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Sitzungsberichte

der

königl. bayer. Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-philologische Classe.

Sitzung vom 7. Mai 1870.

Herr Thomas übergibt die Fortsetzung1)

„der geographischen Bemerkungen zum Reisebuch von Schiltberger" von Herrn Professor Bruun in Odessa.

III.

Im dritten Kapitel (p. 57) der Neumannschen Ausgabe erwähnt Schiltberger unter andern Ländern, wohin Bajesid nach der Schlacht von Nikopolis einige der christlichen Gefangenen geschickt habe, auch der „weissen Tartary." Nach Neumann ist hier die Rede von dem Lande der freien Tataren im Gegensatze zu den schwarzen, d. h. den unfreien, tributpflichtigen. Dagegen versteht Erdmann (Temudschin der Unerschütteiliche, 1862, p. 194), nach Raschid-Eddin. unter weissen Tataren die türkischen Völkerschaften, welche später Mongolen genannt wurden, unter schwarzen dagegen Mongolen im engeren Sinn. „Die schwarzen Tataren traten nach dem Siege über die weissen und die übrigen in eigenen Reichen bestehenden Türken als Mongolen (d. h. unter ihrem früheren Namen) auf, breiteten ihre Herrschaft nach dem Osten Europas aus und bürdeten so auch den Westtürken den Namen der Tataren auf, diejenigen ausgenommen, welche

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in Kk-inasien, von ihnen unangetastet, den Namen der Türken, als Osmanen u. s. w. mit sich nach Europa trugen."

Welche dieser beiden Ansichten auch die richtige sein möge, weder die eine noch die andere leitet uns zu den Wohnsitzen der weissen Tataren, die nicht blos hier, sondern auch an anderen Stellen des Reisebuchs besprochen werden. So erfahren wir aus demselben:

1) dass ein „gewaltiger Herr in der wissen tartarey (p. 67) mit dem Sohne Burhan-Eddins, Fürsten von Siwas verschwägert war;

2) dass während der Belagerung Angoras durch die wysen Tartaren der älteste Sohn Bajazids ihren Herrn gefangen genommen und sie gezwungen hatte, sich dem Sultan zu unterwerfen (p. 70);

3) dass 30,000 Mann „von den wisen Tartarien," die Bajazid an die Spitze seines Heeres gestellt hatte, beim Beginn der Schlacht von Angora zu Tamerlan übergingen (p.73)e'.

Aus allen diesen Nachrichten glaubte ich folgern zu dürfen, Schiltbergers weisse Tatarei wäre identisch mit der weissen Horde der mohammedanischen Schriftsteller, oder der „blauen", wie diese Horde bei den Russen heisst, weil ihre Weideplätze sich in der Nähe des blauen Meeres (des Aralsees) befanden. Das Erbtheil der ältesten Linie der Djudjiden bildend, erkannte diese Horde anfänglich die Oberherrschaft der Goldenen Horde an, die den Nachkommen Batus des zweiten Sohnes Djudjis gehorchte. Bald jedoch hörte diese Abhängigkeit auf und gegen das Ende des XIV. Jahrhunderts gelang es sogar einem Gliede der älteren Linie, dem bekannten Tochtamysch, sich zum Herrn der Goldenen Horde zu machen, nachdem er vorläufig, mit Hülfe Tamerlans, seinen eigenen Oheim Uruschan entthront hatte. Seitdem aber dieser ehrgeizige Fürst sich mit seinem Beschützer entzweit hatte, iuusste er wohl suchen mit Bajazid in Verbindung zu treten, auf die der Sultan gern eingegangen sein wird, bei der atoch ihn bedrohenden Macht des Beherrschers Djagatais. Demnach hätte er leicht dem Tochtamysch einige seiner Gefangenen zum Geschenk machen können, wenn auch nur mu ihm seine Theilnahme zu bezeugen an dem unglücklichen Ausgange des Feldzugs, den sein Bundesgenosse kurz vor dem grgen Tamerlan unternommen hatte. Bekannt ist wenigstens, dass nach der Schlacht am Terek (1395) eine Abtheilung des zersprengten Heeres sich nach Kleiuasien geflüchtet hatte und dort von. Bajazid aufs Beste aufgenommen worden war. Der Anführer dieser Truppen, Tasch-Timur gehörte selbst zur Familie der Djudjiden und hatte die Krim als Vasall des Tochtamysch beherrscht (Ssaweljew, Monety Djudjidow, 1858, p. 314). Der „König von Sebast" würde demnach seiner Würde nichts vergeben haben, wenn er ihm seine Schwester zur Frau gegeben hätte. In Folge dieser Verwandtschaft hätte TaschTimur seinen Wohlthäter Bajazid verrathen und zur Belagerung Angoras schreiten können, um später, nur scheinbar mit dem Sultan versöhnt, Partei für seinen Landsmann zu nehmen. In diesem Falle hätten die arabischen Autoren Hecht gehabt, denen zufolge Tamerlan seinen Sieg den im Heere Bajazids dienenden Tataren verdankte, nicht aber, wie es in den türkischen und persischen Quellen heisst, gewissen türkischen Fürsten Kleinasiens.

Trotz aller dieser Umstände habe ich mich später davon überzeugt, dass die Stellen des Reisebuchs, wo von „weissen" Tataren die Rede ist, sich nicht auf die „weisse" Horde beziehen, und zwar nicht blos deshalb weil Letztere bei Schiltberger die grosse Tartarei heisst, sondern schon aus dem Grunde, weil seine weissen Tataren keine anderen waren, als die durch Tamerlan besiegten Tartaros Blancos, die, nach Clavijo (Hist. del Gran Tamorlan Madrid, 1782 p. 122 cf. 97), „eran naturales de una tierra que es entre la Turquia (Kleinasien) e la Suria."

Aus dem Gesagten folgt, dass die weissen Tataren beider Reisenden Turkomanen waren, die im östlichen Kleinasien herumzogen, wie dies heute noch ihre Nachkommen thun, deren Gesichtszüge ihre mongolische Abstammung verrathen (Yivien de Saint-Martin, Descr. de l'Asie-Min. II, 429).

In der That hatten sich im östlichen Theil von Cilicien, nach der Eroberung dieser Provinz durch die baharitischen Mameluken, zwei unabhängige turkomanische Herrschaften gebildet, nach ihren Gründern Beni-Ramazan und Dulkadir genannt. Adana war die Hauptstadt des ersten dieser kleinen Staaten, Merasch die Residenz der Dulkadiriden, deren Name noch heute die Provinz bezeichnet, die ihnen einst gehörte. Die Selbstständigkeit beider Dynastien dauerte bis zum Jahr 1515, in welchem ihre Besitzungen durch den Sultan Selim erobert und dem osmanischen Reiche annektirt wurden (Viyien de S. M. 1.1.1, 529).

Der Anführer der weissen Tataren Clavijos war wahrscheinlich ein Nachkomme Dulkadirs, da, nach Weil (Gesch. d. Chalifen, V, 82), Tamerlan, unmittelbar nach der Einnahme von Siwas, eine Abtheilung seines Heeres gegen die Dulkadiriden schickte, weil sie, während der Belagerung jener Stadt sich feindselig gegen ihn benommen hatten. Einem Gliede dieser Familie gehörten auch die Heerden, die bald darauf von den Mongolen aus der Gegend von Pahnyra weggetrieben wurden (1. c. 91).

Gleich den weissen Tataren des kastilischen Gesandten waren die seines bayerischen Zeitgenossen, wenigstens zum Theil, den Dulkadiriden unterthan. Bajased beabsichtigte seinen ältesten Sohn Suleiman mit der Tochter Nassir-Eddins Dulkadir zu vermählen, den er desshalb nicht umgangen haben wird bei der Vertheilung seiner Gefangenen. Zu demselben Nassir-Eddin, seinem Verwandten, flüchtete sich Kasi-Burhan-Eddins Sohn, der Schwager des Königs der weissen Tataren, nach Schiltberger. Der Bruder NassirEddins, Saduka musste sich den Osmanen gerade um dieselbe Zeit unterwerfen (Weil, 1. c. 74) als, nach Schütberger, die weissen Tataren durch Bajased besiegt wurden.

Da es nun wohl keinem Zweifel mehr unterliegt, dass auch die weissen Tataren, durch deren Verrath die Schlacht von Angora zu Gunsten Tamerlans entschieden wurde, turkomanische Unterthanen der kleinasiatischen Fürsten Dulkatlir und Beni-Ramazan waren, so brauchen wir nicht mit Weil (Gesch. d. islam. Völker 437) anzunehmen, dass ausser den Turkomanen, deren ehemalige Fürsten von Bajasid vertrieben worden waren, noch „mehrere t artarische Regimenter" die unter ihm dienten, während der Schlacht zu dem Feinde übergegangen seien. Wenigstens ersehen wir aus dem Bericht Schiltbergers, weshalb die morgenländischen Autoren sich zu widersprechen scheinen hinsichtlich der Nationalität der Truppen, deren Verrath die Niederlage der Osmanen zugeschrieben werden muss.

IV.

Unter den Städten des von Schütberger durchwanderten Transkaukasiens werden im 32. Kapitel (p. 99) des Reisebuchs erwähnt: Zuchtun, die Hauptstadt Abhasiens (abkas), und die Hauptstadt Mingreliens (megral) Kathon, die er jedoch weiter unten (p. 158) Bothan nennt, hinzufügend, sie läge am Ufer des Schwarzen Meeres.

Neumann hält diese Stadt für das heutige an der Mündung des Rion gelegene Poti, in dessen Nähe wir auf den italienischen Compasskarten den Namen fasso oderfaxo treffen, der uns die Lage der Stadt Asso (statt Fasso) anzeigt, die nach Contarini (cap. II p. 31 d. russischen Ausgabe) an der Mündung des Fasso lag und 60 Meilen entfernt war von einer andern mingrelischen Stadt, genannt Liati oder Varti.

Es versteht sich von selbst, dass Liati sowohl als Varti nichts weiter sind als falsche Lesarten des Namens Vathi, den, nach Barbaro (c. X. p. 45 d. russ. Ausg.) eine mingrelische am Meere gelegene Festung trug, die sowohl ihrer Lage als ihres Namens wegen keine andere sein konnte als das heutige Batum, an der Mündung des Saris (Lozija Tschernago Morja 1866 p. 105) in welchem ich den 360 Stadien vom Phasis entfernten Fluss Barvg Arrians gern wiedererkennen möchte.

Hier muss auch die Stadt „Bata en Carceche" gelegen haben, von wo aus „Goigora", d.h. der Atabek Quarkuare im Jahr 1459 dem Herzog Philipp von Burgund meldete, er sei gesonnen die Türken zu bekriegen (Brosset, Additions etc. 409): denn dieses Bata war gewiss identisch mit der Stadt Varti oder Vati, die nach Contarini (c. V p. 72) zu den Besitzungen des Fürsten von Calcican (Achaltschik) „Gorgora" gehörte.

Weil aus einem gleichzeitigen Briefe des Königs von Georgien Georg VIII. an besagten Herzog von Burgund hervorgeht, dass dieselbe Stadt Bata „pres de la Tente" lag, BÖ glaubt Brosset schliessen zu dürfen, die Verbündeten seien auf dem Punkt gewesen ins Feld zu rücken, während der König ohne Zweifel nur, gleich Rubruquis, das türkische Wort onlu durch Zelt übersetzt und sagen will, nicht weit von der Stadt habe sich die Horde oder das L;*ger (Hammer, Gesch. d. Gold. Horde, 32) des Königs von Mesopotamien Assem-Bech befunden, den er in seinem Briefe als den „persönlichen" Feind „des Türken" bezeichnet und den mehrere gleichzeitige Schriftsteller (Contarini, der Russe Nikitin, Chalcocondylas) einfach in der Horde (lordo, orda, ovQäa) residiren lassen.

Dieser Hasan-bey oder Usun-Hasan, nicht ein Sohn (Brosset, Add. 408), sondern ein Enkel Kara-Jeleks (Weil, Gesch. d. Chal. V, 306), stand damals an der Spitze der Horde vom weissen Hammel und hatte kurz vordem einen Feldzug nach Armenien und Georgien unternommen. Ob

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gleich Brosset (Hist. de la Georgje, I, 686) weder in georgischen Chroniken noch in französischen Uebersetzungen muBulmanischer Autoren irgend eine Notiz über diesen Feldzug gefunden hat, so kann die Thatsache nicht geläugnet werden: denn wie hätte sonst Abul-Mahazin (cod. Berol. f. 64 ap. Weil, 1.1. 307, 1) sagen können, Hasan habe im Jahr 863 (1458 — 9) dem Sultan von Aegypten die Schlüssel mehrerer eroberten Festungen Georgiens zugeschickt.

Nach Chalcocondylas erstreckte Georgien sich im XV. Jahrhundert bis Bathy, d. h. bis Batum (Brosset, Add. 106) und umfassto demnach auch Mingrelien, das jedoch schon seit langer Zeit seine eigenen Dadiane oder Fürsten hatte, die sich sehr wenig um ihren Oberlehnsherrn bekümmerten (Brosset, Hist. I, 560; cf. Rapports sur un voyage etc. VII, 44).

Bei so bewandten Umständen ist nicht daran zu zweifeln, dass unter Schiltbergers kathon oder bothan nicht das heutige Poti, sondern die türkische Stadt Batum verstanden werden muss.

Dagegen habe ich mich geirrt, als ich mich zu der Ansicht hinneigte (Notices . . . conc. la Gazarie in d. Mem. de l'Ac. de S. P. X, 9) Batum sei identisch gewesen mit der Stadt Bata oder Batiario, von deren Präsidenten in dem Statut officii Gazariae vom Jahr 1449 (Sapiski Odessk. Obschtsch. Ist. u Drewn. V, 640) zugleich mit denen von Mapa oder Mapario (Anapa) und Matrica (Taman) die Rede ist.

Abgesehen von der grossen Entfernung dieser beiden Städte von Batum, darf dieser Ort schon deshalb nicht mit Bata oder Batiario identifizirt werden, weil sein Name auf den Seekarten des XIV. und XV. Jahrhunderts nie anders lautet als vati oder lovati.

Weit eher als mit Batum, dürfte Batiario seiner Lage nach mit der alten Stadt Apaturia zusammenfallen, da der Name bata, batta, auf einigen jener Karten diesseits von lo lopa am Kuban angemerkt ist.

Da aber auf denselben Karten (der katalanischen und der von Bianco) etwas weiter gegen Norden an der Ostküste des Asofschen Meeres, bei dem heutigen Bachtar, zugleich der Name Bagtiar zu lesen ist, so möchte es doch wohl gerathener sein, dorthin das Batiario des Statuts zu versetzen, da dieser Ort gewiss identisch war mit dem jenseits von locopa gelegenen „Castrum batiarii", das ums Jahr 1455 seinem rechtmässigen Besitzer „illario marini' durch den Präsidenten , johannes bozius" entrissen wurde (Atti della Societa Ligure etc. VI, p. 356, N. CL).

Was den nicht von Arrian, wie De la Primaudaie (fitudes sur le commerce au M. A. I, 236) meint, sondern von Strabo und Ptolemaeus erwähnten Hafen Bata anbelangt, so entsprach er dem von Noworossiisk in der Bucht von Tzemes oder Sudjuk-kale, dem 'leqog-Xifirlv Arrians, von den italienischen Seefahrern nicht ohne Grund calolimena genaunt, während ihr „porto de susaco" seinen Namen dem Flüsschen „Sütchük" verdankt, das in den Hafen vonGelendschik mündet (Bell, Journ.d'uneresid.enCirca8sie,tr.p. L.Vivien, 1841,1, 83).

Die Hauptstadt Abhasiens „zuchtun" lässt Neum.mn nach Reineggs (Allg. bist. top. Beschreib, d. Kaukasus, II, 5) mit der „kleinen abghasischen Stadt Suppu zusammenfallen, was richtig sein könnte, wenn dies Städtchen sich in oder neben der türkischen Festung „Saghumi, Soghum-kala" oder „Dordrup" befunden hätte, auf die Reineggs weiter unten (p. 7) wie es scheint, nach einer andern Quelle, zu sprechen kommt, und deren Ruinen jetzt noch an der Mündung der Gumista. einige Werst von dem im Delta der Baslata gelegenen heutigen Suchum-kale sichtbar sind.

Das ältere Suchum war noch zu Hadji-Chalfas Zeit eine bedeutende Handelsstadt, wo die Genueser schon im XIV. Jahrhundert eine Niederlassung gegründet hatten, die in ihren Urkunden und gleichzeitigen Seekarten stets nur den Namen savastopoli trägt.

Schon aus diesem Grunde wird es wahrscheinlich, dass hier gerade das alte Dioscurias lag, da diese weltberühmte milesische Colonie später bekanntlich unter dem Namen Sebastopolis erscheint, weil eine von den Römern in ihrer nächsten Nähe erbaute Festung so genannt worden war.

Bei der hohen Bedeutung der Stadt Dioscurias oder Sebastopolis im Alterthum, müssen sich Spuren ihrer vergangenen Grösse sowohl über als unter der Erde erhalten hüben, wie dies bei Olbia, Chersonesus, Panticapaeon und den übrigen pontischen Emporien der Griechen der Fall gewesen ist. Leider herrschen bis jetzt noch in der gelehrten Welt verschiedene Meinungen hinsichtlich der Oertlichkeit, wo denn eigentlich Nachforschungen angestellt werden müssten, um Resultate zu erzielen, durch welche allein die Lage von Dioscurias mit Sicherheit ermittelt werden könnte.

So z. B. suchen Müller (Geogr. graeci min. I, 375) und Brosset (Hist. I, 62 etc.), nach dem Vorgange von Klaproth und Dubois, Dioscurias beim Vorgebirge Iscurieh, dessen Entfernung von Pitzunda in gerader Linie 400 Stadien beträgt, während nach Arrians genauer Messung längs der Küste Sebastopolis von Pityus, dessen Identität mit Pitzunda von Niemand bezweifelt wird, nur 350 Stadien entfernt war. Da nun die Ausdehnung der Küste zwischen Pitzunda und Suchum-kule gerade so viel beträgt, so hat wohl Taitbout (Atlas de la mer Noire) recht gethan, dem alten Sebastopolis seine Stelle in dem späteren anzuweisen, wobei er hätte zugeben können, wenn man es durchaus verlangt haben würde, der älteste Name der Stadt sei nach Iscurieh übertragen worden und habe sich dort bis heute in einer verstümmelten Form erhalten.

Dass Dioscurias mit mehr Recht in der Nähe von Suchum als bei dem Vorgebirge „Skurdja" gesucht werden darf, lässt sich auch daraus schliessen, dass die Entfernung zwischen Letzterem und der Mündung des Rion nur 500 Stadien beträgt (Müller, 1. 1. 377), während Sebastopolis durch 810 Stadien von der Mündung des Phasis getrennt war, den man gewöhnlich mit dem Rion identifizirt.

Diese Ansicht möchte freilich nicht die richtige sein, da Poti, an der Mündung des Rion, nur circa 90 Stadien von Redut-kale, an der Mündung des Chopi, entfernt ist, während die Entfernung zwischen dem Chobus, der jedenfalls dem Chopi entsprach, und der Mündung des Phasis gerade doppelt 80 gross war.

Gern möchte ich demnach den Rion mit dem Chariens oder Arius zusammenstellen, der, nach Arriau, in der Mitte zwischen dem Chobus und dem Phasis sich ins Meer ergoss; den untern Lauf des Phasis dagegen — mit dem später in einen See verwandelten paliostomo oder palostomo, wobei ich mich auf die Veränderungen berufen würde, denen diese „sandige, weiche und seichte" Gegend nach dem schon von dem Academiker Thomas (Der Per. d. Pont. Eux etc., Abh. d. phil. philol. Cl. d. bayer. Acad. d. Wiss. X, I. p. 268) citirten Zeugnisse Strabos, von je her unterworfen war und zu deren Erklärung es genügt die Worte eines eben so geistreichen als gewissenhaften Beobachters anzuführen, der hier als Augenzeuge spricht: „Wenige Flüsse in der Welt führen reichlichem Niederschlag von Sand, Lehm und Humus mit sich, wie der braune Rion" (Wagner, Reise nach Kolchis, 227).

Doch gesetzt auch meine Hypothese würde, trotz einer schwer mit ihr zu vereinigenden Stelle bei Strabo (XI, 2 § 17) nicht ohne Weiteres verworfen werden, dennoch betrüge die Entfernung zwischen dem Chopi und Isgons oder Iskurieh nicht mehr als 420 Stadien; zwischen diesem Vorgebirge dagegen und dem alten Suchum — nahe an 600, die besser zu den 630 Stadien passen würden, die, nach Arrian, den Chobus von Sebastopolis trennten.

Nicht damit zufrieden dieser alten Stadt ihren Platz beim Vorgebirge Iscurieh anzuweisen, hat man sich sogar für berechtigt gehalten, in dieselbe Gegend die Stadt Soteriopolis zu versetzen, die, nach dem Kaiser Constantin (De ad in. imp. c. 42) auch in Abhasien lag, dessen Küste sich von dort aus 300 Meilen weit bis zur zichischen Grenzstadt Nicopsis, am gleichnamigen Flusse erstreckte. Von dort aus war es noch eben so weit bis zum Fluss Ukruch, der Zichien von Tamatarcha trennte.

In dem Ukruch erkennt man leicht den Kuban, der mit einem Arm ins Schwarze Meer, mit dem andern in das Asofsche mündet und demnach das Land der Tscherkessen, deren Identität mit dem Zychen oder Ziehen durch Schiltberger (c. LVI), lange vor Interiano, constatirt wird, — von der Insel Taman trennt, die ihren Namen dem alten Städtchen Korokon-dame verdankt, dem später so berühmten Tmu-torokan der Russen, dessen Name in dem xdarqov Tandra^a (cf. Thomas, 1.1.266: iov Mdia^a) nicht zu verkennen ist.

An der nördlicheu Mündung des Ukruch, in der Gegend von Temruk und Kurki lag die Stadt Schakrak oder Djakrak, da Abulfeda berichtet (tr. p. Reinaud, II, 40) die Küste des Asofschen Meeres habe gerade von diesem Punkt an sich von Osteu nach Norden gerichtet.

Obgleich die Entfernung zwischen diesem Ort und dem Vorgebirge Iskurieh ungefähr 600 römische Meilen beträgt, so hätte Müller (1.1. 379) sich nicht durch Mannert verleiten lassen sollen, die 600 Meilen vom Ukruch entfernte Stadt Soteriopolis mit dem alten Sebastopolis zu identifiziren, da, nach dem Kaiser Constantin, (De them. conf. Hieroclis Synec.etc. ed. Parthey, 1866 p/315) Soteropolis der alte Name der Stadt Pythia war, die ihrerseits keine andere gewesen sein wird, als Arriaus Pityus, das pec.onda der italienischen Karten, das georgische Bidchwinta, unser heutiges Pitzunda.

Vielleicht verdankte diese alte Stadt ihren Beinamen dem byzantinischen Feldherrn Sotericus, der ihre durch die

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Perser zerstörten Mauern wieder aufgebaut hatte und bald darauf (556 cf. Muralt, Essai de chron. byz., p. 210) im Kampfe mit den Misimianern, einem den Apsilicrn oder Abhasen benachbarten Volke, umgekommen war.

Uebrigens trug Pitzunda noch im XIV. Jahrhundert bei dem trapezuntischen Griechen den Namen Soteropolis (Kunik, Utschon. Sap. St. P. Ak. Nauk, II, 740), der auch eine Dioecese bezeichnete, die im Jahr 1347 mit der von Alanien wieder vereinigt wurde (Acta Patr. Const. XIV und CCXXI) und zu der die Muttergotteskirche zu Ateni in Georgien, nebst mehreren andern Kirchen in Alanien, Kaukasien und Achochien gehörte, während die zu Justinians Zeit erbaute Marienkirche Pitzundas (ßrosset, Rapports, VIII, 131) gleich den meisten Kirchen Abhasiens und Georgiens, nicht dem Patriarchen von Constantinopel, sondern dem von Antiochien untergeben war (Parthey, 1. L 271).

Aus dem Gesagten folgt, dass der in der Mitte zwischen dem Ukruch und Soteriopolis fliessende Nicopsis nicht, wie Klaproth behauptet hat, mit dem fiume Nicofia oder de Nicola der Seekarten zusammenfallen konnte, denn dieser Name erscheint auf ihnen nicht nordwestlich, sondern südöstlich von peconda, d. h. zwischen diesem Ort und Savastopol, und verdankt seine Entstehung dem Schloss Anacopi, dessen Ruinen an der Mündung der Psirta noch jetzt sichtbar sind.

Der l'luss Nicopsis, von dem der Kaiser spricht, durchströmte dagegen das in bedeutender Entfernung nördlich von Pitzunda 6ich zum Meer hinziehende Thal Negopsucha, wo sich bedeutende Ruinen erhalten haben, die uns berechtigen hier die zur zichischen Eparchie gehörige Stadt Nicopsis zu suchen, die nicht verwechselt werden muss, mit dem von Cedrenus unter dem Jahr 1033 erwähnten abhasischen Schloss Anacuphen, in dem das Schloss Anacopi am hohen Ufer der Psirta nicht zu verkennen ist.

Hier hätte man demnach nicht, trotz der entgegengesetzten Meinung Klaproths, dem Brosset (Hist. I, 61) und Dubois (Voyage autour du Cauc. I, 276) beistimmen, die Stadt Nicophsia suchen sollen, wo der Apostel Simon zu Tode gemartert und begraben worden war. Weil nach einer andern von Baillet benutzten Quelle (Vie des Saints, III, 415), der Ort wo der Heilige gemartert wurde, Suanir hiess, so glaubt Brosset annehmen zu müssen, er sei in Svanetien gestorben, dagegen sei sein Leichnam von dort nach Anacopi transportirt worden.

Da nun aber, nach Arrian, die Sanigen damals die abhaaische Küste bewohnten, so braucht der Chronist sich nicht geirrt zu haben, wenn er das Grab des heiligen Simon nicht von dem Orte trennt, wo er getödtet worden war. Wenigstens konnte Nicophsia auch durch den Namen Suanir bezeichnet werden, da die Stadt den Sanigen gehörte.

Dass diese Stadt weit eher in Negopsucha als in Anacopi hätte gesucht werden sollen, kann aus mehreren Stellen der georgischen Chronik gefolgert werden. So heisst es z. B. in ihrer französischen Uebersetzung (Brosset I, 648) dass alle Caucasier „depuis Nicophsia jusqu'ä Derbend" dem König von Georgien (und dem mit ihm vereinigten Abhasien, p. 647) Georg V. unterworfen waren; ferner dass bei der Thronbesteigung seines Sohnes und Nachfolgers eine Versammlung der beiden Erzbischöfe von Georgien und Abhasien (l es catholicos), der Bischöfe und Grossen „de Nicophsia et de Sper jusqu'ä Derbend" Statt fand (ibid. 649).

Wollte man unter Nicophsia hier Anacopi verstehen, so müsste man zugleich gegen alle Wahrscheinlichkeit annehmen , der Chronist habe irrthümlich die nördlich von diesem Ort gelegene Stadt Bidchwinta zum Lande der Tscherkessen gerechnet und den Bischof dieser Stadt von der georgoabhasischen Ständeversammlung ausgeschlossen.

Unterdess ersieht man aus einer griechischen Inschrift, die in der oben erwähnten Marienkirche zu Bidchwinta aufbewahrt wird, dass diese Stadt noch im XVI. Jahrhundert der Sitz eines Bischofs war (Brosset, Hist. I, 213).

Nach Josselian (Grusia i Armenia, 1848 p. 304), der diese Inschrift sogar aus dem XIV. Jahrhundert stammen lässt, besitzt eine griechische Kapelle in Pitzunda noch jetzt eine genuesische Glocke vom Jahr 1529, mit dem Bilde der Mutter Gottes, der heiligen Veronica und eines lateinischen Bischöfe.

Es zeigt sich also, dass nachdem die Türken der Herrschaft der Genueser auf dem Schwarzen Meer ein Ende gemacht hatten, ihr Verkehr mit der Ostküste noch fortdauerte, wie dies mit Caffa und Tana der Fall war, über deren Verhältnisse während ihrer Abhängigkeit von der Pforte uns der 2. Band der Atti Tauri - Liguri und der 4. Band der Handelsgeschichte Venedigs hoffentlich bald neue wichtige Aufschlüssse bringen werden.

V.

Als Beispiel wie sehr man sich hüten muss, Schiltbergers Zeugniss ohne Weiteres zu verwerfen, sogar in den Fällen *), wo er scheinbar sich ins Reich der Fabeln verirrt, möge das XLIV. Kapitel dienen, wo er behauptet in Arabien mit eigenen Augen eine Brücke gesehen zu haben, zu der man der Sage nach, die er nicht zu bezweifeln wagt, das Schienbein des ägyptischen Riesen Allenkleisser benutzt hatte.

2) Sogar Ncumann bedauert, dass Schiltberger durch derartige Mittheilungen sein Werk verunstaltet habe. „Das ist" sagt er (p. 25) „die einzige Krankheit des sonst so kerngesunden bayerischen Reisewerkes, der ihm anhaftende, vorzüglich von Armenien herrührende Legendenkram, während gerade umgekehrt der armenische Bischof Aiwazovski, der so gütig war mir schriftlich Auskunft zu geben. über die Bedeutung mehrerer sich auf die früheren Verhältnisse seiner Landsleute beziehenden Bemerkungen Scbiltbergers, Letzteren beschuldigt, er habe jenen Legendenkram wenn auch nicht erfunden, so doch von irgend einem Catholiken sich aufbürden lassen, and es ihm namentlich gewaltig übel nimmt, dass er die freilich sehr anstössige Verwandlung des Königs Dertad (p. 145—146 bei Neumann) nicht mit Stillschweigen Übergangen hat.

Doch wenn es auch nicht erlaubt sein sollte auf diese and ähnliche Stellen des Reisebuchs die Bemerkung des Proclus zu beziehen, dass ein Mythus um so erhabenere Wahrheiten in sich schliesst, je ansinniger er zu sein scheint, so wird man doch zugeben müssen, dass Schiltberger uns durch Einverleibung solcher Fabeln in seinem Reisebericht ein Mittel an die Hand gegeben bat, die Bildungsstufe der Völker des Orients, in deren Mitte er so lange geweilt hatte, kennen zu lernen.

Dieses ungeheure Bein hat man wohl Niemand so leicht zuschreiben können, als Alexander dem Grossen, nicht allein wegen der Aehnlichkeit der arabischen Form seines Namens Aliskander mit Schiltbergers Allenkleisser, sondern auch deshalb, weil die Erinnerung an die fabelhafte Schnelligkeit seines Siegeszugs durch Asien vor Allem in der Stadt fortleben musste, die es ihm verdankte für ein ganzes Jahrtausend der Stapelplatz des Welthandels geworden zu sein.

Es versteht sich von selbst, dass im Laufe der Jahrhunderte verschiedene ältere Legenden mit der Alexandersage zusammenfliessen mussten, namentlich die Traditionen der Juden, gegen die er sich so human betragen hatte, dass heute noch die Grossen der Erde nicht übel thun würden seinem Beispiel in dieser Hinsicht zu folgen. In der That liest man in der „Geschichte der Eroberung Aegyptens" von Abdal-Hakem (manuscr. cf. Quatremere, H. des Mamlouks etc. I, 1. p. 218) der Körper eines Riesen, den Moses getödtet hatte, sei in den Nil gefallen und habe seitdem die Stelle einer Brücke vertreten. Dies ohne Zweifel sehr alte Märchen war eben so gewiss in naher Verbindung mit dem was uns S. über das Schienbein Allenkleissers mittheilt. Seine Leichtgläubigkeit in diesem Falle wird man ihm wohl nicht zum Vorwurf machen, wenn man erwägt, dass dasselbe Märchen noch im XIII. Jahrhundert so verbreitet war, dass sogar der mächtige Beherrscher der Goldenen Horde sich Tür die Sache interessirte.

Jedenfalls hat Schiltberger in solchen Fällen nicht anders gehandelt als Herodot und nichts desto weniger wagt es heute Niemand mehr, dem „Vater der Geschichte" daraus einen Vorwurf zu machen, dass er nicht allein den Bericht seiner eigenen Erlebnisse und Forschungen allerlei Fabeln beigemischt hat, sondern sogar so naiv gewesen ist sie für wahr zu halten. Dasselbe kann man von Marco Polo sagen, der die Möglichkeit zugibt, dass ein Schuhflicker einen Berg in Bewegung gesetzt habe, und demnach nach dem Urtheil eines in Fragen dieser Art vollkommen competenten Richters (.Walckenaer, Hist. gener. des voyages I, 52; cf. Pauthier, Le livre de M. P. I XCV) wegen seiner Verdienste um die Erdkunde es verdient, Alexander von Macedonien und dem Entdecker Amerikas an die Seite gesetzt zu werden.

Während einer Audienz die Berke-chan, 1263, den Gesandten des Sultans Bibars ertheilte, richtete er an sie die Frage, ob es wahr sei, wie man ihm versichert hatte, dass das Bein eines Riesen am Nil die Stelle einer Brücke vertrete. Die Gesandten waren nun wohl aufgeklärt genug, um von der Suche nichts wissen zu wollen. Uebrigens konnten sie vielleicht auch deshalb nicht anders antworten, weil der Chan die Frage nicht richtig gestellt hatte. Wenigstens erfahren wir durch Schiltberger, dass jene sonderbare Brücke gar nicht über den Nil führen konnte, da er sie selbst in Arabien bewundert hatte. Seiner Beschreibung zufolge verband sie dort zwei Felsen, zwischen denen, in einem sehr tiefen Thale, ein Fluss sich durchschlängelte. Diese Brücke mussten früher alle Reisenden passiren, da es keinen andern Weg über das Gebirge gab.

Diese topographischen Details, die Schiltberger gewiss nicht erfunden hat, machen es sehr wahrscheinlich, dass er hier die Umgebungen der Festungen Kerak und Schaubek im Auge hatte, die ihrer merkwürdigen Lage wegen während der Kreuzzüge so berühmt waren.

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,,Kerak sagt Quatremere (1. 1. 24) war der Schlüssel des Wegs in die Wüste." Alle Karavanen die von Damask nach Mekka oder dahin zurück sich begeben wollten, alle aus der Hauptstadt Syriens nach Aegypten bestimmten Kriegsheere mussten durchaus an deu Thoren dieser, rings von einem tiefen und engen Thale (Raumer, Paläst. 271) umgebenen Festung vorbeiziehen.

Schaubek, kaum 36 Meilen von Kerak entfernt, hatte eine nicht minder günstige Lage. Nach Burckhart (cf. Raumer, 1.1. p. 281) umgibt eine 300 Fuss tiefe Schlucht die Burg, die sich noch besser erhalten hat als Kerek, auch Petra deserti genannt und deshalb oft mit der älteren Stadt dieses Namens verwechselt, von der Plinius mit Recht sagen konnte: oppidum circumdatum montibus inaccessis, amne interfluente (cf. Raumer 1. 1. p. 271 —277).8)

Nach Abdul - Hakem (Quatremere, 1.1. p. 245) war die Strasse in jener Gegend so eng und beschwerlich, dass eine ganze Truppenabtheilung in ihrem Marsche aufgehalten werden konnte, wenn auch nur ein Bewaffneter sich ihr dort an irgend einem Punkte entgegenstellte.

Dass die von Schiltberger beschriebene Brücke über einen dieser Hohlwege führte, ist um so wahrscheinlicher, da der soeben angeführte arabische Historiker in diese „alte" Gegend; ausser vielen anderen heiligen Stätten. das Grab „Iskenders" versetzt, hinzufügend, er könne nicht bestimmen wer dieser Alexander gewesen sei.

In der Voraussetzung dass das Bein Allenkleissers nicht gar weit von dem Grabmal Aliskanders entfernt sein konnte, würde ich in ihrer Nähe auch die Brücke suchen, die Schiltberger neben dem Schienbein vorfand und die, einer an ihr angemerkten Inschrift zufolge, 200 Jahre vor der Zeit als er sie zu sehen Gelegenheit hatte, erbaut worden war.

3) S. auch die Note zu Marin. Sannt. Syr. in den Urkund. d. R. Venedig II, p. 404.

[1870, I 4.] 30

Da nun aus anderen Stellen des Reisebuchs hervorgeht, dass Schiltbergers Aufenthalt in Aegypten ins Jahr 1423 fällt, so müsste, seineu Worten zufolge, die Brücke um8 Jahr 1223 erbaut worden sein. Das möchte ich aber bezweifeln, da die Zerwürfnisse, die bald nach dem im Jahr 1193 erfolgten Tode Saladins unter seinen Nachkommen eingetreten waren, damals noch fortdauerten und die Ejjubiten ausserdem fortwährend mit den Kreuzfahrern zu kämpfen hatten.

Man vergesse jedoch nicht, dass Schiltberger, dem bekannt sein musste, dass das 825. Jahr der Hedschra mit dem 1423. unserer Zeitrechnung zusammenfiel, dagegen wahrscheinlich nicht wusste, dass das mohammedanische Jahr kürzer ist als das christliche, und deshalb, ausser Acht lassend, dass 200 mohammedanische Jahre circa 133 Jahren unserer Zeitrechnung entsprechen, zu dem Resultat kam, die Brücke sei ums Jalir 1223 erbaut worden, während dies doch, der Jahrzahl der Inschrift zufolge, 1230 geschehen war.

Gerade damals war der Neffe Saladins Alkamil, nachdem er sich mit dem Kaiser Friedrich U. abgefunden hatte, von den übrigen Ejjubiten als Oberherr anerkannt worden, worauf er bis zu seinem Tode 1238, sich in der unbestrittenen Herrschaft Syriens und Aegyptens behauptete, mit Ausnahme der Festungen Kerak und Schaubek, die er noch im Jahr 1229 seinem Neffen Davud hatte überlassen müssen.

Dieser Umstand mag vor Allem den „König Sultan" Alkamil veranlasst haben, neben der alten, nach Schiltberger, mit Baumöl bestricheuen und desshalb von einem vermoderten Riesenknochen nicht leicht zu unterscheidenden Brücke, den Bau einer neuen anzuordnen, um die Verbindung zwischen beiden Theilen seines Reichs offen zu halten.



[221-225 = 39-43]

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Herr Thomas übergibt den Schluss1) der ihm gewidmeten

„geographischen Anmerkungen zum Reisebuch von Schütberger" von Herrn Professor Philipp Bruun in Odessa.

VI.

Nachdem Schütberger im V. Capitel (p. 61) erzählt, auf welche Weise Bajazids Sohn Mohammed den Fürsten von Siwas Burhan-Eddin aus „marsuany" verjagt hatte, spricht er (Cap. IX, p. 65—69) ausführlich von dem Tode dieses Fürsten während der Belagerung von Siwas durch „Otman", d. h. Kara Jelek, den Führer der Turkomanen vom Weissen Hammel, und von der Einnahme der Stadt durch den ihr zu Hülfe gekommenen ältesten Sohn Bajazids.

Hinsichtlich des Todesjahrs Burhan-Eddins weichen die morgenländischen Historiker bedeutend von einander ab. Schon Sead-Eddin (Weil, Gesch. d. Chal. V, p. 60 n. 1) bemerkt, dass ihre Angaben in Betreff dieses Ereignisses zwischen den Jahren 794 und 799 d. h. (1391—96) schwanken. Hammer (Gesch. d. Osm. R. I, 226) spricht sich zu Gunsten der Meinung Nischandjis aus, dem zufolge der Fürst von Siwas im Jahr 795 (1392) gestorben wäre. Zinkeisen (Gesch. d. Osm. R. I, 353) theilt diese Ansicht, weil „der Gang der Ereignisse" und „die besten Quellen" zu Gunsten des Jahres 1392 sprechen. Dagegen beweist Weil (I.e.), dass der Tod Burhan-Eddins nicht vor dem Jahre 1398 hat erfolgen können. Es scheint demnach, dass unsere Historiker, nach dem Vor [ocr errors]

gange der orientalischen, zwei Feldzüge Bajazids gegen den Fürsten von Siwas mit einander verwechseln, von denen der eine vor der Schlacht von Nicopolis (1396), der andere dagegen nach derselben unternommen worden war. In der That erfahren wir durch Schiltberger (1. c.), dass vor dem von ihm mitgemachten Feldzuge „und by dem Zuge was ich och" des „ältesten" Sohnes Bajazids, der jüngste, nämlich „Mohammed", den Burhan-Eddin aus der Stadt Marsivan (Vivien de S. Martin, A. M. II, 448) verjagt hatte, die Neumann (p. 29) mit Amasia verwechselt, indem er diese Stadt mit Schiltbergers „marsuary" indentifizirt, obgleich die Vaterstadt Strabos gar nicht dem Burhan-Eddin, sondern zu den Besitzungen der Fürsten von Kastemuni gehörte. Jedenfalls glaubt der Herausgeber des Reisebuchs ohne Grund, Schiltberger habe das schon im V. Capitel mitgetheilte „in den folgenden Abschnitten nochmals und ausführlicher erzählt", obgleich er hier, wie Neumann richtig bemerkt, sich, als Augenzeuge, auf eine höchst lebendige und anschauliche Weise ausdrückt. Wenigstens sagt Schiltberger im 5. Capitel ausdrücklich, die Eroberung Marsivans sei die erste Kriegsthat Mohammeds gewesen, der wohl befähigt sein konnte schon ums Jahr 1392 ins Feld zu rücken, da er bei seinein im Jahre 1421 erfolgten Tode 43 Jahre alt war. Nun erfahren wir freilich aus dem IX. Capitel, Bajazid habe das durch seinen ältesten Sohn eroberte Siwas auch dem Mohammed verliehen, erfahren jedoch zugleich, dieser sei nicht der Sohn gewesen „der den otman vertrieben hatt", so dass man glauben möchte, Schiltberger habe absichtlich dies betont, damit man ja nicht die Feldzüge der beiden Brüder zusammenfallen lasse.

VII.

Im folgenden Capitel, wo von dem Feldzuge der Osmanen gegen den Sultan von Egypten die Rede ist, erwähnt Schiltberger Bajazid habe Letzterem namentlich die Städte „malathea" (p. 69) und „adalia" entrissen.

Nach Sead-Eddin, dem Hammer und Zinkeisen folgen, wurde Malatieh, das alte Melitene, nebst mehreren anderen Städten, die unter egyptischer Botmässigkeit standen, im Jahr 799—800 von den Osmanen genommen. Dagegen meint Weil (1. 1. 70—73), Bie hätten dies nicht vor dem Jahre 801 thun können, da nach dem Zeugniss arabischer Autoreu, man in Egypten erst nach der im Jahre 1399 (801) erfolgten Thronbesteigung des Sultans Faradj die Einnahme der Stadt erfahren hatte. Zu Gunsten seiner Meinung stützt sich der Verfasser der „Geschichte der Chalifen" namentlich auf den Umstand, dass einer der erwähnten Autoren das Schreiben gesehen hatte, in welchem der Fall von Malatieh dem Itmisch, Atabeken des jungen Sultans Faradj, mitgetheilt worden war (p. 74). Da jedoch Itmisch schon unter Berkuk, dem Vater und Vorgänger des Faradj, am egyptischen Hofe eine grosse Rolle gespielt hatte, ja sogar von dem alten Sultan zum Vollstrecker seines letzten Willens ernannt worden war (p. 62), so könnte er jenes Schreiben wohl schon zu Lebzeiten Berkuks erhalten haben. Diese Ansicht stimmt besser mit dem Bericht Schiltbergers überein, währeud das, was er uns über die Einnahme von adalia mittheilt, Licht verbreitet über folgende sonderbare Stelle in der italienischen Uebersetzung des Werkes Sead-Eddins: Et havendo (Bajazed) spedito al conquisto di Chianchria (das alte Gangra) Timurtas Bassa, pero tutto quel paese insieme con la citta d'Atena (la quäl' e patria de' philosophi) col suo distretto parvenne in poter del re, il quäle prese anco dalle mani de' Turcomani la citta de Bechsenia (Behesna) e di Malatia etc. „Hier muss ein Fehler im Texte oder in der Uebersetzung sein" sagt Weil, nachdem er vorläufig gezeigt, dass Hammer und Zinkeisen sich offenbar irren, indem sie aus dieser Stelle den Schluss ziehen, die Osmanen hätten die Stadt Minervens während desselben Feldzuges erobert, der sie nach Malatieh und andern Städten Ciliciens führte.

Wenigstens wäre es nicht auffallend, wenn zu diesen Städten Atalia oder Satalia gehört hätte, das in der Nähe des alten Attalia in Pamphylien lag und mit dem Neumann Schiltbergers adalia zusammenstellt, da diese Stadt, gleich Satalia, am Meeresufer in geringer Entfernung von der Insel Cypern lag. Um dieser Meinung noch mehr Gewicht zu geben, könnte man darauf aufmerksam machen, dass, nach den Acta Patriarch. Constaftt. (Band II. DLXXIV), Satalia wirklich um das Jahr 1400 in die Gewalt der Ungläubigen gefallen war.

Bei dem allen scheint es mir, dass unter Schiltbergers adalia nicht Satalia, sondern die cilicische Stadt Adana verstanden werden muss, und zwar aus folgenden Gründen: Erstlich liegt diese Stadt in noch geringerer Entfernung von Cypern, als Satalia, obgleich nicht an der Küste, was übrigens, nach Schiltberger, auch nicht mit adalia der Fall war. Ferner stand diese Stadt unter der Botmässigkeit des Sultans von Egypten, während diese Bemerkung wohl auf die Residenz eines turkomanischen Häuptlings (s. ob.), nicbt aber auf das schon dem osmanischen Reiche einverleibte Satalia (Weil IV, 505 cf. Heyd. 1. c. XVIII, 714) bezogen werden kann. Endlich passt der Umstand, dass Schiltberger von den Umgebungen Adalia's nichts weiter bemerkt, als dass man sich dort auf die Zucht von Kameelen beschränkte, eher auf Adana, als auf Satalia, das damals schon eine der bedeutendsten Handelsstädte der Levante und von prachtvollen Gärten umgeben war, die jetzt noch eine Zierde dieser Stadt bilden. Dem sei wie ihm wolle, jedenfalls hoffe ich man werde mir zugeben, dass Sead-Eddin oder sein Uebersetzer Batutti Athen mit Satalia oder mit Adana haben verwechseln und dass von diesen drei Städten nur die letzte zugleich mit Behesna, Malatieh und andern cilicischen Städten von den Osmanen hat erobert werden können.

VII.

Wenn Schütberger im 62. Capitel (p. 144) sagt, der Fluss „chur", d.h. der Kur in Transcaucasien, habe auch den Namen „tygris" getragen, so hat er seine guten Gründe gehabt, dies zu thun. Im entgegengesetzten Falle wäre es wenigstens sehr auffallend, weshalb sowohl Barbaro als Contarini denselben Fluss nur durch den zweiten jenes Namens bezeichnen, der, nach Plinius (VI, 27) im medischen „Pfeil" bedeutete: qua tardior fluit Diglitto, unde concitatior a celeritate Tigris incipit vocari. Ita adpellant Medi sagittam. Nach Tiefenthaler (cf. Forbiger, 1. c. II, 66) heisst ein Pfeil im Persischen tir und müsste demnach der Fluss nicht Tigris, Bondern Tiris genannt werden, während er zugleich mit unserm Dniester verglichen werden könnte, dem nullo tardior amne Tyras Ovids (Ex Ponto, IV, 10, 47), oder Tyris, wie Herodot den Fluss nennt. Wenn diese Aehnlichkeit nicht ein blosses Spiel des Zufalls sein sollte, so würde sie einen Beitrag liefern zu Gunsten der von mehreren Gelehrten, und namentlich von Mullenhof (M. B. d. Acad. zu Berlin, Aug. 1866 p. 549 seqq) mit vielem Scharfsinn verfochtenen Meinung, dass die Scythen Herodots zum arischen Volksstamm gehörten.

Noch vor dem Kur wird die Wolga von verschiedenen Reisenden, nicht irrthümlich, wie man gewöhnlich annimmt, sondern absichtlich, durch den Namen Tigris bezeichnet. So z. B. sagt Marco Polo (ed. Pauthier, I, 7): Et de Oucaca (das heutige Dorf Uwek, am rechten Ufer der Wolga nicht weit von Saratof, auf den Compaskarten lochachi, locac, nicht zu verwechseln mit der Stadt Ukek bei Jbn-Batuta, die am Asofschen Meer in der Nähe von Mariopol lag, wo auf besagten Karten ein zweites lochachi oder locaq angemerkt ist) se partirent et passerent le grant flun de

[226-230 = 44-48]

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Tigere, et alerent par un desert qui est loins XVII journees etc."

Erst nachdem der Vater und der Oheim Marco Polos, von denen hier die Rede ist, diese nur von nomadisirenden Tataren bewohnte Steppe durchwandert hatten, kamen sie nach der Stadt Buchara. Nach dem Namen des Tigeri oder Tigry, über den die Brüder .Poli, gleich nach ihrer Abreise aus der Stadt Oncaca, sich hatten setzen lassen, findet sich in vielen Handschriften noch die Bemerkung eingeschaltet, jener Fluss sei einer der vier Flüsse des Paradieses gewesen. Dass hier nichts destoweniger nur die Wolga gemeint sein kann, ersehen wir aus folgendem Bruchstück eines Briefes, den der spanische Franziscaner Paschalis im August 1338 in sein heimathliches Kloster Victoria schrieb (Mosheim, H. eccl. Tart. nr. 92 p. 194): Cum jam annum demoratus fuissem in praedicta Sarray civitate Sarracenorum imperii Tartarorum, in Vicaria Aquilonari, ubi ante annum tertium quidam frater noster Stephanus nomine fuit passus venerabile martyrium per Sarracenos, Inde recedens in quoddam navigium cum Armenis per fluvium qui vocatur Tigris, per ripam maris Vatuc (Baku) nomine usque Sarrachuk (Saraitschik, nicht weit von der Mündung des Urals) deveni per duodecim dietas". Auch den Brüdern Pizzigani war, wie es scheint, dieser Name der Wolga zu Ohren gekommen, denn auf ihrer schönen Karte finden wir beim Zusammenflusse derselben mit dem Itil, der hier die Kama bezeichnet, foldende Worte angemerkt: flum tyrus q. omnium flum. de mundo dicitur esse major.

Dass die venetianischen Kartographen ebensowenig wie ihr berühmter Landsmann hier die Wolga mit dem eigentlichen Tiger verwechselten, geht daraus hervor, dass dieser Fluss bei ihnen, nach dem Namen der Stadt Bagdad, nur flum de baidach heisst, während Marco Polo sich begnügt zu sagen sie läge auf beiden Seiten eines „moult grant flun" (p. 47). Wenn er ferner den Tiger des Paradieses in der Wolga wiederzufinden geglaubt, so hat er sich jedenfalls nicht so weit von der Wahrheit entfernt, wie Johann von Marignola (ed. Meinert, Prag, 1820 p. 18 sqq) dem zufolge der grösste Fluss Europas nur einen Theil des biblischen Phison bildete, da dieser räthselhafte Strom, nachdem er das Land Hevilah in Indien umflossen, nicht bloss unter dem Namen Caramora (Kara-muran, der schwarze Fluss: der mongolische Name des Hoangho oder gelben Flusses) China bewässert, sondern jenseits Caffa wieder erscheint und sich hinter Chana, d. h. Tana, ins Meer Vatuch, d. h. Baku ergiesst.

Doch dürfen wir es auch dem Bischof von Bisignano nicht übel nehmen, dass er sich eine so sonderbare Vorstellumg vom Pison gemacht hat, da sie wenig abweicht von der Ansicht, die noch vor Kurzem über denselben vorsündfluthlichen Fluss durch einen geschätzten Geographen (Raumer, Palaestina, 4. Auflage p. 462—466) dem deutschen Publikum mitgetheilt worden ist.

Dass auch Schiltberger unter seinem chur oder tygris nicht den Fluss von Bagdad gemeint hat, ersieht man schon daraus, dass er den B'luss, an dem diese Stadt, die bei ihm Neu-Babylon heisst, lag, nur durch dessen heutigen Namen Schat (schatt) bezeichnet, dem es zuzuschreiben ist, dass auch bei Barbaro der Tiger nur den Namen Set trägt.

Dagegen gebe ich gern zu dass beide guten Catholiken der Meinung waren, den aus dem irdischen Paradiese strömenden Tiger nicht in Mesopotamien, sondern in Transcaucasien angetroffen zu haben, wo sie in der That nicht minder berechtigt gewesen wären ihn zu suchen, als in vielen andern Gegenden der alten und neuen Welt, wo man, der Reihe nach, jenen wundervollen Garten zu finden gewähnt hat, das Stromgebiet der Wolga nicht ausgenommen.

VIII.

Aus dem letzten Capitel des Reisebuchs (157—161), wo Schiltberger seine Rückkehr aus der Gefangenschaft ins Vaterland beschreibt, erfahren wir dass er aus der an der Mündung der Donau gelegenen Stadt gily (Kilia), wohin er von Constantinopel aus zu Wasser gekommen war, im weiteren Verfolg seiner Reise mit Kaufleuten auf dem Landwege eine walachische Stadt erreicht hatte, von der er nur sagt, dass ihr Name in deutscher Sprache die „weisse" Stadt bedeutet hätte. Erst von dort sei er über „asparseri" und „sedschoff", der Hauptstadt der Kleinen Walachei nach limburgch (Lemberg) gelangt der Hauptstadt „in weissen reissen, des kleiner".

Unter der weissen Stadt kann keine andere gemeint sein als das heutige Akkerman, das damals zu den Besitzungen des Voievoden Alexander, Eürsten der Moldau oder kleinen Walachei gehörte. Der Name bedeutet bekanntlich im Türkischen die „weisse Stadt" und verdankt seine Entstehung dem slavischen Namen Bielgorod, unter dem ihrer häufig in alten russischen und polnischen Chroniken Erwähnung geschieht. Die Moldauer nennen sie noch heute Tchetate alba, während ihr magyarischer Name nicht Feiernar, wie sie bei Dlugosz (ed. 1712 XI, 324) irrthümlich genannt wird, sondern Feierwar lautet.

Die Byzantiner verwandelten die weisse Stadt in eine schwarze, maurocastrum, was die italienischen Seefahrer veranlasste die Stadt Mocastro oder Moncastro zu nennen und in dieser verstümmelten Form erscheint ihr Name auch bei De Lannoy, Barbaro und andern Reisenden. Vgl. Thomas, Periplus, p. 36, 38.

Es scheint übrigens dass auch den Byzantinern die Stadt früher unter dem Namen der „weissen" bekannt war, da sie die Stelle einnimmt, wo die Stadt Aspron (Const. Porph. De adm. imp.) gelegen haben muss. Freilich versetzt, der Kaiser Constantin diese weisse Stadt an das Ufer des Dniepers: doch hier wird ein Fehler in seinen Text sich eingeschlichen haben, nicht allein deshalb weil am untern Dnieper niemals eine weisse Stadt existirt hat, sondern schon aus dem Grunde, weil der kaiserliche Autor hinzufügt, die Stadt habe an der Seite des Flusses gelegen, die der Bulgarei zugekehrt war, und weil diese Bemerkung weder auf das eine noch auf das andere Ufer des Dniepers, wohl aber auf das rechte Ufer des unteren Dniesters bezogen werden darf. Ferner kennt der Kaiser, ausser Aspron, noch fünf andere Orte, in deren Nachbarschaft die Petsclienegen über den Fluss zu setzen pflegten und deren Namen bei ihm, mit Hinzufügung der allen gemeinschaftlichen Endsilben „catae", Tung, Crakha, Salma, Saca und Gieu lauten. In der Nähe aller dieser zerstörten Städte sah man noch am felsigen Ufer Spuren von Kirchen und Kreuzen, auch hatte sich die Tradition erhalten dass diese Gegend einst von Griechen bewohnt war. Wenn es erlaubt sein sollte jenes „catae" für einen alle diese Ortschaften bezeichnenden Gattungsnamen zu halten, so würde es vielleicht möglich sein ihre Stellen auf unsern heutigen Karten nachzuweisen, und dies um so leichter, da jetzt noch an verschiedenen Punkten des hohen Ufers zwischen Bender oder Tegin und Soroka, sowie höher hinauf auf der Bergseite des Dniesters, kleine in den Felsen gehauene und jedenfalls sehr alte Kirchen die Aufmerksamkeit wissbegieriger Reisender und frommer Pilger auf sich ziehen.

Uebrigens scheint der alte Name der weissen Stadt bei den Byzantinern nie ganz in Vergessenheit gerathen zu sein; denn bei einigen ihrer Schriftsteller aus dem späteren Mittelalter heisst sie nicht mehr Maurocastron, sondern Leucopolichnion und Asprocastron. Vielleicht wurde Schiitberger durch diesen Umstand veranlasst von einer Stadt asparseri zu reden, die Fallmerayer (p. 160, n. 272) wie mir scheint, ohne Grund, für das, unweit Bender auf der moldau'schen Seite des Dniesters liegende Scheriperni hält, „was man noch auf dem Uomannschen Atlas vom Jahre 1744 findet". Gegen die hinzugefügte Bemerkung, dass hier in früheren Jahrhunderten mehrere Städte waren „die nicht mehr vorhanden sind" ist freilich nichts einzuwenden; nicht minder gewiss ist aber dass asparseri, von Schiltberger ins deutsche übersetzt, die weisse Stadt genannt worden wäre. Es ist wahr, seinen Worten zufolge, waren asparseri und die weisse Stadt nicht eins und dasselbe. Es fragt sich aber ob hier nicht ein Fehler in der Heidelberger Handschrift angenommen werden darf. Wenigstens erkläre ich mir auf diese Weise, weshalb dort, gegen die Gewohnheit Schiltbergers, der einheimische Name der weissen Stadt ganz fehlt, während nach der von Penzel benutzten Nürnberger Handschrift, die leider abhanden gekommen ist, der Verfasser des Reisebuches direct aus der weissen Stadt, ohne asparseri zu berühren, nach Sutschava gekommen war, der damaligen Hauptstadt der kleinen Walachei.

Schon im grauen Alterthume hatten die Umgebungen Akkermans hellenische Ansiedler angelockt. Zu Herodots Zeit wohnten dort die Tyriten, wahrscheinlich in der von Milesiern gegründeten Stadt Ophiusa, die noch zu Strabos Zeit existirte und vielleicht ihrer Lage nach identisch war mit der Stadt Tyra oder Tyras, die jedenfalls die Stelle des heutigen Akkerman einnahm, wie aus den häufig daselbst vorkommenden autonomen und Kaisermünzen der Tyraner hervorgeht. Hier hätte man auch die Stadt Turis suchen sollen, die Justinian I. (546) den Anten hinterliess (Proc. B. G. III, 15), von denen sie sehr leicht durch den Namen Bielgorod hätte bezeichnet werden können. Da nun die Polowtzer ihrerseits diesen Namen übersetzt haben werden, so hätten wir einen Grund mehr in der weissen Stadt Schilt

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bergers die Stadt Acliba (liva?) wiederzuerkennen, die nach Edrisi (Joubert, Geogr. d'Edrisi, II, 394) an der Mündung des Dniesters lag.

Was das weisse Reussen Schiltbergers anbelangt, so kann er darunter nur den östlichen Theil des Königreichs Galizien verstanden haben, der auch in Folge einer falschen Lesart des Namens der Stadt Tscherven noch jetzt Rothrussland genannt wird (Karamsin d. russ. Ausgabe v. Einer ling, I n. 431). Dass Schütberger in diesem Fall roth nicht mit weiss verwechselt, ersieht man daraus dass ihm ausser dem „kleineren" weissen Russland ein „grösseres" bekannt sein musste. Dies kann nur das Grossfürstenthum Lithauen mit Einschluss des heutigen Weissrusslands, nicht aber das damalige Grossfürstenthum Moscau gewesen sein, das bei Schütberger „das Küngrich zu rewschen" heisst und dessen Abhängigkeit von den Tataren ihm nur zu gut bekannt war (das ist och zinsbar dem tartarischen Künig).

Gewiss geht Karamsin (II, n. 262 und 384) zu weit, wenn er in seiner Abneigung gegen Tatischef, diesem tüchtigen Historiker vorwirft, er habe ohne irgend einen triftigen Grund die Besitzungen des Gründers von Moscau Weissrussland genannt. Dagegen steht wohl auch fest, dass die späteren moscovitischen Grossfürsten, unter dem Joche der Mongolen, nicht daran denken konnten als Beherrscher des weissen oder freien Russlands aufzutreten und dass erst Johann III (1462—1505) berechtigt war dies zu thun.

Weit eher als Moscau hätte der mit Lithauen verbundene westliche Theil Russlands auf den Namen des grösseren weissen Russlands Ansprüche machen dürfen. Dass jener Theil, zu Schiltbergers Zeit, wirklich so genannt wurde, bezeugt sein Zeitgenosse Suchenwirt (cf. Adelung, Uebersicht d. Reis, in Russl. I, 136) in einem seiner geschichtlichen Gedichte, wo er die Erstürmung der Stadt Eysenburk, in Weizzen Reuzzen, durch den deutschen Orden im Jahre 1348 beschreibt. Diese Stadt war aber keine andere als Isborsk, das damals die Oberlehensherrlichkeit des lithauischen Fürsten Olgerd anerkannte.

Gleich den Besitzungen dieses Fürsten war der durch Casimir den Grossen mit Polen vereinigte Theil des westlichen Russlands nämlich das Fürstenthum Halitsch (Galizien), zu Schiltbergers Zeit, den Tataren nicht mehr tributpflichtig und verdiente demnach auch Weiss-Russland genannt zu werden, so wie es anderseits als das kleinere Land dieses Namens bezeichnet werden konnte, wie Schiltberger dies wirklich thut, und zwar von Rechtswegen. Dies beweist uns unter andern ein im Jahre 1335 an den Grossmeister des Deutschen Ordens gerichtetes Schreiben des Urenkels des „Königs" von Halitsch, Daniel Romanowitsch Georg, der abwechselnd in Lemberg und in Wladimir (in Wolhynien) residirte, und in jenem Schreiben Fürst totius „Russiae Mynoris" (sie) sich nennt (Karamsin IV, n. 276). Dass auch ausserhalb Russland Galizien als ein Theil von Kleinrussland betrachtet wurde, zeigt folgendes Bruchstück eines Briefes Marino Sanudos an den König von Frankreich, Philipp VI, datirt vom 13. Oktober 1333: Russia minor, quae confinat ab oeeidente cum Polonia, a meridie autem Ungaria etc. (Kunstmann, Studien über M. Sanudo, München, 1855, p. 105).

IX.

Es sei mir erlaubt hier noch auf einige der bei Schiltberger vorkommenden Namen aufmerksam zu machen, die man entweder gar nicht sich hat erklären können , oder aus denen man, weil man sie missverstanden, Schlüsse gezogen hat, die dem was er eigentlich hat sagen wollen, nicht entsprechen. Gewiss verdient er es, dass man ihm auch in solchen Fällen Gerechtigkeit widerfahren lasse, wo die von ihm mitgetheilten Nachrichten nicht der Art sind um uns zu veranlassen, eine Revision des schon anderweitig bekannten vorzunehmen.

a) Die Schlacht von Achtum fand eben so wenig statt in der Ebene von Nachidschevan, wie Neumann (p. 85, n. 81) meint, als in den Umgebungen von Erzerum, wohin der Bischof von Theodosia Aivasofski die „heid genannt achtum" versetzt, wo nach Schiltbergers Bericht (cap. XXIII), der Ilchan Ahnied-ben Oweis von Kara Iusuph, dem Führer der Turcomanen vom schwarzen Hammel, aufs Haupt geschlagen wurde. Wenigstens sehe ich nicht ein, weshalb das Schlachtfeld nicht gesucht werden dürfe in der Nähe von der am Kur gelegenen Oertlichkeit Aktam, wo einige Jahre vordem Tamerlan sein Lager aufgeschlagen hatte. (Dorn, Geogr. Caus. cf. Price, Chron. Resp. 206: Acataom or Actam, a Station to the castward of Moghaun).

b) Zu den Fürsten, die während der Anwesenheit Schiltbergers in der grossen Tatarei sich um die Herrschaft in der Goldenen Horde stritten, gehört ohne Zweifel Tschekre, da sich Münzen aus den Jahren 1414—1416 erhalten haben, die auf seinen Namen in Bolgar, Ssarai und Astrakhan geprägt worden waren. Man nimmt gewöhnlich an, dass von ihm in den russischen Chroniken gar nicht die Rede ist. Ich möchte aber gern ihn in dem „tzarewitsch Tegri-berdi" wiedererkennen, der im Gefolge des bekannten Edigeis oder Idekus sich befand, als dieser im Jahr 1408 bis in die Nähe Moscaus vordrang, alles auf seinem Wege verwüstend. Aus dem Gesagten ersieht man wohl, wer der tatarische Königssohn „zegre" (c. XXV, p. 88) oder gar zebra (bei Penzel) war, der, nebst seinem Sclaven Schütberger, an dem Zuge des „edigi" nach Sibirien sich betheiligte.

c) Gewiss haben Hammer (p. 92 n. 108) und Fallmerayer (n. 110) Recht, dass von den beiden von Schütberger (cap. XXVIII) erwähnten Hauptstädten der Walachei die eine „agrich" keine andere sein konnte, als das heute noch bestehende Ardschisch. Dagegen hätte Fallmerayer nicht sagen sollen, der Name der andern, der bei Schiltberger „türckisch" lautet, bedeute Bukurescht. Wäre es nicht gerathener gewesen anzunehmen, Schiltberger habe durch sein türckisch die Leser mit dem Namen der Stadt Targowescht bekannt machen wollen, wo zu seiner Zeit die walachischen Fürsten residirten, anstatt sich abzumühen, den Namen der heutigen Residenz des Fürsten von Rumänien, die damals gar nicht zu den Hauptstädten des Landes gehörte, bis zur Unkenntlichkeit umzugestalten.

d) Von den geographischen Namen, die im XXXVI Capitel (p. 106) des Reisebuchs, wo von der Crim die Rede ist, vorkommen, hat Neumann einige missverstanden, andere dagegen gar nicht erklärt.

So z. B. soll „Karckeri", das in einer von Christen bewohnten weinreichen Gegend lag — Cherson gewesen sein, da doch Schiltberger hier nur die Judenfestung Tschufutkale, oder Kirkier im Auge haben konnte. Der Irrthum Neumanns ist um so auffallender, da Schiltberger gleich darauf hinzusetzt, in derselben Gegend sei der heilige Clemens ins Meer versenkt worden „bei einer Stadt genannt serucherman in haidischer sprach". Es ist wahr, Neumann identifizirt diese Stadt mit Akkerman. Aber was berechtigt ihn anzunehmen, Schiltberger habe sich eine so falsche Vorstellung von der Gegend gemacht, wohin der Papst verschickt worden war, da schon im Jahr 1333 ein katholischer Bischof zu Cherson in Gothien fungirte, und da sogar dem Abulfeda, der nicht, wie Schiltberger, die Gegend selbst besucht hatte, bekannt war, dass dieselbe Stadt, die schon Rubruquis ,,Kersona, civitas Clementis" nennt, bei den Eingebornen Ssarukerman hiess, so wie auch dass der heutige Name der Stadt Akkerman schon damals im Gebrauch war.

Wenn Schiltberger uns ferner mittheilt dass die Gegend, in der die Städte Kirkier und Ssarukerman lagen „sudi" hiess, zugleich aber beiden Heiden den Namen „that" trug, so folgt aus einer andern Stelle des Reisebuchs (cap. I—VI, p. 135), wo er sagt, die „Kuthia sprauch" heisse bei den Heiden „thatt", dass sudi weiter nichts ist als eine schlechte Lesart des Wortes „Kuthia" und dass Schiltberger durch dies der armenischen Form des Namens der Gothen nachgebildete Wort die Südküste der Crim bezeichnen wollte, die damals allgemein unter dem Namen „Gotia" bekannt war, und wo die gothische, oder richtiger gotische, Sprache noch im XVI. Jahrhundert nicht ausgestorben war.

e) Wen Schiltberger (cap. XL p. 114) unter dem „Koldigen Joseph" verstanden hat, in dessen Gesellschaft er Jerusalem zweimal besucht hatte, lässt Neumann sowohl als die Verfasser der Geschichten des osmanischen Reichs und des Kaisertums Trapezunt unerklärt. Auch Koehler, der strenge Beurtheiler der mit Anmerkungen dieser drei Gelehrten versehenen Ausgabe des Reisebuches, der es sich zur Aufgabe gemacht, das von ihnen versäumte nachzuholen, beschränkt sich, nachdem er gesagt das Wort „koldigen" komme in jener Ausgabe vor, auf die hinzugefügte Bemerkung: „Auch die beiden Drucke (der Frankfurter vom Jahr 1553 und der Nürnberger von Berg und Neuber) haben diess mir räthselhafte Wort." Vielleicht hätte Herr Köhler den Schlüssel dieses Räthsels gefunden, wenn er nur vorausgesetzt haben würde, dase der gottesfürchtige bayerische Kriegsknecht doch wohl, aller Wahrscheinlichkeit nach, die heiligen Stätten nicht anders als in Begleitung eines Geistlichen habe betreten wollen, denn in diesem Falle könnte sein Begleiter Joseph ein griechischer Mönch oder xaXoysqog gewesen sein, den er aus demselben Grunde in einen koldigen hätte verwandeln können, der einen Serben veranlasst haben würde, ihn kaludjer zu nennen, und dem es zuzuschreiben ist, dass unter den „Calori", die Frescobaldi (Viaggio, etc., Roma 1818

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p. 118) im Kloster auf dem Berg Sinai antraf, griechische Mönche verstanden werden müssen.

f) „Wenn man den Namen nicht wüsste, so würde man in They schwerlich Ghasi erkennen" — ist Alles was Neumann (p. 130 n. 213) hinzuzufügen für nöthig hielt zu dem, was Schiltberger im LI Capitel über eine gegen die Christen besonders feindselig gesinnte mahommedanische Gesellschaft mittheilt.

Dagegen erlaube ich mir zu bemerken, dass die Ghasi nichts mit der Gesellschaft zu thun haben, deren Mitglieder Schiltberger they nennt. Denn da er unter dieser Gesellschaft doch nur die Sekte des Assassinen verstanden haben kann, so erräth man leicht, dass er von denjenigen Mitgliedern dieser Sekte spricht, die durch die Benennung Dey (Werber) bezeichnet wurden. Dass er sie they nennt, kann ihm schwerlich zum Vorwurf gemacht werden, da seine Landsleute lange sich darüber stritten, ob sie sich Deutsche oder Teutsche nennen sollen.

Ueberhaupt muss man sich hüten, deshalb einen Stein auf ihn zu werfen, weil er sich nicht befleissigt hat uns die geographischen und Eigen-Namen in einer so correkten Form mitzutheilen, dass man sie ohne Weiteres erkennen könnte. Wenigstens hat er in dieser Hinsicht sich nicht mehr vorzuwerfen, als andere gleichzeitige Schriftsteller, ja sogar, nicht selten, die heutigen, in so fern es sich um die Rechtschreibung fremder Eigennamen handelt.

So z. B. darf man es Schiltberger nicht übel nehmen, dass er (cap. XIII, p. 72) den Fürsten von Arzendschan „Tarathan" nennt, da derselbe Fürst nicht allein bei Glavijo (92—96) den Namen Zaratan führt, sondern sogar in den Werken unserer Orientalisten, Weil nicht ausgenommen, unter dem ebenso wenig richtigen Namen „Taherten" aufgeführt wird, während man, wie aus dem Reisehuch des türkischen Touristen Evliya Efendi (Narrative of travels, transl. by Hammer, II, 202) zu ersehen, ihm seinen Namen Zahir-ud-din hätte lassen sollen.

Berichtigung.

Auf Seite 450 des vorausgehenden Bandes ist Linie 7 von unten folgendermassen zu verbessern:

„dennoch betrüge die Entfernung zwischen dem Chopi und dem Vorgebirge Isgour... nicht mehr als 400 Stadien; zwischen jenem Fluss dagegen und dem alten Suchum" u. s. w.