Deutsches Patentamt - Zustellungsvermutung

Entscheidungstext
Gericht: Deutsches Patentamt
(1. Beschwerdesenat)
Ort:
Art der Entscheidung: Entscheidung
Datum: 23. April 1955
Aktenzeichen: Pat 724 198 – 1 B 341/53
Zitiername:
Verfahrensgang:
Erstbeteiligte(r):
Gegner:
Weitere(r) Beteiligte(r):
Amtliche Fundstelle:
Quelle: Scan von NJW 1955, Heft 27, S. 1007–1008
Weitere Fundstellen: Bl. f. PMZ 1955, 217;
GRUR 1955, 338 (nur Leitsatz)
Inhalt/Leitsatz:
Zitierte Dokumente: 1. Kriegs-MaßnVO
Anmerkungen: „mit dem dritten Tag(e)“: § 332 LAG; § 71a GWB; § 321a ZPO; § 78a ArbGG; § 152a VwGO; § 178a SGG; § 133a FGO; § 12a RVG; §§ 68, 69a GKG; §§ 59, 61 FamGKG; §§ 31, 157a KostO; § 4a JVEG (2004)
„am dritten Tag(e)“: §§ 4, 5 VwZG (2005); §§ 15, 41, 71b VwVfG (2002); § 10 AsylVfG; §§ 14, 37 SGB X; §§ 122, 123 AO; § 94 MarkenG
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§ 4 VerwZustG enthält lediglich die zuungunsten des Empfängers nicht widerlegbare Vermutung, daß die Zustellung im Laufe des dritten Tages nach der Aufgabe zur Post stattgefunden habe.

DEUTSCHES PATENTAMT, Entsch. v. 23. 4. 1955 – Patent 724 198

Aus den Gründen:

[1] Die Patentabt. hat durch den angef. Beschl. den Antrag des Patentinhabers, die gemäß § 11 Abs. 3 PatG abzusendende Nachricht hinsichtlich der Gebühren für das 13. bis 15. Patentjahr weiter hinauszuschieben, unter Berufung auf § 11 Abs. 6 PatG abgelehnt, weil die Gebühren seit mehr als 2 Jahren fällig waren. Sie hat darauf die Nachricht dem Patentinhaber mittels eingeschriebenen Briefes zugestellt. Dieser Brief ist am 19. 12 1953 zur Post gegeben worden. Am 22. 1. 1954 hat der Patentinhaber die Gebühren eingezahlt. Mit der Beschwerde begehrt er die Aufhebung des angef. Beschl. sowie die Niederschlagung der Gebührenforderung.

[2] Die Beschwerde ist gegenstandslos geworden, da der Gebührenbetrag rechtzeitig gezahlt und damit die Gebührenforderung erledigt ist. Dem BeschwF stand auf Grund der Zahlungsnachricht v. 18. 12. 1953 eine Frist von 1 Monat zur Zahlung zur Verfügung, die erst am 22. 1. 1954 abgelaufen ist. Die Zahlungsnachricht ist ihm durch eingeschriebenen Brief zugestellt worden. Sie gilt daher gemäß § 4 VerwZustG mit dem 3. Tage nach der Aufgabe zur Post als zugestellt. Über die Bedeutung dieser Bestimmung sind Zweifel aufgetreten. Während Einigkeit darüber besteht, daß der Tag der Aufgabe zur Post – der 19. 12. 1953 – in entspr. Anwendung der Vorschrift des § 187 Abs. 1 BGB bei der Berechnung des dritten Tages nicht mitgezählt werden darf, ist nun bezweifelt worden, ob die Bestimmung besagt, daß die Zustellung mit Beginn des dritten Tages, d. h. nach Ablauf des zweiten Tages als erfolgt gelten soll, oder ob sie lediglich die zu Ungunsten des Empfängers nicht widerlegbare Vermutung enthält, daß die Zustellung im Laufe des dritten Tages stattgefunden habe. Je nach der Auslegung des § 4 VerwZustG würde der Lauf einer von der Zustellung abhängenden Frist am Anfang oder mit dem Ende des dritten Tages begonnen haben. Der Senat schließt sich jedoch der Auffassung an, daß allein die zuletzt angeführte Auslegung dem Sinn und Zweck des § 4 VerwZustG entspricht.

[3] Die im Gesetz verwendete Ausdrucksweise („mit“ dem 3. Tage) ist in Vorschriften des Verfahrensrechts ungebräuchlich. Sie findet sich jedoch in verfassungsrechtlichen Gesetzen, z. B. in Art. 82 Abs. 2 Satz 2 GG, wonach Gesetze „mit dem 14. Tage“ nach dem Datum des betr. BGBl. in Kraft treten. In diesem Zusammenhang unterliegt es keinem Zweifel, daß das Wort „mit“ den Beginn des Tages bezeichnet, die Wirksamkeit der Gesetze also schon am Beginn des 14. Tages eintritt. Die Vorschrift des § 4 VerwZustG kann aber nicht diesem Sprachgebrauch entsprechend ausgelegt werden. Art. 82 will einen unzweideutigen Zeitpunkt festlegen, mit dem die Wirkung eines Gesetzes beginnt. In diesem Zusammenhang können die Worte „mit dem 14. Tage“ nur bedeuten, daß „gleichzeitig“ mit dem Beginn des Tages auch die Wirkung des Gesetzes beginnen soll. Im Gegensatz dazu will § 4 VerwZustG eine Vermutung dafür schaffen, wann ein bestimmter Vorgang, nämlich der Zustellungsakt, stattgefunden hat. Dabei handelt an sich um eine Handlung, die nur im Laufe des Tages vorgenommen sein kann. Eine Zustellung, die bei Beginn oder am Ende des Tages stattgefunden haben sollte, würde den gesetzlichen Vorschriften über die Zustellung widersprechen. Es erscheint daher sinnwidrig, der Vermutung des § 4 VerwZustG einen Inhalt zu geben, der einer solchen Zustellung entsprechen würde.

[4] Eine dem § 4 VerwZustG entsprechende Bestimmung war früher in § 5 der 1. Kriegs-MaßnVO enthalten. Nach dieser Vorschrift konnten Zustellungen durch die Post von dem Gerichtsvollzieher oder der Geschäftsstelle allgemein durch Aufgabe zur Post bewirkt werden: die Zustellung galt in der Regel, wenn die Wohnung des Zustellungsempfängers im Bereich des Ortszustellungsverkehrs lag, am 2., im übrigen am 4. Werktag nach der Aufgabe zur Post als bewirkt. Mit den Worten „am 2. bzw. 4. Tage“ war klargestellt, daß die Zustellung als „im Laufe des 2. bzw. 4. Tages vorgenommen“ gelten sollte und eine Frist erst mit Beginn des darauf folgenden Tages in Lauf gesetzt wurde. Richtig ist allerdings, daß es nach dem Vorgang der genanntem VO nahegelegen hätte, auch im § 4 VerwZustG den Eintritt der Wirksamkeit der Zustellung in der gleichen Weise zu bezeichnen. Es kann jedoch aus der abweichenden Wortfassung des Gesetztes („mit“ dem 3. Tage) noch nicht der Schluß gezogen werden, daß damit ein sachlicher Unterschied zum Ausdruck kommen sollte. Ein Grund, einen genau bestimmten Zeitpunkt, nämlich den Beginn des Tages, als Zeitpunkt der Zustellung zu fingieren, ist nicht ersichtlich, da auch bei der förmlichen Zustellung mit Zustellungsurkunde nicht ein bestimmter Zeitpunkt, sondern nur der Tag beurkundet wird, in dessen Lauf die Zustellung erfolgt ist. Es liegt deshalb ohne weiteres nahe, auch die Fassung der Vorschrift des § 4 VerwZustG so auszulegen, daß sie nur eine Vermutung dafür gibt, daß die Zustellung im Laufe des angegebenen Tages stattgefunden hat, zumal – wie schon oben gesagt – die Zustellung nur im Verlaufe und nicht am Beginn des Tages vorgenommen sein kann. Wäre etwas anderes beabsichtigt gewesen, so hätte dies in Ermangelung einer amtl. Begründung voraussichtlich in den von berufener Seite gegebenen Erläuterungen zum VerwZustG seinen Niederschlag gefunden. Es findet sich aber weder in dem Erläuterungsbuch des MinReferenten von Rosen-von Hoevel noch in dem nach Erlaß dieses Gesetzes dazu veröffentlichten Aufsatz desselben Verf. (DVBl. 52, 428 ff.) noch auch in der Besprechung von Arnold in NJW 52, 857 ein Hinweis auf diesen Punkt. Es ist auch aus diesem Grunde anzunehmen, daß die Wortfassung des § 4 VerwZustG keine sachliche Abweichung gegenüber der in der Kriegs-MaßnVO verwendeten Zählweise bringen sollte. Die Worte „mit dem 3. Tage“ bedeuten mithin nichts anderes als „am 3. Tage“.

[5] Für dieses Ergebnis sprechen auch weitere Gründe. Die in der erwähnten Kriegs-MaßnVO vorgesehenen Fristen entsprechen offenbar den durch die Kriegsumstände verlängerten tatsächlichen Beförderungszeiten. Die Vorschrift stellte also eine auf Erfahrungswissen gestützte widerlegliche Vermutung über den Zeitpunkt des Zugangs der zuzustellenden Schriftstücke auf, die im Normalfalle der wirklichen Zugangszeit entsprechen sollte. Auch die ihr offenbar nachgebildete Bestimmung des § 4 VwZG enthält eine dahingehende Vermutung. Sie setzt allerdings keine besondere Frist für Zustellungen im Ortsbereich fest, sondern hebt einheitlich auf die der Erfahrung entspre. Beförderungshöchstdauer von Briefen im Fernverkehr ab, wobei sie entspr. den normalisierten Verkehrsverhältnissen zur Zeit ihres Erlasses die Frist gegenüber der 1. KriegsMaßnVO verkürzt. Müßte man annehmen, daß die Zustellung nach § 4 VerwZustG schon mit dem Beginn des 3. Tages als bewirkt vermutet werden soll, so würde das Gesetz als Höchstdauer der Beförderung eine Frist von 2 Tagen zu Grunde gelegt haben. Diese Frist wäre nach dem Sinn der Vorschrift zu knapp bemessen, da auch die Verhältnisse in den Landzustellbezirken mit zu berücksichtigen sind, wo sie häufig überschritten werden dürfte. Auch diese Erwägung spricht dafür, daß der § 4 VerwZustG eine Frist von drei – nicht nur zwei – Tagen setzen wollte. [1008]

[6] Die dem BeschwF gesetzte Frist lief demnach am 22. 1. 1954 ab. Sie ist durch die an diesem Tage vorgenommene Zahlung gewahrt.

(Mitgeteilt von ORRat MUNZINGER, München)