Das Käthchen von Heilbronn/Dritter Akt

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Dritter Act.

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Scene. Gebirg und Wald. Eine Einsiedelei.

Erster Auftritt

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Theobald und Gottfried Friedeborn (führen) das Käthchen (von einem Felsen herab).

THEOBALD. Nimm dich in Acht, mein liebes Käthchen; der Gebirgspfad, siehst du, hat eine Spalte. Setze deinen Fuß hier auf diesen Stein, der ein wenig mit Moos bewachsen ist; wenn ich wüßte, wo eine Rose wäre, so wollte ich es dir sagen. – So!

GOTTFRIED. Doch hast wohl Gott, Käthchen, nichts von der Reise anvertraut, die du heut zu thun willens warst? – Ich glaubte, an dem Kreuzweg, wo das Marienbild steht, würden zwei Engel kommen, Jünglinge, von hoher Gestalt, mit schneeweißen Fittigen an den Schultern, und sagen: Ade, Theobald! Ade, Gottfried! Kehrt zurück, von wo ihr gekommen seid; wir werden das Käthchen jetzt auf seinem Wege zu Gott weiter führen. – Doch es war nichts; wir mußten dich ganz bis ans Kloster herbringen.

[95] THEOBALD. Die Eichen sind so still, die auf den Bergen verstreut sind: man hört den Specht, der daran pickt. Ich glaube, sie wissen, daß Käthchen angekommen ist, und lauschen auf das, was sie denkt. Wenn ich mich doch in die Welt auflösen könnte, um es zu erfahren. Harfenklang muß nicht lieblicher seyn, als ihr Gefühl; es würde Israel hinweggelockt von David und seinen Zungen neue Psalter gelehrt haben. – Mein liebes Käthchen?

KÄTHCHEN. Mein lieber Vater!

THEOBALD. Sprich ein Wort.

KÄTHCHEN. Sind wir am Ziele?

THEOBALD. Wir sind’s. Dort in jenem freundlichen Gebäude, das mit seinen Türmen zwischen die Felsen geklemmt ist, sind die stillen Zellen der frommen Augustinermönche; und hier, der geheiligte Ort, wo sie beten.

KÄTHCHEN. Ich fühle mich matt.

THEOBALD. Wir wollen uns setzen. Komm, gieb mir deine Hand, daß ich dich stütze. Hier vor diesem Gitter ist [96] eine Ruhebank, mit kurzem und dichtem Gras bewachsen: schau her, das angenehmste Plätzchen, das ich jemals sah.

(sie setzen sich.)

GOTTFRIED. Wie befindest du dich?

KÄTHCHEN. Sehr wohl.

THEOBALD. Du scheinst doch blaß, und deine Stirne ist voll Schweiß?

(Pause).

GOTTFRIED. Sonst warst du so rüstig, konntest meilenweit wandern, durch Wald und Feld, und brauchtest nichts, als einen Stein, und das Bündel, das du auf der Schulter trugst, zum Pfühl, um dich wieder herzustellen; und heut bist du so erschöpft, daß es scheint, als ob alle Betten, in welchen die Kaiserin ruht, dich nicht wieder auf die Beine bringen würden.

THEOBALD. Willst du mit etwas erquickt sein.

GOTTFRIED. Soll ich gehen und dir einen Trunk Wasser schöpfen?

THEOBALD. Oder suchen wo dir eine Frucht blüht?

[97] GOTTFRIED. Sprich, mein liebes Käthchen!

KÄTHCHEN. Ich danke dir, lieber Vater.

THEOBALD. Du dankst uns.

GOTTFRIED. Du verschmähst Alles.

THEOBALD. Du begehrst nichts, als daß ich ein Ende mache: hingehe und dem Prior Hatto, – meinem alten Freund, sage: der alte Theobald sei da, der sein einzig liebes Kind begraben wolle.

KÄTHCHEN. Mein lieber Vater!

THEOBALD. Nun gut. Es soll geschehn. Doch bevor wir die entscheidenden Schritte thun, die nicht mehr zurück zu nehmen sind, will ich dir noch etwas sagen. Ich will dir sagen, was Gottfried und mir eingefallen ist, auf dem Wege hierher, und was, wie uns scheint, ins Werk zu richten notwendig ist, bevor wir den Prior in dieser Sache sprechen. – Willst du es wissen?

KÄTHCHEN. Rede!

[98] THEOBALD. Nun wohlan, so merk auf, und prüfe dein Herz wohl! – Du willst in das Kloster der Ursulinerinnen gehen, das tief im einsamen kieferreichen Gebirge seinen Sitz hat. Die Welt, der liebliche Schauplatz des Lebens, reizt dich nicht mehr; Gottes Antlitz, in Abgezogenheit und Frömmigkeit angeschaut, soll dir Vater, Hochzeit, Kind, und der Kuß kleiner blühender Enkel seyn.

KÄTHCHEN. Ja, mein lieber Vater.

THEOBALD (nach einer kurzen Pause). Wie wärs, wenn du auf ein paar Wochen, da die Witterung noch schön ist, zu dem Gemäuer zurückkehrtest, und dir die Sache ein wenig überlegtest?

KÄTHCHEN. Wie?

THEOBALD. Wenn du wieder hingingst, mein’ ich, nach der Strahlburg, unter den Hollunderstrauch, wo sich der Zeisig das Nest gebaut hat, am Hang des Felsens, du weißt, von wo das Schloß, im Sonnenstrahl funkelnd, über die Gauen des Landes herniederschaut?

KÄTHCHEN. Nein, mein lieber Vater!

[99] THEOBALD. Warum nicht?

KÄTHCHEN. Der Graf, mein Herr, hat es mir verboten.

THEOBALD. Er hat es dir verboten. Gut. Und was er dir verboten hat, das darfst du nicht thun. Doch wie, wenn ich hinginge und ihn bäte, daß er es erlaubte?

KÄTHCHEN. Wie? Was sagst du?

THEOBALD. Wenn ich ihn ersuchte, dir das Plätzchen, wo dir so wohl ist, zu gönnen, und mir die Freiheit würde, dich daselbst mit dem, was du zur Notdurft brauchst, freundlich auszustatten?

KÄTHCHEN. Nein, mein lieber Vater.

THEOBALD. Warum nicht?

KÄTHCHEN (beklemmt). Das würdest du nicht thun; und wenn du es thätest, so würde es der Graf nicht erlauben; und wenn der Graf es erlaubte, so würd’ ich doch von seiner Erlaubniß keinen Gebrauch machen.

THEOBALD. Käthchen! Mein liebes Käthchen! Ich will es [100] thun. Ich will mich so vor ihm niederlegen, wie ich es jetzt vor dir thue, und sprechen: mein hoher Herr! erlaubt, daß das Käthchen unter dem Himmel, der über eure Burg gespannt ist, wohne; reitet ihr aus, so vergönnt, daß sie euch von fern, auf einen Pfeilschuß, folge, und räumt ihr, wenn die Nacht kömmt, ein Plätzchen auf dem Stroh ein, das euren stolzen Rossen untergeschüttet wird. Es ist besser, als daß sie vor Gram vergehe.

KÄTHCHEN (indem sie sich gleichfalls vor ihm niederlegt). Gott im höchsten Himmel; du vernichtest mich! Du legst mir deine Worte kreuzweis, wie Messer, in die Brust! Ich will jetzt nicht mehr ins Kloster gehen, nach Heilbronn will ich mit dir zurückkehren, ich will den Grafen vergessen, und, wen du willst, heiraten; müßt’ auch ein Grab mir, von acht Ellen Tiefe, das Brautbett sein.

THEOBALD (der aufgestanden ist und sie aufhebt). Bist du mir bös, Käthchen?

KÄTHCHEN. Nein, nein! Was fällt dir ein?

THEOBALD. Ich will dich ins Kloster bringen!

KÄTHCHEN. Nimmer und nimmermehr! Weder auf die Strahlburg, noch ins Kloster! – Schaff mir nur jetzt, bei [101] dem Prior, ein Nachtlager, daß ich mein Haupt niederlege, und mich erhole; mit Tagesanbruch, wenn es sein kann, gehen wir zurück. (Sie weint.)

GOTTFRIED. Was hast du gemacht, Alter?

THEOBALD. Ach! Ich habe sie gekränkt!

GOTTFRIED (klingelt). Prior Hatto ist zu Hause?

PFÖRTNER. (öffnet). Gelobt sei Jesus Christus!

THEOBALD. In Ewigkeit, Amen!

GOTTFRIED. Vielleicht besinnt sie sich!

THEOBALD. Komm, meine Tochter!

(Alle ab).

[102] Scene. Eine Herberge.

Zweiter Auftritt

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Der Rheingraf vom Stein und Friedrich von Herrnstadt (treten auf, ihnen folgt): Jakob Pech, der Gastwirth. Gefolge von Knechten.

RHEINGRAF (zu dem Gefolge). Laßt die Pferde absatteln! Stellt Wachen aus, auf dreihundert Schritt um die Herberge, und laßt jeden ein, niemand aus! Füttert und bleibt, in den Ställen, und zeigt euch, so wenig es seyn kann; wenn Eginhardt mit Kundschaft aus der Thurneck zurückkommt, geb’ ich euch meine weitern Befehle.

(Das Gefolge ab.)

Wer wohnt hier?

JACOB PECH. Halten zu Gnaden, ich und meine Frau, gestrenger Herr.

RHEINGRAF. Und hier?

JAKOB PECH. Vieh.

RHEINGRAF. Wie?

JAKOB PECH. Vieh. – Eine Sau mit ihrem Wurf, halten zu [103] Gnaden; es ist ein Schweinstall, von Latten draußen angebaut.

RHEINGRAF. Gut. – Wer wohnt hier?

JACOB PECH. Wo?

RHEINGRAF. Hinter dieser dritten Thür?

JACOB PECH. Niemand, halten zu Gnaden.

RHEINGRAF. Niemand?

JACOB PECH. Niemand gestrenger Herr, gewiß und wahrhaftig. Oder vielmehr jedermann. Es geht wieder auf’s offne Feld hinaus.

RHEINGRAF. Gut. – Wie heißest du?

JACOB PECH. Jacob Pech.

RHEINGRAF. Tritt ab, Jacob Pech. –

(Der Gastwirth ab.)

RHEINGRAF. Ich will mich hier, wie die Spinne, zusammen knäueln, daß ich aussehe, wie ein Häuflein argloser [104] Staub; und wenn sie im Netz sitzt, diese Kunigunde, über sie herfahren – den Stachel der Rache tief eindrücken in ihre treulose Brust: tödten, tödten, tödten, und ihr Gerippe, als das Monument einer Erzbuhlerin, in dem Gebälke der Steinburg aufbewahren!

FRIEDRICH. Ruhig, ruhig Albrecht! Eginhardt, den du nach Thurneck gesandt hast, ist noch, mit der Bestätigung dessen, was du argwohnst, nicht zurück.

RHEINGRAF. Da hast du recht, Freund; Eginhardt ist noch nicht zurück. Zwar in dem Zettel, den mir die Bübin schrieb, steht: ihre Empfehlung voran; es sei nicht nöthig, daß ich mich fürder um sie bemühe; Stauffen sei ihr von dem Grafen vom Strahl, auf dem Wege freundlicher Vermittlung, abgetreten. Bei meiner unsterblichen Seele, hat dies irgend einen Zusammenhang, der rechtschaffen ist: so will ich es hinunterschlucken, und die Kriegsrüstung, die ich für sie gemacht, wieder auseinander gehen lassen. Doch wenn Eginhardt kommt und mir sagt, was mir das Gerüchte schon gesteckt, daß sie ihm mit ihrer Hand verlobt ist: so will ich meine Artigkeit, wie ein Taschenmesser, zusammenlegen, und ihr die Kriegskosten wieder abjagen: müßt’ ich sie umkehren, und ihr den Betrag hellerweise aus den Taschen herausschütteln.

[105]  

Dritter Auftritt

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Eginhardt von der Wart (tritt auf). Die Vorigen.

RHEINGRAF. Nun, Freund, alle Grüße treuer Brüderschaft über dich! – Wie steht’s auf dem Schlosse zu Thurneck?

EGINHARDT. Freunde, es ist alles, wie der Ruf uns erzählt! Sie gehen mit vollen Segeln auf dem Ocean der Liebe, und ehe der Mond sich erneut, sind sie in den Hafen der Ehe eingelaufen.

RHEINGRAF. Der Blitz soll ihre Masten zersplittern, ehe sie ihn erreichen!

FRIEDRICH. Sie sind miteinander verlobt?

EGINHARDT. Mit dürren Worten, glaub’ ich, nein; doch wenn Blicke reden, Mienen schreiben und Händedrücke siegeln können, so sind die Ehepacten fertig.

RHEINGRAF. Wie ist es mit der Schenkung von Stauffen zugegangen? Das erzähle!

FRIEDRICH. Wann machte er ihr das Geschenk?

[106] EGINHARDT. Ei! Vorgestern, am Morgen ihres Geburtstags, da die Vettern ihr ein glänzendes Fest in der Thurneck bereitet hatten. Die Sonne schien kaum röthlich auf ihr Lager: da findet sie das Document schon auf der Decke liegen; das Document, versteht mich, in ein Briefchen des verliebten Grafen eingewickelt, mit der Versicherung, daß es ihr Brautgeschenk sei, wenn sie sich entschließen könne, ihm ihre Hand zu geben.

RHEINGRAF. Sie nahm es? Natürlich! Sie stellte sich vor den Spiegel, knixte, und nahm es?

EGINHARDT. Das Document? Allerdings.

FRIEDRICH. Aber die Hand, die dagegen gefordert ward?

EGINHARDT. O die verweigerte sie nicht.

FRIEDRICH. Was! Nicht?

EGINHARDT. Nein. Gott behüte! Wann hätte sie je einem Freier ihre Hand verweigert.

RHEINGRAF. Aber sie hält, wenn die Glocke geht, nicht Wort?

[107] EGINHARDT. Danach habt ihr mich nicht gefragt.

RHEINGRAF. Wie beantwortete sie den Brief?

EGINHARDT. Sie sey so gerührt, daß ihre Augen, wie, zwei Quellen, niederträufelten, und ihre Schrift ertränkten; – die Sprache, an die sie sich wenden müsse, ihr Gefühl auszudrücken, sei ein Bettler. – Er habe, auch ohne dieses Opfer, ein ewiges Recht an ihre Dankbarkeit, und es sei, wie mit einem Diamanten, in ihre Brust geschrieben; – kurz, einen Brief voll doppelsinniger Fratzen, der, wie der Schillertaft, zwei Farben spielt, und weder ja sagt, noch nein.

RHEINGRAF. Nun, Freunde; ihre Zauberei geht, mit diesem Kunststück zu Grabe! Mich betrog sie, und keinen mehr; die Reihe derer, die sie am Narrenseil geführt hat, schließt mit mir ab. – Wo sind die beiden reitenden Boten?

FRIEDRICH (in die Thür rufend). He!

[108]  

Vierter Auftritt.

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Zwei Boten (treten auf). Die Vorigen.

RHEINGRAF (nimmt zwei Briefe aus dem Collett). Diese beiden Briefe nehmt ihr – diesen du, diesen du; und tragt sie – diesen hier du an den Dominikanerprior Hatto, verstehst du? Ich würd’ Glock sieben gegen Abend kommen, und Absolution in seinem Kloster empfangen? Diesen hier du an Peter Quanz, Haushofmeister in der Burg zu Thurneck; Schlag zwölf um Mitternacht stünd’ ich mit meinem Kriegshaufen vor dem Schloß, und bräche ein. Du gehst nicht eher in die Burg, du, bis es finster ist, und lässest dich vor keinem Menschen sehen; verstehst du mich? – Du brauchst das Tageslicht nicht zu scheuen. – Habt ihr mich verstanden?

DIE BOTEN. Gut.

RHEINGRAF (nimmt ihnen die Briefe wieder aus der Hand). Die Briefe sind doch nicht verwechselt?

FRIEDRICH. Nein, nein.

RHEINGRAF. Nicht? – Himmel und Erde!

[109] EGINHARDT. Was giebt’s?

RHEINGRAF. Wer versiegelte sie?

FRIEDRICH. Die Briefe?

RHEINGRAF. Ja!

FRIEDRICH. Tod und Verderben! Du versiegeltest sie selbst!

RHEINGRAF (giebt den Boten die Briefe wieder). Ganz recht! hier, nehmt! Auf der Mühle, beim Sturzbach, werd’ ich euch erwarten. – Kommt meine Freunde!

(Alle ab).

Scene: Thurneck. Ein Zimmer in der Burg.

Fünfter Auftritt.

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Der Graf vom Strahl (sitzt gedankenvoll an einem Tisch, auf welchem zwei Lichter stehen. Er hält eine Laute in der Hand, und thut einige Griffe darauf. Im Hintergrunde, bei seinen Kleidern und Waffen beschäftigt,) Gottschalk.

STIMME (von außen). Macht auf! Macht auf! Macht auf!

[110] GOTTSCHALK. Holla! – Wer ruft?

STIMME. Ich, Gottschalk, bin’s; ich bin’s, du lieber Gottschalk!

GOTTSCHALK. Wer?

STIMME. Ich!

GOTTSCHALK. Du?

STIMME. Ja!

GOTTSCHALK. Wer?

STIMME. Ich!

DER GRAF VOM STRAHL (legt die Laute weg). Die Stimme kenn’ ich!

GOTTSCHALK. Mein Seel! Ich hab’ sie auch schon wo gehört.

STIMME. Herr Graf vom Strahl! Macht auf! Herr Graf vom Strahl!

DER GRAF VOM STRAHL. Bei Gott! Das ist –

[111] GOTTSCHALK. Das ist, so wahr ich lebe –

STIMME.

Das Käthchen ist’s! Wer sonst! Das Käthchen ist’s,
Das kleine Käthchen von Heilbronn!

DER GRAF VOM STRAHL (steht auf). Wie? Was? zum Teufel!

GOTTSCHALK (legt alles aus der Hand). Du, Mädel? Was! O Herzensmädel! Du? (Er öffnet die Thür.)

DER GRAF VOM STRAHL. Ward, seit die Welt steht, so etwas – ?

KÄTHCHEN (indem sie eintritt). Ich bin’s.

GOTTSCHALK. Schaut her, bei Gott! Schaut her, sie ist es selbst!

Sechster Auftritt.

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Das Käthchen (mit einem Brief). Die Vorigen.

DER GRAF VOM STRAHL. Schmeiß sie hinaus. Ich will nichts von ihr wissen.

[112] GOTTSCHALK. Was! Hört’ ich recht – ?

KÄTHCHEN. Wo ist der Graf vom Strahl?

GRAF VOM STRAHL. Schmeiß sie hinaus! Ich will nichts von ihr wissen!

GOTTSCHALK (nimmt sie bei der Hand). Wie, gnädiger Herr, vergönnt – !

KÄTHCHEN (reicht ihm den Brief). Hier! nehmt, Herr Graf!

GRAF VOM STRAHL (sich plötzlich zu ihr wendend). Was willst du hier? Was hast du hier zu suchen?

KÄTHCHEN (erschrocken). Nichts! – Gott behüte! Diesen Brief hier bitt ich –

GRAF VOM STRAHL. Ich will ihn nicht! – Was ist dies für ein Brief? Wo kommt er her? Und was enthält er mir?

KÄTHCHEN. Der Brief hier ist –

GRAF VOM STRAHL. Ich will davon nichts wissen! Fort! Gieb ihn unten in dem Vorsaal ab.

KÄTHCHEN. Mein hoher Herr! Laßt’ bitt ich, euch bedeuten –

[113] GRAF VOM STRAHL (wild).

Die Dirne, die landstreichend unverschämte!
Ich will nichts von ihr wissen! Hinweg, sag’ ich!
Zurück nach Heilbronn, wo du hingehörst!

KÄTHCHEN.

Herr meines Lebens! Gleich verlass’ ich euch!
Den Brief nur hier, der euch sehr wichtig ist,
Erniedrigt euch, von meiner Hand zu nehmen.

GRAF VOM STRAHL.

Ich aber will ihn nicht! Ich mag ihn nicht!
Fort! Augenblicks! Hinweg!

KÄTHCHEN. Mein hoher Herr!

GRAF VOM STRAHL (wendet sich).

Die Peitsche her! An welchem Nagel hängt sie?
Ich will doch sehn, ob ich, vor losen Mädchen,
In meinem Haus nicht Ruh mir kann verschaffen.
(er nimmt die Peitsche von der Wand).

GOTTSCHALK.

O Gnäd’ger Herr! Was macht ihr? Was beginnt ihr?
Warum auch wollt ihr, den nicht sie verfaßt,
Den Brief, nicht freundlich aus der Hand ihr nehmen?

DER GRAF VOM STRAHL. Schweig, alter Esel, du, sag’ ich.

[114] KÄTHCHEN (zu Gottschalk). Laß, Laß!

GRAF VOM STRAHL.

In Thurneck bin ich hier, weiß, was ich thue;
Ich will den Brief aus ihrer Hand nicht nehmen!
– Willst du jetzt gehn?

KÄTHCHEN (rasch). Ja, mein verehrter Herr!

GRAF VOM STRAHL. Wohlan!

GOTTSCHALK (halblaut zu Käthchen da sie zittert). Sei ruhig. Fürchte nichts.

GRAF VOM STRAHL.

So fern’ dich! –
Am Eingang steht ein Knecht, dem gieb den Brief,
Und kehr des Weges heim, von wo du kamst.

KÄTHCHEN.

Gut, gut. Du wirst mich dir gehorsam finden.
Peitsch mich nur nicht, bis ich mit Gottschalk sprach. –
(sie kehrt sich zu Gottschalk um.)
Nimm du den Brief.

GOTTSCHALK.

Gieb her, mein liebes Kind.
Was ist dies für ein Brief? Und was enthält er?

KÄTHCHEN.

Der Brief hier ist vom Graf vom Stein, verstehst du?

[115]

Ein Anschlag, der noch heut vollführt soll werden,
Auf Thurneck, diese Burg, darin enthalten,
Und auf das schöne Fräulein Kunigunde,
Des Grafen, meines hohen Herren, Braut.

GOTTSCHALK.

Ein Anschlag auf die Burg? Es ist nicht möglich!
Und vom Graf Stein? – Wie kamst du zu dem Brief?

KÄTHCHEN.

Der Brief ward Prior Hatto übergeben,
Als ich mit Vater just, durch Gottes Fügung,
In dessen stiller Klause mich befand.
Der Prior, der verstand den Inhalt nicht,
Und wollt’ ihn schon dem Boten wiedergeben;
Ich aber riß den Brief ihm aus der Hand,
Und eilte gleich nach Thurneck her, euch Alles
Zu melden, in die Harnische zu jagen;
Denn heut, Schlag zwölf um Mitternacht, soll schon
Der mörderische Frevel sich vollstrecken.

GOTTSCHALK. Wie kam der Prior Hatto zu dem Brief?

KÄTHCHEN.

Lieber, das weiß ich nicht; es ist gleichviel.
Er ist, du siehst an irgend wen geschrieben,
Der hier im Schloß zu Thurneck wohnhaft ist;
Was er dem Prior soll, begreift man nicht.

[116]

Doch daß es mit dem Anschlag richtig ist,
Das hab’ ich selbst gesehn; denn kurz und gut,
Der Graf zieht auf die Thurneck schon heran:
Ich bin ihm, auf dem Pfad’ hieher, begegnet.

GOTTSCHALK. Du siehst Gespenster, Töchterchen!

KÄTHCHEN.

Gespenster! –
Ich sage, nein! So wahr ich Käthchen bin!
Der Graf liegt draußen vor der Burg, und wer
Ein Pferd besteigen will, und um sich schauen,
Der kann den ganzen weiten Wald ringsum
Erfüllt von seinen Reisigen erblicken!

GOTTSCHALK.

– Nehmt doch den Brief, Herr Graf, und seht selbst zu.
Ich weiß nicht, was ich davon denken soll.

DER GRAF VOM STRAHL (legt die Peitsche weg, nimmt den Brief und entfaltet ihn).

„Um zwölf Uhr, wenn das Glöckchen schlägt, bin ich
Vor Thurneck. Laß die Thore offen sein.
Sobald die Flamme zuckt, zieh’ ich hinein.
Auf niemand münz’ ich es, als Kunigunden,
Und ihren Bräutigam, den Graf vom Strahl:
Thu mir zu wissen, Alter, wo sie wohnen.“

[117] GOTTSCHALK. Ein Höllenfrevel! – Und die Unterschrift?

GRAF VOM STRAHL. Das sind drei Kreuze.

(Pause.)

Wie stark fandst du den Kriegstroß, Katharina?

KÄTHCHEN. Auf sechzig Mann, mein hoher Herr, bis siebzig.

GRAF VOM STRAHL. Sahst du ihn selbst den Graf vom Stein?

KÄTHCHEN. Ihn nicht.

GRAF VOM STRAHL. Wer führte seine Mannschaft an?

KÄTHCHEN.

Zwey Ritter,
Mein hochverehrter Herr, die ich nicht kannte.

GRAF VOM STRAHL. Und jetzt, sagst du, sie lägen vor der Burg?

KÄTHCHEN. Ja, mein verehrter Herr.

GRAF VOM STRAHL. Wie weit von hier?

KÄTHCHEN. Auf ein dreitausend Schritt, verstreut im Walde.

[118] GRAF VOM STRAHL. Rechts, auf der Straße?

KÄTHCHEN.

Links, im Föhrengrunde,
Wo überm Sturzbach sich die Brücke baut.

(Pause.)

GOTTSCHALK. Ein Anschlag, gräuelhaft, und unerhört!

DER GRAF VOM STRAHL (steckt den Brief ein).

Ruf mir sogleich die Herrn von Thurneck her!
– Wie hoch ist’s an der Zeit?

GOTTSCHALK. Glock halb auf zwölf.

GRAF VOM STRAHL. So ist kein Augenblick mehr zu verlieren. (er setzt sich den Helm auf.)

GOTTSCHALK.

Gleich, gleich; ich gehe schon! – Komm, liebes Käthchen,
Daß ich dir das erschöpfte Herz erquicke! –
Wie großen Dank, bei Gott, sind wir dir schuldig?
So in der Nacht, durch Wald und Feld und Thal –

DER GRAF VOM STRAHL. Hast du mir sonst noch, Jungfrau, was zu sagen?

KÄTHCHEN. Nein, mein verehrter Herr.

[119] GRAF VOM STRAHL. – Was suchst du da?

KÄTHCHEN (sich in den Busen fassend).

Den Einschlag, der vielleicht dir wichtig ist.
Ich glaub’, ich hab’ – ? Ich glaub’, er ist – ?
(Sie sieht sich um.)

GRAF VOM STRAHL. Der Einschlag?

KÄTHCHEN. Nein, hier. (sie nimmt das Couvert und giebt es dem Grafen.)

GRAF VOM STRAHL.

Gieb her!
(er betrachtet das Papier).
Dein Antlitz speit ja Flammen! –
Du nimmst dir gleich ein Tuch um, Katharina,
Und trinkst nicht ehr, bis du dich abgekühlt.
– Du aber hast keins?

KÄTHCHEN. Nein –

DER GRAF VOM STRAHL.

(macht sich die Schärpe los – wendet sich plötzlich, und wirft sie auf den Tisch.)
So nimm die Schärpe.
(nimmt die Handschuh und zieht sie sich an.)
Wenn du zum Vater wieder heim willst kehren,
Werd’ ich, wie sich’s von selbst versteht –
(er hält inne).

[120] KÄTHCHEN. Was wirst du?

GRAF VOM STRAHL (erblickt die Peitsche). Was macht die Peitsche hier?

GOTTSCHALK. Ihr selbst ja nahmt sie –!

GRAF VOM STRAHL (ergrimmt).

Hab’ ich hier Hunde, die zu schmeißen sind?
(Er wirft die Peitsche, daß die Scherben niederklirren, durchs Fenster; hierauf zu Käthchen):
Pferd’ dir, mein liebes Kind, und Wagen geben,
Die sicher nach Heilbronn dich heimgeleiten.
– Wann denkst du heim?

KÄTHCHEN (zitternd). Gleich, mein verehrter Herr.

GRAF VOM STRAHL (streichelt ihre Wangen).

Gleich nicht! Du kannst im Wirthshaus übernachten.
(er weint).
– Was glotzt er da? Geh, nimm die Scherben auf!
(Gottschalk hebt die Scherben auf. Er nimmt die Schärpe vom Tisch, und giebt sie Käthchen).
Da! Wenn du dich gekühlt, gieb mir sie wieder.

KÄTHCHEN (sie will seine Hand küssen). Mein hoher Herr!

[121] GRAF VOM STRAHL (wendet sich von ihr ab). Leb wohl! Leb wohl! Leb wohl!

(Getümmel und Glockenklang draußen).

GOTTSCHALK. Gott, der Allmächtige!

KÄTHCHEN. Was ist? Was giebts?

GOTTSCHALK. Ist das nicht Sturm?

KÄTHCHEN. Sturm?

GRAF VOM STRAHL. <poem> Auf! Ihr Herrn von Thurneck! Der Rheingraf, beim Lebend’gen, ist schon da! </poem (Alle ab).

Scene: Platz vor dem Schloß. Es ist Nacht. Das Schloß brennt. Sturmgeläute.

Siebenter Auftritt.

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EIN NACHTWÄCHTER (tritt auf und stößt ins Horn). Feuer! Feuer! Feuer! Erwacht ihr Männer von Thurneck, ihr Weiber und Kinder des Fleckens erwacht! Werft den Schlaf nieder, der, wie ein Riese, über euch liegt; besinnt euch, ersteht und erwacht! [122] Feuer! Der Frevel zog auf Socken durchs Thor! Der Mord steht, mit Pfeil und Bogen, mitten unter euch, und die Verheerung, um ihm zu leuchten, schlägt ihre Fackel an alle Ecken der Burg! Feuer! Feuer! O daß ich eine Lunge von Erz und ein Wort hätte, das sich mehr schreien ließe, als dies: Feuer! Feuer! Feuer!

Achter Auftritt

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Der Graf vom Strahl. Die drei Herren von Thurneck. Gefolge. Der Nachtwächter.

GRAF VOM STRAHL. Himmel und Erde! Wer steckte das Schloß in Brand? – Gottschalk!

GOTTSCHALK (außerhalb der Szene). He!

GRAF VOM STRAHL. Mein Schild, meine Lanze!

RITTER VON THURNECK. Was ist geschehn?

DER GRAF VOM STRAHL. Fragt nicht, nehmt was hier steht, fliegt auf die Wälle, kämpft und schlagt um euch, wie angeschossene Eber!

RITTER VON THURNECK. Der Rheingraf ist vor den Thoren?

[123] GRAF VOM STRAHL. Vor den Thoren, ihr Herrn, und ehe ihr den Riegel vorschiebt, drinn: Verrätherei, im Innern des Schlosses, hat sie ihm geöffnet!

RITTER VON THURNECK. Der Mordanschlag, der unerhörte! – Auf! (ab mit Gefolge).

GRAF VOM STRAHL. Gottschalk!

GOTTSCHALK (außerhalb). He!

GRAF VOM STRAHL. Mein Schwert! Mein Schild! meine Lanze.

Neunter Auftritt.

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Das Käthchen (tritt auf). Die Vorigen.

KÄTHCHEN (mit Schwerdt, Schild und Lanze). Hier!

GRAF VOM STRAHL (indem er das Schwerdt nimmt und es sich umgürtet). Was willst du?

KÄTHCHEN. Ich bringe dir die Waffen.

GRAF VOM STRAHL. Dich rief ich nicht!

[124] KÄTHCHEN. Gottschalk rettet.

GRAF VOM STRAHL. Warum schickt er den Buben nicht? – Du dringst Dich schon wieder auf?

(der Nachtwächter stößt wieder ins Horn.)

Zehnter Auftritt.

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Ritter Flammberg mit Reisigen. Die Vorigen.

FLAMMBERG. Ei, so blase du, daß dir die Wangen bersten! Fische und Maulwürfe wissen, daß Feuer ist, was braucht es deines gotteslästerlichen Gesangs, um es uns zu verkündigen?

GRAF VOM STRAHL. Wer da?

FLAMMBERG. Strahlburgische!

DER GRAF VOM STRAHL. Flammberg?

FLAMMBERG. Er selbst!

DER GRAF VOM STRAHL. Tritt heran! – Verweil’ hier, bis wir erfahren, wo der Kampf tobt!

[125]  

Eilfter Auftritt.

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Die Tanten von Thurneck (treten auf). Die Vorigen.

ERSTE TANTE. Gott helf’ uns!

GRAF VOM STRAHL. Ruhig, ruhig.

ZWEITE TANTE. Wir sind verloren! Wir sind gespießt.

GRAF VOM STRAHL. Wo ist Fräulein Kunigunde, eure Nichte?

DIE TANTEN. Das Fräulein, unsre Nichte?

KUNIGUNDE (im Schloß). Helft! Ihr Menschen! Helft!

GRAF VOM STRAHL. Gott im Himmel! War das nicht ihre Stimme? (er giebt Schild und Lanze an Käthchen.)

ERSTE TANTE. Sie rief! – Eilt, eilt!

ZWEITE TANTE. Dort erscheint sie im Portal!

ERSTE TANTE. Geschwind! Um aller Heiligen! Sie wankt, sie fällt!

ZWEITE TANTE. Eilt sie zu unterstützen!

[126]  

Zwölfter Auftritt.

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Kunigunde von Thurneck. Die Vorigen.

GRAF VOM STRAHL (empfängt sie in seinen Armen). Meine Kunigunde!

KUNIGUNDE (schwach).

Das Bild, das Ihr mir jüngst geschenkt, Graf Friedrich!
Das Bild mit dem Futtral!

GRAF VOM STRAHL. Was soll’s? Wo ist’s?

KUNIGUNDE. Im Feu'r! Weh mir! Helft! Rettet! Es verbrennt.

GRAF VOM STRAHL. Laßt, Laßt! Habt ihr mich selbst nicht, Theuerste?

KUNIGUNDE.

Das Bild mit dem Futtral, Herr Graf vom Strahl!
Das Bild mit dem Futtral!

KÄTHCHEN (tritt vor). Wo liegt’s, Wo steht’s? (sie giebt Schild und Lanze an Flammberg).

KUNIGUNDE. Im Schreibtisch! Hier, mein Goldkind, ist der Schlüssel!

(Käthchen geht).

GRAF VOM STRAHL. Hör; Käthchen!

[127] KUNIGUNDE. Eile!

GRAF VOM STRAHL. Hör, mein Kind!

KUNIGUNDE.

Hinweg!
Warum auch stellt ihr wehrend euch – ?

GRAF VOM STRAHL.

Mein Fräulein,
Ich will zehn andre Bilder euch statt dessen –

KUNIGUNDE (unterbricht ihn).

Dies brauch ich, dies; sonst keins! – Was es mir gilt,
Ist hier der Ort jetzt nicht, euch zu erklären. –
Geh, Mädchen geh, schaff Bild mir und Futtral:
Mit einem Diamanten lohn ich’s dir!

GRAF VOM STRAHL.

Wohlan, so schaff’s! Es ist der Thörin recht!
Was hatte sie an diesem Ort zu suchen?

KÄTHCHEN. Das Zimmer – rechts?

KUNIGUNDE.

Links, Liebchen; eine Treppe,
Dort, wo der Altan, schau, den Eingang ziert!

KÄTHCHEN. Im Mittelzimmer?

[128] KUNIGUNDE.

In dem Mittelzimmer!
Du fehlst nicht, lauf; denn die Gefahr ist dringend!

KÄTHCHEN. Auf! Auf! Mit Gott! Mit Gott! Ich bring’ es euch! (ab).

Dreizehnter Auftritt.

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Die Vorigen, (ohne Käthchen).

GRAF VOM STRAHL.

Ihr Leut’, hier ist ein Beutel Gold für den,
Der in das Haus ihr folgt!

KUNIGUNDE. Warum? Weshalb?

GRAF VOM STRAHL.

Veit Schmidt! Hans, du! Karl Böttiger! Fritz Töpfer!
Ist niemand unter euch?

KUNIGUNDE. Was fällt euch ein?

GRAF VOM STRAHL. Mein Fräulein, in der That, ich muß gestehn –

KUNIGUNDE.

Welch ein besondrer Eifer glüht euch an? –
Was ist dies für ein Kind?

[129] GRAF VOM STRAHL.

– Es ist die Jungfrau,
Die heut mit so viel Eifer uns gedient.

KUNIGUNDE.

Bei Gott, und wenn’s des Kaisers Tochter wäre!
– Was fürchtet ihr? Das Haus, wenn es gleich brennt,
Steht, wie ein Fels, auf dem Gebälke noch;
Sie wird, auf diesem Gang, nicht gleich verderben.
Die Treppe war noch unberührt vom Strahl;
Rauch ist das einz’ge Übel, das sie findet.

KÄTHCHEN (erscheint in einem brennenden Fenster).

Mein Fräulein! He! Hilf Gott! Der Rauch erstickt mich!
– Es ist der rechte Schlüssel nicht.

GRAF VOM STRAHL (zu Kunigunden).

Tod und Teufel!
Warum regiert Ihr eure Hand nicht besser?

KUNIGUNDE. Der rechte Schlüssel nicht?

KÄTHCHEN (mit schwacher Stimme). Hilf Gott! Hilf Gott!

GRAF VOM STRAHL. Komm herab, mein Kind!

KUNIGUNDE. Laßt, laßt!

[130] GRAF VOM STRAHL.

Komm herab, sag ich!
Was sollst du ohne Schlüssel dort? Komm herab!

KUNIGUNDE. Laßt einen Augenblick – !

GRAF VOM STRAHL. Wie? Was, zum Teufel!

KUNIGUNDE.

Der Schlüssel, liebes Herzens-Töchterchen,
Hängt, jetzt erinnr’ ich mich’s, am Stift des Spiegels,
Der überm Putztisch glänzend eingefugt!

KÄTHCHEN. Am Spiegelstift?

GRAF VOM STRAHL.

Beim Gott der Welt! Ich wollte,
Er hätte nie gelebt, der mich gezeichnet,
Und er, der mich gemacht hat, obenein!
– So such!

KUNIGUNDE. Mein Augenlicht! Am Putztisch, hörst du?

KÄTHCHEN (indem sie das Fenster verläßt). Wo ist der Putztisch? Voller Rauch ist Alles.

DER GRAF VOM STRAHL. Such!

KUNIGUNDE. An der Wand rechts.

[131] KÄTHCHEN (unsichtbar). Rechts?

GRAF VOM STRAHL. Such’, sag’ ich!

KÄTHCHEN (schwach). Hilf Gott! Hilf Gott! Hilf Gott!

GRAF VOM STRAHL.

Ich sage, such! –
Verflucht die hündische Dienstfertigkeit!

FLAMMBERG. Wenn sie nicht eilt: das Haus stürzt gleich zusammen!

GRAF VOM STRAHL. Schafft eine Leiter her!

KUNIGUNDE. Wie, mein Geliebter?

GRAF VOM STRAHL. Schafft eine Leiter her! Ich will hinauf.

KUNIGUNDE. Mein theurer Freund! Ihr selber wollt – ?

GRAF VOM STRAHL.

Ich bitte!
Räumt mir den Platz! Ich will das Bild Euch schaffen.

KUNIGUNDE.

Harrt einen Augenblick noch, ich beschwör’ euch.
Sie bringt es gleich herab.

[132] GRAF VOM STRAHL.

Ich sage, laßt mich! –
Putztisch und Spiegel ist, und Nagelstift,
Ihr unbekannt, mir nicht; ich find’s heraus,
Das Bild von Kreid’ und Öl auf Leinewand,
Und bring’s euch her, nach eures Herzens Wunsch.
(vier Knechte bringen eine Feuerleiter).
– Hier! Legt die Leiter an!

ERSTER KNECHT (vorn, indem er sich umsieht). Holla! Da hinten!

EIN ANDERER (zum Grafen). Wo?

GRAF VOM STRAHL. Wo das Fenster offen ist.

DIE KNECHTE (heben die Leiter auf). O ha!

DER ERSTE (vorn).

Blitz! Bleibt zurück, ihr hinten da! Was macht ihr?
Die Leiter ist zu lang!

DIE ANDEREN (hinten).

Das Fenster ein!
Das Kreuz des Fensters eingestoßen! So!

FLAMMBERG (der mit geholfen). Jetzt steht die Leiter fest und rührt sich nicht!

GRAF VOM STRAHL (wirft sein Schwerdt weg). Wohlan denn!

[133] KUNIGUNDE. Mein Geliebter! Hört mich an!

GRAF VOM STRAHL. Ich bin gleich wieder da!

(er setzt einen Fuß auf die Leiter).

FLAMMBERG (aufschreiend.) Halt! Gott im Himmel!

KUNIGUNDE (eilt erschreckt von der Leiter weg). Was giebt’s?

DIE KNECHTE. Das Haus sinkt! Fort zurücke!

ALLE. Heiland der Welt! Da liegt’s in Schutt und Trümmern!

(Das Haus sinkt zusammen, der Graf wendet sich, und drückt beide Hände vor die Stirne; Alles, was auf der Bühne ist, weicht zurück und wendet sich gleichfalls ab. – Pause).

Vierzehnter Auftritt.

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Käthchen (tritt rasch, mit einer Papierrolle, durch ein großes Portal, das stehen geblieben ist, auf; hinter ihr) ein Cherub (in der Gestalt eines Jünglings, von Licht umflossen, blondlockig, Fittige an den Schultern und einen Palmzweig in der Hand).

KÄTHCHEN (so wie sie aus dem Portal ist, kehrt sie sich, und stürzt vor ihm nieder). Schirmt mich, ihr Himmlischen! Was widerfährt mir?

[134] DER CHERUB (berührt ihr Haupt mit der Spitze des Palmenzweigs, und verschwindet).

(Pause.)

Funfzehnter Auftritt.

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Die Vorigen (ohne den Cherub).

KUNIGUNDE (sieht sich zuerst um).

Nun, beim lebend’gen Gott, ich glaub’, ich träume! –
Mein Freund! Schaut her!

GRAF VOM STRAHL (vernichtet). Flammberg! (Er stützt sich auf seine Schulter.)

KUNIGUNDE.

Ihr Vettern! Tanten!
Herr Graf! so hört doch an!

GRAF VOM STRAHL (schiebt sie von sich). Geht, geht! – – Ich bitt’ euch!

KUNIGUNDE.

Ihr Thoren! Seid ihr Säulen Salz geworden?
Gelös’t ist alles glücklich.

DER GRAF VOM STRAHL (mit abgewandtem Gesicht).

Trostlos mir!
Die Erd’ hat nichts mehr Schönes. Laßt mich sein.

[135] FLAMMBERG (zu den Knechten). Rasch, Brüder, rasch!

EIN KNECHT. Herbei, mit Harken, Spaten!

EIN ANDERER. Laßt uns den Schutt durchsuchen, ob sie lebt!

KUNIGUNDE (scharf).

Die Alten, bärt’gen Gecken, die! das Mädchen,
Das sie verbrannt zur Feuersasche glauben,
Frisch und gesund am Boden liegt sie da,
Die Schürze kichernd vor dem Mund, und lacht!

GRAF VOM STRAHL (wendet sich) Wo?

KUNIGUNDE. Hier!

FLAMMBERG. Nein, sprecht! Es ist nicht möglich.

DIE TANTEN. Das Mädchen wär – ?

ALLE. O Himmel! Schaut! Da liegt sie.

GRAF VOM STRAHL (tritt zu ihr und betrachtet sie).

Nun über dich schwebt Gott mit seinen Schaaren!
(er erhebt sie vom Boden)
Wo kommst du her?

[136] KÄTHCHEN. Weiß nit, mein hoher Herr.

GRAF VOM STRAHL.

Hier stand ein Haus, dünkt mich, und du warst drin.
– Nicht? War’s nicht so?

FLAMMBERG. – Wo warst du, als es sank?

KÄTHCHEN. Weiß nit, ihr Herren, was mir widerfahren.

(Pause.)

GRAF VOM STRAHL. Und hat noch obenein das Bild. (er nimmt ihr die Rolle aus der Hand).

KUNIGUNDE (reißt sie an sich). Wo?

GRAF VOM STRAHL. Hier.

KUNIGUNDE (erblaßt).

GRAF VOM STRAHL. Nicht? Ist’s das Bild nicht? – Freilich!

DIE TANTEN. Wunderbar!

FLAMMBERG. Wer gab dir es? Sag an!

[137] KUNIGUNDE (indem sie ihr mit der Rolle einen Streich auf die Backen giebt).

Die dumme Trine!
Hatt’ ich ihr nicht gesagt, das Futteral?

GRAF VOM STRAHL.

Nun, beim gerechten Gott, das muß ich sagen – !
– Ihr wolltet das Futtral?

KUNIGUNDE.

Ja und nichts Anders!
Ihr hattet euren Namen drauf geschrieben;
Er war mir werth, ich hatt’s ihr eingeprägt.

GRAF VOM STRAHL. Wahrhaftig, wenn es sonst nichts war –

KUNIGUNDE.

So? meint Ihr?
Das kommt zu prüfen mir zu und nicht euch.

GRAF VOM STRAHL. Mein Fräulein, eure Güte macht mich stumm.

KUNIGUNDE (zu Käthchen). Warum nahmst du’s heraus, aus dem Futteral?

DER GRAF VOM STRAHL. Warum nahmst du’s heraus, mein Kind?

KÄTHCHEN. Das Bild?

DER GRAF VOM STRAHL. Ja!

[138] KÄTHCHEN.

Ich nahm es nicht heraus, mein hoher Herr.
Das Bild, halb aufgerollt, im Schreibtischwinkel,
Den ich erschloß, lag neben dem Futtral.

KUNIGUNDE. Fort! – das Gesicht der Äffin!

GRAF VOM STRAHL. Kunigunde! –

KÄTHCHEN.

Hätt ich’s hinein erst wieder ordentlich
In das Futtral – ?

GRAF VOM STRAHL.

Nein, nein, mein liebes Käthchen!
Ich lobe dich, du hast es recht gemacht.
Wie konntest du den Werth der Pappe kennen?

KUNIGUNDE. Ein Satan leitet' ihr die Hand!

DER GRAF VOM STRAHL.

Sei ruhig! –
Das Fräulein meint es nicht so bös. – Tritt ab.

KÄTHCHEN. Wenn du mich nur nicht schlägst, mein hoher Herr! (sie geht zu Flammberg und mischt sich im Hintergrund unter die Knechte).

[139]  

Sechzehnter Auftritt.

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Die Herren von Thurneck. Die Vorigen.

RITTER VON THURNECK.

Triumph, ihr Herrn! Der Sturm ist abgeschlagen!
Der Rheingraf zieht mit blut’gem Schädel heim!

FLAMMBERG. Was! Ist er fort?

VOLK. Heil, Heil!

GRAF VOM STRAHL.

Zu Pferd, zu Pferd!
Laßt uns den Sturzbach ungesäumt erreichen,
So schneiden wir die ganze Rotte ab!

(Alle ab.)

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