des Dresdner Vereins zum Schutze der Thiere.
1889.
[3]
Ehren-Tafel
des
Dresdner Vereins zum Schutze der Thiere.[1]




Legations-Rath von Ehrenstein, Begründer des Vereins, 1839.

Kaufmann Eduard Eimbcke, Frankfurt a. M., 1867.

Fräulein Amalie Wilhelmine Unger, Schenkerin des Vereinshauses, † 1874.

Kaufmann Ebendick, 1868.

Privatus Tieftrunk, 1869.

Kammerherr von Brochowsky, 1869.

Particulier Souchay, 1871.

Kammerherr von Budberg nebst Gemahlin

Frau Adelheid von Budberg, 1872.

Frau Johanna Amalie Helmcke, geb. Bielenberg, 1875.

Fräulein Caroline Amalie Oertel, 1875.

Fräulein Elisabeth Freiin von Brunnow, 1877.

Frau Amalie Quandt, 1877.

Hof-Gesanglehrer Angelo Cicarelli, 1879.

Frau verw. Helbig, geb. Sonntag, 1879.

Frau Amalie Auguste Finke, 1880.

Frau Oberförster Grauer, 1881.

Fräulein Caroline Amalie Laurin, 1881.

Director Carl Pohl, 1881.

Frau Gräfin Adele von Königsfels, geb. Gräfin Lieven, 1882.

Oberarzt a. D. Ludwig Robert Rössig nebst Gemahlin

Frau Charlotte Dorothea Rössig, 1882.

Kauf- und Handelsherr Franz Ludwig Gehe, 1883.

Frau verw. Dr. Pöbing, 1885.

Frau verw. Staatsminister von Carlowitz, Excellenz, 1886.

Fräulein Rosalie Meinhold in Ober-Lössnitz, 1886.

Regierungs-Rath Dr. Arthur von Studnitz, 1886.

Papierfabrikbesitzer Herrmann Gmeiner-Benndorf, Vorsitzender des Vereins, 1886.

Frau Amalie Zehler, Kaufmanns-Wittwe, 1887. [4]

[5]
Dresdner Verein zum Schutze der Thiere.




Directorium.

Vorsitzender: Herr Papierfabrikbesitzer Gmeiner-Benndorf (A. R. 1.) (S. E. † 70/71) (P. E. M. 70/71).

Stellvertr. Vorsitzender: Herr Ober-Postdirectionssecretär z. D. Lieutenant v. d. A. Schaefer (F. E. † 66).

Secretär: Herr Schuldirector einer. Ed. Kretzschmar (A. R. 2).

Schatzmeister: Herr Dr. jur. Max Fröhliger.

Stellvertr. Schatzmeister: Herr Historienmaler Robert Krausse


Ausschuss.


Vorsitzender:

Herr Rechtsanwalt Lesky (A. R. 1.).

Mitglieder:

Herr Prof. Dr. Bernhardt, Rector des Vitzthum’schen Gymnasiums.

„ Hauptmann a. D. Druckmüller, Secretär des amerik. Consulats.

„ John Smith Gilderdale, Reverend, Geistlicher der englischen Gemeinde in Dresden.

„ Schuldirector Paul Kunath.

„ Rentner Leuthold, Ehrenmitglied des Vereins.

„ Bezirksthierarzt a. D. Lungwitz, Docent a. d. Königl. Thierarzneischule.

„ Oberst v. d. A. von Meerheimb (H. R.) (Oe. E. K. 3. m. d. Kr. D.) (Eis. Kr. 2.) (S. E. H. R. 1.) (Sic. Franc. R. 2.).

„ Hofsilberkämmerer a. D. Schulze (V. R. 2.) (A. R. 2.), stellvertr. Vorsitzender des Ausschusses.

„ Dr. med. Fritz Schurig (A. R. 1.) (Bayr. V. †) (Pr. K. 4 a. E.B.).

„ Oberpfarrer emer. und Schulinspector Slevogt.

„ Freiherr von Wechmar.



[6]
Ehrenmitglieder
des
Dresdner Vereins zum Schutze der Thiere.

Herr Geheimer Regierungsrath d’Alinge, Zwickau.

„ Bürgermeister Rath Ahlers, Neubrandenburg.

„ Stadtrath Becker, Grünhof bei Stettin.

„ Oberlehrer einer. Behncke, Hamburg.

Baroness Burdett, London.

Herr Director Matthäus Chinchella, Triest.

„ John Colam, Secretär des Thierschutz-Vereins, London.

„ Chef-Veterinärarzt a. D. Decroix, Officier der französischen Ehrenlegion, Paris.

„ Collegien-Rath Professor Eckers, Riga.

„ Matthäus Eisinger, Ehren-Senior des Handels-Gremiums und Ehren-Präsident des Ausschusses vom Wiener Thierschutz-Verein, Wien.

„ Rechtsanwalt Dr. Franellich, Triest.

„ Geheimer Rath Dr. Haenel, Dresden.

„ Kaufmann Otto Hartmann, Präsident des deutschen Thierschutz-Verbandes, Cöln a. Rh.

„ Gustav Ritter von Henriquez, Secretär des Wiener Thierschutz-Vereins, Wien.

„ Oberlehrer Dr. Paul Hohlfeld, Dresden.

Hymans, Königlicher Bibliothekar, Brüssel.

Jackson, William, Reverend, London.

„ Heinr. Traug. Kühn, Privatus, Dresden.

„ Ehren-Domherr Professor Landsteiner, inful. Stifts-Probst, Ehren-Präsident des Wiener Thierschutz-Vereins, Nikolsburg in Mähren.

„ General-Consul Stanislaus Freiherr von Lesser, Warschau.

„ Rentner Leuthold, Kötzschenbroda. [7] Herr Dr. med. Lobligeois, Paris.

„ Rittmeister a. D. von Luck, Berlin.

von Manen, Ehren-Secretär des Thierschutz-Vereins, Haag.

„ Dr. med. Meyer, Riga.

Michelsen, Director der landwirthschaftlichen Lehranstalt Hildesheim.

„ Staatsminister von Nostitz-Wallwitz, Excellenz, Dresden.

„ Rector Peter, Kassel.

„ Regierungsrath Petersen, Schleswig.

„ Kreisveterinärarzt Dr. Schaefer, Darmstadt.

„ Dr. von Sicherer, Königl. Bayer. Generalarzt I. CL, München.

„ Hofstabs-Veterinär Dr. Sondermann, München.

„ Lehrer Thiel, Malchin.

„ Kaufmann J. W. Wohlfahrt, Wien.

„ Pfarrer P. H. Wolf, Präsident des Schweizerischen Thierschutz-Verbandes, Weiningen bei Zürich.

„ Wilibald Wulff, Schriftsteller, Schleswig.



[8] „Es giebt keine wahrhaft gute Erziehung, es giebt auch kein wahrhaft gutes Herz, ohne Mitleid mit den Thieren."

Mit diesen denkwürdigen Worten brachte der edle Lord Erskine die Thierschutzfrage im Jahre 1809 im englischen Parlament erstmalig mit dem Anträge in Anregung, dass die rohe Misshandlung und boshafte Quälerei der Thiere unter das Strafgesetz gestellt werde.

Neu war dieser Gedanke an sich nicht; denn wir begegnen bereits in der alten Geschichte Beispielen, welche auf einen Schutz der Thiere hindeuten; ja in einigen Fällen finden wir sogar hier und da eine Thierverehrung.

Bekanntlich bestand ein gewisser Thier-Cultus bei den alten Aegyptern, denen z. B. Katzen, Hunde, Schlangen und Ibisse als verehrungswürdig galten. Dieser für die heutige Anschauung wunderbare Cultus wurzelte meist in dem Glauben an die Seelenwanderung, den übrigens auch die alten Indier theilten, bei deren Nachkommen (Brahmanen, Hindu) man noch heutigen Tages eine ausserordentlich schonende Behandlung der Thiere findet und bei denen weisse Elephanten, sowie Stiere noch immer Gegenstand religiöser Ceremonien sind.

Die ersten nachweisbaren Gesetze zum Schutze der Thiere gab Moses, der den Israeliten gebot, auch den Hausthieren am siebenten Tage Ruhe zu gönnen, einen verirrten Ochsen oder Esel wieder heimzuführen, einem unter seiner Last erliegenden Thiere wieder aufzuhelfen, dem Ochsen, der da drischet, nicht das Maul zu verbinden u. s. w.

Auch der Spruch Salomonis: „Der Gerechte erbarmet sich seines Viehes“ enthält eine Mahnung aus der altjüdischen Zeit zur Schonung der Thiere.

In China wurde bereits 523 vor Christi Geburt ein Buch herausgegeben, welches den Titel „Das Buch der Belohnungen und Strafen“ führt und von Lao Tsse verfasst sein soll. Dieses Buch gilt [10] als ein religiöses Gesetzbuch und seine Verbreitung als ein verdienstliches Werk. Interessant ist es, dass gemäss diesem vor nun- mehr 2400 Jahren bei den Anhängern des Lao Tsse der Schutz der Thiere als eine heilige Pflicht betrachtet wurde, die nicht wegen eines materiellen Nutzens, sondern als Ausfluss des Gerechtigkeitssinnes, des Mitgefühls und der Moral geübt werden solle. Einige der Lehren Lao Tssée’s seien beispielsweise hier angeführt:

Seid menschlich gegen Thiere.

Thut weder Insekten noch Pflanzen und Bäumen ein Leid an. Zwingt die Insekten nicht, ihre Gehäuse und Wohnungen zu verlassen.

Stört die auf den Bäumen schlafenden Vögel nicht auf.

Tödtet keinen Vogel, denn die noch im Neste befindlichen Vögel harren der Rückkunft von Vater und Mutter.

Zerstört keine Nester der Vögel, noch vertilgt die Eier derselben. Hetzt weder Menschen noch Thiere, noch fügt ihnen ein Leid zu.

Auch das klassische Alterthum mit seiner erhabenen Philosophie, mit seinem feinen Kunstsinn und seinem Kultus der Schönheit ist der Thierschutz-Idee nicht fremd geblieben. Biese Idee ist allezeit der Ausfluss schöner edler Gesinnung gewesen und muss mit elementarer Macht überall da von selbst hervorbrechen, wo die Grundbedingungen für humane Anschauungen vorhanden sind. Schon die griechischen Philosophen hatten erkannt, wie es zur Veredelung der Menschheit nothwendig sei, auf das menschliche Herz einzuwirken; daher war es, nach Aristoteles, der hauptsächlichste Zweck der attischen Tragödie – dieser höchsten Confession des hellenischen Geistes –: Mitleid zu erregen; ein solches Gefühl musste schliesslich auch der recht- und hilflosen Creatur: der Thierwelt zu Gute kommen. Plutarch z. B. empfiehlt in seinen Schriften die Milde gegen die Thiere noch ausdrücklich.

Bei dem Thierschutz der Alten scheinen allerdings auch praktische Rücksichten massgebend gewesen zu sein. Ein Knabe, welcher einigen Vögeln die Augen ausgestochen hatte und sie dann laufen liess, wurde von den Atheniensern zum Tode verurtheilt mit der Begründung: „Wenn dieser als Knabe schon so grausam gegen die Thiere ist, wie würde der als Mann erst gegen die Menschen werden?“

Das alte Rom, dessen Lehrmeister einst Griechenland gewesen war, folgte ihm jedoch nicht auch in Bezug auf die humane Anschauung gegen die Thiere. [11] Je mächtiger die Römer nach aussen wurden, desto mehr verwilderten ihre Sitten.

Wie hätte auch eine andere Rechtsauffassung Platz greifen können zu einer Zeit, die sogar dem hilflosen Menschen gegenüber rohe Willkür gestattete und im Sclaven nicht ein Rechtssubject, sondern nur ein Rechtsobject sah.

Erst das Christenthum, welches überall, wo es sich ausbreitete, die Sclavenketten der Menschheit zerriss, brachte auch über die Stellung des Menschen zur Thierwelt eine mildere Anschauung zur Geltung. Zwar hat der Stifter der christlichen Religion besondere Hinweise über den Thierschutz nicht gegeben; es waren solche aber auch nicht nothwendig, da Christus seine Lehre auf dem alten Testamente, welches, wie wir oben gesehen haben, bereits verschiedene thierschützerische Vorschriften enthielt, auf baute, und überhaupt der ganze Geist des Christenthums von selbst zur Milde und Schonung hinleitet. Die Worte des Heilands: „Sehet die Vögel unter dem Himmel an, sie sähen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen und euer himmlischer Vater nähret sie doch“, und an anderer Stelle: „Ohne den Willen eures himmlischen Vaters fällt kein Sperling vom Dach“ sagen uns deutlich, dass auch die vernunftlose Creatur unter den Schutz Gottes gestellt ist.

Aber auch aus der Zeit nach Christo fehlt es nicht an Beweisen thierfreundlicher Gesinnung.

Jemen, das heutige Arabien, wurde im 6. Jahrhundert nach Christi Geburt von einem christlichen, unter der Botmässigkeit der Abessinier stehenden Völkerstamme, den Himjariten, bewohnt. Während der Regierung des Vicekönigs Abraha, 537–570 n. Chr., wurden die Gesetze der Himjariten durch deren Erzbischof Gregentus in Taphra zu einem in griechischer Sprache verfassten Codex vereinigt.

Derselbe enthät in den Titeln XI und XIV sehr beachtenswerthe Strafandrohungen gegen Thierquälerei. So heisst es in Titel XIV:

„Diejenigen, welche ihre Zug- und Lastthiere im Zorne unbarmherzig schlagen; sollen, wenn sie dabei betroffen werden, dreissig Hiebe erhalten, damit sie durch eigenes Leiden erfahren, wie schmerzlich eine grausame Behandlung ist; denn auch die Thiere, wenn sie gleich nicht sprechen und sich beklagen, fühlen wie wir, wenn sic geschlagen werden. [12] Von solchen (den Thierquälern) ist auch zu erwarten, dass sie, mit ihren Thieren kein Mitleid habend, sich auch der Menschen nicht erbarmen werden.“

Allerdings bildet dieses Edict ein vereinzeltes Sehriftzeugniss gesetzlichen Thierschutzes, das aus der alten Zeit erhalten geblieben ist. Auch das Mittelalter verhielt sich schweigend in Bezug auf den Schutz der Thiere. Weder im Sachsen- noch im Schwabenspiegel, noch in der „Carolina“, der peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls des V. vom Jahre 1532, welche bis zu Anfang dieses Jahrhunderts die hauptsächlichste Quelle des Strafrechts aller deutschen Staaten bildete, findet sich eine einzige Strafandrohung gegen die Misshandlung der Thiere.

Doch sind mehrere Fälle bekannt geworden, dass Magistrate in den Städten zum Schutze der Thiere von Polizeiwegen Mandate erliessen und somit das zu ergänzen suchten, was die Gesetzgebung verabsäumt hatte. So untersagte beispielsweise der Rath zu Köln bereits im Jahre 1417 „das Fangen der Nachtigallen und Jagen der Kaninchen in Hag und Hecken, bei Gefängniss in einem der Stadtthürme und Geldstrafe von 40 Kölnischen Mark.“

Auch in unserem Lande, in Sachsen, ist ein Fall actenkundig, dass von einem Richter eine grausame Thiermisshandlung mit vier Wochen Gefängniss bestraft wurde, obwohl eine gesetzliche Basis für ein solches Erkenntniss damals noch nicht vorlag (vergl. Hommel’s deutschen Flavius von 1763).

Die Gesetzgebung wurde mithin von dem öffentlichen Rechtsbewusstsein überholt, welches die Bestrafung der Thierquälerei forderte. Das 19. Jahrhundert mit seinem geistigen Ringen und der fortschreitenden Entwickelung der humanitären Ideen brachte auch die Thierschutzfrage in Fluss. Bereits im Jahre 1802 hatte das Institut von Frankreich die Preisfrage ausgeschrieben:

„Inwieweit wirken die an den Thieren geübten Grausam- keiten auf den sittlichen Zustand der Bevölkerung ein und würde es gerathen sein, bezüglich derselben Gesetze zu erlassen ?"

Eine darauf eingegangene Arbeit, von Dr. Grandchamp verfasst, hatte damals einen Nutzen allerdings noch nicht.

Auch der im Jahre 1809 von Lord Erskine im Hause der englischen Lords eingebrachte Antrag auf Erlass eines Gesetzes gegen Thierquälerei blieb, was bei der damaligen, von Kriegsstürmen [13] schwer bewegten Zeit nicht Wunder nehmen kann, zunächst noch ohne Erfolg.

Mit dem Eintritte friedlicher Zeiten ward der Thierschutzsache wieder mehr Aufmerksamkeit zu Theil und im Jahre 1822 gelang es dem Mitgliede des englischen Unterhauses, Richard Martin, ein Gesetz zur Verhütung der Thierquälerei durchzubringen. Unter den deutschen Staaten war es das Königreich Sachsen, welches im Criminalgesetzbuch vom Jahre 1838 die erste Strafbestimmung gegen Thierquälerei aufnahm. Der Artikel 310 desselben bedroht: „Boshaftes oder muthwilliges Quälen von Thieren mit Gefängnissstrafe bis zu vier Wochen oder verhältnissmässiger Geldbusse.“

Hinsichtlich derjenigen Thierquälereien, welche durch diese gesetzliche Bestimmung nicht getroffen wurden, trat die Verordnung vom 31. Juli 1839 ergänzend ein, wonach Ausschreitungen bei der an sich erlaubten Benutzung der Thiere durch die Polizeibehörden bestraft werden sollten.

Im Königreich Preussen wurde der Erlass gesetzlicher Bestimmungen gegen Thierquälerei durch König Friedrich Wilhelm III. Selbst angeregt.

Die betreffende allerhöchte Kabinetsordre vom 22. März 1836 lautet:

„Die Regierung in Liegnitz erzählt in ihrem letzten Zeitungsblatte wieder einen Fall von Thierquälerei und bringt den Mangel gesetzlicher Strafbestimmungen für Vergehen dieser Art in Erinnerung. Sie erhalten hierbei eine Abschrift des betr. Passus zur Kenntnissnahme und näherer Erwägung in legislativer Hinsicht.

Berlin, den 22. März 1836.
Friedrich Wilhelm.
An die Staatsminister Mühler und von Rochow.

Hierauf erstattete der Staats- und Justizminister von Kamptz ein ausführliches Votum, in dessen Folge auch in Preussen zwei Thierschutzparagraphen mit folgendem Wortlaute in das Strafgesetz aufgenommen wurden:

„Boshafte und muthwillige grausame Behandlung zahmer und wilder Thiere und zu ihrem Gebrauche unnöthige Misshandlungen derselben, sollen mit viertägiger bis sechswöchentlicher [14] Gefängnisstrafe oder verhältnissmässiger, der Ortsarmenkasse anheim fallender Geldstrafe geahndet werden. Die Untersuchung- und Bestrafung- solcher Vergehen gehört vor die Polizeiobrigkeit, tritt aber nur ein, wenn dieselben öffentlich begangen oder ihr angezeigt sind.

Erwähnenswerth ist hierbei, dass sich das bereits gedachte Votum des Ministers von Kampfe auf das zu Leipzig im Jahre 1840 erschienene Werk:

Schild und Waffen gegen Thierquälerei

stützt. Dieses Werk hatte aber den damaligen Advokaten, späteren Legationsrath H. W. von Ehrenstein in Dresden zum Verfasser, jenen hochverdienten Mann, dem wir die Gründung unseres Vereins verdanken. Das Beispiel zur Gründung von Thierschutz-Vereinen war bereits in London gegeben und zwar durch denselben Richard Martin, der das Thierschutz-Gesetz im englischen Unterhause angeregt hatte. Der Londoner Thierschutz-Verein trat am 16. Juni 1824 unter dem Namen „Society for the prevention of cruelty to animals" ins Leben, es ist der grösste derartige Verein auf der ganzen Erde und hat eine Jahres-Einnahme von 22,500 Pfund (= 450,000 Mark), worunter allein 11,100 Pfund (= 220,000 Mark) feste Zinsen von Legaten. Dem Thierschutz-Verein in London, welcher die hohe Auszeichnung des Protektorates Ihrer Majestät der Königin geniesst, unterstehen ca. 100 über England zerstreute Filialen.

In Deutschland entstand der erste Thierschutz-Verein am 17. Juni 1837 in Stuttgart. Der dortige Archidiaconus Albert Knapp gab die erste Anregung hierzu. Bald folgten gleichartige Vereine in Gannstadt und Nürnberg; im Jahre 1841 begründete der um die Entwickelung des Thierschutzes in Deutschland sehr verdiente Hofrath Perner in München auch in der bayerischen Residenz einen Thierschutz -Verein.

So schwach war aber damals noch die Theilnahme des grossen Publikums an den Thierschutzbestrebungen, dass die zuerst gegründeten Thierschutz-Vereine nach und nach wieder eingingen, um erst nach Jahren des Stillstandes wieder aufzuleben.

Nur unser, der Dresdner Verein, dessen Gründungstag der 9. August 1839 ist, hat sich von Anfang an gedeihlich entwickelt und kann nunmehr auf eine 50jährige Wirksamkeit zurückblicken.

Damit war in Dresden der Anfang mit einer Kulturinstitution gemacht, der von jeher viele erleuchtete Geister das Wort geredet haben. [15] Lamartine sagte in dieser Beziehung: „Lasst den gemeinen Pöbel spotten, alle höheren Geister stimmen von Herzen Euern Bestrebungen für die allgemeine Liebe bei.“

Auch Kant stimmt den Ideen des Thierschutzes bei; in seinen „Metaphysischen Anfangsgründen der Tugendlehre“ heisst es im § 17: „Die gewaltsame und grausame Behandlung der Thiere ist der Pflicht des Menschen gegen sich selbst entgegengesetzt, weil dadurch das Mitgefühl an ihren Leiden im Menschen abgestumpft und folglich eine der Moralität, im Verhältniss zu anderen Menschen sehr diensame natürliche Anlage geschwächt und nach und nach ausgetilgt wird.“

Schon im Eingänge gedachte ich des Ausspruches des edlen Lord Erskine: „Es giebt keine wahrhaft gute Erziehung und es giebt auch kein wahrhaft gutes Heiz, ohne Mitleid gegen die Thiere!“

Ja, die „gute Erziehung“ und „das gute Herz“ sind in der That von jeher die Grundpfeiler des ächten Thierschutzes gewesen.

Wo immer sich eine Vereinigung für die Sache des Thierschutzes findet, da sind Bildung und Gemüth stets die treibenden Factoren gewesen; denn weder irgend ein Gesetz, noch ein persönliches Interesse gebietet die Gründung eines Thierschutz-Vereins. Frei aus dem Willen gleichgesinnter Menschen entsteht er, gleichsam als ein Wiederklang göttlicher Barmherzigkeit, die auch in das menschliche Herz Mitgefühl herabsenkt für die lebende Creatur und die ihre allumfassende Liebe und Fürsorge auch auf das kleinste, uns unbedeutend erscheinende Geschöpf erstreckt.

Freilich mögen noch immer breite Volksschichten vom Thierschutz überhaupt Nichts wissen.

In rohen Egoismus versenkt, kennen sie kaum eine Rücksicht gegen ihre Mitmenschen, geschweige denn gegen ein hilfloses Thier.

„Das Thier ist mein, ich kann damit machen, was ich will“, das ist eine ziemlich landläufige Redensart.

Aber auch in vielen sonst wohlgesinnten Kreisen begegnet die Sache des praktischen Thierschutzes einem gewissen Indifferentismus. Ja – und dies kann leider nicht verschwiegen werden – der Thierschützer muss zuweilen ironische oder gar spöttische Bemerkungen über sich ergehen lassen.

Allerdings muss zugegeben werden, dass sich auch beim Thierschutz hier und da eine Gefühlsüberspannung kund giebt, die meist in einer einseitigen Vorliebe für Thiere (besonders Hunde und Katzen) wurzelt und zur Verzärtelung und Verhätschelung derselben führt; auch findet man nicht selten sentimentale Seelen, welche [17] ideale Zustände auch auf dem Thierschutz-Gebiete schaffen möchten und dabei dem Erreichbaren das Wünschenswerthe voranstellen. Eine dritte Kategorie von sogenannten Thierschützern, welche die Sache des Thierschutzes in den Augen des grossen Publikums in ein sehr schiefes Licht stellt, treibt ihre Voreingenommenheit für Thiere soweit, dass sie ohne Scheu erklärt: ihr gehe das Thier über den Menschen.

Mit solchen Leuten haben wir aber nichts gemein; wir verurtheilen auch beim Thierschutz jede Gefühlsüberspannung und bestreiten nicht dem Menschen sein Recht, das Thier zu nützen, erkennen im Gegentheil den Menschen die ihm zustehende Herrschaft über das Thier rückhaltlos an. Wir stellen hierbei aber als obersten Grundsatz auf:

„Wie die Vernunft den Menschen, so soll auch der Mensch das Thier beherrschen.“

Mögen, wie gesagt, hier und da Uebertreibungen auch beim Thierschutz vorkommen: der Kern der Thierschutz-Idee ist von den edelsten Geistern als durchaus berechtigt anerkannt worden und es ist ein durchaus wahres Wort, das ein altbewährter Thierschützer (Castelli) ausgesprochen hat:

„Thiere schützen, heisst Menschen nützen.“

Und zwar ist der Nutzen des Thierschutzes ein doppelter: nämlich ein moralischer und ein materieller.

Der moralische Nutzen liegt in der Förderung der allgemeinen Sittlichkeit.

Wenn die Menschen darauf hingeleitet werden, die Thiere schonend zu behandeln, Wohlwollen und Hilfe auch dem Thiere zuzuwenden, so werden sie naturgemäss humaner und gefühlvoller gegen die Mitwelt werden. Darin liegt aber ein grosser Nutzen für das ganze Menschengeschlecht.

Schon Lessing, der grosse Sohn der Lausitz, sagt: „Der mitleidigste Mensch ist auch der beste Mensch.“

Und Alexander von Humboldt, der wie selten Einer in der Welt herumgekommen ist und Länder und Völker kennen gelernt hat, urtheilt wie folgt: „Grausamkeit gegen Thiere ist eines der kennzeichnendsten Merkmale eines niederen und unedlen Volkes.“

Uebrigens bezeugen es hundert Beispiele, dass Thierquäler in der Jugend Menschenquäler im Alter wurden. Von dem grau- samen Kaiser Nero, der zum Vergnügen seine Residenz (Rom) an- zündete und hunderte seiner christlichen Unterthanen erst mit Pech bestreichen und dann anbrennen liess, um sich an ihren Qualen zu [18] weiden, ist bekannt, dass er schon in seiner Jugend einen grossen Gefallen daran fand, Thiere zu Tode zu martern.

Auch aus der Neuzeit liegen zahlreiche Bestätigungen für das oben Gesagte vor. Es würde aber zu weit führen, auch nur einzelne Beispiele anzugeben, vielmehr wird der schlagendste Beweis in dem auf praktische Erfahrungen gestützten Urtheil eines höheren bayrischen Juristen gefunden werden können. Derselbe – ein Ober-Appellationsrath – schrieb im Jahre 1858 an den Präsidenten der bayrischen Thierschutz-Vereine Folgendes:

„Ueber 20 Jahre das ehrenvolle, aber auch beschwerdenreiche Richter-Amt ausübend, habe ich Gelegenheit in Fülle gehabt, den Beweis dafür zu finden, dass die grosse Mehrzahl der Verbrecher ihre Laufbahn mit dem Peinigen irgend eines hülflosen Geschöpfes begonnen, dass häutig Solche, welche schon früher durch Grausamkeit gegen Thiere sich auszeichneten, auf dem Schaffote endigten. Mit überzeugender Gewissheit drängte sich in mir aus diesen Erfahrungen die Nothwendigkeit auf, dass mit aller Kraft auf Milderung der Sitten, besonders in Bezug für fremdes Leiden, hinzuwirken dringendes Bedürfniss sei, dass insbesondere der Jugend vor Grausamkeit Abscheu eingeflösst werden müsste. Darum begrüsste ich auch mit allen Gutgesinnten freudig das Entstehen des Thierschutz- Vereins und es war mir der Spott und die Theilnahmslosigkeit so Vieler, denen ich andere Gefühle zugetraut hatte, kein Hemmniss, demselben beizutreten.“

Besser, als es hier gesagt wurde, lässt sich die Thierschutzidee kaum vertheidigen und ihr grosser Nutzen für die Förderung der Sittlichkeit des Volkslebens tritt aus den Anführungen klar hervor.

Der Thierschutz bringt aber auch in materieller Beziehung grosse Vortheile.

Es liegt auf der Hand, dass ein Thier bei schonender Behandlung und entsprechender Fütterung länger nutzbar bleibt und auch mehr leistet, als ein Thier, welches Jahr aus Jahr ein überanstrengt, schlecht gefüttert und roh behandelt wird.

Nehmen wir den Werth der Hausthiere (Pferde, Ochsen, Kühe, Schafe, Ziegen u. s. w.) für das Königreich Sachsen nur mit 20 Millionen Mark an, so ergiebt sich, wenn man die schnellere Abnutzung dieser Thiere in Folge unzweckmässiger oder schlechter Behandlung jährlich etwa zu 5 Procent des Werthes veranschlagt, ein Schaden für das Landesvormögen von jährlich rund 1 Mill. Mark. [19] In Gegenden, wo das Vieh gut abgewartet wird, giebt es stets die besten und nahrhaftesten Producte (Fleisch, Milch, Eier u. s. w.) Das sind aber alles Dinge, die dem Landmann Geld einbringen und dessen Wohlstand fördern. Und der grosse Nutzen, den ein verständiger Schutz unserer heimischen Vogelwelt, als Insectenvertilger, für die Landwirthschaft gewährt, lässt sieh schwer beziffern.

Wie bedeutend sind endlich die Vortheile, die sich aus praktischen Thierschutz-Geräthschaften und -Einrichtungen ergeben. Dahin gehören Geschirre, welche die Zugthiere schonen, Fahrzeuge, die den Zug erleichtern, praktische Fütterungs- und Stall-Einrichtungen u. s. w. Auch die Vorrichtungen zur Winterfütterung unserer heimischen Singvögel, die von Thierschützern eifrig betriebene Aufstellung von Nistkästen und die vielfachen Apparate zur Heilung erkrankter oder verletzter Hausthiere sind hierher zu rechnen. Endlich können nicht ausser Betracht bleiben die verbesserten Schlachtapparate, welche, da sie die Todesschmerzen der Schlachtthiere gegen früher ausserordentlich abkürzen, nicht nur im humanen Interesse freudig zu begrüssen sind, sondern sich auch insofern recht vortheilhaft erweisen, als das Fleisch der mit den neuen Schlachtapparaten getödteten Thiere in Folge des raschen Verendens derselben qualitativ weit besser und länger frisch zu erhalten ist, als das Fleisch von langsam zu Tode gequälten Schlachtthieren.

Auf alle diese Dinge richten aber die Thierschutz-Vereine unausgesetzt ihr Augenmerk und sie begünstigen und unterstützen auch dadurch die Thierpflege nach jeder Richtung hin.

Trotzdem wird die Nothwendigkeit besonderer Thierschutz-Vereine noch vielfach bezweifelt. Wo die Gründung eines solchen Vereins in Anregung gebracht wird, hört man häufig den Einwurf: „Bleibt uns mit Eurem Thierschutz vom Leibe; treibt lieber erst Menschenschutz und dann Thierschutz!“

Ja freilich ist der Menschenschutz eine nothwendige und zugleich eine schöne Sache; aber, so darf man fragen, haben wir nicht bereits Gesetze, welche die wichtigsten Güter des Menschen, soweit es eben menschlicher Einsicht und menschlicher Macht möglich ist, schirmen? Giebt es nicht ungezählte Anstalten und Vereine, deren Thätigkeit lediglich der Wohlfahrt des Menschen zu Gute kommt? Und darf der Hilfsbedürftige da, wo kein Gesetz Hilfe gewähren kann und wo kein Verein zur Linderung einer Bedrängniss vorhanden ist, nicht doch auf den Beistand fühlender Menschen rechnen. [20] So viel die heutigen Verhältnisse auch noch zu wünschen übriglassen, so sind sie doch nicht so traurig, dass man obige Fragen ohne Weiteres verneinen müsste. So lange die Welt steht, ist es auch in den bestverwalteten Staaten nicht möglich gewesen, alles Elend fernzuhalten und alle Noth zu beseitigen. Und es wird auch in Zukunft niemals gelingen, alle menschliche Trübsal aus der Welt zu schaffen.

Sollen wir aber, weil wir ausser Stande sind, allen Menschen zu helfen, den Thierschutz aufgeben? Wir meinen, man kann das Eine thun und braucht das Andere deshalb nicht zu lassen. Ein anderer Einwurf lautet: „Wozu noch besondere Thierschutz-Vereine, die Thiere sind ja schon durch das Strafgesetz geschützt.“

Allerdings steht im Deutschen Strafgesetzbuch ein Paragraph, welcher die Thierquälerei verhindern soll, der aber entschieden zu wenig umfassend ist und der übrigens sowohl gegenüber der früheren preussischen, als auch gegen die ältere sächsische Gesetzgebung äusserst mild formulirt worden ist. Die betreffende Gesetzesstelle, die sich im § 360, Ziffer 13 befindet, lautet: „Mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft wird bestraft, wer öffentlich oder in Aergerniss erregender Weise Thiere boshaft quält oder roh misshandelt.“

Es können also nach dem Gesetze nicht bestraft werden: Thierquälereien, die nicht öffentlich begangen werden, an denen Niemand einen Anstoss nimmt, ferner Thiermisshandlungen, die aus Fahrlässigkeit, aus Scherz oder zur Befriedigung einer Neugier geschehen; auch gehen leider immer noch solche Leute straffrei aus, die ihren Thieren zu grosse Anstrengungen zumuthen, sie nicht hinreichend füttern, oder sie aus Nachlässigkeit ganz verhungern oder verdursten lassen u. s. w.

Dazu kommt, dass noch täglich aus Unverstand massenhafte Thierquälereien vorkommen, ohne dass Diejenigen, die sie verschul- den, eine Ahnung davon haben; man denke nur an die vielfachen Quälereien, die unsere Jugend an Schmetterlingen, Insecten, Fröschen u. s. w. begeht.

Hier gilt es also eine gewaltige Lücke auszufüllen, aufklärend und belehrend, mahnend und warnend einzuwirken.

Gewiss wird jeder fühlende Mensch beim Anblicke einer Thierqnälerei – mag solche nun absichtlich oder unabsichtlich geschehen – auf Abstellung dringen und es ist allerdings zuzugeben, dass man Thierschützer sein kann, ohne einem Thierschutz-Vereine anzugehören [21] Auch ist Jedermann befugt, Thierqälereien oder Thiermisshandlungen unmittelbar bei der Behörde anzuzeigen.

Indess, die Erfahrung hat gelehrt, dass die Sache des Thierschutzes durch Concentrirung der Kräfte ungemein gewinnt, und dass die Einzelkräfte lebendiger und wirkungsvoller sich gestalten, wenn sie, sich gegenseitig anregend, eines festen Rückhaltes nicht entbehren.

Einen solchen Anhalt für die Einzelkraft bietet aber unstreitig ein Verein. Und wenn der Einzelne durch den Beitritt zu einem solchen naturgemäss gewisse Bedingungen eingehen muss, so schöpft er doch andererseits aus dem Verein eine Summe von Erfahrungen und vielseitigen Anregungen, dass er dabei für seine eigenen Bestrebungen gewinnt, sie wenigstens nutzbringender erschauen wird.

Aber auch die Sache selbst wird durch eine vereinsmässig betriebene Thätigkeit ausserordentlich gefordert, weil hier die Kräfte nicht zersplittert werden, sondern nach einer Richtung abzielen und schliesslich wie die convergirenden Linien der Geometrie, in einem Punkte Zusammentreffen.

Es bedarf keines Beweises, dass mit den Mitteln eines Vereins, welche, obgleich nur markweise zusammengeschossen, schliesslich doch zu beträchtlichen Summen anwachsen, ganz andere Erfolge erzielt werden können, als mit den Aufwendungen, die hier und da Jemand macht, sowie, dass die Vereinigung vieler Personen zu einem bestimmten Zweck auch nach aussen hin viel bedeutenderen Einfluss auszuüben vermag, als der Einzelne.

Also eines der wirksamsten Mittel für den Thierschutz sind unstreitig die Thierschutz-Vereine.

Ihre hauptsächlichste Aufgabe besteht darin, in ihren Versammlungen durch Vorträge und ausserhalb derselben durch belehrende Schriften zu wirken, sowie durch Veröffentlichung ihrer Erfahrungen und der hierauf begründeten Rathschläge die Ideen des Thierschutzes im Volke möglichst zu verbreiten. Sie müssen, kurz gesägt, die belebende Kraft des Thierschutz-Principes sein.

Die Thierschutz-Vereine haben aber auch dafür zu sorgen, dass die vorkommenden Thierquälereien, soweit immer thunlich, eine strafrechtliche Sühne finden und weiter sollen sie ihr Bestreben darauf richten, dass die zum Schutze der Thiere erlassenen Gesetze nach Massgabe der beim praktischen Thierschutz gewonnenen Erfahrungen ergänzt und erweitert werden. Freilich dürfen hierbei die Anforderungen nicht zu hoch ge- spannt werden und es ist auch hier dringend vor dem „Zu viel“ [22] zu warnen. Es ist durchaus zutreffend, was Freiherr v. Wechmar bei einem Vortrage in unserem Verein hervorhob: „Es sind nicht die Gesetze, welche die Sitten machen, sondern die Sitten sind es, welche die Gesetze machen.“

Auch die Thierschutz-Vereine erfüllen eine Culturaufgabe, und obschon wir bemüht sind, die Thierschutz-Ideen bei Jung und Alt, Arm und Reich, Hoch und Niedrig zu verbreiten, so lenken wir doch unser hauptsächlichstes Augenmerk auf die Jugend, von der Erwägung ausgehend, dass jede auf ethischen Fortschritt gerichtete Reform ihren Ausgangspunkt bei der Jugend nehmen muss.

Auf diese Weise hoffen wir, dass wir mit unserer Thätigkeit für die Zukunft eine gute Saat ausstreuen, deren Früchte bei kommenden Geschlechtern in der guten Behandlung der Thiere wahrnehmbar und Alles, was wir jetzt ohne einen sofort sichtbaren Erfolg thun, für die grosse Sache der wahren Humanität nicht vergebens sein wird.

50 Jahre sind nun dahin gegangen, seit in Dresden die Thierschutz-Idee durch Gründung eines Thierschutz-Vereins eine kräftige Wurzel schlug.

Heinr. Wilh, von Ehrenstein ist der Name des verehrten Mannes, der die erste Anregung hierzu gab und durch einen am 9. August 1839 erlassenen Aufruf die Bewohnerschaft Dresdens für die Sache so kräftig zu interessiren wusste, dass bereits am 13. Oct. desselben Jahres die erste Versammlung des „Vereins gegen Thierquälerei“ (dies war die ursprüngliche Firma unseres Vereins), der bereits 48 Mitglieder zählte, abgehalten werden konnte.

Gleichzeitig erfolgte die Wahl der ersten Deputation, die sich aus den Herren

Appellations-Rath Ackermann,

Oberhofprediger D. von Ammon,

Geheimer Finanzrath Behr,

Gerichts-Director Gotthold Hoffmann sen. und

Advocat (später Legationsrath) von Ehrenstein

zusammensetzte.

Die Deputation beschloss, sich durch Zuwahl neuer Mitglieder zu einem Central-Ausschuss zu erweitern, dessen Aufgabe es sein sollte, nicht nur den Dresdner Verein gegen Thierquälerei zu leiten, sondern auch in der Provinz die Bildung von „Bezirks-Ausschüssen“ anzuregen, die in Bezug auf ihre Vereinsthätigkeit sich dem Dresdner Central-Ausschusse unterordnen sollten. [23] In den so erweiterten Central-Ausschuss traten ein im Jahre 1841: Buchhändler Arnold, Appellationsrath Haenel, Fabrikant Houpe, Geheimer Kath Dr. von Langenn, Excellenz, Banquier Carl Kaskel, Premier-Lieuten. von Liskow, Professor Dr. Prinz, Dr. Rublack sen., Bezirksarzt Dr. Siebenhaar, Commissionsrath Speck, Fabrikant Thode und Privatus Wunneburg.

Im Jahre 1842: Hofrath Dr. Carus, Oberbibliothekar Dr. Falkenstein, Diaconus Mag. Fischer, Bibliothekar Dr. Klemm, Capitän Noel. Professor Retzsch, Major Serre und Stadtrath Stavenhagen.

Der Central-Ausschuss, der nach dem inzwischen erfolgten Wiederausscheiden von drei Mitgliedern nunmehr aus zusammen 22 Personen bestand, entwickelte eine äusserst rührige Thätigkeit, deren Seele unser theurer von Ehrenstein war, der, obgleich er die ganze Thierschutz-Bewegung in Fluss gebracht hatte und eigentlich auch leitete, sich doch mit der Sekretärstelle des Vereins begnügte und selbst dafür kräftig eingetreten war, dass zum

1. Vorsitzenden Herr Oberhofprediger von Ammon und zum

2. „ Herr Geheimer Rath von Langenn

erwählt wurden.

In der Provinz entstanden auch an vielen kleinen Orten Thierschutz-Vereine, denen indess, da der Dresdner Verein die geistige Leitung der Thierschutzsache für den Bereich des ganzen Landes führte, nur ein beschränktes Feld für ihre Thätigkeit verblieb und die in Folge dessen auch ein verhältnissmässig kurzes Dasein führten. Wo die Bedingungen dafür fehlen, die breiten Schichten der Bevölkerung durch Wort und Schrift für die Thierschutz-Ideen nachhaltig zu er- wärmen, da gebricht es auch an den Hauptelementen des praktischen Thierschutzes, der erst durch eine umfassende geistige Vorarbeit einen fruchtbaren Boden für seine Entwickelung gewinnt.

Anfang 1843 trat eine Veränderung in der Vereins-Repräsendanz ein; es wurde ein besonderes Directorium aus 3 Personen und ein Vereinsausschuss aus 17 Personen gebildet

Geheimer Rath Dr. von Langenn übernahm den Vorsitz im Directorium,

Major Serre wurde zum 2. Vorstand,

Advocat Hoffmann jun. zum Secretär gewählt.

Im folgenden Jahre (1844) erhielt der Verein die veränderte Bezeichnung: „Dresdner Verein zum Schutze der Thiere“. Das Directorium ward neu gebildet, wie folgt: [24] Major Serre, Vorstand;

Gerichtsdirector, Advokat Gotthold Hoffmann, stellvertr. Vorstand;

Chemiker Houpe, Cassirer;

Gerichtsdirector, Advocat William Hoffmann, Secretär.

Im Vereins-Ausschuss behielten den Vorsitz:

Geheimer Rath Dr. von Langenn und Oberhofprediger D. von Ammon.

Leider begegnen wir von hier ab in der Vereins-Vertretung auf eine längere Reihe von Jahren nicht mehr dem Namen des Mannes, der sich doch um die Gründung des Vereins die grössten Verdienste erworben hatte: von Ehrenstein. Aus einer vorhandenen gelegentlichen Notiz erhellt nur, dass sein Fernbleiben vom Verein ein freiwilliges war; obgleich die Gründe dafür nicht bekannt worden sind, lässt sich doch annehmen, dass die Ursache seiner Zurückhaltung lediglich in Meinungsverschiedenheiten zu suchen sind, die bei dem von Ehrenstein für die Thierschutzsache bethätigten, nicht von Allen, die hierbei mitwirkten, getheilten Feuereifer eine einfache Erklärung finden würden.

Um die Thierschutz-Ideen immer mehr zu verbreiten, gab der Verein vom 1. April 1844 ab eine Zeitschrift unter dem Titel:

„Der Menschenfreund in seinen Beziehungen zur belebten Welt“

heraus, deren Redaction dem Dr. phil. Aug. Bürk übertragen wurde und die, obgleich der Vereinskasse schwere Opfer auferlegend, sich nicht nur forterhielt, sondern von 1854 ab in vergrössertem Format unter dem Namen: „Androclus“ bis heutigen Tages forterschienen ist.

Obwohl der Thierschutz-Verein im Jahre 1845 ausser 18 Ehrenmitgliedern 300 wirkliche Mitglieder in Dresden und 100 wirkliche Mitglieder ausserhalb Dresdens zählte, so bildete sich doch im genannten Jahr noch ein besonderer

Frauen-Verein zum Schutze der Thiere.

Den Vorsitz dieses Vereins, dem laut der ersten Mitgliederliste 212 Frauen und Jungfrauen Dresdens beigetreten waren und dessen Statuten das Königliche Ministerium des Innern am 6. Mai 1845 bestätigte, ward dem Oberhofprediger Dr. von Ammon angetragen.

Dem Directorium und Ausschuss gehörten die nachverzeichneten Damen an: [25] Gräfin zu Lynar, 1. Vorsteherin,

Frau Minister von Falkenstein, Excelleuz, 2. Vorsteherin,

Frau Major Serre, 1. Secretärin, Fräulein von Drachenfels, 2. Secretärin,

Frau Kaufmann Büchel, Cassirerin,

Frau Oberst von Ehrenstein,

Frau Gräfin Harrach,

Frau Hotelier Kistner (Stadt Berlin),

Frau Bäckermeister Meurer,

Frau Kapellmeister Reissiger,

Frau Kaufmann Louise Thode,

Fräulein Unger.

Ueber die Thätigkeit dieses „Frauen-Vereins zum Schutze der Thiere“ hat, da dieser Verein längst nicht mehr besteht und bei unserm Verein keine Acten darüber vorhanden sind, leider nichts ermittelt werden können. Es liegt die Vermuthung nahe, dass – da seine Gründung in den Beginn einer politisch sehr bewegten Zeit fiel, unter welcher auch unser eigener, damals „Männer-Thier- schutz-Verein“ benannter Verein schwer zu leiden hatte – die Thätigkeit gar nicht recht zur Entfaltung gekommen ist, und dass die an vielen Orten mit mehr Glück zur Blüthe gelangte Idee, besonders auch die Frauenwelt für die Thierschutzsache zu begeistern, hier in Dresden bald wieder verblasste.

Wie schon erwähnt, war die Zeit der Begründung des neuen Vereins sehr ungünstig; recht überzeugend geht dies aus dem auf die Jahre 1847 bis 1851 erstatteten Geschäftsbericht unseres eigenen Vereins hervor. Dieser Bericht beginnt mit folgenden Worten:

„Eine unglückliche Zeit liegt hinter uns, eine Zeit, die in Folge der bekannten traurigen Ereignisse, die sie mit sich führte, die Sorge für das eigene Ich und für das allgemeine Wohl so in den Vordergrund stellte, dass für den uns gesteckten Zweck, das Wohl der Thierwelt zu fördern, wenig zu thun war.“

Auch die folgende Zeit brachte der Thierschutzsache, trotz der eifrigen Bemühungen der Vorstandsmitglieder, keinen Aufschwung.

Im Jahre 1853 führte

Gerichtsdirector Gotthold Hoffmann

den Vorsitz, während

Consistorialrath von Krecker-Drostmar

als dessen Stellvertreter und [26] Advocat Carl Brückmann

als Secretär fungirte.

Ersterer klagt in seinem Geschäftsbericht, „dass der Zeitgeist den Thierschutzbestrebungen entgegen sei“.

Nach dem Ableben Hoffmann’s (1856) trat Consistorialrath von Krecker-Drostmar ein, dem Vorsitz, Stellvertretung, Secretärgeschäfte und Casse – kurz die gesammten Geschäfte oblagen, und, der ausser Stande, diese Arbeitslast allein zu bewältigen, seine Thierschutz-Function Ende 1859 niederlegte.

In Folge allgemeiner Theilnahmslosigkeit war die Mitgliederzahl des Vereins auf 160 zurückgegangen. Vom Jahre 1860 ab begann aber für den Thierschutz-Verein eine neue Aera.

Zum Vorsitzenden ward Legationsrath von Ehrenstein erwählt, und nun erst trat der eigentliche Begründer des Vereins an die Spitze des Thierschutzes.

Ausführlich zu beschreiben, was dieser verehrte Mann für unsere Sache gewirkt hat, würde für sich allein einer grösseren Abhandlung bedürfen.

Was zur Anerkennung seines segensreichen Wirkens gesagt werden kann, spricht der folgende in den Zeitungen erschienene Nachruf aus, der ihm bei seinem am 16. December 1874 auch für die Thierschutzsache viel zu früh erfolgten Hinscheiden von der Vertretung unseres Vereins gewidmet wurde.


Nachruf.

„Der hiesige Thierschutzverein hat den schmerzlichen Verlust des vor wenigen Tagen verstorbenen langjährigen Vorsitzenden seines Directoriums, des Herrn Legationsraths von Ehrenstein, tief zu beklagen. Wie sein edles Herz und sein trefflicher Charakter ihn bestimmten, überall da, wo er den Menschen nützen konnte, zu helfen und zu wirken, so hatte er es sich auch zur Aufgabe seines Lebens gemacht, thatkräftig für den Schutz der Thiere zu sorgen. Daher hat er in der langen Zeit, wo er dem Thierschutzverein angehörte und an der Spitze desselben stand, für die Zwecke dieses Vereins mit unermüdlichem Eifer, höchst uneigennütziger Hingebung und grosser Umsicht gewirkt. Wir können es uns deshalb nicht versagen, diese Anerkennung seines humanen Strebens und [27] seiner verdienstvollen Wirksamkeit, im Namen des Vereins, hiermit öffentlich auszusprechen und werden ihm für alle Zeiten ein dank- bares Andenken bewahren.

Dresden, am 20. December 1874.
Das Directorium und der Ausschuss des Thierschutzvereins.“

Von den für die Entwickelung unseres Vereins so bedeutungsvoll gewordenen Erfolgen des verewigten von Ehrenstein heben wir aus Raumrücksichten nur die folgenden heraus.

Schon kurz nach Uebernahme des Vereins-Vorsitzes fand in Dresden (31. Juli bis 2. August 1860) der erste internationale Thierschutz-Congress statt. Hierbei sei daran erinnert, dass im laufenden Jahre (1889) in Dresdens Mauern der X. Internationale Thierschutz-Congress tagt und dass bei derselben Gelegenheit unser Verein das Jubiläum seines 50jährigen Bestehens begeht.

Im folgenden Jahre (1861) erhielt der Thierschutz-Verein vom hohen Ministerium des Innern die Rechte einer juristischen Person.

Durch Urkunde des Fräulein Amalie Wilhelmine Unger vom 20. Juni 1860 wurde unserem Verein das Hausgrundstück Augustusstrasse 4 als Schenkung auf den Todesfall zugeschrieben. Nach dem Ableben der unvergesslichen Freundin des Thierschutzes (9. Januar 1874) gelangte der Verein in den schuldenfreien Besitz des gedachten Hauses, dessen Werth auf mindestens 120,000 Mark geschätzt werden kann und dessen Räume dem Thierschutz-Verein seit 15 Jahren ein freundliches Heim bieten.

Unter von Ehrenstein’s Leitung kamen die ersten Legate an den Verein. Die Höhe des Nominalwerthes der bis zu seinem Ableben dem Vereine zugefallenen Baar-Vermächtnisse erreichte die ansehnliche Summe von 41,500 Mark! Mehrere dem Vereine später ausgezahlte Legate dürfen mit Gewissheit der wohlwollenden Fürsorge für die Vereinssache zugeschrieben werden, die v. Ehrenstein in den Herzen seiner Anhänger zu erwecken verstand.

Auch die Mitgliederzahl des Vereins erfuhr eine erfreuliche Vermehrung und betrug im Jahre 1874 weit über 300. Eine besondere Auszeichnung ward unserem Vereine aber durch die huldvolle Annahme des erbetenen Protectorates Seitens des regierenden Königs Albert Majestät.

Die Bekanntgabe dieses hocherfreulichen Ereignisses erfolgte mittels des folgenden hohen Erlasses:

„Seine Majestät der König haben auf Vortrag der Immediateingabe des Thierschutzvereins allhier vom 16./18. d. M. [28] Sich in Rücksicht des löblichen Zweckes, welchen der Thierschutz-Verein verfolgt, und seines verdienstlichen Wirkens gern geneigt erklärt, das Protectorat des gedachten Vereins anzunehmen.

Das Ministerium des Königlichen Hauses ermangelt daher nicht, den Thierschutzverein von dieser Allerhöchsten Entschliessung hierdurch in Kenntniss zu setzen.

Dresden, am 28. August 1874.
Ministerium des Königlichen Hauses.
(Für den Minister) Bär.

An den Thierschutz-Verein
zu Dresden.

Hatten sich zwar, wofür in unseren Schriften vielfache Beweise vorhanden sind, die Thierschutzbestrebungen von jeher der Sym- pathie des hohen Königshauses zu erfreuen, so verlieh doch die Uebernahme des Protectorates durch Se. Majestät den König den huldvollen Gesinnungen gegen unsern Verein einen neuen beredten Ausdruck, welcher sich im Laufe der Jahre als eine mächtige Stütze für die gesammte Vereinsthätigkeit erwiesen hat und für den auch die Gegenwart Seiner Majestät sich zum tiefsten Danke verpflichtet fühlt.

Legationsrath von Ehrenstein, der seine edle Seele am 16. December 1874 aushauchte, hatte kurze Zeit vor seinem Hinscheiden noch diesen Freuden-Act erlebt.

Obgleich der Stellvertreter des Herrn von Ehrenstein im Directorium der Geheime Hofrath Dr. Reichenbach war, so musste er doch der Uebernahme des Vereins-Vorsitzes wegen seines hohen Alters entsagen; für diese Stellung ward der langjährige Vereins-Secretär, Schuldirector Bruno Marquart, gewählt, der, nachdem er von Ende 1875 bis Ende 1878 an der Spitze des Vereins gestanden hatte, aus Gesundheitsrücksichten die Geschäfte an den Anfang 1879 als Vorsitzenden eintretenden Major a. D. Freiherrn von Kochtitzky übergab. Zu dessen Stellvertreter ward gleichzeitig der durch seine Bekämpfung der Vivisection in weiteren Kreisen bekannte Schriftsteller Ernst von Weber erwählt.

War auch, was bei der verhältnissmässigen Kürze der Amtsdauer erkärlich erscheint, die Wirksamkeit der Nachfolger von Ehrenstein’s von grösseren Erfolgen nicht begleitet, so muss doch ein unparteiischer Historiker anerkennen, dass ihre Vereinsthätigkeit unausgesetzt eine sehr eifrige war, die sich nur in den zur Erreichung des Thierschutzzweckes eingeschlagenem Wegen, welche das eine [29] Mal mehr nach der theoretischen, das andere Mal mehr nach der praktischen Seite gravitirten, unterschied.

Meinungsverschiedenheiten im Schoosse der Vereins-Vertretung führten Ende 1880 abermals einen Wechsel im Directorium herbei.

Der Vereins-Ausschuss, an dessen Spitze damals der Wirkliche Geheime Rath Dr. Hübel, Excellenz, stand, der aber krankheitshalber sich durch den Geheimen Rath von Körner vertreten liess, wählte den Papierfabrikbesitzer Herrmann Gmeiner-Benndorf, der nun ziemlich 9 Jahre den Vorsitz in unserem Vereine führt.

Auch Rechtsanwalt Lesky, welcher zu Anfang 1881 auf vielseitigen Wunsch den Vorsitz im Ausschusse übernahm, ist nach Ablauf jeder Wahlperiode stets wieder gewählt worden, und somit unserem Vereine erhalten geblieben.

Die Stelle als stellvertretender Vorsitzender bekleidet seit April 1881 der Verfasser dieser Schrift.

Ein Urtheil über die seit Eintritt der jetzigen Direction entwickelte Vereinsthätigkeit steht uns, als unmittelbare Mitbetheiligte, natürlich nicht zu und kann auch, wie alle Vorgänge im Leben der Völker, wie des Einzelnen, nur erst nach vollständigem Abschluss der Wirkungsperiode gefällt werden.

Ueberdies haben wir seither alljährlich in unseren öffentlichen Versammlungen, wie in der Zeitschrift „Androclus" über unsere Thätigkeit bereits eingehende Berichte erstattet, auf die wir hiermit der Kürze halber Bezug nehmen.

Nur über den jetzigen Umfang der Geschäfte glauben wir einige Angaben schuldig zu sein. Durch unser Vereins-Bureau (Augustusstrasse 4, I.), woselbst jederzeit Wünsche in Bezug auf Thierschutzangelegenheiten, sowie Mittheilungen über vorgekommene Thierquälereien zur weiteren Behandlung entgegen genommen werden, werden jährlich etwa 3000 Schriftstücke expedirt.

Alljährlich gehen bei uns 400–500 Anzeigen über Thierquälereien ein, die, soweit sie in Dresden oder Umgebung vorgekommen sind, durch unsern Vereins-Aufseher an Ort und Stelle erörtert werden. Je nach dem Ausfalle dieser Ermittelungen erstatten wir sodann Strafanzeigen an die zuständige Behörde, oder suchen in sonst geeigneter Weise Abhilfe zu schaffen.

Zur Verbreitung der Thierschutz-Ideen geben wir die Zeitschrift „Androclus“ heraus; welche in 800 Exemplaren gedruckt wird. Um die Jugend für den Thierschutz zu gewinnen, erscheint [30] unter der Aegide des Vereins alljährlich ein kleiner Androclus- Kalender. Die vorjährige Auflage betrug 17,500 Exemplare.

Zur einstweiligen Unterbringung herrenloser Hunde, Katzen und anderer kleiner Hausthiere unterhalten wir in Dresden-Neustadt, Tannenstrassse 10, ein Thier-Asyl; im vergangenen Jahre (1888) wurden dort 267 Hunde, 50 Katzen u. s. w. aufgenommen.

Dem Bureau liegt die Verwaltung unserer etwa 300 Bände umfassenden Thierschutz-Bibliothek ob, deren Benutzung Allen, die sich für unsere Sache interessiren, freisteht.

Die Geschäfte des Schatzmeisters erstrecken sich auf die Verwaltung des Hausgrundstückes, unseres Vereinsvermögens, der uns anvertrauten Stiftungen und auf die Gassen- und Rechnungsführung.

Der Nominalwerth unseres in Staats- und Werthpapieren angelegten Vermögens beträgt zur Zeit 77,765 M. Darunter befinden sich die dem Vereine seit dem Antritte der jetzigen Direction neu zugewachsenen Vermächtnisse und Geschenke in Höhe von 29,250 M. (Nominalwerth).

Zum Vermögen unseres Vereins ist der Werth des Hausgrundstückes mit rund 120,000 M. hinzuzurechnen.

Zur Bestreitung unserer Ausgaben bedürfen wir jetzt jährlich ca. 8500 M.; davon werden gedeckt ca. 2800 M. aus Kapitalzinsen, 4300 M. aus Miethen, etwa 1000 M. aus Mitgliederbeiträgen und 400 M. durch andere Einnahmen.

Eine Vermehrung unserer Einnahmen müssen wir dringend wünschen, um den von Jahr zu Jahr sich steigernden Anforderungen gerecht zu werden, die von allen Seiten an unsere sich stetig erweiternde Vereinsthätigkeit gestellt werden.

Möchte dieser Wunsch von solchen Thierfreunden, die mit irdischen Gütern gesegnet sind, beherzigt werden.

Unsere Mitgliederzahl beträgt rund 600; hierzu kommen noch etwa 180 Mitglieder unseres Freiberger Zweig-Vereins.

Um das Interesse am Thierschutz zu fördern, halten wir in unserem Vereinssaale regelmässige Versammlungen ab und wirken auch auswärts an Orten, wo immer ein Nutzen davon zu erwarten ist, durch öffentliche Vorträge für den uns anvertrauten Thierschutz.

Im Verbande der Sächsischen Thierschutz-Vereine, welcher jetzt die Orte Auerbach, Bautzen, Crimmitschau, Freiberg, Leisnig, Pirna, Rosswein, Zittau und Zwickau umfasst, ist uns für [31] die Zeit, wo der Verband nicht tagt, die Erledigung der laufenden Präsidialgeschäfte übertragen.

Bei allen Verbandstagen der Deutschen Thierschutz-Vereine war unser Verein durch Delegirte vertreten, so z. B. in Gotha (1879), Wiesbaden (1881), Dresden (1884) und Köln (1887). Jetzt stehen wir am Vorabend des X. Internationalen Congresses, der die Vertreter des Thierschutzes aus Nah und Fern in unsern Mauern vereinigen wird.

Es sei hier daran erinnert, dass auch der I. Thierschutz-Congress (31. Juli bis 2. August 1860) hier in Dresden abgehalten wurde; ursprünglich war ein deutscher Congress ausgeschrieben, er erweiterte sich aber durch die Theilnahme ausserdeutscher Delegirten zu einem internationalen Congress.

Nach dem Vorgänge Dresdens folgten internationale Thierschutz-Congresse in Hamburg 1862, in Wien 1864, in Paris 1867, in Zürich 1874, in London 1874, in Paris 1878, in Brüssel 1880, in Wien 1883. Kaum fünf Decennien sind verflossen, seit die Thierschutzfrage auf die Tagesordnung der civilisirten Nationen gesetzt worden ist. Ursprünglich nur langsam Fuss fassend, hat sich diese Frage nach und nach zu einer mächtigen Bewegung auf dem ganzen Erdballe gestaltet.

Unser Verein – der wie bereits oben erwähnt – unter den deutschen Thierschutz-Vereinen der älteste noch bestehende ist, ward am 9. August 1839 begründet, hierauf entstanden Thierschutz-Vereine in Berlin am 6. October 1841, in Frankfurt a/M. am 18. November 1841, in München am 9. Dezember 1841 und in Hamburg am 10. Dezember 1841.

Bemerkenswerth ist, dass der Münchner Thierschutz-Verein, welcher 1843 bereits 3000, 1849 sogar 5000 Mitglieder, die sich auf 158 Filial-Vereine vertheilten, zählte, nach dem Ableben seines um die Thierschutzsache eifrig bemühten Begründers, Hofrath Perner, Anfang der sechziger Jahre einging und erst durch die kräftige Initiative des Hofstabs-Veterinär Sondermann 1867 zu neuer Thätigkeit erweckt wurde. Jetzt zählt dieser Verein etwa 12,000 Mitglieder. Auch der 1837 in Stuttgart begründete erste deutsche Thierschutz-Verein, dessen Thätigkeit bald nach seinem Entstehen wieder ruhte, kam erst 1862 wieder in Aufschwung.

In Deutschland bestehen zur Zeit 175 selbstständige Thierschutz-Vereine mit rund 65,000 Mitgliedern, die jährlich für die Thierschutzsache 75,000 M. steuern. Das Gesammt-Vermögen der

[NN]
Druck von Liepsch & Reichardt in Dresden.
  1. Auf dieser Ehren-Tafel in Marmor, welche im Flur unseres Vereinshauses angebracht ist, sind diejenigen Damen und Herren verzeichnet, welche dem Verein Legate ausgesetzt, oder grössere Baar-Geschenke zugewendet haben.