Der Blutmord in Konitz/Massloff
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Zeugen-Aussagen und Wahrnehmungen zuverlässiger Nichtjuden
Wir kommen nun auf von Zeugen bekundete Thatsachen, die Aufschluß über die Persönlichkeiten der Mörder zu geben geeignet sind, wobei aber ausdrücklich vorangeschickt werden muß, daß die im nachstehenden vorgetragenen Fälle bei weitem nicht erschöpfend sind, daß sie aber auf Aussagen glaubwürdiger christlicher Zeugen sich stützen.
Einzelne Thatsachen weisen darauf hin, daß der Plan zur Abschlachtung eines jungen Christen in der Stadt Konitz und speziell in dem Hause des Fleischermeisters Lewy schon einige Monate vorher von jüdischer Seite in Erwägung gezogen und vorbereitet worden sei. Das Schlachtopfer mußte jung, unverheiratet und gesund sein.
Hierfür zunächst einige Beweismittel:
Der jüdische Kaufmann C. sagte im Januar 1900 zu dem unverheirateten Landwirte H., einem jungen Manne von blühendem Aussehen, nachdem er sich vorher erkundigt hatte, ob H. auch wirklich ganz gesund sei: ,,Sie haben gutes Blut, Sie sind gut dazu," und als H. ihn fragte, was das bedeuten solle, antwortete C: ,,Das Blut ist dieses Jahr teuer, das kostet und eine halbe Million Mark."
In den Wochen vor dem Morde besuchte Moritz Lewy auffallend oft einen jungen Kaufmann S. in Zempelburg, von dem die Lewys ein Fahrrad gekauft hatten. Moritz erkundigte sich bei jeder Gelegenheit, ob S. auch ganz gesund sei, drängte sich an ihn heran, angeblich um die beiderseitige Körpergröße aneinander zu messen, und ersuchte ihn mehrmals dringend, an dem Sonnabend vor dem Mordtage nach Konitz zu kommen, um das Geld für das Fahrrad in Empfang zu nehmen. Am Tage nach Auffindung der Leichenteile traf S. mit Moritz Lewy in Konitz zusammen, bei welcher Gelegenheit Lewy über sein körperliches Befinden klagte. Er fühlte sich sehr abgespannt und kaput.
Acht Tage vor dem Morde hatte Moritz Lewy eine Kuh von dem Landwirt Grabowicz in Frankenhagen gekauft und dabei besonders dringend verlangt, daß ein junger strammer Knecht des G. Tucchinski mit Namen, die Kuh Sonntag, den 11. März, (also am Mordtage) in Konitz abliefern solle.
Am 11. März vormittags fuhren die beiden jungen Lewys auf dem Lande umher, angeblich um Vieheinkäufe zu machen. Bei dieser Gelegenheit kam Moritz Lewy auch zu Grabowicz und [34] hörte von der Frau des abwesenden Besitzers, daß nicht jener Knecht, sondern der Tagelöhner Laskowski beauftragt sei, die Kuh hinzubringen, Lewy gab sich nunmehr die größte Mühe, eine Abänderung dieser Anordnung herbeizuführen, und log sogar der Frau G. vor, ihr Mann habe ausdrücklich befohlen, daß gerade Tucchinski das Stück Vieh nach Konitz trasnportieren solle. Frau G. ging aber auf Lewys Bitte nicht ein, sondern der Tagelöhner Laskowski brachte die Kuh zu Lewy, der ihm auftrug, das Tier in den Stall des Gasthauses zu schaffen und sich den Treiberlohn dann abzuholen. Er sollte dabei aber durch die hintere Hofthür kommen. Laskowski that das nicht, sondern betrat durch die Vorderthür das Lewysche Haus und wurde von dem alten Lewy deswegen gröblich angefahren. In seiner Aussage erklärt Laskowski:
Ich hatte dabei eine große Beklemmung, mir kam es so unheimlich vor; das ganze Gebaren der Lewys flößte mir ein Grauen ein, als ob sie mir Böses anthun wollten. – In der zweiten Stube hörte ich, daß der alte Lewy mit den Uebrigen sich murmelnd unterhielt. Ich hörte die Worte: "Ist die Sache eingerichtet?... Ist der Bursche von Hoffmann bestellt?... Kantor viel zu thun... Kantor Bart anlegen... Beine fesseln... Mönch- See." Als ich diese Worte hörte, befiel mich eine große Herzensangst. Ich wurde nun gefragt, ob ich verheiratet sei. Ich sagte ja, ich habe fünf Kinder. Ich hörte von der Unterhaltung der Juden außerdem noch die Worte: "Bald zu kriegen sein... möchte nicht lange dauern... zu weiß, zu weiß..." – Dann kam ein fremder Mann in den Laden, worauf ich mein Geld für das Treiben der Kuh erhielt und hinausging.
Im weiteren bekundete der Zeuge noch, daß um die Mittagszeit der alte Lewy ihn in dem Laden des Kaufmanns P., wo er einen Schnaps trank, aufgesucht und ihn habe überreden wollen, nochmals zu ihm zu kommen, angeblich um den Strick, woran die Kuh geführt worden war, abzuholen. Auffallenderweise erklärt der alte Lewy diese ganze Bekundung des Laskowski für unwahr. Auf den Gymnasiasten Ernst Winter scheint man aber besonders sein Augenmerk gerichtet zu haben; das beweisen folgende Vorkommnisse:
Die jüdische Familie Meyer, die ein Schnittwaren- Geschäft in Konitz betrieb, ist mit der beabsichtigten Abschlachtung des Gymnasiasten Winter nicht einverstanden gewesen. Sie hat versucht, ihn warnen zu lassen, hat auch noch einen anderen jungen unverheirateten Mann davor gewarnt, zum Fleischer Adolph Lewy beim Verkaufe von Vieh durch die hintere Hofthür zu gehen. Aus den Bekundungen mehrer Zeugen ergibt sich, daß Frau Meyer und deren Tochter zu ihnen gesagt haben, ,,es bestehe eine Verschwörung gegen einen jungen Mann Namens Ernst Winter" – ,,der Winter möchte doch lieber ein anderes Gymnasium besuchen, hier würde es ihm doch noch schlecht ergehen" – ,,wenn er hier bleibt, so nehmen sie ihn auch, er ist ihnen schon sehr zugethan". Später hat die Familie Meyer diese Aueßerungen eidlich abgestritten, und im Juni 1900 ist gegen sie ein Verfahren [35] wegen Meineides durch die Kgl. Staatsanwaltschaft in Berlin eingeleitet worden.
Der Floßmeister Steincke aus Prechlau hatte im Oktober 1899 mit dem Fleischermeister Eisenstädt daselbst ein sehr auffälliges Gespräch. Er kaufte bei Eisenstädt Fleisch und kam dabei auf die Familie Winter zu sprechen. Als Steincke meinte, der Gymnasiast Ernst Winter sei ein netter Bursche, sagte Eisenstädt: ,,Ja, der ist gut zum Schlachten!" Steincke antwortete darauf lachend: ,,Nun, dazu ist doch zu jung, er hat doch kein Fleisch!", worauf Eisenstädt erwiderte: "Das schadet nichts, er giebt doch aber Blut!"
An sich würde man die Aueßerungen des Eisenstädt nur als einen schlechten Scherz aufzufassen geneigt sein; ein ganz anderes Gesicht bekommt dieser Fall aber, wenn man erwägt, daß einige Monate darauf der junge Winter wirklich geschlachtet (geschächtet) und ihm das Blut abgezapft worden ist, sowie, daß der Eisenstädt am Schlachttage, den 11. März 1900, in der Stadt Konitz gewesen ist. Seine Rückkehr nach Prechlau erfolgte am folgenden Tage. Er brachte eine kleine Kiste sehr übelriechenden Inhalts mit, die sofort verschwand, als Fremde darauf aufmerksam wurden.
Auffallend ist es weiter, daß der Bruder dieses Eisenstädt, der Fleischermeister E. zu Schlochau, der im März 1900 wegen einer verletzten Hand in dem katholischen Krankenhause (Borromäns- Stift) zu Konitz Aufnahme gefunden hatte, am Abend des 11. März aus dem Stifte sich entfernte und die ganze Nacht vom 11. zum 12. März 1900 fortblieb. Auffallend ist ferner, daß dieser Eisenstädt einige Tage darauf von den Schwestern des Stifts eine Bescheinigung darüber erbat, daß er die Nacht vom 11. zum 12. März im Krankenhaus zugebracht habe, und daß er jetzt auch bestreitet, in jener Nacht ausgeblieben zu sein.
Im Prozeß Masloff bekundeten die beiden katholischen Ordensschwestern unter Eid, aus eigener Wissenschaft und auf Grund der Eintragungen in den Büchern des Stifts mit Bestimmtheit die Abwesenheit des Eisenstädt in der Mordnacht (vom Sonntag, den 11., zum Montag, den 12. März). Eisenstädt und zwei andere Juden beschworen dagegen, daß E. vom 12. zum 13. März sich außerhalb des Krankenhauses befunden habe.
Auch der Schächter Hamburger aus Schlochau bestritt anfänglich sehr lebhaft, am Mordtage und am Mordabend in Konitz sich aufgehalten zu haben. Erst als dies ihm nachgewiesen wurde, gab er es zu. Hamburger ist seit Juli 1899 in der Stadt Schlochau (1 3/4 Meilen von Konitz) als Schächter angestellt und nie nach Konitz gekommen. Am Sonntag, den 4. März 1900, fuhr er aber dorthin und erzählte am Montag darauf, in Konitz gebe es einige so dunkle Gassen, daß jemand totgeschlagen werden könne, ohne daß er es selbst merke. Im Laufe der Woche (zwischen dem 4. und 11. März) erzählte er, es werde in einigen Tagen etwas passieren, worüber die ganze Welt reden werde. Am Sonnabend wurde er durch eine Depesche nach Konitz gerufen und fuhr am Sonntag, dem Mordtage, mittags mit Zug 205 dorthin. Am Abend kehrte er mit dem Konitz um 8 Uhr 40 Minuten verlassenden Zuge 212 nach Schlochau zurück. Am folgenden Tage zeigte er sein Schächtmesser dem Schlochauer Schlachthaus- Inspektor mit dem [36] wiederholten Ersuchen, er möge sich das Messer nur genau ansehen, das sei ein ganz besonderes Messer! Am Dienstag, den 13. März, zog Hamburger, ein sehr starker, robuster Mensch, von Schlochau fort; er soll sich jetzt in Eberswalde aufhalten.
Der Schächter Haller aus Tuchel ist mit dem Mittagszuge am 11. März von Tuchel nach Konitz gefahren. Anfänglich hat er das auch zugegeben. Jetzt bestreitet er diese Fahrt, die aber durch unverdächtige Zeugen unter Eid bewiesen worden ist.
Der Schächter Rosenbaum aus Czersk kam 11. März nach Konitz, der Schächter aus R. ebenfalls. Er hatte damals einen Vollbart, kehrte aber ohne Bart und mit blauem Fleck im Gesicht zurück.
Am 11. März 1900 nachmittags sagte der Aufkäufer H. auf einem Gute bei Konitz: ,,Ich muß noch heute schnell nach Konitz; bei Lewy ist heute Abend eine Festlichkeit".
Der Kaufmann L. zu Kulm war am Mordtage in Konitz und hatte bei seiner Rückkehr am Halse und am Genick eine erhebliche Kratzwunde; er trug einen Verband um den Kopf und hielt sich mehrere Tage verborgen, bis die Wunde einigermaßen abgeheilt war.
Auch der Schächter aus Elbing ist am Mordtage in Konitz gewesen.
Einige Tage vor dem 11. März entstiegen fünf Fremde, augenscheinlich ausländische Juden, in Konitz dem Mittagszuge. Sie wurden von dem Synagogendiener Nosseck auf dem Bahnhof empfangen und zu Kaufmann Lewinksi gefahren, der auch das Fahrgeld für den Hotel- Omnibus bezahlte.
Am 10. oder 11. März sind nachweislich über zehn ausländische Juden, denen man ihren Stand als Kultusbeamte ansehen konnte, vor und in der Hausthür des jüdischen Einwohners Leß in Konitz bemerkt worden.
Der jetzt verschwundene und angeblich nach Amerika ausgewanderte Schächter Heimann suchte in der Mordnacht erst um zwölf Uhr seine Wohnung auf und zeigte am folgenden Morgen ein sehr ängstliches Benehmen; sein Rock war an der inneren Tasche zerissen.
Am Montag, den 12. März, ist gesehen worden, wie der Konitzer Rabbiner Kellermann – der jetzt von der Synagogen- Gemeinde zu Berlin angestellt ist! – und dieser Schächter, beide mit Cylinder- Hüten auf dem Kopfe in der Stube des Rabbiners einen aus braunem Papier gewickelten Gegenstand, der ein Stück Fleisch (Leber?) zu sein schien, besichtigten, darin mit einem Messer Einschnitte machten und mit dem Mikroskope Untersuchungen daran vornahmen. Es muß das eine Kultushandlung gewesen sein, weil der Schächter sonst schwerlich in der Stube seines Vorgesetzten den Cylinderhut aufbehalten haben würde. Zu bemerken ist hierbei,daß das Fleisch von geschächtetem Vieh stets in dem städtischen Schlachthause auf seine Gesundheit untersucht wird und niemals in der Behausung des Rabbiners.
Ferner hat am Sonnabend, den 17. März, eine Schneiderin K. aus einem Gespräche zweier Juden, von denen die Zeugin einen als den Rabbiner Kellermann erkannt haben will, die Sätze [37] gehört: ,,Haben Sie sich etwas merken lassen?" –,,Daß hier so viele Teufel herumkrabbeln." – ,,Daß ja nichts herauskommt."
Auch Unterredungen anderer Juden hat man gehört, die auf eine weitverzweigte Mitwisserschaft an dem Winterschen Morde schließen lassen.
Eine Brunnenmacherfrau Barbara Siegmund, geb. Salomon, zu Elbing hat z.B. eidlich bekundet, daß sie im Mai 1900 ein Gespräch zweier Juden belauschte, woraus sich ergab, daß Winter behufs Blutgewinnung von jüdischen Leuten in Konitz umgebracht sei.
Der Sack, worin der Rumpf des Ermordeten eingenäht war, deutet auf die Familie Lewy hin. Die Schwester des Fleischers Lewy, die Händlerin Lewy, pflegte etwa alle drei Wochen in das Haus des Schneidermeisters Plath zu kommen und dort die Abfälle an Lappen usw. aufzukaufen; namentlich verkaufte die bei Plath bedienstete Aufwärterin Seidler al. Frankowski alle alten Sachen an die Lewy. Dabei hat diese in der Zeit von August bis Weihnachten 1899 auch den Sack erstanden, den sie, da er noch ganz und brauchbar war, bei ihren Handelsgängen verwendete. Die Lewy leugnet zwar jetzt ihren Geschäftsverkehr mit der Seidler, aber drei Lehrlinge bei Plath und das Dienstmädchen bei den Plathischen Einwohnern, Familie Lurch, wissen genau, daß die Lewy noch bis kurz vor dem etwa mitte Februar 1900 erfolgten Tode der Seidler die alten Sachen von ihr ankaufte.
Der Arbeitsmann Masloff zu Konitz bekundet vor Gericht am 8. Juni 1900:
,,Ausgangs Januar bin ich hierher gezogen und habe auf Hohenhöfen Wohnung genommen. Jetzt wohne ich in der Poststallstraße in einem Hause zusammen mit meiner Schwiegermutter Roß und meinem Schwager Berg. Bis zum März war ich noch ziemlich unbekannt in Konitz. Ungefähr acht Tage vor dem Morde bin ich auf dem Wege nach der Gasanstalt durch die Mauerstraße nach der Rähmstraße gegangen. Durch einen offenen Thorweg sah ich links von demselben in einer Remise Fleisch hängen. Ich dachte bei mir: Ein schönes Stück Fleisch. Dort später einmal einen Diebstahl zu begehen, daran habe ich damals nicht gedacht.
Am Sonntage, den 11. März, ungefähr 10 Uhr abends, ging ich von der Wohnung meines Schwagers Berg allein nach Hause. In der Danzigerstraße verlor ich den Pfropfen von meinem Schnupftabakglase. Ich bückte mich danach, es war gerade vor einem Kellerfenster; ich hörte in dem Keller mehrere Stimmen, konnte jedoch nichts verstehen, auch nicht in den Keller hineinsehen, weil es vollständig dunkel war und das Fenster mir verhängt schien. Ich ging bis zum nächsten Fenster desselben Hauses. Auch durch dieses hörte ich Stimmen; dieses war unverhängt. Durch dieses drang ein matter Lichtschein. Der Schein war nicht gleichmäßig. Ich horchte an diesem erleuchteten Fenster ein paar Minuten; das Gespräch wurde im Keller weiter geführt; ich glaubte vielleicht aus der Hinterstraße mehr hören zu können und ging aus Neugierde nach derselben. Eine Diebstahlsabsicht hatte ich noch nicht, ich [38] wußte auch nicht, daß das fragliche Haus zu dem Hof gehörte, auf welchem ich vor ungefähr acht Tagen hatte Fleisch hängen sehen. Es war schönes Wetter und Mondschein. Ich bog bei Hoffmann in die Mauerstraße ein und horchte an den verschiedenen Thoren. Dort, wo ich hinter dem Thorflügel Stimmen hörte, kniete ich mich auf die Erde hin und horchte. Ich hörte Stimmen vieler Leute, dazwischen auch einen röchelnden Ton. Das Röcheln erklärte ich mir in der Weise,
[Eingefügtes Bild:]
Hinterthür des Lewyschen Hauses (Rähmgasse.)
[Siehe: Scan: Der Blutmord in Konitz, S. 38]
daß jemand Atembeschwerden haben müsse. Ob das Röcheln von einem Menschen oder Schafen bezw. anderen Tieren hergerührt hat, kann ich nicht sagen. Jedenfalls war es ein gurgelnder Ton. Ich sah durch eine Ritze, die sich zwischen der Schwelle und dem unteren Thürteile befand, und eine zweite Ritze, welche an dem Zusammenschluß der beiden Thorflügel war, hindurch. Anfangs konnte ich nichts sehen, weil es auf dem Hofe dunkel war.
Nach ungefähr fünf Minuten wurde im Innern des [39] Hofes eine Thür geöffnet, aus der Thüröffnung trat ein Mann auf den Hof. Ich habe diesen Mann deutlich als denjenigen erkannt, den ich später als den alten Lewy kennen lernte. Ich konnte den Mann deutlich erkennen, weil aus dem Raum, aus dem derselbe heraugetreten war, Lichtschimmer auf den Hof drang. Lewy blieb mit vorgestrecktem Kopf, in lauschender Stellung auf dem Hofe stehen. Als Lewy ungefähr fünf Minuten so gestanden hatte, kamen zwei andere Männer durch die Thüröffnung, der eine trug ein Licht. Ich habe diese beiden nicht erkennen können, sie sprachen ungefähr eine Minute mit dem alten Lewy und gingen dann mit diesem zusammen dorthin, woher sie gekommen waren, zurück. Es wurde auf dem Hofe wieder dunkel, woraus ich schließe, daß sie die Thür hinter sich geschlossen haben. Während der alte Lewy und die beiden anderen auf dem Hofe standen, wurde weiter hinter ihnen noch von anderen Leuten gesprochen. Auch damals hörte ich noch immer das gurgelnde Geräusch, jedoch nicht mehr so laut, wie früher. Ich verweilte jetzt noch ungefähr anderthalb Stunden in liegender bezw. knieender Stellung. Das gurgelnde Geräusch hörte nach ungefähr einer Viertelstunde auf, das Gespräch dauerte fort. Während dieser anderthalb Stunden kam mir der Gedanke, daß ich mich vor demjenigen Hof befinden könnte, auf welchem ich acht Tage vorher Fleisch hatte hängen sehen. Die Thorflügel schienen mir schlecht versichert, ich konnte sie zurückdrücken, und nun entschloß ich mich, solange zu warten, bis es in dem Hause ruhig werden würde, um dann Fleisch zu stehlen. Es wurde plötzlich die Thür geöffnet, durch welche vorhin Lewy getreten war, der Hof wurde hell, ich verließ meinen Standort und versteckte mich an dem Zaun in der Nähe der Essigfabrik. Es wurde der Thorflügel geöffnet, und drei Leute traten heraus, zwei trugen ein Bündel, einer ging unmittelbar hinter ihnen her. Alle drei waren junge Leute. Der eine der Bündelträger kann der Statur nach der Kneifer- Lewy gewesen sein. Genau habe ich ihn nicht erkennen können, weil ich ihn nur von hinten gesehen habe. Die Leute trugen an dem Bündel schwer. Die Umhüllung des Bündels bestand aus Sackleinwand.
Die Leute gingen die Rähmstraße entlang und bogen dort nach dem Mönchsee ab, wo der Weg nach der Spüle geht und später die Leichenteile gefunden sind. Ich war nicht weiter neugierig, was die Leute dort vorhatten, sprang vielmehr aus meinem Versteck auf, ging durch den nunmehr geöffneten Thorweg und stahl dort ein Stück Fleisch. Auf dem Hofe war es dunkel, ich tappte unmittelbar hinter dem Thorwege nach links, stieß mir den Kopf an einem harten Gegenstand, faßte danach, merkte, daß es das Fleisch war, nahm dieses an mich und ging damit nach Hause. Während ich auf dem Hofe war, drang aus dem Keller des Hauses Stimmengewirr zu mir, auch vernahm ich ein Geräusch, als ob im Keller gescheuert wurde. Der Weg nach Hause führte mich durch die Mauerstraße nach der der Mönchsee- Spüle abgelegenen Richtung, weshalb ich von den Bündelträgern nichts mehr gesehen habe."
[40] Frau Masloff zu Konitz sagte eidlich aus am 28. April 1900:
,,Ich habe auf Ersuchen des alten Lewy und der Frau Lewy, welche nacheinander zu mir kamen, vom 9. bis 13. April d. J. bei Lewy reingemacht.
Wenn ich nicht irre, am Mittwoch, den 11. April, vormittags fand ich beim Reinemachen der Stube, in welcher die beiden jungen Lewys schlafen, auf dem Ofen etwas, in graues Zeug eingewickeltes; ich machte dies auf und zog aus dem zusammengelegten Zeug eine weiße Uhrkette heraus von Silber oder Nickel. Ich hatte die Kette kaum in Händen, als die Frau Lewy mir sagte, ich möchte ihr die Kette nur geben, die gehöre dem Moriz, warouf ich ihr dieselbe sofort gab. Am Charfreitage, vormittags, machte ich in der Wohnstube der Lewyschen Eheleute rein, und zwar unter anderem auch das Wäschespind. Auf dem Wäschespind lagen allerhand Briefschaften und Schriftstücke, sowie eine lederne Zigarrentasche. Ich machte diese zufällig auf und fand darin in seidenes Papier eingewickelt, die Photographie des Ernst Winter. Ich habe Ernst Winter zwar bei Lebzeiten nicht gekannt, ich habe mir aber die Photographie desselben im Schaufenster von Heyn angesehen. Die Photographie, welche ich in der Zigarrentasche vorfand, war dieselbe, es ist bestimmt diejenige Winters gewesen, ich kann mich darin nicht irren. Ich hörte um drei Uhr nachmittags mit dem Reinemachen auf, denn nachdem ich die Photographie Winters gesehen hatte, war es mir so ängstlich, weil mir Winter immer vor Augen stand und ich an das Gerücht dachte, daß er bei Lewys getötet worden sei. Ich erzählte beim Nachhausekommen meinen Angehörigen das Vorfinden der Photographie, es waren darunter mein Mann, meine Schwester Berg und meine Mutter Anna Roß. Diese sagte mir, ich hätte die Photographie doch nehmen sollen, worauf ich sagte, ich würde sie nehmen, wenn ich noch einmal hingehen würde. Ich ging auch am Sonnabend, den 14. April, vormittags um 7 1/2 Uhr etwa hin und blieb bis 9 1/2 Uhr dort. Ich konnte die Photographie aber nicht mehr an mich nehmen, wie wohl ich daran dachte, weil die Lewysche Famile zu Hause war. Ich wollte auch nach Ostern noch hingehen, um nachzusehen, ob die Photographie in der Zigarrentasche noch liege; ich ging auch am Mittwoch, den 25. April, noch hin, da mir Frau Lewy sagen ließ, ich solle zu ihr kommen. Ich war aber kaum dort, als mein Mann mich fortholte mit dem Bemerken, er wolle nicht mehr, daß ich in dem Lewyschen Hause arbeite.
Ich habe auch vor kurzem, entweder in dieser Woche, oder in der vorigen Woche, entweder von meiner Mutter oder von meiner Schwester Auguste gehört, daß diese unter der Lewyschen Wäsche ein Taschentuch mit dem Monogramm E.W. gewaschen habe. Meiner Mutter und meiner Schwester ist erst nachträglich eingefallen, daß dies Mongramm möglicherweise Ernst Winter bedeuten könne."
Die Schwester des Ermordeten beschreibt die Uhrkette ihre Bruders in derselben Weise wie Frau Masloff. [41] Wie auf Seite 11 erwähnt, ist der rechte Arm des Ermordeten am 15. März auf dem Evangelischen Kirchhofe und der Kopf am 15. April auf der anderen Seite der Stadt an den Wiesen am Stadtwalde aufgefunden worden. Der jüdische Händler Israelski wurde gesehen: Am Morgen des 15. März etwa 6 1/4 Uhr, wie er mit einem Sacke, in dem ein länglicher Gegenstand nach Art eines Brotes sich befand, nach dem Evangelischen Kirchhofe zu ging, und um 6 3/4 Uhr, wie er von der Richtung des Kirchhofes herkam mit dem zusammengerollten leeren Sacke unter dem Arme.
Am Charfreitag, den 13. April, ist derselbe Israelski gesehen worden, wie er mit einem Sacke, in dem ein runder Gegenstand (wie etwa ein Kohlkopf) sich befand, in der Richtung nach dem Stadtwalde zuging, und wie er nach einiger Zeit darauf mit sehr beschmutzten Stiefeln und mit dem leeren Sacke unter dem Arme von dem Stadtwalde her zurückkam. Bekannt ist, daß Israelski wegen des letzteren Falles – Verschleppen des Kopfes – angeklagt, aber von der Strafkammer zu Konitz aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden ist. Unter den fünf Richtern befand sich auch der jüdische Landrichter Bohm.
In der Mordnacht vom 11. zum 12. März 1900 ist in dem Keller des Fleischer Adolph Lewyschen Hauses zwischen 10 bis 11 Uhr auch noch von anderen Personen, außer dem schon erwähnten Arbeiter Masloff, Licht gesehen worden. Die Mitglieder der Familie Lewy bestreiten das und behaupten, es sei damals kein Licht in ihrem Keller gewesen.
Im Anschlusse hieran sei erwähnt, daß Moritz Lewy auch seine Bekanntschaft und seinen Verkehr mit dem ermordeten Ernst Winter in Abrede stellt. Eine ganze Reihe von Zeugen haben gesehen und gehört – vergl. den Prozeß Lewy auf Seite 60 – ,wie Moritz Lewy mit dem Winter verkehrt und gesprochen hat.
Am 11. März 190 zwischen 7 und 8 Uhr abends ist aus der Mauergasse her, wo das Lewysche Hinterhaus sich befindet, der schreckliche Schrei eines Menschen gehört worden.
Am Abend des 11. März um 11 Uhr haben mehrere Personen einen eigentümlichen Geruch, wie von verbrannten Lumpen, in der Nähe der Synagoge wahrgenommen.
Zu derselben Zeit sahen die Personen in der Synagoge ein sich bewegendes Licht. Als ein Zeuge solches dem Kriminal- Kommisar Wehn mitteilte, sagt dieser Beamte: ,,Da sehen Sie wieder das alberne Vorurteil, das alberne Märchen, das uns die Untersuchung so sehr erschwert."
Dem Präparanden Speisiger bot ein Jude Geld für eine Aussage gegen den Fleischermeister Hoffmann. – Der unverehel. Rosine Simanowski versprachen andere Juden dafür Geld, wenn sie nichts darüber äußere, daß sie etwas von einem Verkehr zwischen Lewy und Winter wisse.
Dem Vater des Ermordeten ist von jüdischer Seite brieflich ein Schweigegeld angeboten worden, wenn er sich ruhig verhalten würde. Eine photographische Abbildung dieses Briefes nebst Adresse, dessen Handschrift auf einen angesehenen jüdischen Mann in Konitz hinweist, lassen wir umstehend folgen. [42]
[Eingefügtes Bild:]
(Stempel auf der Rückseite des Briefumschlages.)
(Stempel der Vorderseite des Briefumschlages. Der Ort heißt: Hammerstein.)
[Siehe: Scan: Der Blutmord in Konitz, S. 42]
[43] Der Brief lautet:
An
Herrn Winter
Prechlau.
Da jetzt das Verfahren gegen Hoffmann eingeleitet wird, so ersuchen wir Sie zu schweigen wir versichern Ihnen das der Mord nicht heraus kommen wird. Es kostet uns die Sache schon 200 000 Mk.
Wenn Sie von heute ab gerechneten mit Ihren Verdächtigungen gegen uns die wir so handeln mußten Schweigen so erhalten Sie auch noch 50.000 Mark. Wenn Sie schweigen wollen so haben Sie umgehend in [ den Geselligen*)[1] Graudenz die Worte == Schweige Winter == setzen zu lassen und 50.000 Mark gehen Ihnen innerhalb eines Monats zu und zwar aus verschiedenen Orten und verschiedenen Summen, damit es nicht auffällt. Seien sie entlich vernünftig es ist Ihr Vorteil. Wenn sie mit diesem Schreiben wider nach Konitz laufen so erfahren wir es gleich und Sie bekommen keinen Pfennig. Wir Juden haben [es gemacht, wir mußten es aber tun, das sei ihr Trost.
Der alte Lewy ließ sich kurz vor dem 11. März 1900 eine neue Fleischbank machen, die aber jetzt verschwunden ist; gleich nach dem Mordtage hat Lewy seinen Fleischklotz neu abhobeln lassen, trotzdem er zugeständlich fast gar nicht mehr schlachtet.
Am Vormittag des 13. März 1900, ehe noch der Rumpf des Winter im Mönchsee aufgefunden war, erzählte der jüdische Händler Aler Prinz in Gegenwart dreier Frauen, daß der Gymnasiast Winter im Keller des Adolph Lewy von auswärtigen Juden abgeschlachtet worden sei. Weiter erzählte Prinz:
Der jüdische Kantor aus Schlochau, Hamburger, hat dem Gymnasiasten Winter den Hals durchgeschnitten. Drei jüdische Kantoren haben den Gymnasiasten Winter ermordet, der hießige heißt Heymann, der Schlochauer Hamburger, der dritte war aus Elbing.
Die Ehefrau des Israelski, der unter dem Verdacht der Kopf- Verschleppung verhaftet war, sagte zu einem Gerichtsdiener: ,,Die russischen Juden sind fort, und mein Mann soll jetzt der Sündenbock sein!"
Der Kaufmann Semmel Rosenthal zu Kamin, einem Städtchen zwei Meilen von Konitz, sagte bald nach der Ermordung des Winter: ,,Komme ich nach Konitz, dann gebe ich alle Personen aus, welche beim Schächten des Winter dabei gewesen sind." Am folgenden Tage suchte Rosenthal sich zu erhängen, wurde aber abgeschnitten.
Der Synagogendiener Nossek zu Konitz sagte bald nach dem Auffinden des Kopfes zu einem anderen Juden auf dem Synagogen- Hofe: ,,Hätten sie nur den Kopf des Winter nicht so früh gefunden." [44] Auf Grund der vorstehend aufgereihten Thatsachen und einer ganzen Menge weiterer wichtiger Fälle, die meist auch schon in den gerichtlichen Akten ermittelt worden sind, hat der Vater des Ermordeten, der Bau- Unternehmer Winter zu Prechlau, bei der Königlichen Staatsanwaltschaft zu Konitz im November 1900 den Antrag gestellt, gegen den Fleischermeister Adolph Lewy und dessen Sohn Moritz Lewy wegen Beihilfe bei der Ermordung seines Sohnes das Strafverfahren einzuleiten.
Anmerkungen
- ↑ Eine liberale Tageszeitung