Bundesgerichtshof - Sorrell and Son

Entscheidungstext
Gericht: Bundesgerichtshof
Ort:
Art der Entscheidung: Urteil
Datum: 22. November 1955
Aktenzeichen: I ZR 218/53
Zitiername: Sorrell and Son
Verfahrensgang: vorgehend Landgericht Heidelberg, Oberlandesgericht Karlsruhe
Erstbeteiligte(r): Schünemann Verlag
Gegner: Keysersche Verlagsbuchhandlung
Weitere(r) Beteiligte(r):
Amtliche Fundstelle: BGHZ 19, 110–113
Quelle: Juris
Weitere Fundstellen: LM Art. 7 ff. EGBGB Nr. 15; GRUR 1956, 135–138; NJW 1956, 377
Inhalt/Leitsatz: Ist in einem Verlagsvertrage zwischen einem Verleger, dessen gewerbliche Niederlassung im Inlande gelegen ist, und einem ausländischen Verfasser über die deutsche Übersetzung des fremdsprachigen Werkes die Anwendung eines bestimmten Rechts weder ausdrücklich noch stillschweigend vereinbart worden, so ist der Vertrag deutschem Recht zu unterstellen.
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[110]

1. Ist in einem Verlagsvertrage zwischen einem Verleger, dessen gewerbliche Niederlassung im Inlande gelegen ist, und einem ausländischen Verfasser über die deutsche Übersetzung des fremdsprachigen Werkes die Anwendung eines bestimmten Rechts weder ausdrücklich noch stillschweigend vereinbart worden, so ist der Vertrag deutschem Recht zu unterstellen (Vgl BGHZ 7, 231 [235]: hypothetischer Parteiwille).

2. Aus dem Umstande, daß der Verlagsvertrag in ausländischer Sprache abgefaßt, das Honorar des Verfassers in ausländischer Währung festgesetzt und eine ausländische Zahlstelle bestimmt worden ist, kann in einem solchen Falle für sich allein eine stillschweigende Vereinbarung über die Anwendung des ausländischen Rechts in der Regel nicht entnommen werden.

EGBGB Art. 7 ff (Internationales Privatrecht).

I. Zivilsenat, Urteil vom 22. November 1955 i. S. S. (Kl.) w. K. (Bekl.). I ZR 218/53.

I. Landgericht Heidelberg
II. Oberlandesgericht Karlsruhe

Aus den Gründen:

[1] Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Klägerin das Verlagsrecht für die deutsche Übersetzung des Romans erworben habe.

[2] Die vertraglichen Beziehungen der Klägerin hinsichtlich der deutschen Übersetzung dieses Romans mit dem Verfasser gehen auf das Abkommen zurück, das die Firma C[assell] & Co Ltd. als damalige Inhaberin des Urheberrechts – unstreitig ist dieses später an den Verfasser zurückgefallen – am 17. Mai 1927 mit der Firma Gr[ethlein] & Co und mit Dr. Th[esing] geschlossen hat. Bei diesem Abkommen handelt es sich, soweit dort der Firma Gr. & Co und Dr. Th. das alleinige Recht (the sole right) eingeräumt worden ist, den Roman in die deutsche Sprache zu übersetzen und die Übersetzung zu verlegen (to translate and publish the said work in the German language), um einen Verlagsvertrag des Inhalts, daß jedenfalls die Firma Gr. & Co – ob und inwieweit auch [111] Dr. Th., bedarf hier keiner Entscheidung – berechtigt und verpflichtet sein sollte, die deutsche Übersetzung des genannten Romans zu vervielfältigen und zu verbreiten. Die Klägerin ist in diesen Vertrag durch den Kaufvertrag vom 11. Juni 1929 eingetreten und damit an Stelle der Firma Gr. & Co Vertragspartnerin des Verfassers geworden. Der Vertrag ist später durch das unmittelbar zwischen ihr und dem Verfasser abgeschlossene Zusatzabkommen vom 23. Februar 1932 über eine wohlfeile Ausgabe der Übersetzung des Romans ergänzt worden.

[3] Das Berufungsgericht hat das so zwischen der Klägerin und dem Verfasser begründete Vertragsverhältnis deutschem Recht unterstellt. Dem ist beizutreten.

[4] Für die Frage, welchem Recht ein schuldrechtlicher Vertrag zwischen einem Inländer und einem Ausländer unterstellt werden muß, ist nach anerkannter Rechtsauffassung in erster Linie der ausdrücklich oder stillschweigend erklärte Parteiwille, gegebenenfalls der sog. mutmaßliche (hypothetische) Parteiwille und notfalls der Erfüllungsort entscheidend (BGHZ 7, 231 [234]; BGH NJW 1952, 540 mit Nachweisungen). Das Berufungsgericht hat darüber, nach welcher Richtung der Parteiwille gegangen sei, keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen, wie es denn überhaupt eine nähere Begründung für die Anwendbarkeit des deutschen Rechts nicht gegeben hat. Ersichtlich hat es aber angenommen, daß jedenfalls der Wille, das Vertragsverhältnis englischem Recht zu unterstellen, nicht erklärt worden sei. Denn anderenfalls hätte es englisches Recht anwenden müssen. Das hat es aber offensichtlich nicht getan und nicht tun wollen; es hat nur bei der noch zu erörternden Frage, ob auch hinsichtlich der deutschen Übersetzung eines anderen Romans ein Verlagsvertrag zwischen dem Verfasser und der Klägerin zustandegekommen sei, als möglich in Betracht gezogen, daß für die Begründung des Vertragsverhältnisses, insbesondere die Form des Abschlusses, englisches Recht zur Anwendung kommen könnte. In der Tat läßt der vorgetragene Sachverhalt nicht mit hinreichender Sicherheit erkennen, daß das Vertragsverhältnis nach dem erklärten Willen der Vertragsparteien dem englischen Recht hätte unterstellt werden sollen. [112]

[5] Das Abkommen vom 17. Mai 1927 und ebenso der Zusatzvertrag vom 23. Februar 1932 sind zwar in englischer Sprache abgefaßt, das Abkommen vom 17. Mai 1927 sieht die Zahlung des für den Verfasser anfallenden Honorars in englischer Währung, beide Verträge sehen eine englische Zahlstelle vor. Indessen könnte hieraus allein die Annahme, die Vertragsparteien hätten den Vertrag dem englischen Recht unterstellen wollen, nur dann hergeleitet werden, wenn noch andere Umstände gegeben wären, die auf einen solchen Willen hindeuteten (Palandt, Vorbem 2a vor Art. 12 EGBGB). Solche Umstände sind jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere können dafür nicht die in den Verträgen gewählten Formulierungen für die den Vertragspartnern des Verfassers eingeräumten Rechte herangezogen werden, die, wie die Klägerin mit Recht bemerkt, nicht geradezu auf typisch englische Rechtseinrichtungen hinweisen, sondern ebensowohl als analoger sprachlicher Ausdruck für auch dem deutschen Recht geläufige Einrichtungen angesehen werden können. Das gilt auch für den Ausdruck „the first refusal of the German right“ in Ziff 5 des Abkommens vom 17. Mai 1927, der nichts anderes besagt, als daß der Verfasser, wie das auch im deutschen Verlagswesen vielfach üblich ist, diese Bücher zuerst seinem Vertragspartner anbieten müsse, bevor er sie anderweit in Verlag gebe. Die weitere Frage, ob umgekehrt das Berufungsgericht etwa von der Annahme ausgegangen ist, der erklärte Parteiwille sei auf die Anwendung deutschen Rechts gerichtet gewesen, und ob diese Annahme rechtlich zu billigen wäre, kann auf sich beruhen, da in jedem Falle der hypothetische Parteiwille als Anknüpfungspunkt dazu nötigt, das Vertragsverhältnis deutschem Recht zu unterstellen. Der hypothetische Parteiwille in dem hier in Betracht kommenden Sinne besteht, wie der erkennende Senat in BGHZ 7, 231 [235] ausgeführt hat, nicht in hypothetischen subjektiven Vorstellungen der Vertragsparteien. Die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens bedeutet vielmehr das Suchen nach dem Anknüpfungspunkt, der sich aus der Eigenart des zu entscheidenden Sachverhalts und aus der Interessenlage, in die gegebenenfalls auch das Allgemeininteresse einzubeziehen ist, unter Berücksichtigung rein objektiver Gesichts- [113] punkte ergibt. Dabei kommt der Frage besonderes Gewicht zu, wo sich der Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses befindet. Weist dieser auf eine bestimmte Rechtsordnung hin, so kann das für die Wahl des anzuwendenden Rechts ausschlaggebend sein (RGZ 81, 275; Palandt Vorbem 2a vor Art. 12 EGBGB). Nach nahezu einhelliger Rechtsansicht liegt aber bei einem Verlagsvertrage der Schwerpunkt am Orte der gewerblichen Niederlassung des Verlegers. Zwar ist notwendige Voraussetzung eines jeden Verlagsvertrages, daß ein verlagsfähiges Werk vorhanden ist oder künftig geschaffen wird. Indessen ist diese Voraussetzung für die rechtliche und wirtschaftliche Eigenart des Verlagsvertrages nicht kennzeichnend. Das Charakteristikum des Verlagsvertrages besteht vielmehr in der dem Verleger obliegenden Leistung, das in Verlag gegebene Werk zu vervielfältigen und zu verbreiten. Diese Leistung, die eine Fülle von Einzelhandlungen bedingt, ist aber von der gewerblichen Niederlassung des Verlegers aus zu erbringen. Durchaus überwiegend wird deshalb auf den Verlagsvertrag, sofern kein abweichender Parteiwille erklärt worden ist, das für den Ort der gewerblichen Niederlassung des Verlegers maßgebende Recht angewendet (Hoffmann, Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Bd 5 S 760; Troller, Das internationale Privat- und Zivilprozeßrecht im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, S 221; Schnitzler, Handbuch des internationalen Privatrechts, Bd 2 S 630; vgl auch RGZ 118, 282). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Demzufolge ist im vorliegenden Falle der Verlagsvertrag zwischen der Klägerin und Dr. D. über die deutsche Übersetzung des Romans dem deutschen Recht zu unterstellen. Das Abkommen vom 17. Mai 1927 enthält zwar außer dem eigentlichen Verlagsvertrag die „Optionsabrede“ der Ziff 5. Das rechtfertigt jedoch keine abweichende Beurteilung. Derartige Abreden sind dazu bestimmt, den Abschluß künftiger Verlagsverträge vorzubereiten und zu sichern; sie sind dem Recht zu unterstellen, das auf den Verlagsvertrag anzuwenden ist, dem sie als Nebenabrede eingegliedert sind (Hoffmann. aaO S 765).