[236] so seltsam empfangen und abgewiesen worden, daß es seithero niemand weiter gelüstet; besonders nach ihrer Eröffnung, daß der Schatz keinem zu Theil werden könne, der nur ein einziges mal Weibermilch getrunken. Vor kurzer Zeit noch wäre ein Mägdlein aus ihrem Dorf nebst etlichen Geisen an den Ort zu weiden gewesen, und, als deren eine sich in das Gemäuer verlaufen, nachgefolgt. Da sey eine Jungfrau inwendig im Hof gewesen und habe es angeredet: was es da zu schaffen? auch nach erhaltenem Bescheid, auf ein Körblein Kirschen weisend, weiter gesagt: „so gehe und nimm dort von dem, was du vor dir siehest, mit sammt deiner Gais, komm aber nicht wieder, noch sieh dich um, damit dir nichts Arges beschehe!“ Darauf habe das erschrockene Kind sieben Kirschen ertappet und sey in Angst aus der Mauer gekommen; die Kirschen seyen aber sogleich zu Geld geworden.


160.
Das quellende Silber.
Happel relat curios. III. 529.

Im Februar des Jahrs 1605. unter dem Herzog Heinrich Julius von Braunschweig trug sich zu, daß eine Meile Wegs von Quedlinburg, zum Thal genannt, ein armer Bauer seine Tochter in den nächsten Busch schickte, Brenn-Holz aufzulesen. Das Mädchen nahm dazu einen Trag-Korb und einen Hand-Korb [237] mit und als es beide angefüllt hatte und nach Haus gehen wollte, trat ein weißgekleidetes Männlein zu ihm hin und fragte: „was trägst du da?“ „Aufgelesenes Holz, antwortete das Mädchen, zum Heizen und Kochen.“ „Schütte das Holz aus, sprach weiter das Männlein, nimm deine Körbe und folge mir; ich will dir etwas zeigen, das besser und nützlicher ist, als das Holz.“ Nahm es dabei an der Hand, führte es zurück an einen Hügel und zeigte ihm einen Platz, etwa zweier gewöhnlichen Tische breit, ein schön lauter Silber von kleiner und großer Münze von mäßiger Dicke, darauf ein Bild, wie eine Maria gestaltet und rings herum ein Gepräge von uralter Schrift. Als dieses Silber in großer Menge gleichsam aus der Erde hervorquoll, entsetzte sich das Mägdlein davor und wich zurück; wollte auch nicht seinen Hand-Korb von Holz ausschütten. Hierauf thats das weiße Männlein selbst, füllte ihn mit dem Geld und gab ihn dem Mägdlein und sprach: „das wird dir besser seyn, als Holz.“ Es nahm ihn voll Bestürzung und als das Männlein begehrte, es sollte auch seinen Trag-Korb ausschütten und Silber hinein fassen, wehrte es ab und sprach: „es müsse auch Holz mit heim bringen, denn es wären kleine Kinder daheim, die müßten eine warme Stube haben und dann müßte auch Holz zum Kochen da seyn.“ Damit war das Männlein zufrieden und sprach: „nun so ziehe damit hin“ und verschwand darauf.

Das Mädchen brachte den Korb voll Silber nach Haus und erzählte, was ihm begegnet war. Nun [238] liefen die Bauern haufenweis mit Hacken und anderm Geräth in das Wäldchen und wollten sich ihren Theil vom Schatz auch holen, aber niemand konnte den Ort finden, wo das Silber hervorgequollen war.

Der Fürst von Braunschweig hat sich von dem geprägten Silber ein Pfund holen lassen, so wie sich auch ein Bürger aus Halberstadt, N. Everkan, eins gelöst.





161.
Goldsand auf dem Unterberg.
Brixener Volksbuch


Im Jahr 1753. ging ein ganz mittelloser, beim Hofwirth zu St. Zeno stehender Dienstknecht, Namens Paul Mayr, auf den Berg. Als er unweit dem Brunnenthal fast die halbe Höhe erreicht hatte, kam er zu einer Steinklippe, worunter ein Häuflein Sand lag. Weil er schon so manches gehört hatte und nicht zweifelte, daß es Goldsand wäre, füllte er sich alle Taschen damit und wollte voll Freude nach Haus gehen; aber in dem Augenblick stand ein fremder Mann vor seinem Angesicht und sprach: „was tragst du da?“ Der Knecht wußte vor Schrecken und Furcht nichts zu antworten, aber der fremde Mann ergriff ihn, leerte ihm die Taschen aus und sprach: „jetzt gehe nimmer den alten Weg zurück, sondern einen andern und sofern du dich hier wieder sehen läßt, wirst du nicht mehr lebend davon kommen.“ Der gute Knecht ging [239] heim, aber das Gold reizte ihn also, daß er beschloß, den Sand noch einmal zu suchen, und einen guten Gesellen mitnahm. Es war aber alles umsonst und dieser Ort ließ sich nimmermehr finden.

Ein andermal verspätete sich ein Holzmeister auf dem Berge und mußte in einer Höhle die Nacht zubringen. Anderen Tages kam er zu einer Steinklippe, aus welcher ein glänzend schwerer Goldsand herabrieselte. Weil er aber kein Geschirr bei sich hatte, ging er ein ander Mal hinauf und setzte das Krüglein unter. Und als er mit dem angefüllten Krüglein hinweg ging, sah er unweit dieses Orts eine Thüre sich öffnen, durch die er schaute, und da kam es ihm natürlich vor, als sehe er in den Berg hinein und darin eine besondere Welt mit einem Tageslicht, wie wir es haben. Die Thüre blieb aber kaum eine Minute lang offen; wie sie zuschlug, hallte es in den Berg hinein, wie in ein großes Weinfaß. Dieses Krüglein hat er sich allzeit angefüllt nach Haus tragen können, nach seinem Tode aber ist an dem Gold kein Seegen gewesen. Jene Thüre hat in folgender Zeit niemand wieder gesehen.





162.
Gold-Kohlen.
Brixener Volksbuch.


Im Jahr 1753 ging von Salzburg eine Kräutel-Brockerin auf den Wunderberg; als sie eine Zeit lang [240] auf demselben herumgegangen war, kam sie zu einer Steinwand, da lagen Brocken, grau und schwarz, als wie Kohlen. Sie nahm davon etliche zu sich und als sie nach Haus gekommen, merkte sie, daß in solchen klares Gold vermischt war. Sie kehrte alsbald wieder zurück auf den Berg, mehr davon zu holen, konnte aber alles Suchens ungeachtet den Ort nicht mehr finden.





163.
Der Brunnen zu Steinau.
Bange thüring. Chronik. Bl. 105.


Im Jahr 1271. waren dem Abt Berold zu Fulda seine eignen Unterthanen feind und verschworen sich wider sein Leben. Als er einmal in der St. Jacobs Capelle Messe las, überfielen ihn die Herrn von Steinau, von Eberstein, Albrecht von Brandau, Ebert von Spala, und Ritter Conrad und erschlugen ihn. Bald hernach wurden diese Räuber selbdreißig, mit zwanzig Pferden, zu Hasselstein auf dem Kirchenraub betrappt, mit dem Schwert hingerichtet und ihre Wohnungen zerbrochen. Dieser That halben haben die Herrn von Steinau in ihrem Wappen hernachmals drei Räder mit drei Scheermessern führen müssen und an der Stätte, da sie das Verbündniß über den Abt gemacht, nämlich bei Steinau (an der Straße im Hanauischen) an einem Brunnen auf einem Rasen wächst noch zur Zeit kein Gras.


[241]

164.
Die fünf Kreuze.
Mündlich, aus Höxter.


Vor dem Klausthor in Höxter, welches nach Pyrmont führt, gleich linker Hand stehen an dem Wege fünf alte Steine, welche die fünf Kreuze heißen, vermuthlich weil es versunkene Kreuze sind. Nun geht die Sage, es seyen fünf Hühnen dabei erschlagen worden; nach andern fünf Grafen von Reischach; wieder nach andern sind fünf Bürger von Tilly im dreißigjährigen Krieg aufgehängt worden.





165.
Der Schwerttanz zu Weißenstein.
Winkelmann hess. Chronik S. 375. aus dem Mund alter Leute.


Unfern Marburg liegt ein Dorf Wehre und dabei ein spitzer Berg, auf dem vor alten Zeiten eine Raubburg gestanden haben soll, genannt der Weißenstein, und Trümmer davon sind noch übrig. Aus diesem Schloß wurde den Umliegenden großer Schaden zugefügt, allein man konnte den Räubern nicht beikommen, wegen der Feste der Mauer und Höhe des Bergs. Endlich verfielen die Bauern aus Wehre auf eine List. Sie versahen sich heimlich mit allerhand Wehr und Waffen, gingen zum Schloß hinauf und gaben den [242] Edelleuten vor, daß sie ihnen einen Schwerttanz[1] bringen wollten. Unter diesem Schein wurden sie eingelassen; da entblößten sie ihre Waffen und hieben das Raubvolk tapfer nieder, bis sich die Edelleute auf Gnaden ergaben und von den Bauern sammt der Burg ihrem Landesfürsten überliefert wurden.





166.
Der Steintisch zu Bingenheim.
Winkelmann Beschr. von Hessen S. 184. aus dem Mund des dauernheimer Pastors Draud.


In dem hessischen Ort Bingenheim in der Wetterau wurden ehmals vor dem Rathhaus unter der Linde jährlich drei Zentgerichte gehalten, wozu sich viel vornehmer Adel, der in der fuldischen Mark angesessen war, leiblich einfand. Unter der Linde stand ein steinerner Tisch, von dem erzählt wurde: er sey aus dem hohen Berg, einem gegen Staden hin gelegenen Walde, dahin gebracht worden. In diesem Walde hätten früherhin wilde Leute gehaust, deren Handgriffe man noch in den Steinen sähe und von denen sich noch drei ausgehöhlte Steinsitze vorfänden. Im Jahr 1604. bei Sommerszeit habe man in gedachtem Wald an hellem Tag drei Leute in weißer Gestalt umwandern sehen.



[243]

167.
Der lange Mann in der Mordgasse zu Hof.
Widmann in der Höfer Chronik.


Vor diesem Sterben (der Pest zu Hof im Jahr 1519.) hat sich bei Nacht ein großer, sehwarzer, langer Mann in der Mordgasse sehen lassen, welcher mit seinen ausgebreiteten Schenkeln die zwei Seiten der Gassen betreten und mit dem Kopf hoch über die Häuser gereicht hat; welchen meine Ahnfrau Walburg Widmännin, da sie einen Abend durch gedachte Gasse gehen müssen, selbst gesehen, daß er den einen Fuß bei der Einfurt des Wirthshauses, den andern gegenüber auf der andern Seite bei dem großen Haus gehabt. Als sie aber vor Schrecken nicht gewußt, ob sie zurück oder fortgehen sollen, hat sie es in Gottes Namen gewagt, ein Kreuz vor sich gemacht, und ist mitten durch die Gasse und also zwischen seinen Beinen hindurch gegangen, weil sie ohne das besorgen müssen, solch Gespenst mögte ihr nacheilen. Da sie kaum hindurch gekommen, schlägt das Gespenst seine beiden Beine hinter ihr so hart zusammen, daß sich ein solch groß Geprassel erhebet, als wann die Häuser der ganzen Mordgasse einfielen. Es folgte darauf die große Pest und fing das Sterben in der Mordgasse am ersten an.


[244]

168.
Krieg und Frieden.

Gottfr. Schulz Chronik. S. 542.
Bräuner’s Curiositäten S. 279.
Prätorius Weltbeschr. I. 665.


Im Jahr 1644. am achtzehnten August zog Kurfürst Johann Georg der Erste an der Stadt Chemnitz vorbei. Da fingen seine Leute in dem Gehölz der Gegend ein wildes Weiblein, das nur eine Elle groß, sonst aber recht menschlich gestaltet war. Angesicht, Hände und Füße waren glatt, aber der übrige Leib rauch. Es fing an zu reden und sagte: „ich verkündige und bringe den Frieden im Lande.“ Der Kurfürst befahl, man sollte es wieder frei gehen lassen, weil vor etwa fünf und zwanzig Jahren auch ein Männlein von gleicher Gestalt gefangen worden, welches den Unfrieden und Krieg verkündiget.





169.
Rodensteins Auszug.

Mündlich.
vgl. Zeitung f. die eleg. Welt. 1811. Nr. 126.
und Reichsanzeiger 1806. Nr. 129. 160. 198. 206.


Nah an dem zum gräflich erbachischen Amt Reichenberg gehörigen Dorf Oberkainsbach, unweit dem Odenwald, liegen auf einem Berge die Trümmer des alten Schlosses Schnellerts; gegenüber eine Stunde davon, [245] in der rodsteiner Mark, lebten ehemals die Herrn von Rodenstein, deren männlicher Stamm erloschen ist. Noch sind die Ruinen ihres alten Raubschlosses zu sehen.

Der letzte Besitzer desselben hat sich besonders durch seine Macht, durch die Menge seiner Knechte und des erlangten Reichthums berühmt gemacht; von ihm geht folgende Sage. Wenn ein Krieg bevorsteht, so zieht er von seinem gewöhnlichen Aufenthalts-Ort Schnellerts bei grauender Nacht aus, begleitet von seinem Hausgesind und schmetternden Trompeten. Er zieht durch Hecken und Gesträuche, durch die Hofraithe und Scheune Simon Daum’s zu Oberkainsbach bis nach dem Rodenstein, flüchtet gleichsam als wolle er das seinige in Sicherheit bringen. Man hat das Knarren der Wagen und ein ho! ho! Schreien, die Pferde anzutreiben, ja selbst die einzelnen Worte gehört, die einherziehendem Kriegsvolk vom Anführer zugerufen werden und womit ihm befohlen wird. Zeigen sich Hoffnungen zum Frieden, dann kehrt er in gleichem Zuge vom Rodenstein nach dem Schnellerts zurück, doch in ruhiger Stille und man kann dann gewiß seyn, daß der Frieden wirklich abgeschlossen wird[2]. Ehe Napoleon [246] im Frühjahr 1815. landete, war bestimmt die Sage, der Rodensteiner sey wieder in die Kriegburg ausgezogen.


170.
Der Tannhäuser.
Nach dem alten Volkslied in Prätorius Blocksberg. Lpzg. 1668 S. 19–25.
Agricola Sprichwort 667. p. m. 322 b.

Der edle Tannhäuser, ein deutscher Ritter, hatte viele Länder durchfahren und war auch in Frau Venus Berg zu den schönen Frauen gerathen, das große Wunder zu schauen. Und als er eine Weile darin gehaust hatte, fröhlich und guter Dinge, trieb ihn endlich sein Gewissen, wieder herauszugehen in die Welt und begehrte Urlaub. Frau Venus aber bot alles auf, um ihn wanken zu machen: sie wolle ihm eine ihrer Gespielen geben zum ehlichen Weibe und er möge gedenken an ihren rothen Mund, der lache zu allen Stunden. Tannhäuser antwortete: kein ander Weib gehre er, als die er sich in den Sinn genommen, wolle nicht ewig in der Hölle brennen und gleichgültig sey ihm ihr rother Mund, könne nicht länger bleiben,


lang, daß es geschah, daß man den Lindenschmied reiten sah auf seinem hohen Rosse, er litt den Rheinstrom auf und ab, er hats gar wohl genossen.“ Andere sagen, daß Schnellert aus seiner Burg nach dem Rodenstein auszöge, um seinen geschwornen Todfeind, den Rodensteiner, auch noch als Geist zu befehden.

[247] denn sein Leben wäre krank geworden. Und da wollte ihn die Teufelin in ihr Kämmerlein locken, der Minne zu pflegen, allein der edle Ritter schalt sie laut und rief die himmlische Jungfrau an, daß sie ihn scheiden lassen mußte. Reuevoll zog er die Straße nach Rom zu Papst Urban, dem wollte er alle seine Sünde beichten, damit ihm Buße aufgelegt würde und seine Seele gerettet wäre. Wie er aber beichtete, daß er auch ein ganzes Jahr bei Frauen Venus im Berg gewesen, da sprach der Papst: „wann dieser dürre Stecken grünen wird, den ich in der Hand halte, sollen dir deine Sünden verziehen seyn, und nicht anders.“ Der Tannhäuser sagte: „und hätte ich nur noch ein Jahr leben sollen auf Erden, so wollte ich solche Reu und Buße gethan haben, daß sich Gott erbarmt hätte;“ und vor Jammer und Leid, daß ihn der Papst verdammte, zog er wieder fort aus der Stadt und von neuem in den teuflischen Berg, ewig und immerdar drinnen zu wohnen. Frau Venus aber hieß ihn willkommen, wie man einen langabwesenden Buhlen empfängt; danach wohl auf den dritten Tag hub der Stecken an zu grünen und der Papst sandte Botschaft in alle Land, sich zu erkundigen, wohin der edle Tannhäuser gekommen wäre. Es war aber nun zu spät, er saß im Berg und hatte sich sein Lieb erkoren, daselbst muß er nun sitzen, bis zum jüngsten Tag, wo ihn Gott vielleicht anderswohin weisen wird. Und kein Priester soll einem sündigen Menschen Mißtrost geben, sondern verzeihen, wenn er sich anbietet zu Buß und Reue.


[248]

171.
Der wilde Jäger Hackelberg.
Hans Kirchhof im Wendunmuth. IV. Nr. 283. S, 342. 343.


Vorzeiten soll im Braunschweiger Land ein Jägermeister gewesen seyn, Hackelberg genannt, welcher zum Waidwerk und Jagen solch große Lust getragen, daß, da er jetzt an seinem Todbett laq, und vom Jagen so ungern abgeschieden, er von Gott soll begehrt und gebeten haben (ohnzweifellich aus Ursach seines christlichen und gottseeligen Lebens halber, so er bisher geführt), daß er für sein Theil Himmelreich bis zum jüngsten Tag am Sölling mögt jagen. Auch deßwegen in ermeldte Wildniß und Wald sich zu begraben befohlen, wie geschehen. Und wird ihm sein gottloser, ja teuflischer Wunsch verhängt, denn vielmal wird ein gräulich und erschrecklich Hornblasen und Hundsgebell die Nacht gehört: jetzt hie, ein andermal anderswo in dieser Wildniß, wie mich diejenigen, die solch Gefährd auch selbst angehört, berichtet. Zudem soll es gewiß seyn, daß, wenn man Nachts ein solch Jagen vermerkt und am folgenden Tag gejagt wird, einer ein Arm, Bein, wo nicht den Hals gar bricht, oder sonst ein Unglück sich zuträgt.

Ich hin selbst (ist mir recht im Jahr 1558), als ich von Einbeck übern Sölling nach Ußlar geritten und mich verirrte, auf des Hackelbergers Grab ungefähr gestoßen. War ein Platz, wie eine Wiese, doch von unartigem Gewächs und Schilf in der Wildniß, etwas [249] länger denn breit, mehr denn ein Acker zu achten; darauf kein Baum sonst stund wie um die Ende. Der Platz kehrte sich mit der Länge nach Aufgang der Sonne, unten am Ende lag die Zwerch, ein erhabener rother (ich halt Wacken-) Stein, bei acht oder neun Schuhen lang und fünfe, wie mich däuchte, breit. Er war aber nicht, wie ein anderer Stein, gegen Osten, sondern mit dem einen Vorhaupt gegen Süden, mit dem andern gegen Norden gekehret.

Man sagte mir, es vermögte niemand dieses Grab aus Vorwitz oder mit Fleiß, wie hoch er sich deß unterstünde, zu finden, käme aber jemand ungefähr, lägen etliche gräuliche schwarze Hunde daneben. Solches Gespensts und Wusts ward ich aber im geringsten nicht gewahr, sonst hatte ich wenig Haare meines Haupts, die nicht empor stiegen.





172.
Der wilde Jäger und der Schneider.
Mündlich aus Münster.


Ein Schneider saß einmal auf seinem Tische am Fenster und arbeitete, da fuhr der wilde Jäger mit seinen Hunden über das Haus her und das war ein Lärmen und Bellen, als wenn die Welt verginge. Man sagt sonst den Schneidern nach, sie seyen furchtsam, aber dieser war es nicht, denn er spottete des wilden Jägers und schrie: „huhu, huhu, kliffklaff, kliffklaff!“ [250] und hetzte die Hunde noch mehr an; da kam aber ein Pferdefuß ins Fenster hereingefahren und schlug den Schneider vom Tische herab, daß er wie todt niederfiel. Als er wieder zur Besinnung kam, hörte er eine fürchterliche Stimme:

wust du met mi jagen,
dan sost du auk met mi knagen!

ich weiß gewiß, er wird nie wieder den wilden Jäger geneckt haben.





173.
Der Hoselberg[3].

Bange thüring. Chronik fol. 57.
Kornmann mons Veneris Cap. 74. p. 374.
Seyfried medulla p. 482.
vgl. Agricola Sprüchwort 301.

Im Lande zu Thüringen nicht fern von Eisenach liegt ein Berg, genannt der Höselberg, worin der Teufel haust und zu dem die Hexen wallfahrten. Zuweilen erschallt jämmerliches Heulen und Schreien her daraus, das die Teufel und armen Seelen ausstoßen; im Jahr 1398. am hellen Tage erhoben sich bei Eisenach drei große Feuer, brannten eine Zeitlang in der Luft, thaten sich zusammen und wieder von einander und fuhren endlich alle drei in diesen Berg. Fuhrleute, [251] die ein andermal mit Wein vorbeigefahren kamen, lockte der böse Feind mit einem Gesicht hinein und wies ihnen etliche bekannte Leute, die bereits in der höllischen Flamme saßen.

Die Sage erzählt: einmal habe ein König von Engelland mit seiner Gemahlin, Namens Reinschweig, gelebt, die er aus einem geringen Stand, blos ihrer Tugend willen, zur Königin erhoben. Als nun der König gestorben war, den sie aus der Maßen lieb hatte, wollte sie ihrer Treu an ihm nicht vergessen, sondern gab Almosen und betete für die Erlösung seiner Seele. Da war gesagt, daß ihr Herr sein Fegfeuer zu Thüringen im Höselberg hätte, also zog die fromme Königin nach Deutschland und baute sich unten am Berg eine Capelle, um zu beten, und rings umher entstand ein Dorf. Da erschienen ihr die bösen Geister, und sie nannte den Ort Satansstedt, woraus man nach und nach Sattelstedt gemacht hat.





174.
Des Rechenbergers Knecht.

Agricola im Sprüchw. 301. Bl. 172.
Kirchhof’s Wendunmuth V. Nr. 247–249. S. 304. 305.
Luther’s Tisch-Reden. 106.

Es sagte im Jahr 1520. Herr Hans von Rechenberg in Beiseyn Sebastians Schlick und anderer viel ehrlicher und rechtlicher Leute, wie seinem Vater und ihm ein Knecht zur Zeit, da König Matthias in Ungarn [252] gegen den Türken gestritten, treulich und wohl gedienet hätte viel Jahr, also daß sie nie einen bessern Knecht gehabt. Auf eine Zeit aber ward ihm Botschaft an einen großen Herrn auszurichten vertrauet und da Herr Hans meinte, der Knecht wäre längst hinweg, ging er von ohngefähr in den Stall, da fand er den Knecht auf der Streu bei den Pferden liegen und schlafen, ward zornig und sprach, wie das käme? Der Knecht stand auf und zog einen Brief aus dem Busen, sagte: „da ist die Antwort.“ Nun war der Weg ferne und unmöglich einem Menschen, daß er da sollte gewesen seyn. Dabei ward der Knecht erkannt, daß es ein Geist gewesen wäre. Bald nach diesem wurde er auf eine Zeit bedrängt von den Feinden, da hob der Knecht an: „Herr, erschrecket nicht, gebt eilends die Flucht, ich aber will zurückreiten und Kundschaft von den Feinden nehmen.“ Der Knecht kam wieder, klingelte und klapperte feindlich in seinen vollgepfropften Taschen. „Was hast du da?“ sprach der Herr. „Ich hab allen ihren Pferden die Eisen abgebrochen und weggenommen, die bring ich hier.“ Damit schüttete er die Hufeisen aus und die Feinde konnten Herrn Hansen nicht verfolgen.

Herr Hans von Rechenberg sagte auch: der Knecht wäre zuletzt wegkommen, niemand wüßte wohin, nachdem man ihn erkannt hätte.

Kirchhof, welcher von einem andern Edelmann, der sich aus dem Stegreif ernährt, die Sage erzählt, hat noch folgende Züge. Einmal ritt sein Herr fort [253] und befahl ihm ein Pferd, das ihm sehr lieb war: er sollt dessen fleißig warten. Als der Junker weg war, führte der Knecht das Pferd auf einen hohen Thurm, höher denn zehn Stufen; wie aber der Herr wieder kam, vernahm und kannte es ihn im Hineinreiten, steckte den Kopf oben im Thurm zum Fenster hinaus und fing an zu schreien, daß er sich gar sehr verwunderte und es mit Stricken und Seilen mußte vom Thurm herablassen.

Auf eine andere Zeit lag der Edelmann um eines Todschlags willen gefangen und rief den Knecht an, daß er ihm hülfe. Sprach der Knecht: „obschon es schwer ist, will ichs doch thun, doch müßt ihr nicht viel mit den Händen vor mir flattern und Schirmstreich brauchen.“ Damit meinte er ein Kreuz vor sich machen und sich segnen. Der Edelmann sprach, er sollte nur fortfahren, er wollte sich damit recht halten. Was geschah? Er nahm ihn mit Ketten und Fesseln, führte ihn in der Luft daher; wie sich aber der Edelmann in der Höhe fürchtet und schwindelt und rief: „hilf Gott! hilf! wo bin ich!“ ließ er ihn herunter in einen Pfuhl fallen, kam heim und zeigte es der Frau an, daß sie ihn holen und heilen ließ, wie sie that.


[254]

175.
Geister-Kirche.

Widmann’s Höfer Chronik
Mündliche Erzählungen aus dem Paderbörnischen


Um das Jahr 1516 hat sich eine wunderbare, doch wahrhaftige Geschichte in St. Lorenz Kirche und auf desselben Kirchhof zugetragen. Als eine andächtige, alte, fromme Frau, ihrer Gewohnheit nach, einsmals früh Morgens vor Tag hinaus gen St. Lorenz in die Engelmesse gehen wollen, in der Meinung, es sey die rechte Zeit, kommt sie um Mitternacht vor das obere Thor, findet es offen und geht also hinaus in die Kirche, wo sie dann einen alten, unbekannten Pfaffen die Messe vor dem Altar verrichten sieht. Viele Leut, mehrers Theils unbekannte, sitzen hin und wieder in den Stühlen zu beiden Seiten, eines Theils ohne Köpf, auch unter denselben etliche, die unlängst verstorben waren und die sie in ihrem Leben wohl gekannt hatte.

Das Weib setzt sich mit großer Furcht und Schrecken in der Stühle einen und, weil sie nichts denn verstorbene Leute, bekannte und unbekannte, siehet, vermeint, es wären der Verstorbenen Seelen; weiß auch nicht, ob sie wieder aus der Kirche gehen oder drinnen bleiben soll, weil sie viel zu früh kommen wär, und Haut und Haar ihr zu Berge steigen. Da geht eine aus dem Haufen, welche bei Leben, wie sie meinte, ihre Gevatterin gewesen und vor dreien Wochen gestorben [255] war, ohne Zweifel ein guter Engel Gottes, hin zu ihr, zupfet sie bei der Kursen (Mantel), beutet ihr einen guten Morgen und spricht: „ei! liebe Gevatterin, behüt uns der allmächtige Gott, wie kommt ihr daher? Ich bitte euch um Gottes und seiner lieben Mutter willen, habt eben acht auf, wann der Priester wandelt oder segnet, so laufet, wie ihr laufen könnt und sehet euch nur nicht um, es kostet euch sonst euer Leben.“ Darauf sie, als der Priester wandeln will, aus der Kirche geeilet, so sehr sie gekonnt, und hat hinter ihr ein gewaltig Prasseln, als wann die ganze Kirche einfiele, gehöret, ist ihr auch alles Gespenst aus der Kirche nachgelaufen und hat sie noch auf dem Kirchhof erwischt, ihr auch die Kursen (wie die Weiber damals trugen) vom Hals gerissen, welche sie dann hinter sich gelassen und ist sie also unversehret davon kommen und entronnen. Da sie nun wiederum zum obern Thor kommt und herein in die Stadt gehen will, findet sie es noch verschlossen, dann es etwa um ein Uhr nach Mitternacht gewesen: mußt derowegen wohl bei dreien Stunden in einem Haus verharren bis das Thor geöffnet wird und kann hieraus vermerken, daß kein guter Geist ihr zuvor durch das Thor geholfen habe und daß die Schweine, die sie anfangs vor dem Thor gesehen und gehört, gleich als wenn es Zeit wäre, das Vieh auszutreiben, nichts anders, dann der leidige Teufel gewesen. Doch, weil es ein beherztes Weib ohne das gewesen und sie dem Unglück entgangen, hat sie sich des Dings nicht mehr [256] angenommen, sondern ist zu Haus gegangen und am Leben unbeschädigt blieben, obwohl sie wegen des eingenommenen Schreckens zwei Tag zu Bett hat liegen müssen. Denselben Morgen aber, da ihr solches zu Handen gestoßen, hat sie, als es nun Tag worden, auf den Kirchhof hinausgeschicket und nach ihrer Kursen, ob dieselbe noch vorhanden, umsehen und suchen lassen; da ist dieselbe zu kleinen Stücklein zerrissen gefunden worden, also daß auf jedem Grabe ein kleines Flecklein gelegen, darob sich die Leut, die haufenweis derohalben hinaus auf den Kirchhof liefen, nicht wenig wunderten.

Diese Geschichte ist unsern Eltern sehr wohl bekannt gewesen, da man nicht allein hie in der Stadt, sondern auch auf dem Land in den benachbarten Orten und Flecken davon zu sagen gewußt, wie dann noch heutiges Tags Leute gefunden werden, die es vor der Zeit von ihren Eltern gehört und vernommen haben. –

Nach mündlichen Erzählungen hat es sich in der Nacht vor dem Aller-Seelen-Tag zugetragen, an welchem die Kirche feierlich das Gedächtniß der abgeschiedenen Seelen begeht. Als die Messe zu Ende ist, verschwindet plötzlich alles Volk aus der Kirche, so voll sie vorher war, und sie wird ganz leer und finster. Sie sucht ängstlich den Weg zur Kirchthüre und wie sie heraustritt, schlägt die Glocke im Thurm ein Uhr und die Thüre fährt mit solcher Gewalt gleich hinter ihr zu, daß ihr schwarzer Regenmantel eingeklemmt wird. Sie läßt ihn, eilt fort und als sie am Morgen [257] kommt, ihn zu holen, ist er zerrissen und auf jedem Grabhügel liegt ein Stücklein davon.





176
Geister - Mahl.

Bräuner’s Curiositäten S. 336-340
Erasm. Francisci höll. Proteus. S. 426


Als König Friedrich der Dritte von Dänemark eine öffentliche Zusammenkunft nach Flensburg ausgeschrieben, trug sich zu, daß ein dazu herbeigereister Edelmann, weil er spät am Abend anlangte, in dem Gasthaus keinen Platz finden konnte. Der Wirth sagte ihm, alle Zimmer wären besetzt, bis auf ein einziges großes, darin aber die Nacht zuzubringen wolle er ihm selbst nicht anrathen, weil es nicht geheuer und Geister darin ihr Wesen trieben. Der Edelmann gab seinen unerschrockenen Muth lächelnd zu erkennen und sagte, er fürchte keine Gespenster und begehre nur ein Licht, damit er, was sich etwa zeige, besser sehen könne. Der Wirth brachte ihm das Licht, welches der Edelmann auf den Tisch setzte und sich mit wachenden Augen versichern wollte, daß Geister nicht zu sehen wären. Die Nacht war noch nicht halb herum, als es anfing, im Zimmer hier und dort sich zu regen und rühren und bald ein Rascheln über das andere sich hören ließ. Er hatte anfangs Muth, sich wider den anschauernden Schrecken fest zu halten, bald aber, [258] als das Geräusch immer wuchs, ward die Furcht Meister, so daß er zu zittern anfing, er mogte widerstreben, wie er wollte. Nach diesem Vorspiel von Getöse und Getümmel kam durch ein Kamin, welches im Zimmer war, das Bein eines Menschen herabgefallen, bald auch ein Arm, dann Leib, Brust und alle Glieder, zuletzt, wie nichts mehr fehlte, der Kopf. Alsbald setzten sich die Theile nach ihrer Ordnung zusammen und ein ganz menschlicher Leib, einem Hof-Diener ähnlich, hob sich auf. Jetzt fielen immer mehr und mehr Glieder herab, die sich schnell zu menschlicher Gestalt vereinigten, bis endlich die Thüre des Zimmers aufging und der helle Haufen eines völligen königlichen Hofstaats eintrat.

Der Edelmann, der bisher wie erstarrt am Tisch gestanden, als er sah, daß der Zug sich näherte, eilte zitternd in einen Winkel des Zimmers; zur Thür hinaus konnte er vor dem Zuge nicht.

Er sah nun, wie mit ganz unglaublicher Behendigkeit die Geister eine Tafel deckten; alsbald köstliche Gerichte herbeitrugen und silberne und goldene Becher aufsetzten. Wie das geschehen war, kam einer zu ihm gegangen und begehrte, er solle sich als ein Gast und Fremdling zu ihnen mit an die Tafel setzen und mit ihrer Bewirthung vorlieb nehmen. Als er sich weigerte, ward ihm ein großer silberner Becher dargereicht, daraus Bescheid zu thun. Der Edelmann, der vor Bestürzung sich nicht zu fassen wußte, nahm den Becher und es schien auch, als würde man ihn sonst dazu [259] zu nöthigen aber als er ihn ansetzte, kam ihn ein so innerliches, Mark und Bein durchdringendes Grausen an, daß er Gott um Schutz und Schirm laut anrief. Kaum hatte er das Gebät gesprochen, so war in einem Augenblick alle Pracht, Lärm und das ganze glänzende Mahl mit den herrlich scheinenden stolzen Geistern verschwunden.

Indessen blieb der silberne Becher in seiner Hand, und wenn auch alle Speisen verschwunden waren, blieb doch das silberne Geschirr auf der Tafel stehen, auch das eine Licht, das der Wirth ihm gebracht. Der Edelmann freute sich und glaubte, das alles sey ihm gewonnenes Eigenthum, allein der Wirth that Einspruch, bis es dem König zu Ohren kam, welcher erklärte, daß das Silber ihm heimgefallen wäre und es zu seinen Handen nehmen ließ. Woher es gekommen, hat man nicht erfahren können, indem auch nicht, wie gewöhnlich, Wappen und Namen eingegraben war.





177.
Der Dachdecker.
Mündlich.


Ein junger Dachdecker sollte sein Meisterstück machen und auf der Spitze eines glücklich fertigen Thurms die Rede halten. Mitten im Spruch aber fing er an zu stocken und rief plötzlich seinem unten unter vielem Volk stehenden Vater zu: „Vater, die Dörfer, Berge [260] und Wälder dort, die kommen zu mir her!“ Da fiel der Vater sogleich nieder auf die Knie und betete für die Seele seines Sohns und ermahnte die Leute, ein gleiches zu thun. Bald auch stürzte der Sohn todt herab. – Es soll aueh nach ihren Rechten dem Vater zukommen, wenn der Sohn das erstemal vor ihm aufsteigt und anfängt irr zu reden, ihn gleich zu fassen und selbst herabzuwerfen, damit er im Sturz nicht selbst mit gerissen wird.





178.
Die Spinnerin am Creuz.
Mündlich, in Oestreich.


Dicht bei Wien, wenn man die Vorstadt Landstraße hinausgeht, stehet ein steinernes, gut gearbeitetes Heiligenbild, unbedenklich über zwei Jahrhunderte alt. Davon geht die Sage: eine arme Frau habe zu Gottes Ehren dieses Heilthum wollen aufrichten lassen, und also so lang gesponnen, bis sie für ihren Verdienst nach und nach das zum Bau nöthige Geld zusammengebracht.





179.
Buttermilchthurm.
Fricke’s Kupferwerk von Marienburg, nach mündl. Sagen.


Von, Buttermilchthurm zu Marienburg in Preußen wird erzählt, einstmal habe der Deutschmeister auf einem [261] nahgelegenen Dorfe etwas Buttermilch für sich fordern lassen. Allein die Bauern spotteten seines Boten und sandten Tags drauf zwei Männer in die Burg, die brachten ein ganzes Faß voll Buttermilch getragen. Erzürnt sperrte der Deutschmeister die beiden Bauern in einen Thurm und zwang sie, so lang drin zu bleiben, bis sie die Milch sämmtlich aus dem Faß gegessen hätten. Seitdem hat der Burgthurm den Namen.

Andere aber berichten folgendes: Die Einwohner eines benachbarten Dorfs mußten bis zu dem Bauplatz einen Weg mit Mariengroschen legen und so viel Buttermilch herbeischaffen, als zur Bereitung des Kalks, statt Wassers, nöthig war und mit diesem Mörtel wurde hernach der Thurm aufgemauert.





180.
Der heilige Winfried.
Hess. Denkwürdigk. II. 3. 4.


Als der heil. Winfried, genannt Bonifacius, die Hessen bekehren wollte, kam er auf einen Berg, wo ein heidnisches Gotteshaus stand, das ließ er umreißen und die erste christliche Kirche bauen. Seitdem heißt der Berg Christenberg, (vier Stunden von Marburg) und zweihundert Schritte von der Kirche weisen die Leute noch heutigestags einen Fußtritt im Stein, der von Bonifacius herrührt, als er vor heiligem Eifer [262] auf den Boden stampfte. Wie er nach Thüringen kam, ließ er zu Großvargula eine Kirche bauen, die er selbst einweihen sollte. Da steckte er seinen dürren Stab in die Erde, trat in die Kirche und las die Messe; nach vollbrachtem Gottesdienst hatte der Stab gegrünt und Sprossen getrieben.





181.
Der Hülfenberg.
Mündlich in Hessen, vergl. Sagittarius thür. Heidenthum S. 165. 166.


Eine Stunde von Wanfried liegt der Hülfenberg, auf diesen Berg befahl der heilige Bonifaz eine Capelle zu bauen. Unter dem Bauen kam nun oft ein Mann gegangen, der fragte: was es denn geben sollte? Die Zimmerleute antworteten immer: „ei, eine Scheuer solls geben.“ Da ging er wieder seiner Wege. Zuletzt aber wurde die Kirche immer mehr fertig und der Altar aufgebaut und das Creuz glücklich gesteckt. Wie nun der böse Feind wiederkam und das alles sehen mußte, ergrimmte er und fuhr aus, oben durch den Giebel; und das Loch, das er da gemacht, ist noch bis den heutigen Tag zu sehen und kann nimmer zugebaut werden. Auch ist er inwendig in den Berg gefahren und suchte die Kirche zu zertrümmern, es war aber eitel und vergebens. Das Loch, worin er verschwand, nennt man das Stuffensloch, (wie den ganzen Berg auch Stuffensberg) und es soll zu [263] Zeiten daraus dampfen und Nebel aufsteigen. Von dieser Capelle wird weiter erzählt: sie sey einer Heiligen geweiht, rühre ein Kranker deren Gewand an, so genese er zur Stunde. Diese Heilige aber wäre vordem eine wunderschöne Prinzessin gewesen, in die sich ihr eigener Vater verliebt. In der Noth hätte sie aber zu Gott im Himmel um Beistand gebätet, da wäre ihr plötzlich ein Bart gewachsen und ihre irdische Schönheit zu Ende gegangen.





182.
Das Teufelsloch zu Goslar.
Müchler Spiele müß. Stunden. 1810. Th. 4.


In der Kirchenmauer zu Goslar sieht man einen Spalt und erzählt davon so: Der Bischof von Hildesheim und der Abt von Fuld hatten einmal einen heftigen Rangstreit, jeder wollte in der Kirche neben dem Kaiser sitzen und der Bischof behauptete den ersten Weihnachtstag die Ehrenstelle. Da bestellte der Abt heimlich bewaffnete Männer in die Kirche, die sollten ihn den morgenden Tag mit Gewalt in Besitz seines Rechtes setzen. Dem Bischof wurde das aber verkundschaftet und ordnete sich auch gewappnete Männer hin. Tags drauf erneuerten sie den Rangstreit, erst mit Worten, dann mit der That, die gewaffneten Ritter traten hervor und fochten; die Kirche glich einer Wahlstätte, das Blut floß stromweise zur Kirche hinaus [264] auf den Gottesacker. Drei Tage dauerte der Streit und während des Kampfes stieß der Teufel ein Loch in die Wand und stellte sich den Kämpfern dar. Er entflammte sie zum Zorn und von den gefallenen Helden hohlte er manche Seele ab. So lang der Kampf währte, blieb der Teufel auch da, hernach verschwand er wieder, als nichts mehr für ihn zu thun war. Man versuchte hernachmals, das Loch in der Kirche wieder zuzumauern und das gelang bis auf den letzten Stein; sobald man diesen einsetzte, fiel alles wieder ein und das Loch stand ganz offen da. Man besprach und besprengte es vergebens mit Weihwasser, endlich wandte man sich an den Herzog von Braunschweig und erbat sich dessen Baumeister. Diese Baumeister mauerten eine schwarze Katze mit ein und beim Einsetzen des letzten Steins bedienten sie sich der Worte: „willst du nicht sitzen in Gottes Namen, so sitz ins Teufels Namen!“ Dieses wirkte und der Teufel verhielt sich ruhig, blos bekam in der folgenden Nacht die Mauer eine Ritze, die noch zu sehen ist bis auf den heutigen Tag.

Nach Aug. Lercheimer von der Zauberei, sollen der Bischof und Abt darüber gestritten haben, wer dem Erzbischof von Mainz zunächst sitzen dürfe. Nachdem der Streit gestillet war, habe man in der Messe ausgesungen: „hunc diem gloriosum fecisti.“ Da fiel der Teufel unterm Gewölb mit grober, lauter Stimme ein und sang: „hunc diem bellicosum ego feci.[265]

183.
Die Teufelsmühle.
Otmar S. 189–194.
Quedlinburger Sammlung.

Auf dem Gipfel des Rammberges liegen theils zerstreute, theils geschichtete Granitblöcke, welche man des Teufels Mühle heißt. Ein Müller hatte sich am Abhang des Bergs eine Windmühle erbaut, der es aber zuweilen an Wind fehlte. Da wünschte er sich oft eine, die oben auf dem Berggipfel stünde und beständig im Gang bliebe. Menschenhänden war sie aber unmöglich zu erbauen. Weil der Müller keine Ruh darüber hatte, erschien ihm der Teufel und sie dingten lange mit einander. Endlich verschrieb ihm der Müller seine Seele gegen dreißig Jahre langes Leben und eine tadelfreie Mühle von sechs Gängen, auf dem Gipfel des Rammbergs, die aber in der nächstfolgenden Nacht vor Hahnenschrei fir und fertig gebaut seyn müßte. Der Teufel hielt sein Wort und hohlte nach Mitternacht den Müller ab, daß er die fertige Mühle besichtigen und übernehmen wolle. Der Müller fand alles in vollkommner Ordnung und war zitternd bereit, sie zu übernehmen, als er eben noch entdeckte, daß einer von den unentbehrlichen Steinen fehlte. Der Teufel gestand den Mangel und wollte ihn augenblicklich ersetzen. Und schon schwebte er durch die Lüfte mit dem Stein, da krähte der Hahn auf der untern Mühle. Wüthend faßte der böse Feind das Gebäude, riß Flügel, Räder und Wellen herab und streute [266] sie weit umher. Dann schleuderte er auch die Felsen, daß sie den Rammberg bedeckten. Nur ein kleiner Theil der Grundlage blieb stehen zum Angedenken seiner Mühle.





184.
Der Herrgottstritt.

Würtenbergisch. Lang’s Taschenbuch für 1800. S. 129–136.
Prätorius Weltbeschr. II. 599.
Zeiller II. epist. 60.
Seyfried’s medulla. p. 429.
vgl. Sattler Topographie Würtembergs.


Auf einem Felsen des Alb bei Heuberg, in einem anmuthigen, von der Rems durchflossenen Thal, liegen Trümmer der Burg Rosenstein, und unlängst sah man da Spur eines schonen menschlichen Fußes im Stein, den aber die Regierung mit Pulver hat versprengen lassen, weil Aberglauben damit getrieben wurde. Gegenüber auf dem Scheulberg[4] stehet die ähnliche Spur eines Tritts landeinwärts, wie die auf dem Rosenstein auswärts. Gegenüber im Walde ist die Capelle der wunderthätigen Maria vom Beißwang [5]. Links eine Kluft, geheißen Teufelsklinge, aus der bei anhaltendem Regen trübes Wasser fließt; hinterm Schloß ein gehöhlter Felsen, Namens Scheuer.

[267] Vor grauer Zeit zeigte von diesem Berge herab der Versucher Christo die schöne Gegend und bot sie ihm an, wenn er vor ihm kniebeugen wollte. Alsbald befahl Christus der Herr ihm, zu entweichen und der Satan stürzte den Berg hinab. Allein er wurde verflucht, tausend Jahre in Ketten und Banden in der Teufelsklinge zu liegen und das trübe Wasser, das noch daraus strömt, sind seine teuflischen Thränen. Christus that aber einen mächtigen Schritt übers Gebirg und wo er seine Füße hingesetzt, drückten sich die Spuren ein[6].

Später lang darauf bauten die Herrn von Rosenstein hier eine Burg und waren Raubritter, welche das Raubgut in der Scheuer bargen. Einmal gab ihnen der Teufel ein, daß sie die Waldcapelle stürmen möchten. Kaum aber waren sie mit dem Kirchengut heimgekehrt, als sich ein ungeheurer Sturm hob und das ganze Raubnest zertrümmerte. Indem hörte man den Teufel laut lachen.





185.
Die Sachsenhäuser Brücke zu Frankfurt.
Mündlich, aus Frankfurt.


In der Mitte der Sachsenhäuser Brücke sind zwei Bogen oben zum Theil nur mit Holz zugelegt, damit [268] dies in Kriegszeiten weggenommen und die Verbindung leicht, ohne etwas zu sprengen, gehemmt werden kann. Davon gibt es folgende Sage.

Der Baumeister hatte sich verbindlich gemacht, die Brücke bis zu einer bestimmten Zeit zu vollenden. Als diese herannahte, sah er, daß es unmöglich war, und, wie nur noch zwei Tage übrig waren, rief er in der Angst den Teufel an und bat um seinen Beistand. Der Teufel erschien und erbot sich, die Brücke in der letzten Nacht fertig zu bauen, wenn ihm der Baumeister dafür das erste lebendige Wesen, das darüber ging, überliefern wollte. Der Vertrag wurde geschlossen und der Teufel baute in der letzten Nacht, ohne daß ein Menschenauge in der Finsterniß sehen konnte, wie es zuging, die Brücke ganz richtig fertig. Als nun der erste Morgen anbrach, kam der Baumeister und trieb einen Hahn über die Brücke vor sich her und überlieferte ihn dem Teufel. Dieser aber hatte eine menschliche Seele gewollt und wie er sich also betrogen sah, packte er zornig den Hahn, zerriß ihn und warf ihn durch die Brücke, wovon die zwei Löcher entstanden sind, die bis auf den heutigen Tag nicht können zugemauert werden, weil alles in der Nacht wieder zusammenfällt, was Tags daran gearbeitet ist. Ein goldner Hahn auf einer Eisenstange steht aber noch jetzt zum Wahrzeichen auf der Brücke.


[269]

186.
Der Wolf und der Tannenzapf.
Mündlich.


Zu Achen im Dom zeigt man an dem einen Flügel des ehernen Kirchenthors einen Spalt und das Bild eines Wolfs nebst einem Tannenzapfen, beide gleichfalls aus Erz gegossen. Die Sage davon lautet: vor Zeiten, als man diese Kirche zu bauen angefangen, habe man mitten im Werk einhalten müssen aus Mangel an Geld. Nachdem nun die Trümmer eine Weile so dagestanden, sey der Teufel zu den Rathsherrn gekommen, mit dem Erbieten, das benöthigte Geld zu geben unter der Bedingung, daß die erste Seele, die bei der Einweihung der Kirche in die Thüre hineinträte, sein eigen würde. Der Rath habe lang gezaudert, endlich doch eingewilligt und versprochen, den Inhalt der Bedingung geheim zu halten. Darauf sey mit dem Höllengeld das Gotteshaus herrlich ausgebaut, immittelst aber auch das Geheimniß ruchtbar geworden. Niemand wollte also die Kirche zuerst betreten und man sann endlich eine List aus. Man fing einen Wolf im Wald, trug ihn zum Hauptthor der Kirche und an dem Festtag, als die Glocken zu läuten anhuben, ließ man ihn los und hineinlaufen. Wie ein Sturmwind fuhr der Teufel hinterdrein und erwischte das, was ihm nach dem Vertrag gehörte. Als er aber merkte, daß er betrogen war und man ihm eine bloße Wolfsseele geliefert hatte, erzürnte er [270] und warf das eherne Thor so gewaltig zu, daß der eine Flügel sprang und den Spalt bis auf den heutigen Tag behalten hat. Zum Andenken goß man den Wolf und seine Seele, die dem Tannenzapf ähnlich seyn soll. – Andere erzählen es von einer sündhaften Frau, die man für das Wohl der ganzen Stadt dem Teufel geopfert habe und erklären die Frucht durch eine Artischocke, welche der Frauen arme Seele bedeuten soll.





187.
Der Teufel von Ach.

Agricola Sprichw. 301.
Schottel Grammat. S. 1134.


Zu Achen steht ein großer Thurm in der Stadtmauer, genannt Ponellenthurm, darin sich der Teufel mit viel Wunders-Geschrei, Glockenklingen und anderm Unfug oftmals sehen und hören läßt, und ist die Sage, er sey hinein verbannt und da muß er bleiben, bis an den jüngsten Tag. Darum, wenn man daselbst von unmöglichen Dingen redet, so sagt man: „ja es wird geschehen, wann der Teufel von Ach kommt,“ das ist, nimmermehr.





188.
Die Teufelsmauer.
Döderlin de antiqq. in Nordgavia romanis p. 29.


Von der nordgauer Pfahlhecke erzählten die Bauern um Oberndorf und Otmannsfeld: der Teufel habe [271] von Gott dem Herrn einen Theil der Erde gefordert und dieser insoweit dreingewilligt: dasjenige Stück Lands, das er vor Hahnenkrat mit Mauer umschlossen habe, solle ihm zufallen. Der böse Feind habe sich stracks ans Werk gemacht, doch eh er die letzte Hand angelegt und den Schlußstein aufgesetzt, der Hahn gekrähet. Vor Zorn nun, daß das Geding und seine Hoffnung zunicht geworden, sey er ungestüm über das ganze Werk hergefallen und habe alle Steine übern Haufen geworfen. Noch jetzt spuke es auf dieser Teufelsmauer.





189.
Des Teufels Tanzplatz.
Otmar S. 175–178.


Auf dem nördlichen Harz, zwischen Blankenburg und Quedlinburg, siehet man südwärts vom Dorfe Thale eine Felsenfläche, die das Volk: des Teufels Tanzplatz nennt und nicht weit davon Trümmer einer alten Mauer, denen gegenüber nordwärts vom Dorfe sich ein großes Felsenriff erhebt. Jene Trümmer und dieses Riff nennt das Volk: Teufelsmauer. Der Teufel stritt lange mit dem lieben Gott um die Herrschaft der Erde. Endlich wurde eine Theilung des damals bewohnten Landes verabredet. Die Felsen, wo jetzt der Tanzplatz ist, sollten die Grenze scheiden und der Teufel erbaute unter lautem Jubeltanz seine Mauer. Aber bald erhub der Nimmersatte neuen Zank, der damit [272] endigte, daß ihm noch das am Fuße jenes Felsens belegene Thal zugegeben wurde. Darauf thürmte er noch eine zweite Teufelsmauer.





190.
Die Teuselscanzel.
Homilien des Teufels. Frankf. 1800.


Unweit Baden steht eine Felsenreihe. Die Leute nennen sie Teuselscanzel und behaupten, der böse Feind habe einsmals darauf geprediget.





191.
Das Teufelsohrkissen.
Morgenblatt. 1811. Nr. 208. S830.


Am Fuße des Schlosses Bentheim stehen einige sonderbare, glatte Felsen, Einer derselben, oben flach, wie ein aufrechtstehender runder Pfühl, wird Teufelsohrkissen genannt, weil der Teufel einmal drauf geschlafen habe. Die Spuren seines Ohrs drückten sich in den Stein und sind noch sichtbar darauf.





192.
Der Teufelsfelsen.
Beschreibung des Fichtelbergs. Leipz. 1716. S. 128. 129.


Die Fichtelberger erzählen: es habe der Satan den Herrn Christus auf den Cößeinfelsen gefühlt und ihm [273] die Reiche der Welt gezeigt, auch alle zu schenken verheißen, wenn er ihn anbeten wolle, außer die Dörfer N. und R. nicht, welche sein Leibgeding. –

Die Einwohner dieser Dörfer sind rauh und mißgestalt; die Gegend dabei ist unfreundlich und heißt Türkei und Tartarei bei einigen Leuten.





193.
Teufelsmauer.
Arndt’s Reise von Baireuth nach Wien. Leipz. 1801. S. 169. 170.


Diese Teufelsmauer lauft an der Donau hinter Mölk nach Wien zu. Einst wollte der Teufel die Donau zumauern, aber die Steine entglitten ihm immer, wenn er sie zusammenfügen wollte.






194.
Teufelsgitter.
Mündlich.


Zu Wismar in der Marienkirche um den Taufstein herum geht ein überkünstliches Gitter, das sollte ein Schmidt bauen. Als er sich aber dran zerarbeitete und es nicht konnte zustand bringen, brach er unmuthig aus: „ich wollte, daß es der Teufel fertig machen müßte!“ Auf diesen Wunsch kam der Teufel und baute das Gegitter fertig.



[274]

195.
Teufelsmühle.
Tradit. Corbeienses p. 559.
Jäger Briefe über die hohe Rhön. II. 51.

Im Wolfenbüttelischen zwischen Pestorf und Grave an der Weser liegt eine Mühle, die der Teufel, der Volkssage nach, gebaut und durch ein Felsenwasser das Rad in Trieb gesetzt. Eine Teufelsmühle liegt auch auf der Rhöne.




196.
Teufelskirche.
Jäger Briefe über die hohe Rhön. II. 49.
Melissantes Bergschlösser S. 181.

Auf der Rhöne stehen oben Basaltfelsen gethürmt. Der Teufel, als man im Thal eine Kirche bauen wollte, zürnte und trug alle Bausteine hin auf den Berg, wo er sie nebeneinander aufstellte und kein Mensch sie wieder heruntertragen konnte.

Man erzählt, da wo der Teufel seinen Stein einmal hingelegt habe, könne man ihn nicht wegbringen, denn so oft man ihn auch wegnehme, lege der Teufel einen andern oder denselben wieder eben dahin.




197.
Teufelsstein bei Reichenbach.
Winkelmann’s hessische Chronik S. 34.

Nicht weit von Reichenbach, dem hohen Steine gegenüber, in einem Walde liegt der Teufelsstein. Er

[275] sieht aus, als wären etliche hundert Karrn Steine kunstreich zusammengeschüttet, indem sich wunderbarlich Gemächer, Keller und Kammern von selbst gebildet, in welchen bei schweren und langen Kriegen die Bewohner der Gegend mit ihrem ganzen Haushalt gewohnt. Diesen Stein soll der Teufel in einer einzigen Nacht, nach der gemeinen Sage, also gebildet haben.






198.
Teufelsstein zu Cöln.
Rhein. Antiquarius S. 275


Zu Cöln bei der Kirche liegt ein schwerer Stein, genannt Teufelsstein, man sieht darauf noch die Kralle des bösen Feindes eingedruckt. Er warf ihn nach der Capelle der heiligen drei Könige und wollte sie niederschmettern, es ist ihm aber mißlungen.





199.
Süntelstein zu Osnabrück.
Strodtmann Idioticon S. 236


Bei Osnabrück liegt ein uralter Stein, dreizehn Fuß aus der Erde ragend, von dem die Bauern sagen, der Teufel hatte ihn durch die Luft geführt und fallen lassen. Sie zeigen auch die Stelle daran, in welcher die Kette gesessen, woran er ihn gehalten, nennen ihn den Süntelstein


[276]


200.
Der Lügenstein.
Otmar’s Volkssagen


Auf dem Domplatz zu Halberstadt liegt ein runder Fels von ziemlichem Umfang, den das Volk nennet den Lügenstein. Der Vater der Lügen hatte, als der tiefe Grund zu der Domkirche gelegt wurde, große Felsen hinzugetragen, weil er hoffte, hier ein Haus für sein Reich entstehen zu sehen. Aber als das Gebäude aufstieg und er merkte, daß es eine christliche Kirche werden würde, da beschloß er, es wieder zu zerstören. Mit einem ungeheuern Felsstein schwebte er herab, Gerüst und Mauer zu zerschmettern. Allein man besänftigte ihn schnell durch das Versprechen, ein Weinhaus dicht neben die Kirche zu bauen. Da wendete er den Stein, so daß er neben dem Dom auf dem geebneten Platz niederfiel. Noch sieht man daran die Höhle, die der glühende Daumen seiner Hand beim Tragen eindrückte.





201.
Die Felsenbrücke.
Mündlich, aus Oberwallis.


Ein Hirt wollte Abends spat seine Geliebte besuchen und der Weg führte ihn über die Visper, da wo sie in einer tiefen Felsenschlucht rauscht, worüber nur eine schmale Bretterbrücke hängt. Da sah er, der Chilthbube, was ihm sonst niemals widerfahren war, [277] einen Haufen schwarze Kohlen mitten auf der Brücke liegen, daß sie den Weg versperrten; ihm war dabei nicht recht zu Muthe, doch faßte er sich ein Herz und that einen tüchtigen Sprung über den tiefen Abgrund von dem einen Ende glücklich bis zu den, andern. Der Teufel, der aus dem Dampf des zerstobenen Kohlenhaufens auffuhr, rief ihm nach: „das war dir gerathen, denn wärst du zurückgetreten, hätt ich dir den Hals umgedreht, und wärst du auf die Kohlen getreten, so hättest du unter ihnen versinken und in die Schlucht stürzen müssen.“ Zum Glück hatte der Hirt, trotz der Gedanken an seine Geliebte, nicht unterlassen, vor dem Capellchen der Mutter Gottes hinter St. Niklas, an dem er vorbeikam, wie immer sein Ave zu beten.





202.
Das Teufelsbad bei Dassel.
Letzner Dasselische Chronik. Erfurt 1596. Buch V. c. 13. Buch VIII. c. 9


Unweit Dassel, in einem grundlosen Meerpfuhl, welcher der bedessische oder bessoische heißt, soll eine schöne und wohlklingende Glocke liegen, die der leibhaftige Teufel aus der Kirche zum Portenhagen dahin geführt hat, und von der die alten Leute viel wunderbare Dinge erzählen. Sie ist von lauterem Golde und der böse Feind brachte sie aus Neid weg, damit sich die Menschen ihrer nicht mehr zum Gottesdienst bedienen können, weil sie besonders kräftig und heilig [278] gewesen. Ein Taucher erbot sich, hinabzufahren und sie mit Stricken zu fassen, dann sollten die Leute oben getrost ziehen und ihrer Glocke wieder mächtig werden. Allein er kam unverrichteter Sachen heraus und sagte, daß unten in der Tiefe des Meerpfuhls eine grüne Wiese wäre, wo die Glocke auf einem Tisch stehe und ein schwarzer Hund dabei liege, welcher nicht gestatten wolle, sie anzurühren. Auch habe sich daneben ein Meerweib ganz erschrecklich sehen und hören lassen, die gesagt: es wäre viel zu früh, diese Glocke von dannen abzuholen. Ein achtzigjähriger Mann erzählte von diesem Teufelsbad: einen Sonnabend habe ein Bauer aus Leuthorst unfern des Pfuhls länger als Brauch gewesen, nachdem man schon zur Vesper geläutet, gepflügt, und beides Pferde und Jungen mit Fluchen und Schlägen genothigt. Da sey ein großer, schwarzer und starker Gaul aus dem Wasser ans Land gestiegen. Der gottlose und tobende Bauer habe ihn genommen und ins Teufels Namen vor die andern Pferde gespannt, in der Meinung, nicht ehnder Feierabend zu machen, bis der Acker herumgepflüget wäre. Der Junge hub an zu weinen und wollte lieber nach Haus, aber der Bauer fuhr ihn hart an. Da soll der schwarze Gaul frisch und gewaltig die armen ausgemergelten Pferde, mitsmnmt Pflug, Jung und Bauer, in das grundlose Loch und Teufelsbad gezogen haben und nimmermehr von Menschen gesehen worden seyn. Wer den Teufel fordert, muß ihm auch Werk schaffen.


[279]


203.
Der Thurm zu Schartfeld.
Letzner Dasselsche Chronik. Buch VI. c. I.


Von dem Thurm auf Schartfeld berichten viel alter Leute, daß er keine Dachung leide, der Teufel darin hausen und Nachts viel Gerumpels droben seyn solle. Vorzeiten trug Kaiser Heinrich der Vierte unziemliche Liebe zu eines Herrn auf Schartfeld Ehweib, konnte lange seinen Willen nicht vollführen. Da kam er ins Kloster Pölde in der Grafschaft Lutterberg und ein Münch machte ihm einen Anschlag. Er ließ den Herrn von Schartfeld zu sich fordern ins Kloster, und trug ihm eine weite Reise mit einer Werbung auf. Der Ritter war dem Kaiser unterthan und gehorsam. Tags darauf zog der Kaiser mit dem Mönch in weltlichen Kleidern auf die Jagd, kam insgeheim vor das Haus Schartfeld und wurde von dem Mönch bis vor der Edelfrau Kemenate geleitet. Da überfiel sie Heinrich und nöthigte sie zu seinem Willen. Da soll der Teufel die Dachung vom Thurm abgeworfen und in der Luft hinfahrend über den Mönch geschrien haben, daß er an dieser Unthat schuldiger sty, als der Kaiser. Der Mönch war seit der Zeit im Kloster stets traurig und unfroh.


[280]


204.
Der Dom zu Cöln.
Mündliche Erzählungen aus der Stadt.


Als der Bau des Doms zu Cöln begann, wollte man gerade auch eine Wasserleitung ausführen. Da vermaß sich der Baumeister und sprach: „eher soll das große Münster vollendet seyn, als der geringe Wasserbau!“ Das sprach er, weil er allein wußte, wo zu diesem die Quelle sprang, und er das Geheimniß niemanden, als seiner Frau entdeckt, ihr aber zugleich bei Leib und Leben geboten hatte, es wohl zu bewahren. Der Bau des Doms fing an und hatte guten Fortgang, aber die Wasserleitung konnte nicht angefangen werden, weil der Meister vergeblich die Quelle suchte. Als dessen Frau nun sah, wie er sich darüber grämte, versprach sie ihm Hilfe, ging zu der Frau des andern Baumeisters und lockte ihr durch List endlich das Geheimniß heraus, wornach die Quelle gerade unter dem Thurm des Münsters sprang; ja, jene bezeichnete selbst den Stein, der sie zudeckte. Nun war ihrem Manne geholfen; folgenden Tags ging er zu dem Stein, klopfte darauf und sogleich drang das Wasser hervor. Als der Baumeister sein Geheimniß verrathen sah und mit seinem stolzen Versprechen zu Schanden werden mußte, weil die Wasserleitung ohne Zweifel nun in kurzer Zeit zu Stande kam, verfluchte er zornig den Bau, daß er nimmermehr sollte vollendet werden, und starb darauf vor Traurigkeit. Hat [281] man fortbauen wollen, so war, was an einem Tag zusammengebracht und aufgemauert stand, am andern Morgen eingefallen, und wenn es noch so gut eingefügt war und aufs festeste haftete, also daß von nun an kein einziger Stein mehr hinzugekommen ist.

Andere erzählen abweichend. Der Teufel war neidig auf das stolze und heilige Werk, das Herr Gerhard, der Baumeister, erfunden und begonnen hatte. Um doch nicht ganz leer dabei auszugehn, oder gar die Vollendung des Doms noch zu verhindern, ging er mit Herrn Gerhard die Wette ein: er wolle ehr einen Bach von Trier nach Cöln, bis an den Dom, geleitet, als Herr Gerhard seinen Bau vollendet haben; doch müsse ihm, wenn er gewänne, des Meisters Seele zugehören. Herr Gerhard war nicht säumig, aber der Teufel kann teufelsschnell arbeiten. Eines Tags stieg der Meister auf den Thurm, der schon so hoch war, als er noch heut zu Tag ist, und das erste, was er von oben herab gewahrte, waren Enten, die schnatternd von dem Bach, den der Teufel herbeigeleitet hatte, aufflogen. Da sprach der Meister in grimmem Zorn: „zwar hast du, Teufel, mich gewonnen, doch sollst du mich nicht lebendig haben!“ So sprach er und stürzte sich Hals über Kopf den Thurm herunter, in Gestalt eines Hundes sprang schnell der Teufel hintennach, wie beides in Stein gehauen noch wirklich am Thurme zu schauen ist. Auch soll, wenn man sich mit dem Ohr auf die Erde legt, noch heute der Bach zu hören seyn, wie er unter dem Dome wegfließt. [282]

Endlich hat man eine dritte Sage, welche den Teufel mit des Meisters Frau Buhlschaft treiben läßt, wodurch er vermuthlich, wie in der ersten, hinter das Baugeheimniß ihres Mannes kam.






205.
Des Teufels Hut.
vgl. Taschenbuch für Liebe und Freundschaft 1816. S. 237. 238.


Nicht weit von Altenburg bei dem Dorfe Ehrenberg liegt ein mächtiger Stein, so groß und schwer, daß ihn hundert Pferde nicht fortziehen würden. Vorzeiten trieb der Teufel sein Spiel damit, indem er ihn auf den Kopf sich legte, damit herumging und ihn als einen Hut trug. Einmal sprach er in Stolz und Hochmuth: „wer kann wie ich diesen Stein tragen? selbst der ihn erschaffen, vermags nicht und läßt ihn liegen, wo er liegt!“ Da erschien Christus der Herr, nahm den Stein, steckte ihn an seinen kleinen Finger und trug ihn daran. Beschämt - und gedemüthigt wich der Teufel und ließ sich nie wieder an diesem Orte erblicken. Und noch heute sieht man in dem Stein den Eindruck von des Teufels Haupt und von des Herrn Finger.





206.
Des Teufels Brand.
Erasm. Rotterodam. epist. fam. L. 27. c. 20.

Nic. Remigii daemonolatria p. 335. 336.


Es liegt ein. Städtlein im Schweizerland mit Namen Schiltach, welches im Jahr 1533 am zehnten [283] April plötzlich in den Grund abgebrannt ist. Man sagt, daß dieser Brand folgender Weise, wie die Bürger des Orts vor der Obrigkeit zu Freiburg angezeigt, entstanden sey. Es hat sich in einem Hause oben hören lassen, als ob jemand mit linder, lispelnder Stimme einem andern zuriefe und winkete, er solle schweigen. Der Hausherr meint, es habe sich ein Dieb verborgen, geht hinauf, findet aber niemand. Darauf hat er es wiederum von einem höheren Gemach her vernommen, er geht auch dahin und vermeint den Dieb zu greifen. Wie aber niemand vorhanden ist, hört er endlich die Stimme im Schornstein. Da denkt er, es müsse ein Teufels - Gespenst seyn und spricht den seinigen, die sich fürchten, zu, sie sollten getrost und unverzagt seyn, Gott werde sie beschirmen. Darauf bat er zwei Priester zu kommen, damit sie den Geist beschwüren. Als diese nun fragten, wer er sey, antwortete er: „der Teufel.“ Als sie weiter fragten, was sein Beginnen sey, antwortete er: „ich will die Stadt in Grund verderben!“ Da bedräuen sie ihn, aber der Teufel spricht: „euere Drohworte gehen mich nichts an, einer von euch ist ein liederlicher Bube; alle beide aber seyd ihr Diebe."“ Bald darauf hat er ein Weib, mit welchem jener Geistliche vierzehn Jahre zusammengelebt, hinauf in die Luft geführt, oben auf einen Schornstein gesetzt, ihr einen Kessel gegeben und sie geheißen, ihn umkehren und ausschütten. Wie sie das gethan, ist der ganze Flecken vom Feuer ergriffen worden und in einer Stunde abgebrannt.


[284]


207.
Die Teufels-Hufeisen.

Prätorius Weltbeschr. II. 362.
Einigermaßen ausführlicher und mit andern Umständen erzählt in Franciser
lust. Schaubühne Th. I. S. 801 und in der Zungensünde S. 173-175.


Zu Schwarzenstein, eine halbe Meile von Rastenburg in Preußen, hangen zwei große Hufeisen in der Kirche, davon eine gemeine Sage ist: es war daselbst eine Krügerin (Bierwirthin), die den Leuten das Bier sehr übel zumaß, die soll der Teufel des Nachts vor die Schmiede geritten haben. Ungestüm weckte er den Schmied auf und rief: „Meister, beschlagt mir mein Pferd!“ Der Schmied war nun gerade der Bierschenkin Gevatter, daher, als er sich über sie hermachte, raunte sie ihm heimlich zu: „Gevattermann, seyd doch nicht so rasch!“ Der Schmied, der sie für ein Pferd angesehen, erschrack heftig, als er diese Stimme hörte, die ihm bekannt däuchte und gerieth aus Furcht in Zittern. Dadurch verschob sich der Beschlag und der Hahn krähte. Der Teufel mußte zwar das Reißaus nehmen, allein die Krügerin ist lange nachher krank geblieben. Sollte der Teufel alle Bierschenken, die da knapp messen, beschlagen lassen, würde das Eisen gar theuer werden.


[285]


208.
Der Teufel führt die Braut fort.

Godelmann von Zauberern, Hexen und Unholden übers. von Nigrin. 1592. S. 9. lat. Ausg. de magis &c. Francos. 1591. p. 12-13.
Hilscher’s Zungen-Sünde. S. 200. 201.


In Sachsen hatte eine reiche Jungfrau einem schönen, aber armen Jüngling die Ehe verheißen. Dieser, weil er sahe, was kommen würde, da sie reich und nach ihrer Art wankelmütig war, sprach zu ihr, sie werde ihm nicht Glauben halten. Sie fing an sich zu verschwören mit diesen Worten: „wann ich einen andern denn dich nehme, so hole mich der Teufel auf der Hochzeit!“ Was geschieht? Nach geringer Zeit wird sie anderes Sinnes und verspricht sich einem andern mit Verachtung des ersten Bräutigams, welcher sie ein- oder etliche Mal der Verheißung und des großen Schwurs erinnerte. Aber sie schlug alles in den Wind, verließ den ersten und hielt Hochzeit mit dem andern.

Am hochzeitlichen Tage, als die Verwandten, Freunde und Gäste fröhlich waren, ward die Braut, da ihr das Gewissen aufwachte, trauriger, als sie sonst zu seyn pflegte. Endlich kommen zwei Edelleute in das Brauthaus geritten, werden als fremde, geladene Gäste empfangen und zu Tisch geführt. Nach Essens Zeit wird dem einen von Ehren wegen, als einem Fremden, der Vorreigen mit der Braut gebracht, mit [286] welcher er einen Reihen oder zwei thät und sie endlich vor ihren Eltern und Freunden mit großem Seufzen und Heulen zur Thür hinaus in die Luft führte.

Des andern Tages suchten die betrübten Eltern und Freunde die Braut, daß sie sie, wo sie etwan herabgefallen, begraben mögten. Siehe! da begegneten ihnen eben die Gesellen und brachten die Kleider und Kleinode wieder mit diesen Worten: „über diese Dinge hatten wir von Gott keine Gewalt empfangen, sondern über die Braut.“





209.
Das Glücksrad.

Grundmann Geschichtschule S. 228-230.
D. Siegfried Saccus , aus dem Munde eines der Schatzgräber
selbst, zu Magdeburg.
Prätorius Wünschelruthe 88. 90.

Zwölf Landsknechte kamen aus dem ditmarser Krieg und hatten wenig vor sich gebracht. Da sie nun traurig und kleinmüthig im Land umher strichen und heut nicht wußten, was sie morgen zu beißen hatten, begegnete ihnen ein Grauröcklein, that seinen Gruß und fragte: „woher des Wegs und wohin?“ Sie aber sagten: „daher aus dem Krieg und dahin, wo wir reich werden sollen, können aber den Ort nicht finden.“ Das Grauröcklein sagte: „die Kunst soll euch offenbar werden, wenn ihr mir folgen wollt, begehr auch nichts dafür zu haben.“ Die Landsknechte meinten: [287] was es denn wäre? „Man heißt es das Glücksrad, das steht mir zu Gebot und wen ich darauf bringe, der lernt wahrsagen den Leuten und graben den Schatz aus der Erde; doch nicht anders vermag ich euch drauf zu setzen, als mit dem Beding, daß ich Macht und Gewalt habe, einen aus eurem Haufen mit mir wegzuführen.“

Sie begehrten nun zu wissen: welchen von ihnen er zu nehmen Willens sey? Der Graurock antwortete: „zu welchem ich Lust trage, das wird sich hernach zeigen, voraus weiß ichs nicht.“ Drauf nahmen die Landeknechte eine lange Ueberlegung, sollten sie's thun oder aber lassen? schlossen endlich: sterben muß der Mensch doch einmal, wie nun, so wir in Dietmarsen gefallen wären in der Schlacht, oder die Pest uns weggerafft hätte; wir wollen dies wagen, was viel leichter ist und nur einen einzigen trifft. Ergaben sich also miteinander in des Mannes Hand, mit dem Beding, daß er sie aufs Glücksrad brächte und dafür zum Lohn einen aus ihnen hinhätte, den, der ihm dazu gefiele.

Nach diesem so führte sie der Graurock hin an die Stelle, wo sein Rad stund, das war so groß, daß wie sie alle darauf kamen, jeglicher drei Klaftern weit ab vom andern saß; eins aber verbot er ihnen: daß ja keiner den andern ansähe, so lange sie auf dem Rad säßen, wer das nicht thue, dem bräche er den Hals. Als sie nun ordnungsmäßig aufgesessen, packte der Meister das Rad mit den Klauen , die er beides [288] an Händen und Füßen hatte, und hub zu drehen an bis es umgedreht war, zwölf Stunden nacheinander und alle Stunden einmal. Ihnen aber däuchte, als ob unter ihnen helles Wasser sey, gleich einem Spiegel, worin sie alles sehen konnten, was sie vorhatten, gutes oder böses und wen sie von Leuten da sahen, erkannten sie und wußten ihre Namen zu nennen. Ueber ihnen aber war es wie Feuer und glühende Zapfen hingen herab.

Wie sie nun zwölf Stunden ausgehalten hatten, rückte der Glücksmeister einen feinen jungen Menschen vom Rade, der eines Burgermeisters Sohn aus Meissen war und führte ihn mitten durch die Feuerflamme mit sich hin. Die elf andern wußten nicht wie ihnen geschehen und sanken betäubt nieder in tiefen Schlaf, und als sie etliche Stunden lang unter freiem Himmel gelegen, wachten sie auf, aber ihre Kleider auf dem Leibe und ihre Hemder die waren ganz mürb geworden und zerfielen beim Angreifen, von der großen Hitze wegen, die auf dem Rad gewesen war.

Darauf erhoben sie sich und gingen jeder seines Wegs, in der Hoffnung, ihr Lebtag alles gnug und eitel Glück zu haben, waren aber nach wie vor arm und mußten das Brot vor anderer Leute Hausthüre suchen.


[289]


210.
Der Teufel als Fürsprecher.

D. Mengering Soldaten-Teufel. Cap. 8. S. 153.
Hilscher Zungen-Sünde. S. 189.
Luther's Tisch-Reden S. 113
Prätorius Wünschelruthe 101-103


In der Mark geschah es, daß ein Landsknecht seinem Wirth Geld aufzuheben gab und als er es wiederforderte, dieser etwas empfangen zu haben ableugnete. Da der Landsknecht darüber mit ihm uneins ward und das Haus stürmte, ließ ihn der Wirth gefänglich einziehen und wollte ihn übertäuben, damit er das Geld behielte. Er klagte daher den Landsknecht zu Haut und Haar, zu Hals und Bauch an, als einen, der ihm seinen Haus-Frieden gebrochen hätte. Da kam der Teufel zu ihm ins Gefangniß und sprach: „Morgen wird man dich vor Gericht führen und dir den Kopf abschlagen, darum daß du den Haus-Frieden gebrochen hast, willst du mein seyn mit Leib und Seel, so will ich dir davon helfen.“ Aber der Landsknecht wollte nicht. Da sprach der Teufel: „so thue ihm also: wann du vor Gericht kommst und man dich hart anklagt, so beruhe darauf, daß du dem Wirth das Geld gegeben und sprich, du seyest übel beredt, man wolle dir vergönnen einen Fürsprecher zu haben, der dir das Wort rede. Alsdann will ich nicht weit stehen in einem blauen Hut mit weißer Feder und dir deine Sache führen.“ Dies geschah also; aber da der Wirth hartnäckig leugnete, so sagte des Landsknechts [290] Anwalt im blauen Hut: „lieber Wirth, wie magst du es doch leugnen! das Geld liegt in deinem Bette unter dem Haupt-Pfühl: Richter und Schöffen, schicket hin, so werdet ihr es befinden.“ Da verschwur sich der Wirth und sprach: „hab ich das Geld empfangen, so führe mich der Teufel hinweg!“ Als nun das Geld gefunden und gebracht war, sprach der im blauen, Hütlein mit weißer Feder: „ich wußte wohl, ich sollte einen davon haben, entweder den Wirth oder den Gast;“ drehte damit dem Wirth den Kopf um und führte ihn in der Luft davon.






211.
Traum vom Schatz auf der Brücke.

Agricola Sprichwort 623.
Der ungewissenhafte Apotheker S. 132.
Prätorius Wünschelruthe 372. 373.


Es hat auf ein Zeit einem getraumt, er solle gen Regensburg gehen auf die Brücken, da sollt er reich werden. Er ist auch hingangen und da er einen Tag oder vierzehn allda gangen hat, ist ein reicher Kaufmann zu ihm kommen, der sich wunderte, was er alle Tag auf der Brücke mache und ihn fragte: was er da suche? Dieser antwortete: „es hat mir getraumt, ich soll gen Regensburg auf die Brücke gehen, da würde ich reich werden.“ „Ach, sagte der Kaufmann, was redest du von Träumen, Träume sind Schäume und Lügen; mir hat auch getraumt, daß unter jenem großen [291] Baume (und zeigte ihm den Baum) ein großer Kessel mit Geld begraben sey, aber ich acht sein nicht, denn Träume sind Schäume.“ Da ging der andere hin, grub unter dem Baum ein, fand einen großen Schatz, der ihn reich machte und sein Traum wurde ihm bestätigt. Agricola fügt hinzu: „das hab ich oftmals von meinem lieben Vater gehört.“ Es wird aber auch von andern Städten erzählt, wie von Lübeck (Kempen), wo einem Beckerknecht träumt, er werde einen Schatz auf der Brücke finden. Als er oft darauf hin und hergeht, redet ihn ein Bettler an und fragt nach der Ursache, und sagt hernach, ihm habe getraumt, daß auf dem Kirchhof zu Möllen unter einer Linde (zu Dordrecht unter einem Strauche) ein Schatz liege, aber er wolle den Weg nicht daran wenden. Der Beckerknecht antwortet: „ja es träumt einem oft närrisch Ding, ich will mich meines Traums begeben und euch meinen Brückenschatz vermachen;“ geht aber hin und hebt den Schatz unter der Linde.





212.
Der Kessel mit dem Schatz.
Mündlich, aus Bibesheim und aus Wernigerode.


An einem Winterabend saß vor vielen Jahren der Wagnermeister Wolf zu Großbieberau im Odenwald mit Kindern und Gesinde beim Ofen und sprach von [292] diesem und jenem. Da ward auf einmal ein verwunderlich Geräusch vernommen und siehe, es drückte sich unter dem Stubenofen plötzlich ein großer Kessel voll Geldes hervor. Hätte nun gleich einer stillschweigends ein wenig Brot oder einen Erdschollen darauf geworfen, dann wäre es gut gewesen; aber nein, der Böse war dabei und da mußt es wohl verkehrt gehen. Des Wagners Töchterlein hatte nie so viel Geld beisammen gesehen und rief laut: „blitz, Vater, was Geld, was Geld!“ Der Vater kehrte sich nicht ans Schreien, weil er besser wußte, was hier zu thun wäre. Schnell nahm er’s Heft vom großen Naben-Bohrer und steckt es rasch durch den Kesselring. Doch es war vorbei, der Kessel versank und nur der Ring blieb zurück. Vor ungefähr zwanzig Jahren wurde der Kesselring noch gezeigt.

Zu Quedlinburg steht ein Haus, in dessen Grundtiefen sich große Goldschätze befinden sollen. Vor Jahren wohnte ein Kupferschmidt darin, dessen Frau den Lehrjungen verschiedenes Handwerksgeräth in Ordnung bringen hieß, besonders sollte er einen großen Kessel im Hintergebäude rein machen. Als am Abend der Junge mit der Arbeit zu Ende gekommen war und jetzt zum großen Kessel trat, fand er diesen bis oben gefüllt mit glänzenden Goldstücken. Vor Freude erschrocken, griff er einige Stücke heraus, eilte damit zur Meisterin und erzählte ihr, was er gesehen. Sie lief mit hin, aber noch waren beide nicht über die Schwelle der Thüre zum Hintergebäude gekommen, [293] als sie ein plötzliches Krachen, Rauschen und Klingen hörten; und drinnen sahen sie noch, wie sich der große Kessel in seiner alten Fuge bewegte und dann still stand. Als sie aber hinzutraten, war er schon wieder leer und das Gold hinabgesunken.





213.
Der Wärwolf.

Mündlich in Hessen.
vgl. Bräuner’s Curiosit. S. 252. 253.
Nic. Remigii daemonolatria & c. Francof. 1598. P. 263. 264.


Ein Soldat erzählte folgende Geschichte, die seinem eigenen Großvater begegnet seyn soll. Dieser, sein Großvater, sey einmal zu Wald holzhauen gegangen, mit einem Gevatter und noch einem dritten, welchen dritten man immer im Verdacht gehabt, daß es nicht ganz richtig mit ihm gewesen; doch so hätte man nichts gewisses davon zu sagen gewußt. Nun hätten die dreie ihre Arbeit gethan und wären müde geworden, worauf dieser dritte vorgeschlagen: ob sie nicht ein bischen ausschlafen wollten. Das sey denn nun so geschehen, jeder hätte sich nieder an den Boden gelegt; er, der Großvater, aber nur so gethan, als schlief er und die Augen ein wenig aufgemacht. Da hätte der dritte erst recht um sich gesehen, ob die andern auch schliefen und als er solches geglaubt, auf einmal den Gürtel abgeworfen und wäre ein Wärwolf gewesen, doch sehe ein solcher Wärwolf nicht ganz aus, wie ein natürlicher Wolf, sondern etwas anders.


[294] Darauf wäre er weggelaufen zu einer nahen Wiese, wo gerade ein jung Füllen gegraset, das hätte er angefallen und gefressen mit Haut und Haar. Hernach wäre er zurückgekommen, hätte den Gürtel wieder umgethan und nun, wie vor, in menschlicher Gestalt dagelegen. Nach einer kleinen Weile, als sie alle zusammen aufgestanden, wären sie heim nach der Stadt gegangen und wie sie eben am Schlagbaum gewesen, hätte jener Dritte über Magenweh geklagt. Da hätte ihm der Großvater heimlich ins Ohr geraunt: „das will ich wohl glauben, wenn man ein Pferd mit Haut und Haar in den Leib gegessen hat;“ – jener aber geantwortet: „hättest du mir das im Wald gesagt, so solltest du es jetzo nicht mehr sagen.“

Ein Weib hatte die Gestalt eines Wärwolfs angenommen und war also einem Schäfer, den sie gehaßt, in die Heerde gefallen und hatte ihm großen Schaden gethan. Der Schäfer aber verwundete den Wolf durch einen Beil-Wurf in die Hüfte, so daß er in ein Gebüsch kroch. Da ging der Schäfer ihm nach und gedachte ihn ganz zu überwältigen, aber er fand ein Weib, beschäfftigt, mit einem abgerissenen Stück ihres Kleides das aus der Wunde strömende Blut zu stillen.

Zu Lüttich wurden im Jahr 1610 zwei Zauberer hingerichtet, weil sie sich in Wärwölfe verwandelt und viel Kinder getödtet. Sie hatten einen Knaben bei sich von zwölf Jahren, welchen der Teufel zum Raben machte, wenn sie Raub zerrissen und gefressen.


[295]


214.
Der Wärwolf-Stein.
Otmar S. 270 - 276


Bei dem magdeburgischen Dorfe Eggenstedt, unweit Sommerschenburg und Schöningen, erhebt sich auf dem Anger nach Seehausen zu ein großer Stein, den das Volk den Wolf- oder Wärwolfs-Stein nennet. Vor langer, langer Zeit hielt sich an dem brandsleber Holze, das sonst mit dem Hackel und dem Harz zusammenhing, ein Unbekannter auf, von dem man nie erfahren hat, wer er sey, noch woher er stamme. Ueberall bekannt unter dem Namen des Alten kam er öfters ohne Aufsehen in die Dörfer, bot seine Dienste an und verrichtete sie zu der Landleute Zufriedenheit. Besonders pflegte er die Hütung der Schafe zu übernehmen. Es geschah, daß in der Heerde des Schäfers Melle zu Neindorf ein niedliches, buntes Lamm fiel; der Unbekannte bat den Schäfer dringend und ohn Ablaß, es ihm zu schenken. Der Schäfer wollt’ es nicht lassen. Am Tag der Schur brauchte Melle den Alten, der ihm dabei half; bei seiner Zurückkunft fand er zwar alles in Ordnung und die Arbeit gethan, aber weder den Alten noch das bunte Lamm. Niemand wußte geraume Zeitlang von dem Alten. Endlich stand er einmal unerwartet vor dem Melle, welcher im Kattenthal weidete und rief höhnisch: „guten Tag, Melle, dein bunt Lamm läßt dich grüßen!“ Ergrimmt griff der Schäfer seinen Krummstab [296] und wollte sich rächen. Da wandelte plötzlich der Unbekannte die Gestalt und sprang ihm als Wärwolf entgegen. Der Schäfer erschrack, aber seine Hunde fielen wüthend auf den Wolf, welcher entfloh; verfolgt rann er durch Wald und Thal bis in die Nähe von Eggenstadt. Die Hunde umringten ihn da und der Schäfer rief: „nun sollst du sterben!“ Da stand der Alte wieder in Menschengestalt, flehte bittend um Schonung und erbot sich zu allem: Aber wüthend stürzte der Schäfer mit seinem Stock auf ihn ein, – urplötzlich stand vor ihm ein aufsprießender Dornstrauch. Auch so schonte der Rachsüchtige nicht, sondern zerhieb grausam die Zweige. Noch einmal wandelte sich der Unbekannte in einen Menschen und bat um sein Leben. Allein der hartherzige Melle blieb unerbittlich. Da suchte er als Wärwolf zu entfliehen, aber ein Streich des Melle streckte ihn todt zur Erde. Wo er fiel und beigescharrt wurde, bezeichnet ein Felsstein den Ort und heißt nach ihm auf ewige Zeiten.





215.
Die Wärwölfe ziehen aus.
Pucerus de divinatione p. 170.

Bräuner’s Curiositäten 251. 255.


In Liefland ist folgende Sage. Wann der Christ-Tag verflossen ist, so geht ein Junge, der mit einem Bein hinkt, herum und fordert alle dem Bösen ergebene, deren eine große Anzahl ist, zusammen und heißt sie nachfolgen. Zaudern etliche darunter und sind [297] säumig, so ist ein anderer großer langer Mann da, der mit einer von Eisen-Drath und Kettlein geflochtenen Peitsche auf sie haut und mit Zwang forttreibt. Er soll so grausam auf die Leute peitschen, daß man nach langer Zeit Flecken und Narben auf ihrem Leib sehen kann, wovon sie viel Schmerzen empfinden.

Sobald sie anheben, ihm zu folgen, gewinnt es das Ansehen, als ob sie ihre vorige Gestalt ablegten und in Wölfe verwandelt würden. Da kommen ihrer ein paar tausende zusammen: der Führer, mit der eisernen Geissel in der Hand, geht voran. Wenn sie nun aufs Feld geführt sind, fallen sie das Vieh grausam an und zerreißen, was sie nur ergreifen können, womit sie große n Schaden thun. Doch Menschen zu verletzen, ist ihnen nicht vergönnt. Kommen sie an ein Wasser, so schlägt der Führer mit seiner Ruthe oder Geissel hinein und theilt es voneinander, so daß sie trockenes Fußes übergehen können. Sind zwölf Tage verflossen, so legen sie die Wärwolfs-Gestalt ab und werden wieder zu Menschen.





216.
Der Drache fährt aus.

Scheuchzer itinera per alpinas regiones. III. 386. 387. 396.
Valvassor Ehre von Crain III. c. 32.
Seyfried in medulla p. 629. N. 5.
vgl. Gesta rom. c. 114.


Das Alpenvolk in der Schweitz hat noch viele Sagen bewahrt von Drachen und Würmern, die vor alter [298] Zeit auf dem Gebirge hausten und oftmals verheerend in die Thäler herabkamen. Noch jetzt, wenn ein ungestümer Waldstrom über die Berge stürzt, Bäume und Felsen mit sich reißt, pflegt es in einem tiefsinnigen Sprüchwort zu sagen: „es ist ein Drach ausgefahren.“ Folgende Geschichte ist eine der merkwürdigsten:

Ein Binder aus Lucern ging aus, Daubenholz für seine Fässer zu suchen. Er verirrte sich in eine wüste, einsame Gegend, die Nacht brach ein und er fiel plötzlich in eine tiefe Grube, die jedoch unten schlammig war, wie in einen Brunnen hinab. Zu beiden Seiten auf dem Boden waren Eingänge in große Höhlen; als er diese genauer untersuchen wollte, stießen ihm zu seinem großen Schrecken zwei scheußliche Drachen auf. Der Mann betete eifrig, die Drachen umschlangen seinen Leib verschiedenemal, aber sie thaten ihm kein Leid. Ein Tag verstrich und mehrere, er mußte vom 6. November bis zum 10. April in Gesellschaft der Drachen harren. Er nährte sich gleich ihnen von einer salzigten Feuchtigkeit, die aus den Felsenwänden schwitzte. Als nun die Drachen witterten, daß die Winterzeit vorüber war, beschlossen sie auszufliegen. Der eine that es mit großem Rauschen und während der andere sich gleichfalls dazu bereitete, ergriff der unglückseelige Faßbinder des Drachen Schwanz, hielt fest daran und kam aus dem Brunnen mit heraus. Oben ließ er los, wurde frei und begab sich wieder in die Stadt. Zum Andenken ließ er die ganze [299] Begebenheit auf einen Priesterschmuck sticken, der noch jetzt in des heil. Leodagars Kirche zu Lucern zu sehen ist. Nach den Kirchenbüchern hat sich die Geschichte im Jahr 1420 zugetragen.




217.
Winkelried und der Lindwurm.

Etterlin’s Chronik Basel 1764. S. 12. 13
Stumpf chron. Helvet. VII. cap. 2.
Joh. Müller Schweiz. Gesch. I. 514.
Scheuchzer l. c. p. 389. 390.


In Unterwalden beim Dorf Wyler hauste in der uralten Zeit ein scheußlicher Lindwurm, welcher alles was er ankam, Vieh und Menschen tödtete und den ganzen Strich verödete, dergestalt, daß der Ort selbst davon den Namen Ödwyler empfing. Da begab es sich, daß ein Eingeborener, Winkelried geheißen, als er einer schweren Mordthat halben landesflüchtig werden müssen, sich erbot, den Drachen anzugreifen und umzubringen, unter der Bedingung, wenn man ihn nachher wieder in seine Heimath lassen würde. Da wurden die Leute froh und erlaubten ihm wieder in das Land; er wagt’ es und überwand das Ungeheuer, indem er ihm einen Bündel Dörner in den aufgesperrten Rachen stieß. Während es nun suchte diesen auszuspeien und nicht konnte, versäumte das Thier seine Vertheidigung, und der Held nutzte die Blößen. Frohlockend warf er den Arm auf, [300] womit er das bluttriefende Schwert hielt und zeigte den Einwohnern die Siegesthat, da floß das giftige Drachenblut auf den Arm und an die bloße Haut und er mußte alsbald das Leben lassen. Aber das Land war errettet und ausgesöhnt; noch heutigestags zeigt man des Thieres Wohnung im Felsen und nennt sie die Drachenhöhle.




218.
Der Lindwurm am Brunnen.
Mündlich von einem Bauer aus Oberbirbach.



Zu Frankenstein, einem alten Schlosse anderthalb Stunden weit von Darmstadt, hausten vor alten Zeiten drei Brüder zusammen, deren Grabsteine man noch heutiges Tags in der oberbirbacher Kirche siehet. Der eine der Brüder hieß Hans und er ist ausgehauen, wie er auf einem Lindwurm steht. Unten im Dorfe fließt ein Brunnen, in dem sich sowohl die Leute aus dem Dorf als aus dem Schloß ihr Wasser holen müssen; dicht neben den Brunnen hatte sich ein gräßlicher Lindwurm gelagert, und die Leute konnten nicht anders Wasser schöpfen, als dadurch, daß sie ihm täglich ein Schaf oder ein Rindvieh brachten; so lang der Drache daran fraß, durften die Einwohner zum Brunnen. Um diesen Unfug aufzuheben, beschloß Ritter Hans, den Kampf zu wagen; lange stritt er, endlich gelang es ihm, dem Wurme den Kopf abzuhauen. [301] Nun wollte er auch den Rumpf des Unthiers, der noch zappelte, mit der Lanze durchstechen, da kringelte sich der spitzige Schweif um des Ritters rechtes Bein und stach ihn gerade in die Kniekehle, die einzige Stelle, welche der Panzer nicht deckte. Der ganze Wurm war giftig und Hans von Frankenstein mußte sein Leben lassen.





219.
Das Drachenloch.

Scheuchzer l.c. III. p. 383. 384.
Cysati Beschr. des IV. Waldstädtersee p. 175. aus Jac. Man. hist Austriae
Athanas. Kircher mund. subt. VIII. p. 94 aus Cysat.
Wagner hist. nat. Helvetiae p. 246.
Joh. Müller Schweizer-Gesch. II. 440. Not. 692


Bei Burgdorf im Bernischen liegt eine Höhle, genannt das Drachenloch, worin man vor alten Zeiten bei Erbauung der Burg zwei ungeheure Drachen gefunden haben soll. Die Sage berichtet: Als im Jahr 712. zwei Gebrüder Syntram und Beltram (nach andern Guntram und Waltram genannt), Herzöge von Lensburg, ausgingen zu jagen, stießen sie in wilder und wüster Waldung auf einen hohlen Berg. In der Höhlung lag ein ungeheurer Drache, der das Land weit umher verödete. Als er die Menschen gewahrte, fuhr er in Sprüngen auf sie los und im Augenblick verschlang er Bertram, den jüngeren Bruder, lebendig. [302] Sintram aber setzte sich kühn zur Wehr und bezwang nach heißem Kampf das wilde Gethier, in dessen gespaltenem Leib sein Bruder noch ganz lebendig lag. Zum Andenken ließen die Fürsten am Orte selbst eine Capelle der heil. Margaretha gewidmet bauen und die Geschichte abmahlen, wo sie annoch zu sehen ist.





220.
Die Schlangenkönigin.
Wyß S. 148-184


Ein Hirtenmädchen fand oben auf dem Fels eine kranke Schlange liegen, die wollte verschmachten. Da reichte es ihr mitleidig seinen Milchkrug, die Schlange leckte begierig und kam sichtbar zu Kräften. Das Mädchen ging weg und bald drauf geschah es, daß ihr Liebhaber um sie warb, allein ihrem reichen, stolzen Vater zu arm war und spöttiseh abgewiesen wurde, bis er auch einmal so viel Heerden besäße, wie der alte Hirt. Von der Zeit an hatte der alte Hirt kein Glück mehr, sondern lauter Unfall; man wollte des Nachts einen feurigen Drachen über seinen Fluren sehen und sein Gut verdarb. Der arme Jüngling war nun eben so reich und warb nochmals um seine Geliebte, die wurde ihm jetzt zu Theil. An dem Hochzeittag trat eine Schlange ins Zimmer, auf deren gewundenem Schweif eine schöne Jungfrau saß, die sprach, daß sie es wäre, der einstmal die gute Hirtin in der [303] Hungersnoth ihre Milch gegeben, und aus Dankbarkeit nahm sie ihre glänzende Krone vom Haupt ab und warf sie der Braut in den Schooß. Sodann verschwand sie, aber die jungen Leute hatten großen Segen in ihrer Wirthschaft und wurden bald wohlhabend.






221.
Die Jungfrau im Oselberg.
Crusii analecta paralipom. c. 17. p. 68


Zwischen Dinkelsbühl und Hahnkamm stand auf dem Oselberg vor alten Zeiten ein Schloß, wo eine einige Jungfrau gelebt, die ihrem Vater als Wittiber Haus hielt und den Schlüssel zu allen Gemächern in ihrer Gewalt gehabt. Endlich ist sie mit den Mauern verfallen und umkommen, und das Geschrei kam aus, daß ihr Geist um das Gemäuer schwebe und Nachts an den vier Quatembern in Gestalt einer Fräulein, die ein Schlüsselbund an der Seite trägt, erscheine. Dagegen sagen alte Bauern dieser Orte aus, von ihren Vätern gehört zu haben, diese Jungfer sey eines alten Heiden Tochter gewesen und in eine abscheuliche Schlange verwünscht worden; auch werde sie in Weise einer Schlange, mit Frauenhaupt und Brust, ein Gebund Schlüssel am Hals, zu jener Zeit gesehen.



[304]


222.
Der Krötenstuhl[7].
Die Brautschau, ein Mährlein von C. F. W. Magdeburg 1796.


Auf Nothweiler, einer elsäßischen Burg im Wasgau, lebte vor alten Zeiten die schöne Tochter eines Herzogs, die aber so stolz war, daß sie keinen ihrer vielen Freier gut genug fand und viele umsonst das Leben verlieren mußten. Zur Strafe wurde sie dafür verwünscht und muß so lang auf einem öden Felsen hausen, bis sie erlöst wird. Nur einmal die Woche, nämlich den Freitag, darf sie sichtbar erscheinen, aber einmal in Gestalt einer Schlange, das zweitemal als Kröte und das drittemal als Jungfrau in, ihrer natürlichen Art. Jeden Freitag wascht sie sich auf dem Felsen, der noch heutigestags der Krötenstuhl heißt, an einem Quellborn und sieht sich dabei in die Weite um, ob niemand nahe, der sie erlöse. Wer das Wagstück unternehmen will, der findet oben auf dem Krötenstuhl eine Muschel mit drei Wahrzeichen: einer Schlangenschuppe, einem Stück Krötenhaut und einer gelben Haarlocke. Diese drei Dinge bei sich tragend, muß er einen Freitag Mittag in die wüste Burg steigen, warten bis sie sich zu waschen kommt und sie drei Wochen hintereinander in jeder ihrer Erscheinungen auf den Mund küssen, ohne zu entfliehen. Wer [305] das aushält, bringt sie zur Ruhe und empfängt alle ihre Schätze. Mancher hat schon die Merkzeichen gefunden und sich in die Trümmer der alten Burg gewagt, und viele sind vor Furcht und Greuel umgekommen. Einmal hatte ein kühner Bursch schon den Mund der Schlange berührt und wollte auf die andre Erscheinung warten, da ergriff ihn Entsetzen und er rannte bergab; zornig und raschelnd verfolgte sie ihn als Kröte bis auf den Krötenstuhl. Sie bleibt übrigens die Länge der Zeit hindurch wie sie war und altert nimmer. Als Schlange ist sie am gräßlichsten und nach dem Spruch des Volks „groß wie ein Wieschbaum (Heubaum), als Krott groß wie ein Bachofen und da spaucht sie Feuer.“





223.
Die Wiesenjungfrau.
Mündlich, aus Hessen.


Ein Bube von Auerbach an der Bergstraße hütete seines Vaters Kühe auf der schmalen Thalwiese, von der man das alte Schloß sehen kann. Da schlug ihn auf einmal von hintenher eine weiche Hand sanft an den Backen, daß er sich umdrehte, und siehe, eine wunderschöne Jungfrau stand vor ihm, von Kopf zu den Füßen weiß gekleidet, und wollte eben den Mund aufthun, ihn anzureden. Aber der Bub erschrack, wie vor dem Teufel selbst, und nahm das Reißaus ins [306] Dorf hinein. Weil indessen sein Vater bloß die eine Wiese hatte, mußte er die Kühe immer wieder zu derselben Weide treiben, er mochte wollen oder nicht. Es währte lange Zeit, und der Junge hatte die Erscheinung bald vergessen, da raschelte etwas in den Blättern an einem schwülen Sommertag und er sah eine kleine Schlange kriechen, die trug eine blaue Blume in ihrem Mund und fing plötzlich zu sprechen an: „hör, guter Jung, du könntest mich erlösen, wenn du diese Blume nähmest, die ich trage, und die ein Schlüssel ist zu meinem Kämmerlein droben im Schloß, da würdest du Gelds die Fülle finden.“ Aber der Hirtenbub erschrack, da er sie reden hörte, und lief wieder nach Haus. Und an einem der letzten Herbsttage hütete er wieder auf der Wiese, da zeigte sie sich zum drittenmal in der Gestalt der ersten weißen Jungfrau und gab ihm wieder einen Backenstreich, bat auch flehentlich, er möchte sie doch erlösen, wozu sie ihm alle Mittel und Wege angab. All ihr Bitten war für nichts und wider nichts, denn die Furcht überwältigte den Buben, daß er sich kreuzte und segnete und wollte nichts mit dem Gespenst zu thun haben. Da hohlte die Jungfrau einen tiefen Seufzer und sprach: „weh, daß ich mein Vertrauen auf dich gesetzt habe; nun muß ich neuerdings harren und warten, bis auf der Wiese ein Kirschenbaum wachsen und aus des Kirschenbaums Holz eine Wiege gemacht seyn wird. Nur das Kind, das in der Wiege zuerst gewiegt werden wird, kann mich dereinst erlösen.“ Darauf verschwand

[307] sie und der Bub, heißt es, sey nicht gar alt geworden; woran er gestorben, weiß man nicht.






224.
Das Niesen im Wasser.
Mündlich, aus Hessen.


An einem Brücklein, das über die Auerbach geht, hörte jemand etwas im Wasser dreimal niesen, da sprach er dreimal: „Gott helf!“ und damit wurde der Geist eines Knaben erlöst, der schon dreißig Jahre auf diese Worte gelauert hatte. Oberhalb demselben Brücklein hörte, nach einer andern Erzählung, ein anderer dreimal aus dem Bach herausniesen. Zweimal sagte er: „Gott helf!“ beim drittenmal aber: „der Teufel hohl dich!“ Da that das Wasser einen Wall, wie wenn sich einer mit Gewalt darin umdrehte.





225.
Die arme Seele.
Mündlich, aus Paderborn.


Et sit en arme Seele unner de Brügge för Haxthusen-Hove to Paderborn, de prustet unnerwielen. Wenn nu ter sülvtigen Tiet en Wage der över färt un de Fohrmann segd nich: „Gott seegen!“ so mot de Wage ümfallen. Un hät oll manig Mann Arm un Bein terbroken.


[308]

226.
Die verfluchte Jungfer.
Eisenacher Volks-Sagen II. 179. 180.


Unweit Eisenach in einer Felsenhöhle zeigt sich zuweilen um die Mittagsstunde ein Fräulein, die nur dadurch erlöst werden kann, daß ihr jemand auf dreimaliges Niesen dreimal: „helf Gott!“ zuruft. Sie war eine halsstarrige Tochter und wurde vorzeiten von ihrer guten Mutter im Zorn dahin verwünscht.





227.
Das Fräulein von Staufenberg.
Otmar’s Sammlung.


Auf dem Harz bei Zorge, einem braunschweigischen Dorfe, liegt der Staufenberg, ehdem mit einer Burg bebaut. Man sieht jetzo eine Klippe da, auf der ein Menschenfuß eingedrückt stehet. Diese Fußtapfe drückte einst die Tochter des alten Burgherrn in den Fels, auf dem sie oft lange stand, weil es ihr Lieblingsplätzchen war. Noch von Zeit zu Zeit zeigt sich dort das verzauberte Fräulein in ihren goldgelben, geringelten Haaren.





228.
Der Jungferstein.
Melissantes Orograph. h. v.


In Meißen, unweit der Festung Königstein, liegt ein Felsen, genannt Jungferstein, auch Pfaffenstein. [309] Einst verfluchte eine Mutter ihre Tochter, welche Sonntags nicht zur Kirche, sondern in die Heidelbeeren gegangen war. Da wurde die Tochter zu Stein und ist ihr Bild gegen Mittag noch zu sehen.

Im dreißigjährigen Krieg flüchteten dahin die Leute vor den Soldaten.





229.
Das steinerne Brautbett.
Spieß Biograph. Der Wahnsinn. Th. 3. u. 4. aus der Volkssage.


In Deutschböhmen thürmt sich ein Felsen, dessen Spitze in zwei Theile getheilt gleichsam ein Lager und Bett oben bildet. Davon hört man sagen: es habe sonst da ein Schloß gestanden, worin eine Edelfrau mit ihrer einzigen Tochter lebte. Diese liebte wider den Willen der Mutter einen jungen Herrn aus der Nachbarschaft und die Mutter wollte niemals leiden, daß sie ihn heirathete. Aber die Tochter übertrat das Gebot und versprach sich heimlich ihrem Liebhaber, mit der Bedingung, daß sie auf den Tod der Mutter warten und sich dann vermählen wollten. Allein die Mutter erfuhr noch vor ihrem Tode das Verlöbniß, sprach einen strengen Fluch aus und bat Gott inbrünstig, daß er ihn hören und der Tochter Brautbett in einen Stein verwandeln möge. Die Mutter starb, die ungehorsame Tochter reichte dem Bräutigam die Hand und die Hochzeit wurde mit großer Pracht auf dem Felsenschloß gefeiert. Um Mitternacht, [310] wie sie in die Brautkammer gingen, hörte die Nachbarschaft ringsumher einen fürchterlichen Donner schlagen. Am Morgen war das Schloß verschwunden, kein Weg und Steg führte zum Felsen und auf dem Gipfel saß die Braut in dem steinernen Bette, welches man noch jetzt deutlich sehen und betrachten kann. Kein Mensch konnte sie erretten, und jeder der versuchen wollte, die Steile zu erklettern, stürzte herab. So mußte sie verhungern und verschmachten; ihren todten Leichnam fraßen die Raben.





230.
Zum Stehen verwünscht.
Prätorius Weltbeschr. I. 659-661.


Im Jahr Christi 1545. begab sichs zu Freiberg in Meißen, daß Lorenz Richter, ein Weber seines Handwerks, in der Wein-Gasse wohnend, seinem Sohn, einem Knaben von vierzehn Jahren, befahl, etwas eilend zu thun; der aber verweilte sich, blieb in der Stube stehen und ging nicht bald dem Worte nach. Deßwegen der Vater entrüstet wurde und im Zorn ihm fluchte: „ei stehe, daß du nimmermehr könnst fortgehen!“ Auf diese Verwünschung blieb der Knabe alsbald stehen, konnte von der Stelle nicht kommen und stand so fort drei ganzer Jahre an dem Ort, also daß er tiefe Gruben in die Dielen eindrückte, und ward ihm ein Pult untergesetzt, darauf er mit Haupt und [311] Armen sich lehnen und ruhen konnte. Weil aber die Stelle, wo er stand, nicht weit von der Stubenthüre und auch nahe am Ofen war, und deshalb den Leuten, welche hineinkamen, sehr hinderlich, so haben die Geistlichen der Stadt auf vorhergehendes fleißiges Gebät ihn von selbem Ort erhoben und gegenüber in den andern Winkel glücklich und ohne Schaden, wiewohl mit großer Mühe, fortgebracht. Denn wenn man ihn sonst forttragen wollen, ist er alsbald mit unsäglichen Schmerzen befallen und wie ganz rasend worden. An diesem Ort, nachdem er niedergesetzt worden, ist er ferner bis ins vierte Jahr gestanden und hat die Dielen noch tiefer durchgetreten. Man hatte nachgehende einen Umhang um ihn geschlagen, damit ihn die aus- und eingehenden nicht also sehen konnten, welches auf sein Bitten geschehen, weil er gern allein gewesen ist und vor stäter Traurigkeit nicht viel geredet. Endlich hat der gütige Gott die Strafe in etwas gemildert, so daß er das letzte halbe Jahr sitzen und sich in das Bett, das neben ihn gestellt worden, hat niederlegen können. Fragte ihn jemand, was er mache, so gab er gemeinlich zur Antwort, er leide Gottes Züchtigung wegen seiner Sünden, setze alles in dessen Willen und halte sich an das Verdienst seines Herrn Jesu Christi, worauf er hoffe selig zu werden. Er hat sonst gar elend ausgesehen, war blaß und bleich von Angesicht, am Leibe gar schmächtig und abgezehrt, im Essen und Trinken mäßig, also daß es zur Speise oft Nöthigens bedurfte. Nach Ausgang [312] des siebten Jahrs ist er dieses seines betrübten Zustandes den elften September 1552 gnädig entbunden worden, indem er eines vernünftigen und natürlichen To­des in wahrer Bekenntniß und Glauben an Jesum Christum selig entschlafen. Die Fußstapfen sieht man auf heutigen Tag in obgedachter Gasse und Haus, (dessen jetziger Zeit Severin Tränkner Besitzer ist), in der obern Stube, da sich diese Geschichte begeben, die erste bei dem Ofen, die andere in der Kammer nächst dabei, weil nachgehender Zeit die Stuben unterschieden worden.





231.
Die Bauern zu Kolbeck.

Bange thüring. Chronik. Bl. 39.
Becherer thüring. Chronik S. 193. 194.
Gerstenberg bei Schminke mon. hass. I. 88. 89.
Spangenberg Brautpredigt 45.

Im Jahr 1012. war ein Bauer im Dorf Kolbeke bei Halberstadt, der hieß Albrecht, der machte in der Christnacht einen Tanz mit andern funfzehn Bauern, dieweil man Messe hielt, außen auf dem Kirchhof und waren drei Weibsbilder unter ihnen. Und da der Pfarrherr heraustrat und sie darum strafte, sprach jener: „mich heißet (man) Albrecht, so heißet dich Ruprecht; du bist drinne frölich, so laß uns hausen frölich seyn; du singst drinnen deine Leisen, so laß uns unsern Reihen singen.“ Sprach der Pfarrherr: „so wolle Gott und der Herr [313] S. Magnus, daß ihr ein ganz Jahr also tanzen müsset!“ Das geschah, und Gott gab den Worten Kraft, so daß weder Regen noch Frost ihre Häupter berührte, noch sie Hitze, Hunger und Durst empfanden, sondern sie tanzten allum und ihre Schuhe zerschlissen auch nicht. Da lief einer (der Küster) zu und wollte seine Schwester aus dem Tanze ziehen, da folgten ihm ihre Arme. Als das Jahr vorüber war, kam der Bischof von Cöln, Heribert, und erlösete sie aus dem Bann; da starben ihrer vier sobald, die andern wurden sehr krank, und man sagt, daß sie sich in die Erde fast an den Mittel (d. h. an den Gürtel) sollen getanzt haben, und ein tiefer Graben in dem Grund ausgehöhlt wurde, der noch zu sehen ist. Der Landesherr ließ zum Zeichen so viel Steine darum setzen, als Menschen mitgetanzt hatten.





232.
Der heilige Sonntag.
Harsdörfer’s Mordgeschichten Nr. 120, 3.

Zu Kindstadt in Franken pflag eine Spinnerin des Sonntags über zu spinnen und zwang auch ihre Mägde dazu. Einsten dauchte sie miteinander, es ginge Feuer aus ihren Spinnrocken, thäte ihnen aber weiter kein Leid. Den folgenden Sonntag kam das Feuer wahrhaftig in den Rocken, wurde doch wieder gelöscht. Weil sies aber nicht achtete, ging den dritten Sonn­tag [314] das ganze Haus an vom Flachs und verbrann die Frau mit zweien Kindern, aber durch Gottes Gnade wurde ein kleines Kind in der Wiegen erhalten, daß ihm kein Leid geschahe.

Man sagt auch, einem Bauer, der Sonntags in die Mühle ging, sein Getreid zu mahlen, sey es zu Aschen geworden, einem andern Scheuer und Korn abgebrunnen. Einer wollte auf den heiligen Tag pflügen und die Pflugschaar mit einem Eisen scheuern, das Eisen wuchs ihm an die Hand und mußte es zwei Jahr in großem Schmerz tragen, bis ihn Gott nach vielem brünstigen Gebet von der Plage erledigte.





233.
Frau Hütt.
vgl. Morgenblatt. 1811 Nr. 28.


In uralten Zeiten lebte im Tirolerland eine mächtige Riesen-Königin, Frau Hütt genannt und wohnte auf den Gebürgen über Innsbruck, die jetzt grau und kahl sind, aber damals voll Wälder, reicher Äcker und grüner Wiesen waren. Auf eine Zeit kam ihr kleiner Sohn heim, weinte und jammerte, Schlamm bedeckte ihm Gesicht und Hände, dazu sah sein Kleid schwarz aus, wie ein Köhlerkittel. Er hatte sich eine Tanne zum Stecken-Pferd abknicken wollen, weil der Baum aber am Rande eines Morastes stand, so war das Erdreich unter ihm gewichen und er bis zum [315] Haupt in den Moder gesunken, doch hatte er sich noch glücklich heraus geholfen. Frau Hütt tröstete ihn, versprach ihm ein neues schönes Röcklein und rief einen Diener, der sollte weiche Brosame nehmen und ihm damit Gesicht und Hände reinigen. Kaum aber hatte dieser angefangen mit der heiligen Gottes-Gabe also sündlich umzugehen, so zog ein schweres, sehwarzes Gewitter daher, das den Himmel ganz zudeckte und ein entsetzlicher Donner schlug ein. Als es wieder sich aufgehellt, da waren die reichen Kornäcker, grünen Wiesen und Wälder und die Wohnung der Frau Hütt verschwunden und überall war nur eine Wüste mit zerstreuten Steinen, wo kein Grashalm mehr wachsen konnte, in der Mitte aber stand Frau Hütt, die Riesenkönigin, versteinert und wird so stehen bis zum jüngsten Tag.

In vielen Gegenden Tirols, besonders in der Nähe von Innsbruck, wird bösen und muthwilligen Kindern die Sage zur Warnung erzählt, wenn sie sich mit Brot werfen oder sonst Uebermuth damit treiben. „Spart eure Brosamen, heißt es, für die Armen, damit es euch nicht ergehe, wie der Frau Hütt.“





234.
Der Kindelsberg.
Stilling’s Leben II. 24.–29.


Hinter dem Geisenberg in Westphalen ragt ein hoher Berg mit dreien Köpfen hervor, davon heißt der [316] mittelste noch der Kindelsberg, da stand vor alten Zeiten ein Schloß, das gleichen Namen führte, und in dem Schloß wohnten Ritter, die waren gottlose Leute. Zur Rechten hatten sie ein sehr schönes Silber-Bergwerk, davon wurden sie stockreich und von dem Reichthum wurden sie so übermüthig, daß sie sich silberne Kegel machten, und wenn sie spielten, so warfen sie diese Kegel mit silbernen Kugeln. Der Uebermuth ging aber noch weiter, denn sie bucken sich großen Kuchen von Semmelmehl, wie Kutschenräder, machten mitten Löcher darein und steckten sie an die Achsen. Das war eine himmelschreiende Sünde, denn so viele Menschen hatten kein Brot zu essen. Gott ward es endlich auch müde. Eines Abends spät kam ein weißes Männchen ins Schloß und sagte an, daß sie alle binnen dreien Tagen sterben müßten und zum Wahrzeichen gab er ihnen, daß diese Nacht eine Kuh zwei Lämmer werfen würde. Das traf auch ein, aber niemand kehrte sich daran, als der jüngste Sohn, der Ritter Siegmund hieß, und eine Tochter, die eine gar schöne Jungfrau war. Diese bäteten Tag und Nacht. Die andern starben an der Pest, aber diese beiden blieben am Leben. Nun war aber auf dem Geisenberg ein junger kühner Ritter, der ritt beständig ein großes schwarzes Pferd und hieß darum der Ritter mit dem schwarzen Pferd. Er war ein gottloser Mensch, der immer raubte und mordete. Dieser Ritter gewann die schöne Jungfrau auf dem Kindelsberg lieb und wollte sie zur Ehe haben, sie schlug es ihm aber beständig [317] ab, weil sie einem jungen Grafen von der Mark verlobt war, der mit ihrem Bruder in den Krieg gezogen war und dem sie treu bleiben wollte. Als aber der Graf immer nicht aus dem Krieg zurückkam und der Ritter mit dem schwarzen Pferd sehr um sie warb, so sagte sie endlich: „wenn die grüne Linde hier vor meinem Fenster wird dürr seyn, so will ich dir gewogen werden.“ Der Ritter mit dem schwarzen Pferde suchte so lang in dem Lande, bis er eine dürre Linde fand, so groß wie jene grüne, und in einer Nacht bei Mondenschein grub er diese aus und setzte die dürre dafür hin. Als nun die schöne Jungfrau aufwachte, so war’s so hell vor ihrem Fenster, da lief sie hin und sah erschrocken, daß eine dürre Linde da stand. Weinend setzte sie sich unter die Linde und als der Ritter nun kam und ihr Herz verlangte, sprach sie in ihrer Noth: „ich kann dich nimmermehr lieben.“ Da ward der Ritter mit dem schwarzen Pferd zornig und stach sie todt. Der Bräutigam kam noch denselben Tag zurück, machte ihr ein Grab und setzte eine Linde dabei und einen großen Stein, der noch zu sehen ist.





235.
Die Semmel-Schuhe.
Mündlich, aus Deutschböhmen.


Im Klatauer Kreis, eine Viertelstunde vom Dorf Oberkamenz, stand auf dem Hradekberg ein Schloß, [318] davon noch einige Trümmer bleiben. Vor alter Zeit ließ der Burgherr eine Brücke bauen, die bis nach Stankau, welches eine Stunde Wegs weit ist, führte und die Brücke war der Weg, den sie zur Kirche gehen mußten[WS 1]. Dieser Burgherr hatte eine junge, hochmüthige Tochter, die war so vom Stolz besessen, daß sie Semmeln aushöhlen ließ und statt der Schuhe anzog. Als sie nun einmal auf jener Brücke mit solchen Schuhen zur Kirche ging und eben auf die letzte Stufe trat, so soll sie und das ganze Schloß versunken seyn. Ihre Fußstapfe sieht man noch jetzt in einem Stein, welcher eine Stufe dieser Brücke war, deutlich eingedruckt.





236.
Der Erdfall bei Hochstädt.
Behrens curiöser Harzwald S. 85. 86.


Im brandenburgischen Amt Klettenberg gegen den Unterharz, unfern des Dorfs Hochstädt, sieht man einen See und einen Erdfall, von dem die Einwohner folgende Sage haben: in vorigen Zeiten sey an der Stelle des Sees eine Grasweide gewesen. Da hüteten etliche Pferdejungen ihr Vieh, und als die andern sahen, daß einer unter ihnen weiß Brot aß, bekamen sie auch Lust, davon zu genießen und forderten es dem Jungen ab. Dieser wollte ihnen über nichts mittheilen, denn er bedürfe es zur Stillung seines eigenen [319] Hungers. Darüber erzürnten sie, fluchten ihren Herrn, daß sie ihnen blos gemeines schwarz-Hausbacken-Brot gäben, warfen ihr Brot frevelhaft zur Erde, tratens mit Füßen und geisseltens mit ihren Peitschen. Alsbald kam Blut aus dem Brot geflossen, da erschracken die Knechte, wußten nicht wohin sich wenden; der unschuldige aber (den, wie einige hinzufügen, ein alter unbekannter, dazu kommender Mann gewarnt haben soll) schwang sich zu Pferd und entfloh dem Verderben. Zu spät wollten die andern nachfolgen, sie konnten nicht mehr von der Stelle und plötzlich ging der ganze Platz unter. Die bösen Buben sammt ihren Pferden wurden tief in die Erde verschlungen und nichts von ihnen kam je wieder ans Tageslicht. Andere erzählen anders. Auch sollen aus dem See Pflanzen mit Blättern, wie Hufeisen, wachsen.





237.
Die Brot-Schuhe.
Mündlich, aus Deutschböhmen.


Einer Bürgersfrau war ihr junges Kind gestorben, das ihr Augapfel war, und wußte gar nicht genug, was sie ihm noch liebs und guts anthun sollte, eh es unter die Erde käme und sie’s nimmermehr sehen würde. Und wie sie’s nun im Sarg auf das beste putzte und kleidete, so däuchten ihr die Schühlein doch nicht gut genug und nahm das weißeste Mehl, [320] was sie hatte, machte einen Teig und buck dem Kind welche von Brot. In diesen Schuhen wurde das Kind begraben, allein es ließ der Mutter nicht Rast noch Ruh, sondern erschien ihr jammervoll, bis sein Sarg wieder ausgegraben wurde und die Schühlein aus Brot von den Füßen genommen und andere ordentliche angezogen waren. Von da an stillte es sich.





238.
Das taube Korn.

Holländ. gemeine Sage. Grabner Reise in die Niederlande. Gotha 1792. S. 58-60.
Winsheim fries. Chronik. Bl. 147. 148.


Zu Stavoren in Friesland waren die Einwohner durch ihren Reichthum stolz und übermüthig geworden, daß sie Hausflur und Thüren mit Gold beschlagen ließen, den ärmeren Städten der Nachbarschaft zum Trotz. Von diesen wurden sie daher nicht anders genannt, als: „die verwöhnten Kinder von Stavoren.“ Unter ihnen war besonders eine alte geitzhälsige Witwe, die trug einem Danzigfahrer auf, das beste was er laden könne, für ihre Rechnung mitzubringen. Der Schiffer wußte nichts bessers, als er nahm einige tausend Lasten schönes polnisch Getraid, denn zur Zeit der Abreise hatte die Frucht gar hoch gestanden in Friesland. Unterwegs aber begegnete ihm nichts wie Sturm und Unwetter und nöthigten ihn zu Bornholm überwintern, dergestalt daß wie er Frühjahrs endlich daheim [321] anlangte, das Korn gänzlich im Preise gefallen war und die Witwe zornig die sämmtliche Ladung vor der Stadt in die See werfen ließ. Was geschah? An derselben Stelle that sich, seit der Zeit eine mächtige Sandbank empor, geheißen der Frauensand, drauf nichts als taubes Korn (Wunderkorn, Dünenhelm, weil es die Dünen wider die See helmt [schützt], arunda arenaria ) wuchs und die Sandbank lag vor dem Hafen, den sie sperrte, und der ganze Hafen ging zu Grunde. So wuchs an der Sünde der alten Frau die Buße für die ganze Stadt auf.





239.
Der Frauensand.
Mündlich aus Holland mitgetheilt.


Westlich im Südersee wachsen mitten aus dem Meer Gräser und Halme hervor an der Stelle, wo die Kirchthürme und stolzen Häuser der vormaligen Stadt Stavoren in tiefer Flut begraben liegen. Der Reichthum hatte ihre Bewohner ruchlos gemacht, und als das Maaß ihrer Uebelthaten erfüllt war, gingen sie bald zu Grunde. Fischer und Schiffer am Strand des Südersees haben die Sage von Mund zu Mund fortbewahrt.

Die vermögendste aller Insassen der Stadt Stavoren war eine sichere Jungfrau, deren Namen man nicht mehr nennt. Stolz auf ihr Geld und Gut, hart [322] gegen die Menschen, strebte sie blos, ihre Schätze immer noch zu vermehren. Flüche und gotteslästerliche Reden hörte man viel aus ihrem Munde. Auch die übrigen Bürger dieser unmäßig reichen Stadt, zu deren Zeit man Amsterdam noch nicht nannte, und Rotterdam ein kleines Dorf war, hatten den Weg der Tugend verlassen.

Eines Tags rief diese Jungfrau ihren Schiffmeister und befahl ihm auszufahren und eine Ladung des edelsten und besten mitzubringen, was auf der Welt wäre. Vergebens forderte der Seemann, gewohnt an pünktliche und bestimmte Aufträge, nähere Weisung; die Jungfrau bestand zornig auf ihrem Wort und hieß ihn alsbald in die See stechen. Der Schiffmeister fuhr unschlüssig und unsicher ab, er wußte nicht, wie er dem Geheiß seiner Frau, deren bösen, strengen Sinn er wohl kannte, nachkommen möchte und überlegte hin und her, was zu thun. Endlich dachte er: ich will ihr eine Ladung des köstlichsten Weizen bringen, was ist schöners und edlers zu finden auf Erden, als dieß herrliche Korn, dessen kein Mensch entbehren kann? Also steuerte er nach Danzig, befrachtete sein Schiff mit ausgesuchtem Weizen und kehrte alsdann, immer noch unruhig und furchtsam vor dem Ausgang, wieder in seine Heimath zurück. „Wie, Schiffmeister, rief ihm die Jungfrau entgegen, du bist schon hier? ich glaubte dich an der Küste von Africa, um Gold und Elfenbein zu handeln, laß sehen, was du geladen hast.“ Zögernd, denn an ihren Reden sah er schon, wie wenig [323] sein Einkauf ihr behagen würde, antwortete er: „meine Frau, ich führe euch zu den köstlichsten Weizen, der auf dem ganzen Erdreich mag gefunden werden.“ „Weizen, sprach sie, so elendes Zeug bringst du mir?“ – „ich dachte das wäre so elend nicht, was uns unser tägliches und gesundes Brot gibt“

– „ich will dir zeigen, wie verächtlich mir deine Ladung ist; von welcher Seite ist das Schiff geladen?“

– „von der rechten Seite (Stuurboordszyde),“ sprach der Schiffmeister. – „Wohlan, so befehl ich dir, daß du zur Stunde die ganze Ladung auf der linken Seite (Bakboord) in die See schüttest; ich komme selbst hin und sehe, ob mein Befehl erfüllt worden.“

Der Seemann zauderte einen Befehl auszuführen, der sich so greulich an der Gabe Gottes versündigte und berief in Eile alle arme und dürftige Leute aus der Stadt an die Stelle, wo das Schiff lag, durch deren Anblick er seine Herrin zu bewegen hoffte. Sie kam und frug: „wie ist mein Befehl ausgerichtet?“. Da fiel eine Schaar von Armen auf die Knie vor ihr und baten, daß sie ihnen das Korn austheilen möchte, lieber als es vom Meer verschlingen zu lassen. Aber das Herz der Jungfrau war hart wie Stein und sie erneuerte den Befehl, die ganze Ladung schleunig über Bord zu werfen. Da bezwang sich der Schiffmeister länger nicht und rief laut: „nein, diese Bosheit kann Gott nicht ungerächt lassen, wenn es wahr ist, daß der Himmel das Gute lohnt und das Böse straft; ein Tag wird kommen, wo ihr gerne die edlen [324] Körner, die ihr so verspielt, eins nach dem andern auflesen möchtet, euren Hunger damit zu stillenl“ „Wie, rief sie mit höllischem Gelächter, ich soll dürftig werden können? ich soll in Armuth und Brotmangel fallen? So wahr das geschieht, so wahr sollen auch meine Augen diesen Ring wieder erblicken, den ich hier in die Tiefe der See werfe.“ Bei diesem Wort zog sie einen kostbaren Ring vom Finger und warf ihn in die Wellen. Die ganze, Ladung des Schiffes und aller Weizen, der darauf war, wurde also in die See ausgeschüttet.

Was geschieht? Einige Tage darauf ging die Magd dieser Frauen zu Markt, kaufte einen Schelfisch und wollte ihn in der Küche zurichten; als sie ihn aufschnitt, fand sie darin einen kostbaren Ring und zeigte ihn ihrer Frauen. Wie ihn die Meisterin sah, erkannte sie ihn sogleich für ihren Ring, den sie neulich ins Meer geworfen hatte, erbleichte und fühlte die Vorboten der Strafe in ihrem Gewissen. Wie groß war aber ihr Schrecken, als in demselben Augenblick die Botschaft eintraf, ihre ganze aus Morgenland kommende Flotte wäre gestrandet! Wenige Tags darauf kam die neue Zeitung von untergegangenen Schiffen, worauf sie noch reiche Ladungen hatte. Ein anderes Schiff raubten ihr die Mohren und Türken; der Fall einiger Kaufhäuser, worin sie verwickelt war, vollendete bald ihr Unglück und kaum war ein Jahr verflossen, so erfüllte sich die schreckliche Drohung des Schiffmeisters in allen Stücken. Arm und von keinem betrauert, [325] von vielen verhöhnt, sank sie je länger je mehr in Noth und Elend, hungrig bettelte sie Brot vor den Thüren und bekam oft keinen Bissen, endlich verkümmerte sie und starb verzweifelnd.

Der Weizen aber, der in das Meer geschüttet worden war, sproß und wuchs das folgende Jahr, doch trug er taube Ähren. Niemand achtete das Warnungszeichen, allein die Ruchlosheit von Stavoren nahm von Jahr zu Jahr überhand, da zog Gott der Herr seine schirmende Hand ab von der bösen Stadt. Auf eine Zeit schöpfte man Hering und Butt aus den Ziehbrunnen und in der Nacht öffnete sich die See und verschwalg mehr als drei Viertel der Stadt in rauschender Flut. Noch beinah jedes Jahr versinken einige Hütten der Insassen und es ist seit der Zeit kein Seegen und kein wohlhabender Mann in Stavoren zu finden. Noch immer wächst jährlich an derselben Stelle ein Gras aus dem Wasser, das kein Kräuterkenner kennt, das keine Blüte trägt und sonst nirgends mehr auf Erden gefunden wird. Der Halm treibt lang und hoch, die Ähre gleicht der Waizenähre, ist aber taub und ohne Körner. Die Sandbank, worauf es grünt, liegt entlangs der Stadt Stavoren und trägt keinen andern Namen als den des Frauensands.


[326]

240.
Brot zu Stein geworden.

Melissantes Handb. f. Bürger u. Bauern. Fft. u. Lpg. 1744 S. 128.
Ernst Gemüthsergötzlichkeit S. 946.
Rheinischer Antiquar. S. 864.
Mündliche Sage aus Landshut
Aus Danzig in Mart. Zeiler’s Handbuch von allerlei nützl. Sachen
     und Denkwürdigkeiten. Ulm 1655. S. 27

Man hat an viel Orten, namentlich in Westphalen, die Sagen, daß zur Zeit großer Theuerung eine hartherzige Schwester ihre arme Schwester, die für sich und ihre Kindlein Brot gebeten, mit den Worten abgewiesen: „und wenn ich Brot hätte, wollte ich, daß es zu Stein würde!“ – worauf sich ihr Brotvorrath alsbald in Stein verwandelt. Zu Leiden in Holland hebt man in der großen Peterskirche ein solches Steinbrot auf und zeigt es den Leuten zur Bewährung der Geschichte.

Im Jahr 1579 hatte ein dortmunder Becker in der Hungersnoth viel Korn aufgekauft und freute sich, damit recht zu wuchern. Als er aber mitten in diesem Geschäft war, ist ihm sein Brot im ganzen Hause eines Tages zu Stein worden und wie er einen Laib ergriffen und mit dem Messer aufschneiden wollen, Blut daraus geflossen. Darüber hat er sich alsbald in seiner Kammer erhängt.

In der dem heiligen Kastulus geweihten Hauptkirche zu Landshut hängt mit silberner Einfassung ein [327] runder Stein in Gestalt eines Brotes, in dessen Oberfläche sich vier kleine Höhlungen befinden. Davon geht folgende Sage. Kurz vor seinem Tode kam der heil. Kastulus als ein armer Mann zu einer Wittwe in der Stadt und bat um ein Almosen. Die Frau hieß ihre Tochter, das einzige Brot, das sie noch übrig hatten, dem Dürftigen reichen. Die Tochter, die es ungern weggab, wollte vorher noch eilig einige Stücke abbrechen, aber in dem Augenblick verwandelte sich das, dem Heiligen schon eigene, Brot in Stein und man erblickt noch jetzt darin die eingedrückten Finger deutlich.

Zur Zeit einer großen Theurung ging ein armes Weib, ein Kind auf dem Arm, eins neben, sich herlaufend und nach Brot laut schreiend, durch eine Straße der Stadt Danzig. Da begegnete ihr ein Mönch aus dem Kloster Oliva, den sie flehentlich um ein Bischen Brot für ihre Kinder bat. Der Mönch aber sagte: „ich habe keins.“ Die Frau sprach: „ach ich sehe, daß ihr in euerm Busen Brot stecken habt.“ „Ei, das ist nur ein Stein, die Hunde damit zu werfen,“ antwortete der Mönch und ging fort. Nach einer Weile wollte er sein Brot holen und essen, aber er fand, daß es sich wirklich in Stein verwandelt hatte. Er erschrack, bekannte seine Sünde und gab den Stein ab, der noch jetzt in der Klosterkirche dort hängt.



[328]


241.
Der binger Mäusethurm.
Bange thür. Chronik Bl. 35b.


Zu Bingen ragt mitten aus dem Rhein ein hoher Thurm, von dem nachstehende Sage umgeht. Im Jahr 974. ward große Theuerung in Deutschland, daß die Menschen aus Noth Katzen und Hunde aßen und doch viel Leute Hungers sturben. Da war ein Bischof zu Mainz, der hieß Hatto der andere, ein Geizhals, dachte nur daran, seinen Schatz zu mehren und sah zu, wie die armen Leute auf der Gasse niederfielen und bei Haufen zu den Brotbänken liefen und das Brot nahmen mit Gewalt. Aber kein Erbarmen kam in den Bischof, sondern er sprach: „lasset alle Arme und Dürftige sammlen in einer Scheune vor der Stadt, ich will sie speisen.“ Und wie sie in die Scheune gegangen waren, schloß er die Thüre zu, steckte mit Feuer an und verbrannte die Scheune sammt den armen Leuten. Als nun die Menschen unter den Flammen wimmerten und jammerten, rief Bischof Hatto: „hört, hört, wie die Mäuse pfeifen!“ Allein Gott der Herr plagte ihn bald, daß die Mäuse Tag und Nacht über ihn liefen und an ihm fraßen, und vermochte sich mit aller seiner Gewalt nicht wider sie behalten und bewahren. Da wußte er endlich keinen andern Rath, als er ließ einen Thurm bei Bingen mitten in den Rhein bauen, der noch heutiges Tags zu sehen ist, und meinte sich darin zu fristen, aber die [329] Mäuse schwummen durch den Strom heran, erklommen den Thurn und fraßen den Bischof lebendig auf.





242.
Das Bubenried.
Mündlich, aus sem Odenwald.


In der großbieberauer Gemarkung liegt ein Thal gegen Ueberau zu, das nennen die Leute das Bubenried und gehen nicht bei nächtlicher Weile dadurch, ohne daß ihnen die Hühnerhaut ankommt. Vor Zeiten, als Krieg und Hungersnoth im Reich war, gingen zwei Bettelbuben von Ueberau zurück, die hatten sich immer zu einander gehalten und in dem Thal pflegten sie immer ihr Almosen zu theilen. Sie hatten heute nur ein paar Blechpfennige gekriegt, aber dem einen hatte der reiche Schulz ein Armenlaibchen geschenkt, „das könne er mit seinem Gesellen theilen.“ Wie nun alles andere redlich getheilt war und der Bub das Brot aus dem Schubsack zog, roch es ihm so lieblich in die Nase, daß er’s für sich allein behalten und dem andern nichts davon geben wollte. Da nahm der Friede sein Ende, sie zankten sich und von den Worten kams zum Raufen und Balgen, und als keiner den andern zwingen konnte, riß sich jeder einen Pfahl aus dem Pferch. Der böse Feind führte ihnen die Kolben und jeder Bub schlug den andern todt. Drei Nächte lang nach dem Mord regte sich kein [330] Blatt und sang kein Vogel im Ried, und seitdem ists da ungeheuer und man hört die Buben wimmern und winseln.





243.
Kindelbrück.
Mündlich.

Diese thüringische Landstadt soll daher ihren Namen haben: es seyen vor Zeiten zwei kleine Kinder auf Steckenpferden auf der Brücke, die über die Wipper führt, geritten und ins Wasser gefallen.





244.
Die Kinder zu Hameln.
Sam. Erich der hamelschen Kinder Ausgang.
Kirchmayer vom unglücklichen Ausgang der hamel. Kinder. Dresd. und Lpzg. 1702. 8.
Joh. Weier von Teufels-Gespenstern I. c. 16.
Meibom SS. RR. GG. III. p. 80.
Hondorf prompt. exempl. Tit. de educ. liberor.
Becherer thüring. Chronik S. 366. 367.
Seyfried’s medulla p. 476.
Hübners’s Geogr. III. Hamb. 1736. S. 611-613
Verstegan decayed intelligence. London 1634. p. 85. 86.
Die hamelsche Chronik u. a. m.

Im Jahr 1284 ließ sich zu Hameln ein wunderlicher Mann sehen. Er hatte einen Rock von vielfarbigem, bunten Tuch an, weshalben er Bundting soll geheißen haben, und gab sich für einen Rattenfänger [331] aus, indem er versprach, gegen ein gewisses Geld die Stadt von allen Mäusen und Ratten zu befreien. Die Bürger wurden mit ihm einig und versicherten ihm einen bestimmten Lohn. Der Rattenfänger zog demnach ein Pfeifchen heraus und pfiff, da kamen alsobald die Ratten und Mäuse aus allen Häusern hervorgekrochen und sammelten sich um ihn herum. Als er nun meinte, es wäre keine zurück, ging er hinaus und der ganze Haufe folgte ihm, und so führte er sie an die Weser; dort schürzte er seine Kleider und trat in das Wassers, worauf ihm alle die Thiere folgten und hineinstürzend ertranken.

Nachdem die Bürger aber von ihrer Plage befreit waren, reute sie der versprochene Lohn und sie verweigerten ihn dem Manne unter allerlei Ausflüchten, so daß er zornig und erbittert wegging. Am 26sten Juni auf Johannis und Pauli Tag, Morgens früh sieben Uhr, nach andern zu Mittag, erschien er wieder, jetzt in Gestalt eines Jägers erschrecklichen Angesichts mit einem rothen, wunderlichen Hut und ließ seine Pfeife in den Gassen hören. Alsbald kamen diesmal nicht Ratten und Mäuse, sondern Kinder, Knaben und Mägdlein vom vierten Jahr an, in großer Anzahl gelaufen, worunter auch die schon erwachsene Tochter des Burgermeisters war. Der ganze Schwarm folgte ihm nach und er führte sie hinaus in einen Berg, wo er mit ihnen verschwand. Dies hatte ein Kinder-Mädchen gesehen, welches mit einem Kind auf dem Arm von fern nachgezogen war, darnach umkehrte und [332] das Gerücht in die Stadt brachte. Die Eltern liefen haufenweis vor alle Thore und suchten mit betrübtem Herzen ihre Kinder; die Mütter erhoben ein jämmerliches Schreien und Weinen. Von Stund an wurden Boten zu Wasser und Land an alle Orte herumgeschickt, zu erkundigen, ob man die Kinder, oder auch nur etliche gesehen, aber alles vergeblich. Es waren im Ganzen hundert und dreißig verloren. Zwei sollen, wie einige sagen, sich verspätet und zurückgekommen seyn, wovon aber das eine blind, das andere stumm gewesen, also daß das blinde den Ort nicht hat zeigen konnen, aber wohl erzählen, wie sie dem Spielmann gefolgt waren; das stumme aber den Ort gewiesen, ob es gleich nichts gehört. Ein Knäblein war im Hemd mitgelaufen und kehrte um, seinen Rock zu hohlen, wodurch es dem Unglück entgangen; denn als es zurückkam, waren die andern schon in der Grube eines Hügels, die noch gezeigt wird, verschwunden.

Die Straße, wodurch die Kinder zum Thor hinausgegangen, hieß noch in der Mitte des 18. J.H. (wohl noch heute) die bunge-lose (trommel–tonlose, stille), weil kein Tanz darin geschehen, noch Saiten-Spiel durfte gerührt werden. Ja, wenn eine Braut mit Musik zur Kirche gebracht ward, mußten die Spiel-Leute über die Gasse hin stillschweigen. Der Berg bei Hameln, wo die Kinder verschwanden, heißt der Poppenberg, wo links und rechts zwei Steine in Kreuzform sind aufgerichtet worden. Einige sagen, die

[333] Kinder wären in eine Höhle geführt worden und in Siebenbürgen wieder herausgekommen.

Die Bürger von Hameln haben die Begebenheit in ihr Stadtbuch einzeichnen lassen und pflegten in ihren Ausschreiben nach dem Verlust ihrer Kinder Jahr und Tag zu zahlen. Nach Seyfried ist der 22ste statt des 26sten Juni im Stadtbuch angegeben. An dem Rath-Haus standen folgende Zeilen:

Im Jahr 1284 na Christi gebort
tho Hamel worden uthgevort
hundert und dreißig Kinder dasülvest geborn
dorch einen Piper under den Köppen verlorn.

Und an der neuen Pforte:

Centum ter denos cum magus ab urbe puellos
duxerat ante annos CCLXXII condita porta fuit.

Im Jahr 1572 ließ der Burgermeister die Geschichte in die Kirchenfenster abbilden mit der nöthigen Ueberschrift, welche größtentheils unleserlich geworden. Auch ist eine Münze darauf geprägt.


245.
Der Rattenfänger.
Mündlich, aus Deutschböhmen.

Der Rattenfänger weiß einen gewissen Ton, pfeift er den neunmal, so ziehen ihm die Ratten nach, wohin er sie haben will, in Teich oder Pfütze.

[334] Einmal konnte man in einem Dorf der Ratten gar nicht los werden und ließ endlich den Fänger hohlen. Der richtete nun einen Haselstock so zu, daß alle Ratten dran gebannt waren und wer den Stock ergriff, dem mußten sie nach; er wartete aber bis Sonntags und legte ihn vor die Kirchenthür. Als nun die Leute vom Gottesdienst heimkamen, ging auch ein Müller vorbei und sah gerade den hübschen Stock liegen, sprach: „das gibt mir einen feinen Spazirstock.“ Also nahm er ihn zur Hand und ging dem Dorf hinaus, seiner Mühle zu. Indem so huben schon einzelne Ratten an aus ihren Ritzen und Winkeln zu laufen und sprangen querfeldein immer näher und näher, und wie mein Müller, der von nichts ahnte und den Stock immer behielt, auf die Wiese kam, liefen sie ihm aus allen Löchern nach, über Acker und Feld und liefen ihm bald zuvor, waren eher in seinem Haus als er selbst und blieben nach der Zeit bei ihm zur unausstehlichen Plage.


246.
Der Schlangenfänger.
Joh. Weier von Teufels-Gespenstern S. 95.

Zu Salzburg rühmte sich ein Zauberer, er wollte alle Schlangen, die in derselben Gegend auf eine Meil Wegs waren, in eine Grube zusammen bringen und tödten. Als er es aber versuchen wollte, kam zuletzt [335] eine große, alte Schlange hervorgekrochen, welche, da er sie mit Zauber-Worten in die Grube zu zwingen wagte, aufsprang, ihn umringelte, also, daß sie wie ein Gürtel sich um seine Weiche wand, darnach in die Grube schleifte und umbrachte.



247.
Das Mäuselein.
Prätorius Weltbeschr. I. 40. 41. vgl. II. 161.

In Thüringen bei Saalfeld auf einem vornehmen Edelsitze zu Wirbach hat sich Anfangs des 17. Jahrhunderts folgendes begeben. Das Gesinde schälte Obst in der Stube, einer Magd kam der Schlaf an, sie ging von den andern weg und legte sich abseits, doch nicht weit davon, auf eine Bank nieder, um zu ruhen. Wie sie eine Weile still gelegen, kroch ihr zum offenen Maule heraus ein rothes Mäuselein. Die Leute sahen es meistentheils und zeigten es sich untereinander. Das Mäuslein lief eilig nach dem gerade geklefften Fenster, schlich hinaus und blieb eine Zeitlang aus. Dadurch wurde eine vorwitzige Zofe neugierig gemacht, so sehr es ihr die andern verboten, ging hin zu der entseelten Magd, rüttelte und schüttelte an ihr, bewegte sie auch an eine andre Stelle etwas fürder, ging dann wieder davon. Bald darnach kam das Mäuselein wieder, lief nach der vorigen bekannten Stelle, da es aus der Magd Maul gekrochen war, lief hin [336] und her und wie es nicht ankommen konnte, noch sich zurecht finden, verschwand es. Die Magd aber war todt und blieb todt. Jene Vorwitzige bereute es vergebens. Im übrigen war auf demselben Hof ein Knecht vorhermals oft von der Trud gedrückt worden und konnte keinen Frieden haben, dies hörte mit dem Tod der Magd auf.



248.
Der ausgehende Rauch.
Prätorius Weltbeschr. II. 161.

Zu Hersfeld dienten zwei Mägde in einem Haus, die pflegten jeden Abend, eh sie zu Bette schlafen gingen, eine Zeitlang in der Stube stillzusitzen. Den Hausherrn nahm das endlich Wunder, er blieb daher einmal auf, verbarg sich im Zimmer und wollte die Sache ablauern. Wie die Mägde nun sich beim Tisch allein sitzen sahen, hob die eine an und sagte:

„Geist thue dich entzücken
und thue jenen Knecht drücken!“

Drauf stieg ihr und der andern Magd gleichsam ein schwarzer Rauch aus dem Halse und kroch zum Fenster hinaus; die Mägde fielen zugleich in tiefen Schlaf. Da ging der Hausvater zu der einen, rief sie mit Namen und schüttelte sie, aber vergebens, sie blieb unbeweglich. Endlich ging er davon und ließ sie, des Morgens darauf war diejenige Magd todt, die er gerüttelt hatte, die andere aber, die er nicht angerührt, blieb lebendig.

[337]


249.
Die Katze aus dem Weidenbaum.
Der ungewissenhafte Apotheker S. 895.


Ein Bauernknecht von Straßleben erzählte, wie daß in ihrem Dorfe eine gewisse Magd wäre, dieselbe hätte sich zuweilen vom Tanze hinweg verloren, daß niemand gewußt, wo sie hinkommen, bis sie eine feine Weile hernach sich wieder eingefunden. Einmal beredete er sich mit andern Knechten, dieser Magd nachzugehn. Als sie nun Sonntags wieder zum Tanze kam und sich mit den Knechten erlustigte, ging sie auch wieder ab. Etliche schlichen ihr nach, sie ging das Wirthshaus hinaus aufs Feld und lief ohne Umsehen fort, einer hohlen Weide zu, in welche sie sich versteckte. Die Knechte folgten nach, begierig zu sehen, ob sie lang in der Weide verharren würde und warteten an einem Ort, wo sie wohl verborgen standen. Eine kleine Weile drauf merkten sie, daß eine Katze aus der Weide sprang und immer querfeldein nach Langendorf lief. Nun traten die Knechte näher zur Weide, da lehnte das Mensch oder vielmehr ihr Leib ganz erstarret und sie vermochten ihn weder mit Rütteln noch Schütteln zum Leben bringen. Ihnen kommt ein Grauen an, sie lassen den Leib stehen und gehen an ihren vorigen Ort. Nach einiger Zeit spüren sie, daß die Katze den ersten Weg zurückgeht, in die Weide einschlüpft, die Magd aus der Weide kriecht und nach dem Dorfe zugeht.


[338]


250.
Wetter und Hagel machen.

Godelmann von Zauberern übers. von Nigrin. V. 1. S. 83.
Luther’s Tisch-Reden. 104.
Kirchhof’s Wendunmuth V. Nr. 261. S. 316.
Lercheimer S. 50 ff.


Im Jahr 1553 sind zu Berlin zwei Zauber-Weiber gefangen worden, welche sich unterstanden, Eis zu machen, die Frucht damit zu verderben. Und diese Weiber hatten ihrer Nachbarin ein Kindlein gestolen und dasselbige zerstückelt gekocht. Ist durch Gottes Schickung geschehen, daß die Mutter, ihr Kind suchend, dazu kommt und ihres verlorenen Kindes Gliederlein in ein Töpfchen gelegt siehet. Da nun die beiden Weiber gefangen und peinlich gefragt worden, haben sie gesagt, wenn ihr Geköch fortgegangen, so wäre ein großer Frost mit Eis kommen, also daß alle Frucht verderbt wäre.

Zu einer Zeit waren in einem Wirthshause zwei Zauberinnen zusammen gekommen, die hatten zwei Gelten oder Kübel mit Wasser an einen besondern Ort gesetzt und rathschlagten miteinander: ob es dem Korne oder dem Weine sollt gelten. Der Wirth, der auf einem heimlichen Winkel stand, hörte das mit an und Abends, als sich die zwei Weiber zu Bett gelegt, nahm er die Gelten und goß sie über sie hin; da ward das Wasser zu Eis, so daß beide von Stund an zu Tod froren.


[339] Eine arme Witfrau, die nicht wußte, wie sie ihre Kinder nähren sollte, ging in den Wald, Holz zu lesen und bedachte ihr Unglück. Da stand der Böse in eines Försters Gestalt und fragte: warum sie so traurig? ob ihr der Mann abgestorben? Sie antwortete: „ja.“ Er sprach: „willt du mich nehmen und mir gehorsamen, will ich dir Gelds die Fülle geben.“ Er überredete sie mit vielen Worten, daß sie zuletzt wich, Gott absagte und mit dem Teufel buhlte. Nach Monatsfrist kam ihr Buhler wieder und reichte ihr einen Besen zu, darauf sie ritten durch Dick und Dünn, Trocken und Naß auf den Berg zu einem Tanz. Da waren noch andre Weiber mehr, deren sie aber nur zwei kannte und die eine gab dem Spielmann zwölf Pfenning Lohn. Nach dem Tanze wurden die Hexen eins und thaten zusammen Ähren, Rebenlaub und Eichblätter, damit Korn, Trauben und Eicheln zu verderben; es gelang aber nicht recht damit, und das Hagelwetter traf nicht, was es treffen sollte, sondern fuhr nebenbei. Ihr selbst brachte sie damit ein Schaf um darum daß es zu spät heimkam.





251.
Der Hexen-Tanz.
Nic. Remigii daemonolatria p. 109.


Eine Frau von Hembach hatte ihren kaum sechszehnjährigen Sohn Johannes mit zu der Hexen-Versammlung [340] geführt und weil er hatte pfeifen lernen, verlangte sie, er sollte ihnen zu ihrem Tanze pfeifen, und damit man es besser hören könnte, auf den nächsten Baum steigen. Der Knabe gehorchte und stieg auf den Baum, indem er nun daher pfiffe und ihrem Tanz mit Fleiß zusahe, vielleicht weil ihm alles so wunderseltsam däuchte, denn da geht es auf närrische Weise zu, sprach er: „behüt, lieber Gott, woher kommt so viel närrisches und unsinniges Gesinde!“ Kaum aber hatte er diese Worte ausgeredet, so fiel er vom Baum herab, verrenkte sich eine Schulter und rief, sie sollten ihm zu Hilfe kommen, aber da war niemand, ohn’ er allein.





252.
Die Wein-Reben und Nasen.
Aug. Lercheimer Bedenken von der Zauberei. Bl. 19.


An dem Hofe zu H. war ein Geselle, der seinen Gästen ein seltsam schimpflich Gaukelwerk machte. Nachdem sie gegessen hatten, begehrten sie, darum sie vornehmlich kommen waren, daß er ihnen zur Lust ein Gaukel-Spiel vorbringe. Da ließ er aus dem Tisch eine Rebe wachsen mit zeitigen Trauben, deren vor jedem eine hing: hieß jeglichen die seinige mit der Hand angreifen und halten und mit der andern das Messer auf den Stengel setzen, als wenn er sie abschneiden wollte; aber er sollte bei Leibe nicht schneiden. Darnach ging er aus der Stube, kam wieder: da saßen [341] sie alle und hielten sich ein jeglicher selber bei der Nase und das Messer darauf. Hätten sie geschnitten, hätte ein jeder sich selbst die Nase verwundet.





253.
Fest hängen.
Joh. Weier von Teufels-Gespenstern S. 105.


Zu Magdeburg war zu einer Zeit ein seltsamer Zauberer, welcher in Gegenwart einer Menge Zuschauer, von denen er ein großes Geld gehoben, ein wunderkleines Rößlein, das im Ring herumtanzte, zeigte und, wenn sich das Spiel dem Ende näherte, klagte, wie er bei der undankbaren Welt so gar nichts Nutzes schaffen könnte, dieweil jedermann so karg wäre, daß er sich Bettelns kaum erwehren mögte. Deshalb wollte er von ihnen Urlaub nehmen und den allernächsten Weg gen Himmel, ob vielleicht seine Sache daselbst besser würde, fahren. Und als er diese Worte gesprochen, warf er ein Seil in die Höhe, welchem das Rößlein ohne allen Verzug stracks nachfuhre, der Zauberer erwischte es beim Wadel, seine Frau ihn bei den Füßen, die Magd die Frau bei den Kleidern, also daß sie alle, als wären sie zusammen geschmiedet, nach einander ob sich dahin fuhren. Als nun das Volk da stand, das Maul offen hatte und dieser Sache, wie wohl zu gedenken, erstaunt war, kam ohn alle Gefähr ein Bürger daher, welchem, als er fragte, was sie da [342] stünden, geantwortet ward, der Gaukler wäre mit dem Rößlein in die Luft gefahren. Darauf er berichtete, er habe ihn eben zu gegen seiner Herberge gesehen daher gehen.





254.
Das Noth-Hemd.

Joh. Weier von Teufels-Gespenstern B. 8. Cap. 18.
Zedler’s Universal-Lexicon h. v.
Der ungewissenhafte Apotheker S. 650.


Das Noth-Hemd wird auf folgende Weise zubereitet. In der Christ-Nacht müssen zwei unschuldige Mägdlein, die noch nicht sieben Jahr alt sind, linnen Garn spinnen, weben und ein Hemd daraus zusammen nähen. Auf der Brust hat es zwei Häupter, eins auf der rechten Seite mit einem langen Barte und einem Helm, eins auf der linken mit einer Krone, wie sie der Teufel trägt. Zu beiden Seiten wird es mit einem Kreuze bewahrt. Das Hemd ist so lang, daß es den Menschen vom Hals an bis zum halben Leib bedeckt.

Wer ein solches Noth-Hemd im Krieg trägt, ist sicher vor Stich, Hieb, Schuß und anderm Zufall, daher es Kaiser und Fürsten hochhielten. Auch Gebärende ziehen es an, um schneller und leichter entbunden zu werden. Contra vero tale indusium, viro tamen mortuo ereptum, a foeminis luxuriosis quaeri ferunt, quo indutae non amplius gravescere perhibentur.


[343]


255.
Fest gemacht.
Bräuner’s Curiositäten S. 365.

Luther’s Tisch-Reden S. 109.


Ein vornehmer Kriegsmann ging bei einer harten Belagerung mit zwei andern außerhalb den Laufgräben auf und ab. Von der Festung herab wurde heftig auf ihn gefeuert, er aber fuhr mit seinem Befehlshaber-Stab links und rechts umher und hieß die beiden, an ihn halten und nicht ausweichen; wovon alle Kugeln abseits fuhren und weder ihn noch die andern beiden treffen oder verwunden konnten.

Ein General, welcher in eine Stadt aus einem Treffen fliehen mußte, schüttelte die Büchsenkugeln wie Erbsen häufig aus dem Ermel, deren keine ihn hatte verletzen können.

Meister Peter, Bartscheerer zu Wittenberg, hatte einen Schwiegersohn, der Landsknecht im Krieg gewesen. Er hatte die Kunst verstanden, sich sicher und unverwundbar zu machen. Ferner hat er auch seinen Tod vorher gesehen und gesagt: „mein Schwäher solls thun.“ Deßgleichen soll er denselben Tag zu seinem Weib gesagt haben: „kauf ein, du wirst heute Gäste bekommen, das ist: Zuseher.“ Welches also geschahe, denn da ihn sein Schwager erstach, lief jedermann in des Bartscheerers Haus und wollt den todten Menschen sehen.


[344]


256.
Der sichere Schuß.
Aug. Lercheimer Bedenken von der Zauberei Bl. 12.


Ein Büchsen-Meister, den ich gekannt, vermaß sich, er wolle alles treffen, was ihm nur innerhalb Schusses wäre, daß ers erreichen könnte, ob ers gleich nicht sähe. Der ließ sich brauchen in der Stadt W. bei der Belagerung. Davor hielt in einem Wäldlein ein vornehmer Oberster und Herr, den er nicht sahe, erbot sich, er wollte ihn erschießen; aber es ward ihm gesagt, er sollts nicht thun. Da schoß er durch den Baum, darunter er hielt auf seinem Roß und zu Morgen aß. Valvassor (Ehre von Crain I. 676.) gedenkt eines vornehmen Herrn, welcher täglich nur drei unfehlbare Schüsse hatte, damit aber konnte er, was man ihm nur nannte, sicher treffen. Ein solcher Schütz kann sich aufgeben lassen, was er schießen soll, Hirsch, Reh oder Hasen, und braucht dann nur aufs Gerathewohl die Flinte zum Fenster hinaus abzudrücken, so muß das Wild fallen.





257.
Der herumziehende Jäger.
Mündlich, aus Paderborn und Münster.


Es trug sich zu, daß in einem großen Walde der Förster, welcher die Aufsicht darüber führte, todt geschossen wurde. Der Edelmann, dem der Wald gehörte, gab einem andern den Dienst, aber dem widerfuhr [345] ein gleiches und so noch einigen, die auf einander folgten, bis sich niemand mehr fand, der den gefährlichen Wald übernehmen wollte. Sobald nämlich der neue Förster hineintrat, hörte man ganz in der Ferne einen Schuß fallen, und gleich auch streckte eine mitten auf die Stirne treffende Kugel ihn nieder; es war aber keine Spur ausfindig zu machen, woher und von wem sie kam.

Gleichwohl meldete sich nach ein paar Jahren ein herumziehender Jäger wieder um den Dienst. Der Edelmann verbarg ihm nicht, was geschehen war und setzte noch ausdrücklich hinzu, so lieb es ihm wäre, den Wald wieder unter Aufsicht zu wissen, könnte er ihm doch selbst nicht zu dem gefährlichen Amte rathen. Der Jäger antwortete zuversichtlich, er wolle sich vor dem unsichtbaren Scharfschützen schon Rath schaffen und übernahm den Wald. Andern Tags, als er, von mehrern begleitet, zuerst hineingeführt wurde, hörte man, wie er eintrat, schon in der Ferne den Schuß fallen. Alsbald warf der Jäger seinen Hut in die Höhe, der dann, von einer Kugel getroffen, wieder herabfiel. „Nun, sprach er, ist aber die Reihe an mir,“ lud seine Büchse und schoß sie mit den Worten: „die Kugel bringt die Antwort!“ in die Luft. Darauf bat er seine Gefährten, mitzugehen und den Thäter zu suchen. Nach langem Herumstreifen fanden sie endlich in einer an dem gegenseitigen Ende des Waldes gelegenen Mühle den Müller todt und von der Kugel des Jägers auf die Stirne getroffen. [346] Dieser herumziehende Jäger blieb noch einige Zeit in Diensten des Edelmanns, doch weil er das Wild festbannen und die Feldhühner aus der Tasche fliegen lassen konnte, auch in ganz unglaublicher Entfernung immer sicher traf und andere dergleichen unbegreifliche Kunststücke verstand, so bekam der Edelmann eine Art Grausen vor ihm, und entließ ihn bei einem schicklichen Vorwande aus seinem Dienst.





258.
Doppelte Gestalt.

Erasm. Franciser höll. Proteus S. 1097.
Bräuner’s Curiosit. S. 351. 352.


Ein Landfahrer kam zu einem Edelmann, der mit langwieriger Ohnmacht und Schwachheit behaftet war und sagte zu ihm: „ihr seyd verzaubert, soll ich euch das Weib vor Augen bringen, das euch das Uebel angethan?“ Als der Edelmann einwilligte, sprach jener: „welches Weib morgen in euer Haus kommt, sich auf den Herd zum Feuer stellt und den Kesselhaken mit der Hand angreift und hält, die ist es, welche euch das Leid angethan.“ Am andern Tag kam die Frau eines seiner Unterthanen, der neben ihm wohnte, ein ehrliches und frommes Weib und stellte sich dahin genau auf die Weise, wie der Landfahrer vorhergesagt hatte. Der Edelmann verwunderte sich gar sehr, daß eine so ehrbare, gottesfürchtige Frau, der er nicht übel wollte, so böse Dinge treiben sollte und fing an zu [347] zweifeln, ob es auch recht zugehe. Er gab darum seinem Diener heimlichen Befehl, hinzulaufen und zu sehen, ob diese Nachbarin zu Hause sey oder nicht. Als dieser hinkommt, sitzt die Frau über ihrer Arbeit und hechelt Flachs. Er heißt sie zum Herrn kommen, sie spricht: „es wird sich ja nicht schicken, daß ich so staubig und ungeputzt vor den Junker trete.“ Der Diener aber sagt, es habe nichts zu bedeuten, sie solle nur eilig mit ihm gehen. Sobald sie nun in des Herrn Thüre trat, verschwand die andere als ein Gespenst aus dem Saal und der Herr dankte Gott, daß er ihm in den Sinn gegeben, den Diener hinzuschicken, sonst hätte er auf des Teufels Trug vertraut und die unschuldige Frau verbrennen lassen.





259.
Gespenst als Eheweib.

Bräuner’s Curiositäten 353–355.
Erasm. Franciser höll. Proteus. 1097. 1098.


Zur Zeit des Herzogs Johann Casimir von Coburg wohnte dessen Stallmeister G. P. v. Z. zuerst in der Spital-Gasse, hierauf in dem Hause, welches nach ihm D. Frommann bezogen, dann in dem großen Hause bei der Vorstadt, die Rosenau genannt, endlich im Schloß, darüber er Schloß-Hauptmann war. Zu so vielfachem Wechsel zwang ihn ein Gespenst, welches seiner noch lebenden Ehefrau völlig gleich sah, also daß er, wenn er in die neue Wohnung kam und am [348] Tisch saß, bisweilen darüber zweifelte, welches seine rechte leibhafte Frau wäre, denn es folgte ihm, wenn er gleich aus dem Hause zog, doch allenthalben nach. Als ihm eben seine Frau vorschlug, in die Wohnung, die hernach jener Doctor inne hatte, zu ziehen, dem Gespenst auszuweichen, hub es an mit lauter Stimme zu reden und sprach: „du ziehest gleich hin, wo du willst, so ziehe ich dir nach, wenn auch durch die ganze Welt.“ Und das waren keine bloße Drohworte, denn nachdem der Stallmeister ausgezogen war, ist die Thüre des Hinterhauses wie mit übermäßiger Gewalt zugeschlagen worden und von der Zeit an hat sich das Gespenst nie wieder in dem verlassenen Hause sehen lassen, sondern ist in dem neubezogenen wieder erschienen.

Wie die Edelfrau Kleidung anlegte, in derselben ist auch das Gespenst erschienen, es mogte ein Feierkleid oder ein alltägliches seyn, und welche Farbe als es nur wollte; weswegen sie niemals allein in ihren Haus-Geschäften, sondern von jemand begleitet, ging. Gemeinlich ist es in der Mittagszeit zwischen elf und zwölf Uhr erschienen. Wenn ein Geistlicher da war, so kam es nicht zum Vorschein. Als einmal der Beichtvater Johann Prüscher eingeladen war und ihn beim Abschied der Edelmann mit seiner Frau und seiner Schwester an die Treppe geleitete, stieg es von unten die Treppe hinauf und faßte durch ein hölzernes Gitter des Fräuleins Schürz und verschwand, als dieses zu schreien anfing, Einsmals ist es auf der Küchen-Schwelle [349] mit dem Arm gelegen und als die Köchin gefragt: „was willst du?“ hat es geantwortet: „deine Frau will ich.“ Sonst hat es der Edelfrau keinen Schaden zugefügt. Dem Fräulein aber, des Edelmanns Schwester, ist es gefährlich gewesen und hat ihm einmal einen solchen Streich ins Gesicht gegeben, daß die Backe davon aufgeschwollen ist und es in des Vaters Haus zurückkehren mußte. Endlich hat sich das Gespenst verloren und es ist ruhig im Hause geworden.





260.
Tod des Erstgebornen.
Mündlich.


In einem vornehmen Geschlecht hat es sich vor ein paar hundert Jahren zugetragen, daß das erste Kind, ein Söhnlein, Morgens bei der Amme im Bett todt gefunden wurde. Man verdachte sie, es absichtlich erdrückt zu haben und ob sie gleich ihre Unschuld betheuerte, so ward sie doch zum Tod verurtheilt. Als sie nun niederkniete und eben den Streich empfangen sollte, sprach sie noch einmal: „ich bin so gewiß unschuldig, als in Zukunft jedesmal der Erstgeborene dieses Geschlechts sterben wird.“ Nachdem sie dieses gesprochen, flog eine weiße Taube über ihr Haupt hin; darauf ward sie gerichtet. Die Weissagung aber kam in Erfüllung und der älteste Sohn aus diesem Hause ist noch immer in früher Jugend gestorben.



[350]


261.
Der Knabe zu Colmar.
Mündlich.


Bei Pfeffel in Colmar war ein Kind im Hause, das wollte nie über einen gewissen Flecken im Hausgarten gehen, auf dem seine Cameraden ruhig spielten. Diese wußten nicht warum und zogen es einmal mit Gewalt dahin; da sträubten ihm die Haare empor und kalter Schweiß brach aus seinem Leibe. Wie der Knabe von der Ohnmacht endlich zu sich kam, wurde er um die Ursache befragt, wollte lange nichts gestehen, endlich auf vieles Zureden sagte er: „es liegt an der Stelle ein Mensch begraben, dessen Hände so und so liegen, dessen Beine so und so gestellt sind (welches er alles genau beschrieb) und am Finger der einen Hand hat er einen Ring.“ Man grub nach, der Platz war mit Gras bewachsen und drei Fuß unter der Erde tief fand sich ein Gerippe in der beschriebenen Lage und am benannten Finger ein Ring. Man beerdigte es ordentlich und seitdem ging der Knabe, dem man weder davon noch vom Ausgraben das mindeste gesagt, ruhig auf den Flecken. – Dies Kind hatte die Eigenschaft, daß es an dem Ort, wo Todte lagen, immer ihre ganze Gestalt in Dünsten aufsteigen sah und in allem erkannte. Der vielen schrecklichen Erscheinungen wegen härmte es sich ab und verzehrte schnell sein Leben.



[351]


262.
Tod des Domherrn zu Merseburg.
Erasm. Francisci höll. Proteus 1056.


Von langer Zeit her ward in der Stiftskirche zu Merseburg drei Wochen vor dem Absterben eines jeglichen Domherrn bei der Nacht ein großer Tumult gehört, indem auf dem Stuhl dessen, welcher sterben sollte, ein solcher Schlag geschah, als ob ein starker Mann aus allen Kräften mit geschlossener Faust einen gewaltsamen Streich thäte. Sobald solches die Wächter vernommen, deren etliche sowohl bei Tag als bei Nacht in der Kirche gewacht und wegen der stattlichen Kleinodien, die darinnen vorhanden waren, die Runde gemacht, haben sie es gleich andern Tags hernach dem Capitel angezeigt. Und solches ist dem Domherrn, dessen Stuhl der Schlag getroffen, eine persönliche Vertagung gewesen, daß er in dreien Wochen an den blassen Reigen müßte.





263.
Die Lilie im Kloster zu Corvei.

Gab. Bucelin Germania sacra II. 1647.
Notitiae S. R. procerum III. c. 19. p. 334.
Höxar in elegiis. Paderb. 1600.
Erasm. Francisci höll. Proteus 1054. 1055.
Altdeutsche Wälder II. 185 - 187.


Das Kloster der Abtei zu Corvei an der Weser hat von Gott die sonderbare Gnade gehabt, daß, so [352] oft einer aus den Brüdern sterben sollte, er drei Tage zuvor, ehe er verschieden, eine Vorwarnung bekommen, vermittelst einer Lilie an einem ehrenen Kranze, der im Chor hing. Denn dieselbe Lilie kam allzeit wunderbarlich herab und erschien in dem Stuhl desjenigen Bruders, dessen Lebens-Ende vorhanden war; also daß dieser dabei unfehlbar merkte und versichert war, er würde in dreien Tagen von der Welt scheiden. Dieses Wunder soll etliche hundert Jahre gewährt haben, bis ein junger Ordensbruder, als er auf diese Weise seiner herannahenden Sterbestunde ermahnt worden, solche Erinnerung verachtet und die Lilie in eines alten Geistlichen Stuhl versetzt hat: der Meinung, es würde das Sterben dem Alten besser anstehen, als dem Jungen. Wie der gute alte Bruder die Lilie erblickt, ist er darüber, als über einen Geruch des Todes, so hart erschrocken, daß er in eine Krankheit, doch gleichwohl nicht ins Grab gefallen, sondern bald wieder gesund, dagegen der junge Warnungs-Verachter am dritten Tag durch einen jählingen Tod dahin gerissen worden.





264.
Rebundus im Dom zu Lübeck.

Ph. H. Friedlieb medulla theologica
Erasm. Francisci höll. Proteus 1057-1065. aus mündl. Sage


Wenn in alten Zeiten ein Domherr zu Lübeck bald sterben sollte, so fand sich Morgens unter seinem [353] Stuhlkissen im Chor eine weiße Rose, daher es Sitte war, daß jeder, wie er anlangte, sein Kissen gleich umwendete, zu schauen, ob diese Grabes-Verkündigung darunter liege. Es geschah, daß einer von den Domherrn, Namens Rebundus, eines Morgens diese Rose unter seinem Kissen fand, und weil sie seinen Augen mehr ein schmerzlicher Dornstachel, als eine Rose war, nahm er sie behend weg und steckte sie unter das Stuhlkissen seines nächsten Beisitzers, obgleich dieser schon darunter nachgesehen und nichts gefunden hatte. Rebundus, fragte darauf, ob er nicht sein Kissen umkehren wollte? der andere entgegnete, daß er es schon gethan, habe; aber Rebundus sagte weiter: er habe wohl nicht recht zugeschaut und solle noch einmal nachsehen, denn ihm bedünke, es habe etwas Weißes darunter geschimmert, als er dahin geblickt. Hierauf wendete der Domherr sein Kissen um und fand die Grab-Blume; doch sprach er zornig: das sey Betrug, denn er habe gleich Anfangs fleißig genug zugeschaut und unter seinem Sitz keine Rose gefunden. Damit schob und stieß er sie dem Rebundus wieder unter sein Kissen, dieser aber wollte sie nicht wieder sich aufdrängen lassen, also daß sie einer dem andern zuwarf und ein Streit und heftiges Gezänk zwischen ihnen entstand. Als sich das Capitel ins Mittel schlug und sie aus einander bringen, Rebundus aber durchaus nicht eingestehen wollte, daß er die Rose am ersten gehabt, sondern auf seinem unwahrhaftigen Vorgeben beharrte, hub endlich der andere, aus verbitterter Ungeduld, [354] an zu wünschen: „Gott wolle geben, daß der von uns beiden, welcher Unrecht hat, statt der Rosen in Zukunft zum Zeichen werde und wann ein Domherr sterben soll, in seinem Grabe klopfen möge, bis an den jüngsten Tag!“ Rebundus, der diese Verwünschung wie einen leeren Wind achtete, sprach frevellich dazu: „Amen! es sey also!“

Da nun Rebundus nicht lange darnach starb, hat es von dem an unter seinem Grabsteine, so oft eines Domherrn Ende sich nahte, entsetzlich geklopft, und es ist das Sprichwort entstanden: „Rebundus hat sich gerührt, es wird ein Domherr sterben!“ Eigentlich ist es kein bloßes Klopfen, sondern es geschehen unter seinem sehr großen, langen und breiten Grabstein drei Schläge, die nicht viel gelinder krachen, als ob das Wetter einschlüge oder dreimal ein Karthaunen-Schuß geschähe. Beim dritten Schlag dringt über dem Gewölbe der Schall der Länge nach durch die ganze Kirche mit so starkem Krachen, daß man denken sollte, das Gewölbe würde ein- und die Kirche übern Haufen fallen. Es wird dann nicht blos in der Kirche, sondern auch in den umstehenden Häusern vernehmlich gehört Einmal hat sich Rebundus an einem Sonntage, zwischen neun und zehn Uhr mitten unter der Predigt geregt und so gewaltig angeschlagen, daß etliche Handwerksgesellen, welche eben auf dem Grabstein gestanden und die Predigt angehört, theils durch starke Erhebung des Steins, theils aus Schrecken, nicht anders [355] herabgeprellt wurden, als ob sie der Donner weggeschlagen hätte. Beim dritten entsetzlichen Schlag wollte jedermann zur Kirche hinaus fliehen, in der Meinung, sie würde einstürzen, der Prediger aber ermunterte sich und rief der Gemeinde zu, da zu bleiben und sich nicht zu fürchten; es wäre nur ein Teufels-Gespenst, das den Gottesdienst stören wolle, das müsse man verachten und ihm im Glauben Trotz bieten. Nach etlichen Wochen ist des Dechants Sohn verblichen, denn Rebundus tobte auch, wenn eines Domherrn naher Verwandter bald zu Grabe kommen wird.





265.
Glocke läutet von selbst.
Erasm. Francisci höll. Proteus. 1035. 1036. 1039.


In einer berühmten Reichsstadt hat im Jahr 1686 am 27sten März die sogenannte Markt-Glocke von sich selbst drei Schläge gethan, worauf bald hernach ein Herr des Raths, welcher zugleich auch Marktherr war, gestorben.

In einem Hause fing sechs oder sieben Wochen vor dem Tode des Hausherrn eine überaus helle Glocke an zu läuten und zwar zu zweien verschiedenen Malen. Da der Hausherr damals noch frisch und gesund, seine Ehefrau aber bettlägrig war, so verbot er dem Gesinde, ihr etwas davon zu sagen, besorgend, sie mögte erschrecken, von schwermüthiger Einbildung noch kränker werden und gar davon sterben. [356] Aber diese Anzeigung hatte ihn selbst gemeint, denn er kam ins Grab, seine Frau aber erholte sich wieder zu völliger Gesundheit. Siebzehn Wochen nachher, als sie ihres seeligen Eheherrn Kleider und Mäntel reinigt und ausbürstet, fängt vor ihren Augen und Ohren die Tennen-Glocke an sich zu schwingen und ihren gewöhnlichen Klang zu geben. Acht Tage hernach erkrankt ihr ältester Sohn und stirbt in wenig Tagen. Als diese Wittwe sich wieder verheirathete und mit ihrem zweiten Mann etliche Kinder zeugte, sind diese, wenige Wochen nach der Geburt, gleich den Märzblumen verwelkt und begraben. Da dann jedesmal jene Glocke dreimal nach einander stark angezogen wurde, obgleich das Zimmer, darin sie gehangen, versperrt war, so daß niemand den Drath erreichen konnte.

Einige glauben, dieses Läuten (welches oft nicht von den Kranken und Sterblägrigen, sondern nur von andern gehört wird) geschehe von bösen Geistern, andere dagegen: von guten Engeln. Wiederum andere sagen, es komme von dem Schutz-Geist, welcher den Menschen warnen und erinnern wollte, daß er sich zu seinem heraneilenden Ende bereite.





266.
Todes-Gespenst.
Erasm. Francisci höll. Proteus. S. 419. u. 1044.


Zu Schwatz und Innsbruck in Tirol läßt sich zur Sterbenszeit ein Gespenst sehen, bald klein, bald groß, [357] wie ein Haus. Zu welchem Fenster es hinein schaut, aus demselben Hause sterben die Leute.

267.
Frau Berta oder die weiße Frau.

Joh. Jac. Rohde de celebri spectro, quod vulgo die weiße Frau nominant. Königsberg 1723. 4.
Stilling’s Theorie der Geisterstunde. S. 351–359.
Erasm. Francisci höll. Proteus. S. 59–92.
vgl. Volksmärchen der Frau Naubert. Bd. III.

Die weiße Frau erscheint in den Schlössern mehrerer fürstlichen Häuser, namentlich zu Neuhaus in Böhmen, zu Berlin, Baireuth, Darmstadt, und Carlsruhe und in allen, deren Geschlechter nach und nach durch Verheirathung mit dem ihren verwandt geworden sind. Sie thut niemanden zu Leide, neigt ihr Haupt vor wem sie begegnet, spricht nichts und ihr Besuch bedeutet einen nahen Todesfall, manchmal auch etwas fröhliches, wenn sie nämlich keinen schwarzen Handschuh an hat. Sie trägt ein Schlüsselbund und eine weiße Schleierhaube. Nach einigen soll sie im Leben Perchta von Rosenberg geheißen, zu Neuhaus in Böhmen gewohnt haben und mit Johann von Lichtenstein, einem bösen, störrischen Mann, vermählt gewesen seyn. Nach ihres Gemahls Tode lebte sie in Witwenschaft zu Neuhaus und fing an zu großer Beschwerde ihrer Unterthanen, die ihr fröhnen mußten, ein Schloß zu bauen. Unter der Arbeit rief sie ihnen zu, fleißig zu seyn: „wann das Schloß zu stand seyn wird, will [358] ich euch und euern Leuten einen süßen Brei vorsetzen,“ denn dieser Redensart bedienten sich die Alten, wenn sie jemand zu Gast luden. Den Herbst nach Vollendung des Baus hielt sie nicht nur ihr Wort, sondern stiftete auch, daß auf ewige Zeiten hin alle Rosenberge ihren Leuten ein solches Mahl geben sollten. Dieses ist bisher fortgeschehen[8] und unterbleibt es, so erscheint sie mit zürnenden Mienen. Zuweilen soll sie in fürstliche Kinderstuben Nachts, wenn die Ammen Schlaf befällt, kommen, die Kinder wiegen und vertraulich umtragen. Einmal als eine unwissende Kinderfrau erschrocken fragte: „was hast du mit dem Kinde zu schaffen?“ und sie mit Worten schalt, soll sie doch gesagt haben: „ich bin keine Fremde in diesem Haus wie du, sondern gehöre ihm zu; dieses Kind stammt von meinen Kindeskindern. Weil ihr mir aber keine Ehre erwiesen habt, will ich nicht mehr hier einkehren.“



268.
Die wilde Berta kommt.

Crusius annal. suev. p. l. lib. XII. c. 6. p. 329; p. II. I. VIII. c. 7. p. 266.
Flögel Gesch. des Grotesken. S. 23
Journal von und für Deutschland 1790. Bd. 2. S. 26ff.

In Schwaben, Franken und Thüringen ruft man halsstarrigen Kindern zu: „schweig oder die wilde Berta [359] kommt!“ Andere nennen sie Bildabertha, Hildabertha, auch wohl: die eiserne Bertha. Sie erscheint als eine wilde Frau mit zottigen Haaren und besudelt dem Mädchen, das den letzten Tag im Jahre seinen Flachs nicht abspinnt, den Rocken. Viele Leute essen diesen Tag Klöße und Hering. Sonst, behaupten sie, käme die Perchta oder Prechta, schnitte ihnen den Bauch auf, nähme das erstgenossene heraus und thue Heckerling hinein. Dann nähe sie mit einer Pflugschar statt der Nadel und mit einer Röhmkette statt des Zwirns den Schnitt wieder zu.


269.
Der Türst, das Posterli und die Sträggele.
Stalder Idiot. I. 208. 209. 329. II. 405.

Wann der Sturm Nachts im Walde heult und tobt, sagt das Volk im Luzernergau: „der Türst, oder der Dürst jagt!“ Im Entlebuch weiß man dagegen von dem Posterli, einer Unholdin, deren Jagd die Einwohner Donnerstag vor Weihnachten in einem großen Aufzug, mit Lärm und Geräusch, jährlich vorstellen. In der Stadt Luzern heißt die Sträggele eine Hexe, welche in der Frohnfastennacht am Mittwoch vor den heiligen Weihnachten herumspukt und die Mädchen, wenn sie ihr Tagewerk nicht gesponnen, auf mancherlei Art schert; daher auch diese Nacht die Sträggele-Nacht genannt wird.

[360]


270.
Der Nachtjäger und die Rüttelweiber.
Prätorius Rübezahl II. 134–136.


Die Einwohner des Riesengebirgs hören bei nächtlichen Zeiten oft Jägerruf, Hornblasen und Geräusch von wilden Thieren; dann sagen sie: „der Nachtjäger jagt.“ Kleine Kinder fürchten sich davor und werden geschweiget, wenn man ihnen zuruft: „sey still, hörest du nicht den Nachtjäger jagen?“ Er jagt aber besonders die Rüttelweiber, welche kleine mit Moos bekleidete Weiblein seyn sollen, verfolgt und ängstigt sie ohn’ Unterlaß. Es sey dann, daß sie an einen Stamm eines abgehauenen Baumes gerathen, und zwar eines solchen, wozu der Hölzer (Holzbauer) „Gott waels!“ (Gott walte es) gesprochen hat. Auf solchem Holz haben sie Ruhe. Sollte er aber, als er die Art zum erstenmal an den Baum gelegt, gesagt haben: „waels Gott!“ (so daß er das Wort Gott hintan gesetzt), so gibt ein solcher Stamm keinem Rüttelweibchen Ruh und Frieden, sondern es muß vor dem Nachtjäger auf stetiger Flucht seyn.





271.
Der Mann mit dem Schlackhut.
Mündlich, aus Beerfelden im Erbachischen.



Es hat vor ein Paar Jahren noch eine alte Frau eines der Zimmer des verfallenen Freyensteins bewohnt. [361] Eines Abends trat zu ihr ganz unbefangen in die Stube herein ein Mann, der einen grauen Rock, einen großen Schlackhut und einen langen Bart trug. Er hing seinen Hut an den Nagel, saß, ohne sich um jemand zu bekümmern, nieder an Tisch, zog ein kurz Tabakspfeifchen aus dem Sack und rauchte. So blieb dieser Graue immer hinter seinem Tisch sitzen. Die Alte konnte seinen Abgang nicht erwarten und legte sich ins Bett. Morgens war das Gespenst geschwunden. – Des Schulzen Sohn verzählte: „den ersten Christtagmorgen, während Amt in der Kirche gehalten wurde, saß meine Frähle (Großmutter) in unsrer Stube und bätete. Als sie einmal vom Buch aufsah und gerade nach dem Schloßgarten guckte, erblickte sie oben einen Mann in grauer Kutte und einem Schlackhut stehen, der hackte von Zeit zu Zeit. So haben wir und alle Nachbarn ihn gesehen. Als die Sonne unterging, verschwand er.“





272.
Der graue Hockelmann.
Mündlich, an der Bergstraße.


Vor vielen Jahren ging einmal ein Bauer aus Auerbach Abends unten am Schloßberg vorüber. Da wurde er plötzlich von einem grauen Manne angehalten und gezwungen, ihn bis hinauf in das Schloß zu hockeln. Auf einer dunkeln Stiege des Schlosses wurde der Bauer den andern Tag gefunden, wie einer der sich übermüdet. Er starb kurze Zeit darauf.


[362]


273.
Chimmeke in Pommern.
Micrälius B. ill Cap. 64.


Auf dem Schlosse Lonz soll ein Poltergeist, den die alten Pommern Chimmeke nennen, einen Küchenbuben klein gehackt und in einen irdenen Topf gesteckt haben, weil er ihm die Milch, die dem Geist in der Zeit des Aberglaubens alle Abend mußte hingesetzt werden, verzehrt hatte. Diesen Topf oder Grapen, worin Chimmeke sein Müthlein gekühlet, hat man lange Zeit vorgezeiget.





274.
Der Krischer.
Aus einem Amtsbericht in der erbacher Cämmerei.


Johann Peter Kriechbaum, Schultheiß der oberkainsbacher Zent, erzählte den 12. März 1753: im Bezirk, genannt die Spreng, halte sich ein Geist oder Gespenst auf, so allerhand Gekreisch, als wie ein Reh, Fuchs, Hirsch, Esel, Hund, Schwein und anderer Thiere, auch gleich allerhand Vögel führe, dahero es von den Leuten der Krischer geheißen werde. Es habe schon viele irre geleitet und getraue niemand, sonders die Hirten nicht, sich über Nacht in dasigen Wiesen aufzuhalten. Ihm sey neulich selbst begegnet, als er Nachts auf seine Wiese in der Spreng gegangen und [363] das Wasser zum Wässern aufgewendet, da habe ein Schwein in dem Wäldchen auf der langenbrombacher Seite geschrien, als ob ihm das Messer im Hals stäcke. Das Gespenst gehe bis in den Holler Wald, wo man vor 16 Jahren Kohlen brennen lassen, über welches die Kohlenbrenner damals sehr geklagt und daß sie vielfältig von ihm geängstigt würden, indem es ihnen in Gestalt eines Esels erschienen. Ein gleiches habe der verstorbene Johann Peter Weber versichert, der in der Nacht Kohlen allda geladen, um sie auf den michelstädter Hammer zu führen. Heinrich Germann, der alte Centschultheiß, versicherte, als er einstmalen die Ochsen in seiner Sprengswiese gehütet, wäre ein Fuchs auf ihn zugelaufen gekommen, nach dem er mit der Peitsche geschlagen, worauf er augenblicks verschwunden.





275.
Die überschiffenden Mönche.
Nach Melanchthon’s Erzählung reimsweise gestellt von Georg

Sabinus und abgedruckt bei Weier von der Zauberei I. c.17.


In der Stadt Speier lebte vorzeiten ein Fischer. Als dieser einer Nacht an den Rhein kam und sein Garn ausstellen wollte, trat ein Mann auf ihn zu, der trug eine schwarze Kutte in Weise der Mönche und nachdem ihn der Fischer ehrsam gegrüßt hatte, sprach er: „ich komm ein Bote fernher und möchte [364] gern über den Rhein.“ „Tritt in meinen Nachen ein zu mir, antwortete der Fischer, ich will dich überfahren.“ Da er nun diesen übergesetzt hatte und zurückkehrte, standen noch fünf andere Mönche am Gestade, die begehrten auch zu schiffen und der Fischer frug bescheiden: was sie doch bei so eitler Nacht reisten? „Die Noth treibt uns, versetzte einer der Mönche, die Welt ist uns feind, so nimm du dich unser an und Gottes Lohn dafür.“ Der Fischer verlangte zu wissen: was sie ihm geben wollten für seine Arbeit? Sie sagten: "jetzo sind wir arm, wenn es uns wieder besser geht, sollst du unsere Dankbarkeit schon spürer.“ Also stieß der Schiffer ab, wie aber der Nachen mitten auf den Rhein kam, hob sich ein fürchterlicher Sturm. Wasserwellen bedeckten das Schiff und der Fischer erblaßte. „Was ist das, dachte er bei sich, bei Sonnenniedergang war der Himmel klar und lauter und schön schien der Mond, woher dieses schnelle Unwetter?“ Und wie er seine Hände hob, zu Gott zu beten, rief einer der Mönche: „was liegst du Gott mit Beten in den Ohren, steuere dein Schiff.“ Bei den Worten riß er ihm das Ruder aus der Hand und fing an den armen Fischer zu schlagen. Halbtodt lag er im Nachen, der Tag begann zu dämmern und die schwarzen Männer verschwanden. Der Himmel war klar, wie vorher, der Schiffer ermannte sich, fuhr zurück und erreichte mit Noth seine Wohnung. Des andern Tags begegneten dieselben Mönche einem früh aus Speier reisenden Boten in einem rasselnden, [365] schwarz bedeckten Wagen, der aber nur drei Räder und einen langnasigten Fuhrmann hatte. Bestürzt stand er still, ließ den Wagen vorüber und sah bald, daß er sich mit Prasseln und Flammen in die Lüfte verlor, dabei vernahm man Sehwerterklingen, als ob ein Heer zusammenginge. Der Bote wandte sich, kehrte zur Stadt und zeigte alles an; man schloß aus diesen Gesicht auf Zwietracht unter den deutschen Fürsten.





276.
Der Irrwisch.
Mündlich, aus Hänlein.


An der Bergstraße zu Hänlein, auch in der Gegend von Lorsch, nennt man die Irrlichter: Heerwische; sie sollen nur in der Adventszeit erscheinen und man hat einen Spottreim auf sie: „Heerwisch, ho ho, brennst wie Haberstroh, schlag mich blitzeblo!“ Vor länger als dreißig Jahren, wird erzählt, sah ein Mädchen Abends einen Heerwisch und rief ihm den Spottreim entgegen. Aber er lief auf das Mädchen gerade zu und als es floh und in das Haus zu seinen Eltern flüchtete, folgte er ihr auf der Ferse nach, trat mit ihr zugleich ins Zimmer hinein und schlug alle Leute, die darin waren, mit seinen feurigen Flügeln, daß ihnen Hören und Sehen verging.


[366]


277.
Die feurigen Wagen.
Mündlich, aus dem Odenwald.


Conrad Schäfer aus Gammelsbach erzählte: „ich habe vor einigen Jahren Frucht auf der Hirschhörnerhöhe nicht weit von Freienstein, dem alten Schloß, gehütet. Nachts um zwölfe begegneten mir zwei feurige Kutschen mit gräßlichem Gerassel; jede mit vier feurigen Rossen bespannt. Der Zug kam gerade vom Freienstein. Er ist mir öfter begegnet und hat mich jedesmal gewaltig erschreckt; denn es saßen Leute in den Kutschen, denen die Flamme aus Maul und Augen schlug.“





278.
Räderberg.
Mündlich.


Ein Metzger von Nassau ging aus, zu kaufen. Auf der Landstraße stößt er bald auf eine dahin fahrende Kutsche und geht ihr nach, den Gleisen in Gedanken folgend. Mit einmal hält sie an und vor einem schönen großen Landhaus, mitten auf der Heerstraße, das er aber sonst noch niemals erblickt, so oft er auch dieses Wegs gekommen. Drei Mönche steigen aus dem Wagen und der erstaunte Metzger folgt ihnen unbemerkt in das hellerleuchtete Haus. Erst gehen sie in ein Zimmer, einem die Communion zu reichen, [367] und nachher in einen Saal, wo große Gesellschaft um einen Tisch sitzt, in lautem Lärmen und Schreien ein Mahl verzehrend. Plötzlich bemerkt der Obensitzende den fremden Metzger und sogleich ist alles still und verstummt. Da steht der Oberste auf und bringt dem Metzger einen Weinbecher mit den Worten: „noch einen Tag!“ Der Metzger erschauert und will nicht trinken. Bald hernach erhebt sich ein Zweiter, tritt den Metzger mit einem Becher an und spricht wieder: „noch einen Tag!“ Er schlägt ihn wieder aus. Nachdem kommt ein Dritter mit dem Becher und denselben Worten: „noch ein Tag!“ Nunmehr trinkt der Metzger. Aber kurz darauf nähert sich demselben ein Vierter aus der Gesellschaft, den Wein nochmals darbietend. Der Metzger erschrickt heftiglich, und als er ein Kreuz vor sich gemacht, verschwindet auf einmal die ganze Erscheinung und er befindet sich in dichter Dunkelheit. Wie endlich der Morgen anbricht, sieht sich der Metzger auf dem Räderberg, weit weg von der Landstraße, geht einen steinigten, mühsamen Weg zurück in seine Vaterstadt, entdeckt dem Pfarrer die Begebenheit und stirbt genau in drei Tagen.

Die Sage war schon lang verbreitet, daß auf jenem Berg ein Kloster gestanden, dessen Trümmer noch jetzt zu sehen sind, dessen Orden aber ausgestorben wäre.


[368]


279.
Die Lichter auf Hellebarden.
Happel relat. curios. II. 771. 772.


Von dem uralten hanauischen Schloß Lichtenberg auf einem hohen Felsen im Unterelsaß, eine Stunde von Ingweiler belegen, wird erzählt: so oft sich Sturm und Ungewitter rege, daß man auf den Dächern und Knöpfen des Schlosses, ja selbst auf den Spitzen der Hellebarden viele kleine blaue Lichter erblicke. Dies hat sich seit langen Jahren also befunden und nach einigen selbst dem alten Schloß den Namen gegeben.

Zwei Bauern gingen aus dem Dorf Langenstein (nah bei Kirchhain in Oberhessen) nach Embsdorf zu, mit ihren Heugabeln auf den Schultern. Unterwegs erblickte der eine unversehens ein Lichtlein auf der Partisan seines Gefährten, der nahm sie herunter und strich lachend den Glanz mit den Fingern ab, daß er verschwand. Wie sie hundert Schritte weiter gingen, saß das Lichtlein wieder an der vorigen Stelle und wurde nochmals abgestrichen. Aber bald darauf stellte es sich zum drittenmal ein, da stieß der andere Bauer einige harte Worte aus, strich es jenem nochmals ab und darauf kam es nicht wieder. Acht Tage hernach zu derselben Stelle, wo der eine dem andern das Licht zum drittenmal abgestrichen hatte, trafen sich diese beiden Bauern, die sonst alte gute Freunde gewesen, verunwilligten sich und von den Worten zu Schlägen kommend erstach der eine den andern.


[369]
280.
Das Wafeln.

Kosegarten Rhapsodien. II. 76.
Zölner’s Reise durch Pommern. 1797. I. 316. 516.


An der Ost-See glauben die Leute den Schiffbruch, das Stranden, oftmals vorherzusehen, indem solche Schiffe vorher spuckten, einige Tage oder Wochen, an dem Ort, wo sie verunglücken, bei Nachtzeit wie dunkle Luftgebilde erschienen, alle Theile des Schiffs,Rumpf, Tauwerk, Maste, Segel in bloßem Feuer vorgestellt. Dies nennen sie wafeln.

Es wafeln auch Menschen, die ertrinken. Häuser, die abbrennen werden und Orte, die untergehen. Sonntags hört man noch unter dem Wasser die Glocken versunkener Städte klingen.





281.
Weberndes Flammen-Schloß.
Der abentheuerliche Jean Rebhu. 1769. Th. II. S. 8–11.


In Tirol auf einem hohen Berg liegt ein altes Schloß, in welchem alle Nacht ein Feuer brennt; die Flamme ist so groß, daß sie über die Mauern hinausschlägt und man sie weit und breit sehen kann. Es trug sich zu, daß eine arme Frau, der es an Holz mangelte, auf diesem Schloß-Berge abgefallene Reiser zusammen suchte und endlich zu dem Schloß-Thor kam, wo sie aus Vorwitz sich umschaute und endlich [370] hineintrat, nicht ohne Mühe, weil alles zerfallen und nicht leicht weiter zu kommen war. Als sie in den Hof gelangte, sah sie eine Gesellschaft von Herrn und Frauen da an einer großen Tafel sitzen und essen. Diener warteten auf, wechselten Teller, trugen Speisen auf und ab und schenkten Wein ein. Wie sie so stand, kam einer der Diener und holte sie herbei, da ward ihr ein Stück Gold in das Schürz-Tuch geworfen, worauf in einem Augenblick alles verschwunden war und die arme Frau erschreckt den Rückweg suchte. Als sie aber den Hof hinausgekommen, stand da ein Kriegsmann mit brennender Lunte, den Kopf hatte er nicht auf dem Hals sitzen, sondern hielt ihn unter dem Arme. Der hub an zu reden und verbot der Frau, keinem Menschen was sie gesehen und erfahren zu offenbaren, es würde ihr sonst übel ergehen. Die Frau kam, noch voller Angst, nach Haus, brachte das Gold mit, aber sie sagte nicht, woher sie es empfangen. Als die Obrigkeit davon hörte, ward sie vorgefordert, aber sie wollte kein Wort sich verlauten lassen und entschuldigte sich damit, daß wenn sie etwas sagte, ihr großes Uebel daraus zuwachsen würde. Nachdem man schärfer mit ihr verfuhr, entdeckte sie dennoch alles, was ihr in dem Flammen-Schloß begegnet war, haarklein. In dem Augenblick aber, wo sie ihre Aussage beendigt, war sie hinweg entrückt und niemand hat erfahren können, wo sie hingekommen ist.

Es hatte sich aber an diesem Ort ein junger Edelmann ins zweite Jahr aufgehalten, ein Ritter und [371] wohlerfahren in allen Dingen. Nachdem er den Hergang dieser Sache erkündet, machte er sich tief in der Nacht mit seinem Diener zu Fuß auf den Weg nach dem Berg. Sie stiegen mit großer Mühe hinauf und wurden sechsmal von einer Stimme davon abgemahnt: sie würdens sonst mit großem Schaden erfahren müssen. Ohne aber darauf zu achten, gingen sie immer zu und gelangten endlich vor das Thor. Da stand jener Kriegsmann wieder als Schildwache und rief, wie gebräuchlich: „wer da?“ Der Edelmann, ein frischer Herr, gab zur Antwort: „ich bins.“ Das Gespenst fragte weiter: „wer bist du?“ Der Edelmann aber gab diesmal keine Antwort, sondern hieß den Diener das Schwert herlangen. Als dieses geschehen, kam ein schwarzer Reuter aus dem Schloß geritten, gegen welchen sich der Edelmann wehren wollte; der Reuter aber schwang ihn auf sein Pferd und ritt mit ihm in den Hof hinein und der Kriegsmann jagte den Diener den Berg hinab. Der Edelmann ist nirgends zu finden gewesen.





282.
Der Feuerberg.
Mündlich, aus Wernigerode


Einige Stunden von Halberstadt liegt ein ehemals kahler, jetzt mit hohen Tannen und Eichen bewachsener Berg, der von vielen der Feuerberg genannt wird. In seinen Tiefen soll der Teufel sein Wesen [372] treiben und alles in hellen Flammen brennen. Vor alten Zeiten wohnte in der Gegend von Halberstadt ein Graf, der bös und raubgierig war und die Bewohner des Landes rings herum drückte, wo er nur konnte. Einem Schäfer war er viel Geld seit langen Jahren schuldig, jedesmal aber, wenn dieser kam und darum mahnte, gab er ihm schnöde und abweisende Antworten. Auf einmal verschwand der Graf und es hieß, er wär gestorben in fernen Landen. Der Schäfer ging betrübt zu Felde und klagte über seinen Verlust, denn die Erben und Hinterlassenen des Grafen wollten von seiner Foderung nichts wissen und jagten ihn, als er sich meldete, die Burg hinab. Da geschah es, daß, als er zu einer Zeit im Walde war, eine Gestalt zu ihm trat und sprach: „willst du deinen alten Schuldner sehen, so folge mir nach.“ Der Schäfer folgte und ward durch den Wald geführt bis zu einem hohen, nackten Berg, der sich alsbald vor beiden mit Getöse öffnete, sie aufnahm und sich wieder schloß. Innen war alles ein Feuer. Der zitternde Schäfer erblickte den Grafen, sitzend auf einem Stuhle, um welchen sich, wie an den glühenden Wänden und auf dem Boden, tausend Flammen wälzten. Der Sünder schrie: „willst du Geld haben, Schäfer, so nimm dieses Tuch und bringe es den Meinigen; sage ihnen, wie du mich im Höllenfeuer sitzen gesehen, in dem ich bis in Ewigkeit leiden muß.“ Hierauf riß er ein Tuch von seinem Haupt und gab es dem Schäfer und aus seinen Augen und Händen sprühten Funken.

[373] Der Schäfer eilte mit schwankenden Füßen, von seinem Führer geleitet, zurück, der Berg that sich wieder auf und verschloß sich hinter ihm. Mit dem Tuch ging er dann auf des Grafen Burg, zeigte es und erzählte, was er gesehen; worauf sie ihm gern sein Geld gaben.






283.
Der feurige Mann.

Bothonis chronicon brunsvic. pictur. bei Leibniz SS. RR. BB. III. 337.
Mündlich, aus dem Erbachischen.


In düssem Jare (1125) sach me einen furigen Man twischen den Borgen twen, de de heten Gelichghen (Gleichen), dat was in der rechten Middernacht. De Man gingk von einer Borch to der anderen unde brande alse ein Blase, alse ein glonich Für; düt segen de Wechters, und dede dat in dren Nechten unde nig mer.

Georg Miltenberger, im sogenannten Hoppelrain bei Kailbach Amts Freienstein wohnhaft, erzählte: „in der ersten Adventssonntagsnacht, zwischen 11 und 12 Uhr, nicht weit von meinem Hause, sah ich einen ganz in Feuer brennenden Mann. An seinem Leibe konnte man alle Rippen zählen. Er hielt seine Straße von einem Marktstein zum andern, bis er nach Mitternacht plötzlich verschwand. Viel Menschen sind durch ihn in Furcht und Schrecken gerathen, weil er durch Maul und Nase Feuer ausspie und in einer fliehenden Schnelligkeit, hin und her flog, die Kreuz und die Quer.“



[374]


284.
Die verwünschten Landmesser.
Mündlich, aus Meckelnburg.


Die Irrwische, welche Nachts an den Ufern und Feldrainen hin und her streifen, sollen ehdem Landmesser gewesen seyn und die Marken trüglich gemessen haben. Darum sind sie verdammt, nach ihrem Leben umzugehen und die Grenzen zu hüten.





285.
Der verrückte Grenzstein.
Erasm. Francisci höll. Proteus S. 422.



Auf dem Feld um Eger herum läßt sich nicht selten ein Gespenst in Gestalt eines Mannsbildes sehen, welches die Leute den Junker Ludwig nennen. Ehedessen soll einer dieses Namens da gelebt und die Grenz- und Marksteine des Feldes betrüglich verrückt haben. Bald nach seinem Tode fing er nun an zu wandern und hat viel Leute durch seine Begegnung erschreckt. Noch in jüngern Zeiten erfuhr das ein Mädchen aus der Stadt. Es ging einmal allein vor dem Thore und gerieth von ungefähr in die berüchtigte Gegend. An der Stätte, wo der Markstein, wie man sagt, verrückt seyn soll, wandelte ihr ein Mann entgegen, gerade so aussehend, als man ihr schon mehrmals die Erscheinung des bösen Junkers beschrieben

[375] hatte. Er ging auf sie an, griff ihr mit der Faust an die Brust und verschwand. In tiefster Entsetzung ging das Mädchen heim zu den Jhrigen und sprach: „ich Hab mein Theil.“ Da fand man ihre Brust, da wo der Geist sie angerührt hatte, schwarz geworden. Sie legte sich gleich zu Bette und verschied dritten Tags darauf.





286.
Der Grenzstreit.
Mündlich, aus Hessen.



Zu Wilmshausen, einem hessischen Dorf unweit Münden, war vormals Uneinigkeit zwischen der Gemeinde und einer benachbarten über ihre Grenze entsprungen. Man wußte sie nicht recht mehr auszumitteln. Also kam man übereins, einen Krebs zu nehmen und ihn über das streitige Ackerfeld laufen zu lassen, folgte seinen Spuren und legte die Marksteine danach. Weil er nun so wunderlich in die Kreuz und Quer lief, ist daselbst eine sonderbare Grenze mit mancherlei Ecken und Winkeln bis auf heutigen Tag.





287.
Der Grenzlauf.
Wyß a. a. O. S. 80-100. vgl. 317


Ueber den Klußpaß und die Bergscheide hinaus vom Schächenthale weg erstreckt sich das Urner Gebiet [376] am Fletschbache fort und in Glarus hinüber. Einst stritten die Urner mit den Glarnern bitter um ihre Landesgrenze, beleidigten und schädigten einander täglich. Da ward von den Biedermännern der Ausspruch gethan: zur Tag- und Nachtgleiche solle von jedem Theil frühmorgens, sobald der Hahn krähe, ein rüstiger, kundiger Felsgänger ausgesandt werden, und jedweder nach dem jenseitigen Gebiet zulaufen und da, wo sich beide Männer begegneten, die Grenzscheide festgesetzt bleiben, das kürzere Theil möge nun fallen dießeits oder jenseits. Die Leute wurden gewählt und man dachte besonders darauf, einen solchm Hahn zu halten, der sich nicht verkrähe und die Morgenstunde auf das allerfrühste ansagte. Und die Urner nahmen einen Hahn, setzten ihn in einen Korb und gaben ihm sparsam zu essen und saufen, weil sie glaubten, Hunger und Durst werde ihn früher wecken. Dagegen die Glarner fütterten und mästeten ihren Hahn, daß er freudig und hoffärtig den Morgen grüßen könne, und dachten damit am besten zu fahren. Als nun der Herbst kam und der bestimmte Tag erschien, da geschah es, daß zu Altdorf der schmachtende Hahn zuerst erkrähte, kaum wie es dämmerte, und froh brach der urner Felsenklimmer auf, der Marke zu laufend. Allein im Linthal drüben stand schon die volle Morgenröthe am Himmel, die Sterne waren verblichen und der fette Hahn schlief noch in guter Ruh. Traurig umgab ihn die ganze Gemeinde, aber es galt die Redlichkeit und keiner wagt es, ihn aufzuwecken; endlich schwang er [377] die Flügel und krähte. Aber dem glarner Läufer wirds schwer seyn, dem urner den Vorsprung wieder abzugewinnen! Ängstlich sprang er, und schaute gegen das Scheideck, wehe da sah er oben am Giebel des Grats den Mann schreiten und schon bergabwärts niederkommen; aber der Glarner schwang die Fersen und wollte seinem Volke noch vom Lande retten, so viel als möglich. Und bald stießen die Männer auf einander und der von Uri rief: „hier ist die Grenze!“ „Nachbar, sprach betrübt der von Glarus, sey gerecht und gib mir noch ein Stück von dem Weidland, das du errungen hast!“ Doch der Urner wollte nicht, aber der Glarner ließ ihm nicht Ruh, bis er barmherzig wurde und sagte: „so viel will ich dir noch gewähren, als du mich an deinem Hals tragend bergan laufst.“ Da faßte ihn der rechtschaffene Sennhirt von Glarus und klomm noch ein Stück Felsen hinauf, und manche Tritte gelangen ihm noch, aber plötzlich versiegte ihm der Athem und todt sank er zu Boden. Und noch heutiges Tags wird das Grenzbächlein gezeigt, bis zu welchem der einsinkende Glarner den siegreichen Urner getragen habe. In Uri war große Freude ob ihres Gewinnstes, aber auch die zu Glarus gaben ihrem Hirten die verdiente Ehre und bewahrten seine große Treue in steter Erinnerung.


[378]


288.
Die Alpschlacht.
Stalder Fragemente über Entlebuch. Zürich 1797. I. S. 81-85.


Die Obwaldner und Entlebucher Hirten stritten sich um einige Weiden, aber die Odwaldner waren im Besitz und trieben ihr Vieh darauf. Weil sie etwa von ihren muthigen Gegnern einen Ueberfall besorgten, stellten sie Wächter zu ihrer Heerde. Die geschwinden und feinen Entlebucher dachten auf einen Streich; nachdem sie sich eine Zeitlang still und ruhig verhalten hatten und die treuherzigen Obwaldner wenig Böses ahnten, sondern statt Wache zu haben, sich die Langeweile mit Spielen verkürzten, schlichen kühne entlebucher Hirten auf die schlechtbewahrte Trift, banden dem Vieh ganz leise die klingenden Schellen ab und führten den Raub eilig zur Seite. Einer aus ihnen mußte zurückbleiben und so lange mit den Kuhglocken läuten, bis die Räuber vor aller Gefahr sicher wären. Er thats, warf dann all den Klumpen von Schellen auf den Boden und sprang unter lautem Hohngelächter mit überflügelnden Schritten fort. Die Obwaldner horchten auf und sahen das Unglück. Sie wollten sich rächen, sammelten bald einen Haufen Volks und überfielen jählings die Entlebucher, welche sich aber darauf vorbereitet hatten. Die Obwaldner wetzten ihren Schimpf nicht aus, sondern wurden noch dazu geschlagen; das ihnen damals abgewonnene Fähnlein bewahren die Entlebucher noch heutiges Tags in ihrer Heimlichkeit (einem [379] alten Thurm im Dorfe Schüpfen) und der Ort, wo das kleine Gefecht sich ereignete, wird auch diesen Augenblick noch immer die Alpschlacht genannt.





289.
Der Stein bei Wenthusen.
Quedlinburger Sammlung. S. 150. 154.


Wenthusen im Quedlinburgischen war vorzeiten ein Frauenkloster und kam nachher an die Grafen von Regenstein, nach deren Absterben an andere Herrn. Man gibt vor, es läge auf diesem Gut von Klosterzeiten her noch, ein Stein, der stets unberührt und unbeschädigt liegen bleiben müßte, wo nicht dem Besitzer ein großes Unglück widerfahren sollte. Einer derselben soll ihn aus Neugierde haben wegnehmen lassen, aber dafür auf alle mögliche Art und Weise so lange gequält worden seyn, bis der Stein wieder auf seiner rechten Stelle gelegen habe.





290.
Die altenberger Kirche.

J. B. Heller`s Merkwürdigk. Thüringens. I. 59. 466.
Falkenstein thür. Chronik II. 273. Anm. b. III. 1272


Oberhalb dem Dorfe Altenberg im Thüringer Wald liegt auf einem hohen Berg lustig zwischen Bäumen das Kirchlein des Orts, die Johannes-Kirche genannt. Wegen des beschwerlichen Wegs dahin, besonders im [380] Winter bei Glatteis und wenn Leichen oder Kinder zur Taufe hinauf zu tragen waren, wollten, nach der Sage, die Altenberger die Kirche abbrechen und unten im Dorfe aufrichten, aber sie waren es nicht vermögend. Denn was sie heute abgetragen und ins Thal herabgebracht hatten, fanden sie am andern Morgen wieder an seiner Stelle in gehöriger Ordnung oben auf der Capelle, also daß sie von ihrem Vorhaben abstehen mußten.

Diese Kirche hat der heil. Bonifacius gestiftet und auf dem Berge öfters geprediget. Einmal als er es dort unter freiem Himmel that, geschah es, daß eine große Menge Raben, Dohlen und Krähen herbeigeflogen kamen und ein solches Gekrächz und Geschrei anfingen, daß die Worte des heil. Bonifacius nicht mehr konnten verstanden werden. Da bat er Gott, daß er solchen Vögeln in diese Gegend zu kommen nimmermehr erlaube. Seine Bitte wurde ihm gewährt und man hat sie hernach nie wieder an diesem Orte gesehen.





291.
Der König im lauenburger Berg.

Kornmann mons Veneris.
Seyfried’s medulla p. 482.
Valvassor Ehre von Crain I. 247.


Auf einem Berg bei der Lauenburg in Cassuben fand man 1596. eine ungeheure Kluft. Der Rath hatte zwei Missethäter doch zum Tod verurtheilt und [381] schenkte ihnen unter der Bedingung das Leben, daß sie diesen Abgrund besteigen und besichtigen sollten. Als diese hinein gefahren waren, erblickten sie unten auf dem Grund einen schönen Garten, darin stand ein Baum, mit lieblich-weißer Blüte; doch durften sie nicht daran rühren. Ein Kind war da, das führte sie über einen weiten Plan hin zu einem Schloß. Aus dem Schloß ertönte mancherlei Saitenspiel, wie sie eintraten, saß da ein König auf silbernem Stuhl, in der einen Hand einen goldnen Scepter, in der andern einen Brief. Das Kind mußte den Brief den beiden Missethätern überreichen.





292.
Der Schwanberg.
Agricola Sprichw. 389. 390.


Man hat gesagt bei Menschen Gezeiten her und niemand weiß, von wem es ausgekommen ist: „es soll der Schwanberg noch mitten in Schweiz liegen,“ das ist ganz Deutschland wird Schweiz werden. Diese Sage ist gemein und ungeachtet.




293.
Der Robbedisser Brunn.
Letzner Dasselische Chronik. B. VIII. c. 20.


Wenn man von Dassel über die Höhe, Bier genannt, und über den Kirchberg gehen will, hat man [382] zur linken Hand einen Ort Namens Robbedissen, wo ein Quellbrunn fließt. Von diesem, von dem schwarzen Grund hinter dem Gericht und der großen Pappel vor Eilenhausen haben die Leute der Gegend den festen Glauben: wann der robbedisser Brunn seine Stätte verrücke, der schwarze Grund der andern Erde gleich werde, und der große eilenhäuser Pappelbaum verdorre und vergehe, alsdann werde in der Schöffe, einem Feld zwischen Eilenhausen und Markoldendorf, eine große, blutige Schlacht gehalten werden.





294.
Bamberger Wage.
Manlii loc. comm. collect. p. 46.


Zu Bamberg, auf Kaiser Heinrichs Grab, ist die Gerechtigkeit mit einer Wagschale in der Hand eingehauen. Die Zunge der Wage steht aber nicht in der Mitte, sondern neigt etwas auf eine Seite. Es gehet hierüber ein altes Gerücht, daß, sobald das Zünglein ins Gleiche komme, die Welt untergehen werde.





295.
Kaiser Friedrich zu Kaiserslautern.
Georg Draud fürstliche Tischreden. I. vgl. Fischart Gargentua 266 b.


Etliche wollen, daß Kaiser Friedrich, als er aus der Gefangenschaft bei den Türken befreit worden, gen Kaiserslautern gekommen und daselbst seine Wohnung [383] lange Zeit gehabt. Er baute dort das Schloß, dabei einen schönen See oder Weiher, noch jetzt der Kaisersee genannt, darin soll er einmal einen großen Karpfen gefangen und ihm zum Gedächtniß einen güldenen Ring von seinem Finger an ein Ohr gehangen haben. Derselbige Fisch soll, wie man sagt, ungefangen in dem Weiher bleiben, bis auf Kaiser Friedrichs Zukunft. Auf eine Zeit, als man den Weiher gefischt, hat man zwei Karpfen gefangen, die mit güldenen Ketten um die Hälse zusammen verschlossen gewesen, welche noch bei Menschen-Gedächtniß zu Kaiserslautern an der Metzler-Pforte in Stein gehauen sind. Nicht weit vom Schloß war ein schöner Thiergarten gebauet, damit der Kaiser alle wunderbarliche Thier vom Schloß aus sehen konnte, woraus aber seit der Zeit ein Weiher und Schieß-Graben gemacht worden. Auch hängt in diesem Schloß des Kaisers Bett an vier eisernen Ketten und, als man sagt, so man das Bett zu Abend wohl gebettet, war es des Morgens wiederum zerbrochen, so daß deutlich jemand über Nacht darin gelegen zu haben schien.

Ferner: zu Kaiserslautern ist ein Felsen, darin eine große Höhle oder Loch, so wunderbarlich, daß niemand weiß, wo es Grund hat. Doch ist allenthalben das gemeine Gerücht gewesen, daß Kaiser Friedrich, der Verlorne, seine Wohnung darin haben sollte. Nun hat man einen an einem Seil hinabgelassen und oben an das Loch eine Schelle gehangen, wann er nicht weiter könne, daß er damit läute, so wolle man ihn [384] wieder heraufziehen. Als er hinab gekommen, hat er den Kaiser Friedrich in einem güldenen Sessel sitzen sehen, mit einem großen Barte. Der Kaiser hat ihm zugesprochen und gesagt, er solle mit niemand hier reden, so werde ihm nichts geschehen, und solle seinem Herrn erzählen, daß er ihn hier gesehen. Darauf hat er sich weiter umgeschaut und einen schönen weiten Plan erblickt und viel Leut, die um den Kaiser standen. Endlich hat er seine Schelle geläutet, ist ohne Schaden wieder hinauf gekommen und hat seinem Herrn die Botschaft gesagt.





296.
Der Hirt auf dem Kiffhäuser.
Georg Draud fürstliche Tischreden I.


Etliche sprechen, daß bei Frankenhausen in Thüringen ein Berg liege, darin Kaiser Friedrich seine Wohnung habe und vielmal gesehen worden. Ein Schafhirt, der auf dem Berge hütete und die Sage gehört hatte, fing an auf seiner Sackpfeife zu pfeifen und als er meinte, er habe ein gutes Hofrecht gemacht, rief er überlaut: „Kaiser Friedrich, das sey dir geschenkt!“ Da soll sich der Kaiser hervorgethan, dem Schäfer offenbart und zu ihm gesprochen haben: „Gott grüß dich, Männlein, wem zu Ehren hast du gepfiffen?“ „Dem Kaiser Friedrich,“ antwortete der Schäfer. Der Kaiser sprach weiter: „hast du das gethan, so komm mit mir, er soll dir darum lohnen.“ Der Hirt sagte: „ich darf nicht von den Schafen gehen.“ [385] Der Kaiser aber antwortete: „folge mir nach, den Schafen soll kein Schaden geschehen.“ Der Hirt folgte ihm und der Kaiser Friedrich nahm ihn bei der Hand und führte ihn nicht weit von den Schafen zu einem Loch in den Berg hinein. Sie kamen zu einer eisernen Thür, die alsbald aufging, nun zeigte sich ein schöner, großer Saal, darin waren viel Herrn und tapfre Diener, die ihm Ehre erzeigten. Nachfolgends erwiese sich der Kaiser auch freundlich gegen ihn und fragte, was er für einen Lohn begehre, daß er ihm gepfiffen? Der Hirt antwortete: „keinen.“ Da sprach aber der Kaiser: „geh hin und nimm von meinem güldnen Handfaß den einen Fuß zum Lohn.“ Das that der Schäfer, wie ihm befohlen ward, und wollte darauf von dannen scheiden, da zeigte ihm der Kaiser noch viel seltsame Waffen, Harnische, Schwerter und Büchsen und sprach, er sollte den Leuten sagen, daß er mit diesen Waffen das heilige Grab gewinnen werde. Hierauf ließ er den Hirt wieder hinaus geleiten, der nahm den Fuß mit, brachte ihn den andern Tag zu einem Goldschmied, der ihn für ächtes Gold anerkannte und ihm abkaufte.





297.
Die drei Telle.
Journal des Luxus und der Moden. Januar 1805. S. 38.


In der wilden Berggegend der Schweitz um den Waldstättersee ist nach dem Glauben der Leute und Hirten [386] eine Felskluft, worin die drei Befreier des Landes, die drei Tellen genannt, schlafen. Sie sind mit ihrer uralten Kleidung angethan, und werden wieder auferstehen und rettend hervorgehen, wann die Zeit der Noth fürs Vaterland kommt. Aber der Zugang der Höhle ist nur für den glücklichen Finder.

Ein Hirtenjung erzählte folgendes einem Reisenden: sein Vater, eine verlaufene Ziege in den Felsenschluchten suchend, sey in diese Höhle gekommen und gleich, wie er gemerkt, daß die drei drin schlafenden Männer die drei Tellen seyen, habe auf einmal der alte eigentliche Tell sich aufgerichtet und gefragt: „welche Zeit ists auf der Welt?“ und auf des Hirten erschrockene Antwort: „es ist hoch am Mittag“ gesprochen: „es ist noch nicht an der Zeit, daß wir kommen,“ und sey darauf wieder eingeschlafen. Der Vater, als er mit seinen Gesellen, die Telle für die Noth des Vaterlands zu wecken, nachher oft die Höhle gesucht, habe sie doch nie wieder finden können.





298.
Das Bergmännchen.
Wyß a. a. O. S. 1–12. vgl. 305. 308. aus mündl. Sage.


In der Schweitz hat es im Volk viele Erzählungen von Berggeistern, nicht blos auf dem Gebirg allein, sondern auch unten am Belp, zu Gelterfingen und Rümlingen im Bernerland. Diese Bergmänner [387] sind auch Hirten, aber nicht Ziegen, Schafe und Kühe sind ihr Vieh, sondern Gemsen und aus der Gemsenmilch machen sie Käse, die so lange wieder wachsen und ganz werden, wenn man sie angeschnitten oder angebissen, bis man sie unvorsichtiger Weise völlig und auf einmal, ohne Reste zu lassen, verzehrt. Still und friedlich wohnt das Zwergvolk in den innersten Felsklüften und arbeitet emsig fort, selten erscheinen sie den Menschen, oder ihre Erscheinung bedeutet ein Leid und ein Unglück; außer wenn man sie auf den Matten tanzen sieht, welches ein gesegnetes Jahr anzeigt. Verirrte Lämmer führen sie oft den Leuten nach Haus und arme Kinder, die nach Holz gehen, finden zuweilen Näpfe mit Milch im Wald stehen, auch Körbchen mit Beeren, die ihnen die Zwerge hinstellen.

Vorzeiten pflügte einmal ein Hirt mit seinem Knechte den Acker, da sah man neben aus der Felswand dampfen und rauchen. "Da kochen und sieden die Zwerge, sprach der Knecht, und wir leiden schweren Hunger, hätten wir doch auch ein Schüsselchen voll davon." Und wie sie das Pflugsterz umkehrten, siehe, da lag in der Furche ein weißes Laken gebreitet und darauf stand ein Teller mit frischgebackenem Kuchen und sie aßen dankbar und wurden satt. Abends beim Heimgehen war Teller und Messer verschwunden, blos das Tischtuch lag noch da, das der Bauer mit nach Haus nahm.


[388]


299.
Die Zirbelnüsse.
Mündlich, aus Oberwallis.


Die Frucht der Arven oder Zirbeln, einer auf den Alpen wachsenden Gattung Tannen (Pinus cembra), hat einen röthlichen, wohl und süßschmeckenden Kern, fast wie Mandelnüsse sind. Allein man kann blos selten und mit Mühe dazu gelangen, weil die Bäume meistens einzeln über Felsenhängen und Abgründen, selten im Wald beisammen stehen. Die Bewohner geben allgemein vor: die Meisterschaft habe diesen Baum verwünscht und unfruchtbar gemacht, darum weil die Dienerschaft zur Zeit, wo sie auf dem Feld fleißig arbeiten sollen, sich damit abgegeben hätte, ihres lieblichen Geschmacks wegen diese Nüsse abzuwerfen und zu essen, worüber alle nöthige Arbeit versäumt oder schlecht gethan worden wäre.





300.
Das Paradies der Thiere.
Mündlich, aus Oberwallis im Visperthal.

Oben auf den hohen und unersteiglichen Felsen und Schneerücken des Mattenbergs soll ein gewisser Bezirk liegen, worin die schönsten Gemsen und Steinböcke, außerdem aber noch andere wunderbare und seltsame Thiere, wie im Paradies zusammen hausen und weiden. Nur alle zwanzig Jahre kann es einem Menschen [389] gelingen, in diesen Ort zu kommen und wieder unter zwanzig Gemsenjägern nur einem einzigen. Sie dürfen aber kein Thier mit herunter bringen. Die Jäger wissen manches von der Herrlichkeit dieses Orts zu erzählen, auch daß daselbst in den Bäumen die Namen vieler Menschen eingeschnitten ständen, die nach und nach dort gewesen wären. Einer soll auch einmal eine prächtige Steinbockshaut mit herausgebracht haben.





301.
Der Gemsjäger.
Wyß a. a. O. S. 43–61. vgl. 312.


Ein Gemsjäger stieg auf und kam zu dem Felsgrat und immer weiter klimmend, als er je vorher gelangt war, stand plötzlich ein häßlicher Zwerg vor ihm, der sprach zornig: „warum erlegst du mir lange schon meine Gemsen und lässest mir nicht meine Heerde? jetzt sollst du’s mit deinem Blute theuer bezahlen!“ Der Jäger erbleichte und wäre bald hinabgestürzt, doch faßte er sich noch und bat den Zwerg um Verzeihung, denn er habe nicht gewußt, daß ihm diese Gemsen gehörten. Der Zwerg sprach: „gut, aber laß dich hier nicht wieder blicken, so verheiß ich dir, daß du jeden siebenten Tag Morgenfrüh vor deiner Hütte ein geschlachtetes Gemsthier hangen finden sollst, aber hüte dich mir und schone die andern.“ Der Zwerg verschwand und der Jäger ging nachdenklich heim und die ruhige Lebensart [390] behagte ihm wenig. Am siebenten Morgen hing eine fette Gemse in den Aesten eines Baums vor seiner Hütte, davon zehrte er ganz vergnügt und die nächste Woche gings eben so und dauerte ein Paar Monate fort. Allein zuletzt verdroß den Jäger seiner Faulheit und er wollte lieber selber Gemsen jagen, möge erfolgen, was da werde, als sich den Braten zutragen lassen. Da stieg er auf und nicht lange, so erblickte er einen stolzen Leitbock, legte an und zielte. Und als ihm nirgends der böse Zwerg erschien, wollte er eben losdrücken, da war der Zwerg hinten her geschlichen und riß den Jäger am Knöchel des Fußes nieder, daß er zerschmettert in den Abgrund sank.

Andere erzählen: es habe der Zwerg dem Jäger ein Gemskäslein geschenkt, an dem er wohl sein Lebelang hätte genug haben mögen, er es aber unvorsichtig einmal aufgegessen oder ein unkundiger Gast ihm den Rest verschlungen. Aus Armuth habe er demnach wieder die Gemsjagd unternommen und sey vom Zwerg in die Fluh gestürzt worden.





302.
Die Zwerglöcher.
Behrens curiöser Harzwald S. 37. 75. 76.


Am Harz in der Grafschaft Hohenstein, sodann zwischen Elbingerode und dem Rübenland, findet man oben in den Felsenhöhlen an der Decke runde und andere [391] Öffnungen, die der gemeine Mann Zwerglöcher nennt, wo die Zwerge vor Alters, vermittelst einer Leiter, ein- und ausgestiegen seyn sollen. Diese Zwerge erzeigten den Einwohnern zu Elbingerode alle Güte. Fiel eine Hochzeit in der Stadt vor, so gingen die Eltern oder Anverwandten der Verlobten nach solchen Höhlen und verlangten von den Zwergen messingne und kupferne Kessel, eherne Töpfe, zinnerne Schüssel und Teller und ander nöthiges Küchengeschirr mehr. Darauf traten sie ein wenig abwärts, und gleich hernach stellten die Zwerge die gefoderten Sachen vor den Eingang der Höhle hin. Die Leute nahmen sie sodann weg und mit nach Haus; wann aber die Hochzeit vorbei war, brachten sie alles wieder zur selben Stelle, setzten zur Dankbarkeit etwas Speise dabei.





303.
Der Zwerg und die Wunderblume.
Otmar S. 145-150.


Ein junger, armer Schäfer aus Sittendorf an der südlichen Seite des Harzes in der goldnen Aue gelegen, trieb einst am Fuß des Kyffhäusers und stieg immer trauriger den Berg hinan. Auf der Höhe fand er eine wunderschöne Blume, dergleichen er noch nie gesehen, pflückte und steckte sie an den Hut, seiner Braut ein Geschenk damit zu machen. Wie er so weiter ging, fand er oben auf der alten Burg ein Gewölbe [392] offenstehen, blos der Eingang war etwas verschüttet. Er trat hinein, sah viel kleine glänzende Steine auf der Erde liegen und steckte seine Taschen ganz voll damit. Nun wollte er wieder ins Freie, als eine dumpfe Stimme erscholl: „vergiß das Beste nicht!“ Er wußte aber nicht wie ihm geschah und wie er herauskam aus dem Gewölbe. Kaum sah er die Sonne und seine Heerde wieder, schlug die Thür, die er vorher gar nicht wahrgenommen, hinter ihm zu. Als der Schäfer nach seinem Hut faßte, war ihm die Blume abgefallen beim Stolpern. Urplötzlich stand ein Zwerg vor ihm: „wo hast du die Wunderblume, welche du fandest?“ „Verloren,“ sagte betrübt der Schäfer. „Dir war sie bestimmt, sprach der Zwerg, und sie ist mehr werth, denn die ganze Rothenburg.“ Wie der Schäfer zu Haus in seine Taschen griff, waren die glimmernden Steine lauter Goldstücke. Die Blume ist verschwunden und wird von den Bergleuten bis auf heutigen Tag gesucht, in den Gewölben des Kyffhäufers nicht allein, sondern auch auf der Questenburg und selbst auf der Nordseite des Harzes, weil verborgene Schätze rucken.




304.
Der Nix an der Kelle.
Otmar’s Volkssagen. vgl. Behrens S. 82.


An der Kelle, einem kleinen See, unweit Werne im Hohensteinischen, wohnten sonst Nixen. Einmal [393] hohlte der Nix des Nachts die Hebamme aus einem Dorfe und brachte sie unter großen Versprechungen zu der Untiefe hin, wo er mit seinem Weibe wohnte. Er führte sie hinab in das unterirdische Gemach, wo die Hebamme ihr Amt verrichtete. Der Nix belohnte sie reichlich. Eh sie aber wegging, winkte ihr die Kindbetterin und klagte heimlich mit einem Thränenstrom, daß der Nix das neugeborene Kind bald würgen würde. Und wirklich sah die Hebamme einige Minuten nachher auf der Oberfläche des Wassers einen blutrothen Strahl. Das Kind war ermordet.





305.
Schwarzach.
Badische Wochenschrift 1807. St. 17. Sp. 268. und St. 34. Sp. 543.


Von der alten Burg Schwarzach in der Pfalz hat es zweierlei Sagen. Ein Ritter lebte da vorzeiten, dessen Töchterlein, als sie am See auf der Wiese spielte, von einer großen Schlange, die aus dem Felsen kam, in den See gezogen wurde. Der Vater ging tagtäglich ans Ufer und klagte. Einmal glaubte er eine Stimme aus dem Wasser zu vernehmen und er rief laut: „gib mir ein Zeichen, mein Töchterlein!“ Da schlug ein Glöcklein an. Fortan hörte er es jeden Tag schallen, und einmal lautete es heller und der Ritter vernahm die Worte: „ich lebe, mein Vater, bin aber an die Wasserwelt gebannt; lang hab ich mich gewehrt, aber der erste Trunk hat mich um die Freiheit gebracht; [394] hüte dich vor diesem Trunk.“ Der Vater blieb traurig stehen, da traten zwei Knaben zu und reichten ihm aus einem güldenen Becher zu trinken. Er kostete ihn kaum, so stürzte er in den See und sank unter.

Eine andre Erzählung erwähnt eines alten, blinden Ritters, der mit seinen neun Töchtern auf Schwarzach lebte. Nah dabei hauste ein Räuber im Wald, der den Töchtern lange vergeblich nachstellte. Eines Tags kam er in Pilgrimkleidern und sagte den Jungfrauen: „wenn ihr euren Vater heilen wollt, so weiß ich drunten in der kalten Klinge ein Kraut dafür, das muß gebrochen werden, eh die Sonne aufgeht.“ Die Töchter baten, daß er es ihnen zeige. Als sie nun frühmorgens hinab in die kalte Klinge kamen, mordete sie der Bösewicht alle neun und begrub sie zur Stelle. Der Vater starb. Dreißig Jahre später trieb den Mörder die Reue, daß er die Todtengebeine ausgraben und in geweihte Erde legen ließ.





306.
Die drei Jungfern aus dem See.
Badische Wochenschrift 1806. St. 21. Sp. 342.


Zu Epfenbach bei Sinzheim traten seit der Leute Gedenken jeden Abend drei wunderschöne, weißgekleidete Jungfrauen in die Spinnstube des Dorfs. Sie brachten immer neue Lieder und Weisen mit, wußten hübsche Märchen und Spiele, auch ihre Rocken und Spindeln hatten etwas eignes und keine Spinnerin konnte [395] so fein und behend den Faden drehen. Aber mit dem Schlag elf standen sie auf, packten ihre Rocken zusammen und ließen sich durch keine Bitte einen Augenblick länger halten. Man wußte nicht, woher sie kamen, noch wohin sie gingen; man nannte sie nur: die Jungfern aus dem See, oder die Schwestern aus dem See. Die Bursche sahen sie gern und verliebten sich in sie, zu allermeist des Schulmeisters Sohn. Der konnte nicht satt werden, sie zu hören und mit ihnen zu sprechen, und nichts that ihm leider, als daß sie jeden Abend schon so früh aufbrachen. Da verfiel er einmal auf den Gedanken und stellte die Dorfuhr eine Stunde zurück und Abends im steten Gespräch und Scherz merkte kein Mensch den Verzug der Stunde. Und als die Glocke eilf schlug, es aber schon eigentlich zwölf war, standen die drei Jungfern auf, legten die Rocken zusammen und gingen fort. Den folgenden Morgen kamen etliche Leute am See vorbei; da hörten sie wimmern und sahen drei blutige Stellen oben auf der Fläche. Seit der Zeit kamen die Schwestern nimmermehr zur Stube. Des Schulmeisters Sohn zehrte ab und starb kurz darnach.





307.
Der todte Bräutigam.
Prätorius Weltbeschr. I. 105–109.


Ein Adlicher verlobte sich zu Magdeburg mit einer schönen Fräulein. Da geschahs, daß der Bräutigam [396] in die Elbe fiel, wo man ihn drei Tage suchte und nicht finden konnte. Die ganze Verwandtschaft war in tiefer Bekümmerniß, endlich kam ein Schwarzkünstler zu der Liebsten Eltern und sprach: „den ihr suchet, hat die Nixe unterm Wasser und wird ihn auch lebendig nicht loslassen, es sey dann, daß eure Tochter und ihr Liebster Leib und Seele der Nixe verschwören, oder daß eure Tochter sich flugs an seiner Statt von den Nixen das Leben nehmen lasse, oder auch, daß der Bräutigam sich der Nixe verspreche, welches er aber jetzund nicht thun will.“ Die Braut wollte sich gleich für ihren Liebsten stellen, allein die Eltern bewilligten es nicht, sondern drangen in den Zauberer, daß er den Bräutigam schaffen solle, lebendig oder todt. Bald darauf fand man seinen Leichnam am Ufer liegen, ganz voll blauer Flecken. – Ein ähnliches soll sich mit dem Bräutigam einer Fräulein von Arnheim begeben haben, der auch im Wasser umgekommen war. Weil man aber die Stelle nicht wußte, brachte ein Zauberer durch seine Kunst zuwege, daß der Leichnam dreimal aus dem Wasser hervorsprang, worauf man an dem Ort suchte und den Todten im Grunde des Flusses fand.


[397]


308.
Der ewige Jäger.
Nach einem Meistergesang Michael Beham’s, MS. Vatic. 312. Bl. 165. mitgetheilt in der Sammlung für altd. Lit. u. Kunst von Hagen u. a. S. 43–45.


Graf Eberhard von Würtenberg ritt eines Tages allein in den grünen Wald aus und wollte zu seiner Kurzweil jagen. Plötzlich hörte er ein starkes Brausen und Lärmen, wie wenn ein Weidmann vorüber käme; erschrack heftig und fragte, nachdem er vom Roß gestanden und auf eines Baumes Tolde getreten war, den Geist: ob er ihm schaden wolle? „Nein, sprach die Gestalt, ich bin gleich dir ein Mensch und stehe vor dir ganz allein, war vordem ein Herr. An dem Jagen hatte ich aber solche Lust, daß ich Gott anflehte, er möge mich jagen lassen, bis zu dem jüngsten Tag. Mein Wunsch wurde leider erhört und schon fünfthalb hundert Jahre jage ich an einem und demselben Hirsch. Mein Geschlecht und mein Adel sind aber noch niemanden offenbart worden.“ Graf Eberhard sagte: „zeig mir dein Angesicht, ob ich dich etwan erkennen möge?“ Da entblößte sich der Geist, sein Antlitz war kaum faustgroß, verdorrt, wie eine Rübe und gerunzelt, als ein Schwamm. Darauf ritt er dem Hirsch nach und verschwand, der Graf kehrte heim in sein Land zurück.


[398]


309.
Hans Jagenteufel

Journal von und für Deutschl. 1787. II. Nr. 27.
Prätorius Weltbeschr. II. 69–72


Man glaubt: wer eine der Enthauptung würdige Unthat verrichte, die bei seinen Lebzeiten nicht herauskomme, der müsse nach dem Tod mit dem Kopf unterm Arm umgehen.

Im Jahr 1644. ging ein Weib aus Dresden eines Sonntags früh in einen nahen Wald, daselbst Eicheln zu lesen. In der Heide an einem Grund nicht weit von dem Orte, das verlorene Wasser genannt, hörte sie stark mit dem Jägerhorn blasen, darauf that es einen harten Fall, als ob ein Baum fiele. Das Weib erschrack und barg ihr Säcklein Eicheln ins Gestrüpf, bald darauf blies das Horn wieder und als sie umsah, erblickte sie auf einem Grauschimmel in langem grauen Rock einen Mann ohne Kopf reiten, er trug Stiefel und Sporn und hatte ein Hifthorn über dem Rücken hangen. Weil er aber ruhig vorbei ritt, faßte sie wieder Muth, las ihre Eicheln fort und kehrte Abends ungestört heim. Neun Tage später kam die Frau in gleicher Absicht in dieselbe Gegend und als sie. am Försterberg niedersaß, einen Apfel zu schälen, rief hinter ihr eine Stimme: „habt ihr den Sack voll Eicheln und seyd nicht gepfändet worden?“ „Nein, sprach sie, die Förster sind fromm und haben mir nichts gethan, Gott. biß mir Sünder gnädig!“ – mit diesen Worten [399] drehte sie sich um, da stand derselbe Graurock, aber ohne Pferd, wieder und hielt den Kopf mit bräunlichem, krausendem Haar unter dem Arm. Die Frau fuhr zusammen, das Gespenst aber sprach: „hieran thut ihr wohl, Gott um Vergebung eurer Sünden zu bitten, mir hats nicht so wohl werden können.“ Darauf erzählte es: vor 130 Jahren habe er gelebt und wie sein Vater Hans Jagenteufel geheißen. Sein Vater habe ihn oft ermahnt, den armen Leuten nicht zu scharf zu seyn, er aber die Lehre in den Wind geschlagen und dem Saufen und Trinken obgelegen und Böses genug gethan. Darum müsse er nun als ein verdammter Geist umwandern.





310.
Des Hackelnberg Traum.
Otmar S. 249. 250.



Hans von Hackelnberg war braunschweigischer Oberjägermeister und ein gewaltiger Weidmann. Einer Nacht hatte er auf der Harzburg einen schweren Traum; es däuchte ihm, als ob er mit einem furchtbaren Eber känpfe, der ihn nach langem Streit zuletzt besiegte. Diesen Traum konnte er gar nicht aus den Gedanken wieder los werden. Einige Zeit darnach stieß er im Vorharz wirklich auf einen Eber, dem im Traum gesehenen ähnlich. Er griff ihn an; der Kampf blieb lang unentschieden; endlich gewann Hans und streckte den Feind zu Boden nieder. Froh, als er ihn so zu [400] einen Füßen erblickte, stieß er mit dem Fuß nach den schrecklichen Hauern des Ebers und rief aus: „du sollst es mir noch nicht thun!" Aber er hatte mit solcher Gewalt gestoßen, daß der scharfe Zahn den Stiefel durchdrang und den Fuß verwundete. Erst achtete Hackelnberg der Wunde nicht und setzte die Jagd fort. Bei seiner Zurückkunft aber war der Fuß schon so geschwollen, daß der Stiefel vom Bein getrennt werden mußte. Er eilte nach Wolfenbüttel zurück; die Erscütterung des Wagens wirkte so schädlich, daß er mit genauer Mühe das Hospital zu Wülperode erreichte und bald daselbst starb. Auf seinem Grabe liegt ein Stein, der einen geharnischten Ritter auf einem Maulthier vorstellt.





311.
Die Tut-Osel.
Otmar S. 241 ff.

Mitternachts wann in Sturm und Regen der Hackelnberg "fatscht" [9] und auf dem Wagen mit Pferd und Hunden durch den Thüringerwald, den Harz und am liebsten durch den Hackel zieht, pflegt ihm eine Nachteule voranzufliegen, welche das Volk: die Tut-Osel nennt. Wanderer, denen sie aufstößt, werfen sich still auf den Bauch und lassen den wilden Jäger über sich wegfahren; und bald hören sie Hundebellen [401] und den Waidruf: hu hu! – In einem fernen Kloster zu Thüringen lebte, vorzeiten eine Nonne, Ursel geheißen, die störte mit ihrem heulenden Gesang noch bei Lebzeiten den Chor; daher nannte man sie Tut-Ursel. Noch ärger wurde es nach ihrem Tode, denn von elf Uhr Abends steckte sie den Kopf durch ein Loch des Kirchthurms und tutete kläglich und alle Morgen um vier Uhr stimmte sie ungerufen in den Gesang der Schwestern. Einige Tage ertrugen sie es; den dritten Morgen aber sagte eine voll Angst leise zu ihrer Nachbarin: „das ist gewiß die Ursel!“ Da schwieg plötzlich aller Gesang, ihre Haare sträubten sich zu Berge und die Nonnen stürzten aus der Kirche, laut schreiend: „Tut-Ursel, Tut-Ursel!“ Und keine Strafe konnte eine Nonne bewegen, die Kirche zu betreten, bis endlich ein berühmter Teufelsbanner aus einem Capucinerkloster an der Donau gehohlt wurde. Der bannte Tut-Ursel in Gestalt einer Ohreule in die Dummburg auf den Harz. Hier traf sie den Hackelnberg und fand an seinem huhu! so groß Gefallen, als er an ihrem uhu! und so ziehen sie beide zusammen auf die Luftjagd.





312.
Die schwarzen Reuter und das Handpferd.

Hanauer Landcalender vom Jahr 1730.
Hilscher vom wüthenden Heer. Dresden 1702. S. 31. 32.


Es soll vorzeiten der Rechenberger, ein Raub- und Diebsritter, mit seinem Knecht eines Nachts auf Beute [402] ausgeritten seyn. Da begegnete ihnen ein Heer schwarzer Reuter; er wich aus, konnte sich aber nicht enthalten, den letzten im Zug, der ein schön gesattelt, leeres Handpferd führte, zu fragen: wer diese wären, die da vorübergeritten? Der Reuter versetzte: „das wütende Heer.“ Drauf hielt auch der Knecht an und frug: wem doch das schöne Handpferd wäre? Dem wurde zur Antwort: „seines Herrn treustem Knecht, welcher übers Jahr todt seyn und auf diesem Pferd reiten werde.“ Dieses Rechenbergers Knecht wollte sich nun bekehren und dingte sich zu einem Abt als Stallknecht. Binnen Jahresfrist wurde er mit seinem Nebenknecht uneins, der ihn erstach.





313.
Der getreu Eckhart.

Vorrede des Heldenbuchs, ganz zuletzt.
Agricola Sprichw. 667.
Hanauischer Landcalender a. a. O.


Man sagt von dem treuen Eckhart, daß er vor dem Venusberg oder Höselberg sitze und alle Leute warne, die hineingehen wollen. Johann Kennerer, Pfarrherr zu Mansfeld, seines Alters über achtzig Jahr, erzählte, daß zu Eisleben und im ganzen Lande Mansfeld das wütend Heer vorübergezogen sey, alle Jahr auf den Faßnacht Dornstag und die Leute sind zugelaufen und haben darauf gewartet; nicht anders, als sollte ein großer mächtiger Kaiser oder König vorüberziehen. [403] Vor dem Haufen ist ein alter Mann hergangen mit einem weißen Stab, hat sich selbs den treuen Eckhart geheißen. Dieser Mann hat die Leute heißen aus dem Wege weichen, auch etliche Leute gar heimgehen, sie würden sonst Schaden nehmen. Nach diesem Mann haben etliche geritten, etliche gegangen und es sind Leute gesehen worden, die neulich an den Orten gestorben waren, auch der eins Theils noch lebten. Einer hat geritten auf einem Pferde mit zwein Füßen. Der ander ist auf einem Rade gebunden gelegen und das Rad ist von selbs umgelaufen. Der dritte hat einen Schenkel über die Achsel genommen und hat gleich sehr gelaufen. Ein ander hat kein Kopf gehabt und der Stück ohn Maßen. In Franken ists noch neulich geschehen und zu Heidelberg am Neckar hat mans oft im Jahr gesehen. Das wütende Heer erscheint in Einöden, in der Luft und im Finstern, mit Hundegebell, Blasen auf Waldhörnern und Brüllen wilder Thiere; auch siehet man dabei Hasen laufen und höret Schweine grunzen.





314.
Das Fräulein vom Willberg.
Mündlich, aus dem Corvei’schen.


Ein Mann aus Wehren bei Höxter ging nach der Amelungs-Mühle, Korn zu malen; auf dem Rückweg wollt er sich ein wenig am Teich im Lau ausruhen. [404] Da kam ein Fräulein von dem Willberg, welcher Godelheim gegenüber liegt, herab, trat zu ihm und sprach: „bringt mir zwei Eimer voll Wasser oben auf die Stolle (Spitze) vom Willberg, dann sollt ihr gute Belohnung haben.“ Er trug ihr das Wasser hinauf; oben aber sprach sie: „Morgen um diese Stunde kommt wieder und bringt den Busch Blumen mit, welchen der Schäfer vom Osterberge auf seinem Hut trägt.“ Der Mann foderte den andern Tag die Blumen von dem Osterbergs-Schäfer und erhielt sie, doch erst nach vielem Bitten. Darauf ging er wieder zu der Stolle des Willbergs, da stand das Fräulein, führte ihn zu einer eisernen Thüre und sprach: „halte den Blumen-Busch vors Schloß.“ Wie er das that, sprang die Thüre gleich auf und sie traten hinein; da saß in der Berghöhle ein klein Männlein vor dem Tisch, dessen Bart ganz durch den steinernen Tisch gewachsen war, ringsherum aber standen große, übermächtige Schätze. Der Schäfer legte vor Freude seinen Blumen-Busch auf den Tisch und fing an, sich die Taschen mit Gold zu füllen. Das Fräulein aber sprach zu ihm: „vergeßt das Beste nicht!“ Der Mann sah sich um und glaubte, damit wäre ein großer Kronleuchter gemeint, wie er aber darnach griff, kam unter dem Tisch eine Hand hervor und schlug ihm ins Angesicht. Das Fräulein sprach nochmals: „vergeßt das Beste nicht!“ Er hatte aber nichts, als die Schätze im Sinn und an den Blumen-Busch dachte er gar nicht. Als er seine Taschen gefüllt hatte, wollte er wieder fort, kaum aber [405] war er zur Thüre hinaus, so schlug sie mit entsetzlichem Krachen zu. Nun wollt’ er seine Schätze ausladen, aber er hatte nichts, als Papier in der Tasche; da fiel ihm der Blumen-Busch ein und nun sah er, daß dieser das Beste gewesen und ging traurig den Berg herunter nach Haus.





315.
Der Schäfer und der Alte aus dem Berg.
Mündlich, aus Wernigerode.


Nicht weit von der Stadt Wernigerode befindet sich in einem Thale eine Vertiefung in steinigem Erdboden, welche das Weinkeller-Loch genannt wird und worin große Schätze liegen sollen. Vor vielen Jahren weidete ein armer Schäfer, ein frommer und stiller Mann, dort seine Heerde. Einmal, als es eben Abend werden wollte, trat ein greiser Mann zu ihm und sprach: „folge mir, so will ich dir Schätze zeigen, davon du dir nehmen kannst, so viel du Lust hast.“ Der Schäfer überließ dem Hund die Bewachung der Heerde und folgte dem Alten. In einer kleinen Entfernung that sich plötzlich der Boden auf, sie traten beide ein und stiegen in die Tiefe, bis sie zu einem Gemach kamen, in welchem die größten Schätze von Gold und edlen Steinen aufgethürmt lagen. Der Schäfer wählte sich einen Goldklumpen und jemand, den er nicht sah, sprach zu ihm: „bringe das Gold dem [406] Goldschmidt in die Stadt, der wird dich reichlich bezahlen.“ Darauf leitete ihn sein Führer wieder zum Ausgang und der Schäfer that, wie ihm geheißen war und erhielt von dem Goldschmidt eine große Menge Geldes. Erfreut brachte er es seinem Vater, dieser sprach: „versuche noch einmal in die Tiefe zu steigen.“ „Ja, Vater, antwortete der Schäfer, ich habe dort meine Handschuhe liegen lassen, wollt ihr mitgehen, so will ich sie holen.“ In der Nacht machten sich beide auf, fanden die Stelle und den geöffneten Boden und gelangten zu den unterirdischen Schätzen. Es lag noch alles, wie das erstemal, auch die Handschuhe des Schäfers waren da; beide luden so viel in ihre Taschen, als sie tragen konnten und gingen dann wieder heraus, worauf sich der Eingang mit lautem Krachen hinter ihnen schloß. Die folgende Nacht wollten sie es zum drittenmal wagen, aber sie suchten lange hin und her, ohne die Stelle des Eingangs, oder auch nur eine Spur, zu entdecken. Da trat ihnen der alte Mann entgegen und sprach zum Schäfer: „hättest du deine Handschuhe nicht mitgenommen, sondern unten liegen gelassen, so würdest du auch zum drittenmal den Eingang gefunden haben, denn dreimal sollte er dir zugänglich und geöffnet seyn; nun aber ist er dir auf immer unsichtbar und verschlossen.“ Geister, heißt es, können das, was in ihrer Wohnung von den irdischen Menschen zurückgelassen worden, nicht behalten und haben nicht Ruh, bis es jene wieder zu sich genommen.


[407]


316.
Jungfrau Ilse.

Otmar S. 171 - 174.
Quedlinb. Sammlung. S. 204. 205.


Der Ilsenstein ist einer der größten Felsen des Harzgebirges, liegt auf der Nordseite in der Grafschaft Wernigerode unweit Ilsenburg am Fuß des Brockens und wird von der Ilse bespült. Ihm gegenüber ein ähnlicher Fels, dessen Schichten zu diesem passen und bei einer Erderschütterung davon getrennt zu seyn scheinen.

Bei der Sündfluth flohen zwei Geliebte dem Brocken zu, um der immer höher steigenden allgemeinen Ueberschwemmung zu entrinnen. Eh sie noch denselben erreichten und gerade auf einem andern Felsen zusammenstanden, spaltete sich solcher und wollte sie trennen. Auf der linken Seite, dem Brocken zugewandt, stand die Jungfrau; auf der rechten der Jüngling und miteinander stürzten sie umschlungen in die Fluten. Die Jungfrau hieß Ilse. Noch alle Morgen schließt sie den Ilsenstein auf, sich in der Ilse zu baden. Nur wenigen ist es vergönnt, sie zu sehen, aber wer sie kennt, preist sie. Einst fand sie frühmorgens ein Köhler, grüßte sie freundlich und folgte ihrem Winken bis vor den Fels; vor dem Fels nahm sie ihm seinen Ranzen ab, ging hinein damit und brachte ihn gefüllt zurück. Doch befahl sie dem Köhler, er sollte ihn erst in seiner Hütte öffnen. Die Schwere fiel ihm auf [408] und als er auf der Ilsenbrücke war, konnt er sich nicht länger enthalten, machte den Ranzen auf und sah Eicheln und Tannäpfel. Unwillig schüttelte er sie in den Strom, sobald sie aber die Steine der Ilse berührten, vernahm er ein Klingeln und sah mit Schrecken, daß er Gold verschüttet hatte. Der nun sorgfältig aufbewahrte Ueberrest in den Ecken des Sacks machte ihn aber noch reich genug. – Nach einer andern Sage stand auf dem Ilsenstein vorzeiten eines Harzkönigs Schloß, der eine sehr schöne Tochter Namens Ilse hatte. Nah dabei hauste eine Hexe, deren Tochter über alle Maßen häßlich aussah. Eine Menge Freier warben um Ilse, aber niemand begehrte die Hexentochter, da zürnte die Here und wandte durch Zauber das Schloß in einen Felsen, an dessen Fuße sie eine nur der Königstochter sichtbare Thüre anbrachte. Aus dieser Thüre schreitet noch jetzo alle Morgen die verzauberte Ilse und badet sich im Flusse, der nach ihr heißt. Ist ein Mensch so glücklich und sieht sie im Bade, so führt sie ihn mit ins Schloß, bewirthet ihn köstlich und entläßt ihn reichlich beschenkt. Aber die neidische Hexe macht, daß sie nur an einigen Tagen des Jahrs im Bad sichtbar ist. Nur derjenige vermag sie zu erlösen, der mit ihr zu gleicher Zeit im Flusse badet und ihr an Schönheit und Tugend gleicht.


[409]


317.
Die Heidenjungfrau zu Glatz.
Belurius glätzische Chronik. Lpzg. 1625. 4. S. 124–128. vgl. S. 86.


Alte und junge Leute zu Glatz erzählten: in der heidnischen Zeit habe da eine gottlose, zauberhafte Jungfrau das Land beherrscht, die mit ihrem Ranzenbogen vom Schloß herab bis zur großen eisersdorfer Linde geschossen, als sie mit ihrem Bruder gewettet: wer den Pfeil am weitesten schießen könnte. Des Bruders Pfeil reichte kaum auf den halben Weg, und die Jungfrau gewann. An dieser Linde stehet die Grenze, und sie soll so alt seyn, wie der Heidenthurm zu Glatz und wenn sie gleich einmal oder das ander verdorret, so ist sie doch immer ausgewachsen und stehet noch. Auf der Linde saß einmal die Wahrsagerin und weissagte von der Stadt viel zukünftige Dinge: der Türk werde bis nach Glatz dringen, aber wenn er über die steinerne Brücke auf den Ring einziehe, eine schwere Niederlage erleiden durch die vom Schloß herab auf ihn ziehenden Christen; solches werde aber nicht geschehen, bevor ein Haufen Kraniche durch die Brotbänke geflogen. – Zum Zeichen, daß die Jungfrau ihren Bruder mit dem Bogen überschossen, setzte man auf der Meile hinter dem Graben zween spitzige Steine. Weil sie aber mit ihrem eigenen Bruder unerlaubte Liebe gepflogen, war sie vom Volk verabscheut und es wurde ihr nach dem Leben getrachtet, allein sie wußte [410] durch ihre Zauberkunst und Stärke, da sie oftmals aus Kurzweile ein ganzes Hufeisen zerriß, stets zu entrinnen. Zuletzt jedoch blieb sie gefangen und in einem großen Saal, welcher bei dem Thor, dadurch man aus dem Niederschloß ins Oberschloß gehet, vermauert. Da kam sie ums Leben und zum Andenken stehet ihr Bildniß links deßelben Thors an der Mauer über den tiefen Graben in Stein ausgehauen und wird bis auf den heutigen Tag allen fremden Leuten gezeigt. Außerdem hing ihr Gemählde im grünen Schloßsaal und in der Schloßkirche an einem eisernen Nagel in der Wand schön gelbes Haar, etlichemal aufgeflochten nach der Länge. Die Leute nennen es allgemein: das Haar der Heidenjungfrau; es hanget so hoch, daß es ein großer Mann auf der Erden stehend mit der Hand erreichen kann, ungefähr drei Schritt von der Thüre weit. Sie soll in der Gestalt und Kleidung, wie sie abgemalet wird, öfters im Schlosse erscheinen, beleidiget doch niemanden, außer wer sie höhnt und spottet, oder ihre Haarflechte aus der Kirche wegzunehmen gedenkt. Zu einem Soldat, der sie verspottet, kam sie auf die Schildwache und gab ihm mit kalter Hand einen Backenstreich. Einem andern, der das Haar entwendet, erschien sie Nachts, kratzte und krengelte ihn bis nahe an den Tod, wenn er nicht schnell durch seinen Rottgesellen das Haar wieder an den alten Ort hätte tragen lassen.


[411]

318.
Der Roßtrapp und der Cretpfuhl.

Behrens Harzwald S. 121 und 130.
Seyfried in medulla p. 428.
Melissantes Orograph. h. v.
Otmar S. 181–186.
Quedlinburger Samml. S. 125–128. 147. 148.

Den Roßtrapp oder die Roßtrappe nennt man einen Felsen mit einer eirunden Vertiefung, welche einige Aehnlichkeit mit dem Eindruck eines riesenmäßigen Pferdehufs hat, in dem hohen Vorgebirge des Nordharzes, hinter Thale. Davon folgende abweichende Sagen:

1) Eines Hühnenkönigs Tochter stellte vor Zeiten die Wette an, mit ihrem Pferde über den tiefen Abgrund, Creful genannt, von einem Felsen zum andern zu springen. Zweimal hatte sie es glücklich verrichtet, beim drittenmale aber schlug das Roß rückwärts über und stürzte mit ihr in die Schlucht hinab. Darin befindet sie sich immer noch. Ein Taucher hatte sie einmal einigen zu Gefallen um ein Trinkgeld so weit außer Wasser gebracht, daß man etwas von der Krone sehen konnte, die sie auf dem Haupt getragen. Als er zum drittenmal dran sollte, wagte ers anfänglich nicht, entschloß sich zuletzt doch und vermeldete dabei: „wenn aus dem Wasser ein Blutstrahl steigt, so hat mich die Jungfrau umgebracht; dann eilet alle davon, daß ihr nicht auch in Gefahr gerathet.“ Wie er sagte, geschahs, ein Blutstrahl stieg auf.

[412] 2) Vor Alters wohnte ein König auf den herumgelegenen alten Schlössern, der eine sehr schöne Tochter hatte. Diese wollte ein Prinz, der sich in sie verliebte, entführen und verband sich dazu mit dem Teufel, durch dessen schwarze Kunst er ein Pferd aus der Hölle bekam. So entführte er sie und beim Uebersetzen von Fels zu Felsen schlug das Roß mit dem Hufeisen dieses Wahrzeichen ein.

3) Eine Königstochter wohnte am Harz und hatte wider den Willen ihres Vaters eine geheime Liebschaft. Um sich vor seinem Zorn zu retten, floh sie, nahm die Königskrone mit und wollte sich in den Felsen bergen. Auf dem Felsen jenseits, gegenüber dem Roßtrapp, sollen noch die Radenägel ihres Fuhrwerks eingedrückt seyn. Sie wurde verfolgt und umringt. Es war keine Rettung übrig als einen Sprung ans andre Ufer zu wagen. Die Jungfrau sah das, da tanzte sie noch einmal zu guter Letzt, als wäre es ihr Hochzeittag und davon bekam der Fels den Namen Tanzplatz. Dann that sie glücklich den großen Sprung; wo ihr Roß den ersten Fuß hinsetzte, drückte sich sein Huf ein, fortan hieß dieser Fels der Roßtrapp. In der Luft war ihr aber die unschätzbare Krone vom Haupt gefallen in einen tiefen Strudel der Bode, davon das Kronenloch benannt. Da liegt sie noch auf den heutigen Tag.

4) Vor tausend und mehr Jahren, ehe noch die Raubritter die Hoymburg, Leuenburg, Steckelnburg und Winzenburg erbauten, war das Land rings um [413] den Harz von Riesen bewohnt, die Heiden und Zauberer waren, Raub, Mord und Gewaltthat übten. Sechzigjährige Eichen rissen sie sammt den Wurzeln aus und fochten damit. Was sich entgegenstellte wurde mit Keulen medergeschlagen und die Weiber in Gefangenschaft fortgeschleppt, wo sie Tag und Nacht dienen mußten. In dem Boheimer Walde hauste dazumal ein Riese, Bodo genannt. Alles war ihm unterthan, nur Emma, die Königstochter vom Riesengebirge, die konnte er nicht zu seiner Liebe zwingen. Stärke noch List halfen ihm nichts, denn sie stand mit einem mächtigen Geiste im Bund. Einst aber ersah sie Bodo jagend auf der Schneekoppe und sattelte sogleich seinen Zelter, der meilenlange Fluren im Augenblick, übersprang, er schwur, Emma zu sahen oder zu sterben. Fast hätt er sie erreicht, als sie ihn aber zwei Meilen weit von sich erblickte und an den Thorflügeln eines zerstörten Städtleins, welche er im Schild führte, erkannte, da schwenkte sie schnell das Roß. Und von ihren Spornen getrieben flog es über Berge, Klippen und Wälder durch Thüringen in die Gebirge des Harzes. Oft hörte sie einige Meilen hinter sich das schnaubende Roß Bodos und jagte dann den nimmermüden Zelter zu neuen Sprüngen auf. Jetzt stand ihr Roß verschnaufend auf dem furchtbaren Fels, der Teufels Tanzplatz heißt. Angstvoll blickte Emma in die Tiefe, denn mehr als tausend Fuß ging senkrecht die Felsenmauer herab zum Abgrund. Tief rauschte der Strom unten und kreiste in furchtbaren Wirbeln. [414] Der entgegenstehende Fels schien noch entfernter und kaum Raum zu haben für einen Vorderfuß des Rosses. Von neuem hörte sie Bodos Roß schnauben, in der Angst rief sie die Geister ihrer Väter zu Hülfe und ohne Besinnung drückte sie ihrem Zelter die ellenlangen Spornen in die Seite. Und das Roß sprang über den Abgrund, glücklich auf die spitze Klippe und schlug seinen Huf vier Fuß tief in das harte Gestein, daß die Funken stoben. Das ist jener Roßtrapp. Die Zeit hat die Vertiefung kleiner gemacht, aber kein Regen kann sie ganz verwischen. Emma war gerettet, aber die centnerschwere goldne Königskrone fiel während des Sprungs von ihrem Haupt in die Tiefe. Bodo, in blinder Hitze nachsetzend, stürzte in den Strudel und gab dem Fluß den Namen. (Die Bode ergießt sich mit der Emme und Saale in die Elbe.) Hier als schwarzer Hund bewacht er die goldne Krone der Riesentochter, daß kein Gelddurstiger sie heraushohle. Ein Taucher wagte es einst unter großen Versprechungen. Er stieg in die Tiefe, fand die Krone und hob sie in die Höhe, daß das zahllos versammelte Volk schon die Spitzen golden schimmern sah. Aber zu schwer, entsank sie zweimal seinen Händen. Das Volk rief ihm zu, das drittemal hinabzusteigen. Er thats und ein Blutstrahl sprang hoch in die Höhe. Der Taucher kam nimmer wieder auf. Jetzo deckt tiefe Nacht und Stille den Ungrund, kein Vogel fliegt darüber. Nur um Mitternacht hört man oft in der Ferne das dumpfe Hundegeheul des Heiden. Der Strudel heißt: der [415] Kreetpfuhl [10] und der Fels, wo Emma die Hülfe der Höllengeister erflehte, des Teufels Tanzplatz.

5) In Böhmen lebte vorzeiten eine Königstochter, um die ein gewaltiger Riese warb. Der König, aus Furcht seiner Macht und Stärke, sagte sie ihm zu. Weil sie aber schon einen andern Liebhaber hatte, der aus dem Stamm der Menschen war, so widersetzte sie sich dem Bräutigam und dem Befehl ihres Vaters. Aufgebracht wollte der König Gewalt brauchen und setzte die Hochzeit gleich auf den nächsten Tag. Mit weinenden Augen klagte sie das ihrem Geliebten, der zu schneller Flucht rieth und sich in der finstern Nacht einstellte, die getroffene Verabredung ins Werk zu setzen. Es hielt aber schwer zu entfliehen, die Marställe des Königs waren verschlossen und alle Stallmeister ihm treu und ergeben. Zwar stand des Riesen ungeheurer Rappe in einem für ihn eigends erbauten Stalle, wie sollte aber eine schwache Frauenhand das mehr denn zehn Ellen hohe Unthier leiten und lenken? und wie war ihm beizukommen, da es an einer gewaltig dicken Kette lag, die ihm statt Halfters diente und dazu mit einem großen Schlosse verwahrt war, dessen Schlüssel der Riese bei sich trug? Der Geliebte half aber aus, er stellte eine Leiter ans Pferd und hieß die Königstochter hinaufsteigen; dann that er einen mächtigen Schwerteshieb auf die Kette, daß sie [416] von einander sprang, schwang sich selbst hinten auf und in einem Flug gings auf und davon. Die kluge Jungfrau hatte ihre Kleinode mitgenommen, dazu ihres Vaters goldne Krone aufs Haupt gesetzt. Während sie nun auf Gerathewohl forteilten, fiels dem Riesen ein, in dieser Nacht auszureiten. Der Mond schien hell und er stand auf, sein Roß zu satteln. Erstaunt sah er den Stall leer, es gab Lärm im ganzen Schlosse und als man die Königstochter aufwecken wollte, war sie auch verschwunden. Ohne sich lange zu besinnen, bestieg der Bräutigam das erste beste Pferd und jagte über Stock und Block. Ein großer Spürhund witterte den Weg, den die Verliebten genommen hatten; nahe am Harzwalde kam der Riese hinter sie. Da hatte aber auch die Jungfrau den Verfolger erblickt, wandte den Rappen flugs und sprengte waldein, bis der Abgrund, in welchem die Bode fließt, ihren Weg durchschneidet. Der Rappe stutzt einen Augeyblick und die Liebenden sind in großer Gefahr. Sie blickt hinterwärts und in strengem Gallop nahet der Riese, da stößt sie muthig dem Rappen in die Rippen. Mit einem gewaltigen Sprung, der den Eindruck eines Hinterhufes im Felsen läßt, setzt er über und die Liebenden sind gerettet. Denn die Mähre des nacheilenden Riesen springt seiner Schwere wegen zu kurz und beide mit gräßlichem Geprassel fallen in den Abgrund. Auf dem jenseitigen Rand stehet die Königstochter und tanzt vor Freuden. Davon heißt die Stätte noch jetzt Tanzplatz. Doch hat sie im Taumel des Sprungs [417] die Krone verloren, die in den Kessel der Bode gefallen ist. Da liegt sie noch heut zu Tag, von einem großen Hunde mit glühenden Augen bewacht. Schwimmer, die der Gewinn geblendet, haben sie mit eigner Lebensgefahr aus der Tiefe zu hohlen gesucht, aber beim Wiederkommen ausgesagt: daß es vergebens sey, der große Hund sinke immer tiefer, so wie sie ihm nahe kämen und die goldne Krone stehe nicht mehr zu erlangen.





319.
Der Mägdesprung.

Quedlinburger Sammlung S. 67.
Otmar S. 195-198. vgl S. 53.
Behrens Harzwald S. 131.
Seyfried in medulla p. 428.
Melissantes orograph. h. v.


Zwischen Ballenstedt und Harzgerode in dem Selkethal zeigt das Volk auf einen hohen, durch eine Säule ausgezeichneten Felsen, auf eine Vertiefung im Gestein, die einige Ähnlichkeit mit der Fußtapfe eines Menschen hat und 80 bis 100 Fuß weiter auf eine zweite Fußtapfe. Die Sage davon ist aber verschieden.

Eine Hühnin oder Riesentochter erging sich einst auf dem Rücken des Harzes von dem Petersberge herkommend. Als sie die Felsen erreicht hatte, die jetzt über den Hüttenwerken stehen, erblickte sie ihre Gespielin, die ihr winkte, auf der Spitze des Rammberges, Lange stand sie so zögernd, denn ihren Standort und [418] den nächsten Berggipfel trennte ein breites Thal. Sie blieb hier so lange, daß sich ihre Fußtapfe ellentief in den Felsen drückte, wovon heut zu Tag noch die schwachen Spuren zu sehn sind. Ihres Zögerns lachte höhnisch ein Knecht des Menschenvolks, das diese Gegend bewohnte, und der bei Harzgerode pflügte. Die Hühnin merkte das, streckte ihre Hand aus und hob den Knecht sammt Pflug und Pferden in die Höhe, nahm alles zusammen in ihr Obergewand und sprang damit über das Thal weg und in einigen Schritten hatte sie ihre Gespielin erreicht.

Oft hört man erzählen: die Königstochter sey in ihrem Wagen gefahren kommen und habe auf das jenseitige Gebirg gewollt. Flugs that sie den Wagen nebst den Pferden in die Schürze und sprang von einem Berg nach dem andern.

Endlich werden die Fußtritte einer Bauerdirne zugeschrieben, die zu ihrem Liebhaber, einem Schäfer, jenseits den Sprung gemacht und beim Ansatz so gewaltig aufgetreten habe, daß sich ihre Spur eindrückte. Auch ein Ziegenbock scheint hierbei im Spiel gewesen zu seyn.





320.
Der Jungfernsprung.
Peschek’s Oybin bei Zittau. Leipz. 1804. S. 33. 34.


In der Lausitz unfern der böhmischen Grenze ragt ein steiler Felsen, Oybin genannt, hervor, auf dem [419] man den Jungfernsprung zu zeigen und davon zu erzählen pflegt: vorzeiten sey eine Jungfrau in das jetzt zertrümmerte Bergkloster zum Besuch gekommen. Ein Bruder sollte sie herumführen und ihr die Gänge und Wunder der Felsengegend zeigen; da weckte ihre Schönheit sündhafte Lust in ihm und sträflich streckte er seine Arme nach ihr aus. Sie aber floh und flüchtete von dem Mönche verfolgt den verschlungenen Pfad entlang; plötzlich stand sie vor einer tiefen Kluft des Berges und sprang keusch und muthig in den Abgrund. Engel des Herrn faßten und trugen sie sanft ohne einigen Schaden hinab.

Andere behaupten: ein Jäger habe auf dem Oybin ein schönes Bauernmädchen wandeln sehen und sey auf sie losgeeilt. Wie ein gejagtes Reh stürzte sie durch die Felsengänge, die Schlucht öffnete sich vor ihren Augen und sie sprang unversehrt nieder bis auf den Boden.

Noch andere berichten: es habe ein rasches Mädchen mit ihren Gespielinnen gewettet, über die Kluft wegzuspringen. Im Sprung aber glischte ihr Fuß aus dem glatten Pantoffel und sie wäre zerschmettert worden, wo sie nicht glücklicherweise ihr Reifrock allenthalben geschützt und ganz sanft bis in die Tiefe hinunter gebracht hätte.


[420]


321.
Der Harrassprung.
Körner’s Nachlaß S. 71–74.


Bei Lichtenwalde im sächsischen Erzgebirge zeigt man an dem Zschopauthal eine Stelle, genannt der Harrassprung, wo vor Zeiten ein Ritter, von seinen Feinden verfolgt, die steile Felsenwand hinunter in den Abgrund geritten seyn soll. Das Roß wurde zerschmettert, aber der Held entkam glücklich auf das jenseitige Ufer.





322.
Der Riese Hidde.
Pierius Winsemius Geschiedenisse van Friesland. Franeker 1622. fol. Buch III. S. 93.


Zu Carls des Großen Zeit lebte ein Friese Namens Hidde, groß von Leib und ein starker Mann, ging ins Land Braunschweig und wurde vom Herzog zum Vogt seiner Wälder und Bäume gemacht. Als er einmal durch die Wildniß ging, stieß er auf eine Löwin mit ihren jungen Welpen im Nest, tödtete die Alte und brachte die Jungen, als Wölfe die er gefangen habe, dem Herzog an Hof. Diesem gefiel die Einfalt des Mannes, welcher keinen Unterschied machte zwischen Löwen und Wölfen und begabte ihn mit vielen Ländereien in der Gegend der Elbe. Da baute er sich ein Wohnhaus und nannte es Hiddesacker nach seinem Namen.


[421]
323.
Das ilefelder Nadelöhr.
Behrens cur. Harzwald S. 126. 127.

Bei dem Kloster Ilefeld, zur linken Hand gleich bei dem Harzfahrwege, steht aus einem hohen Berg ein starker Stein hervor, der in seiner Mitte eine enge und schmale durchgehende Höhle hat. Alle Knechte aus Nordhausen und den umliegenden Örtern, wann sie das erstemal in den Harzwald hinter Ilefeld nach Brennholz fahren, müssen durch dieses Nadelöhr dreimal kriechen, mit großer Müh und Beschwerde, und werden beim Ein- und Auskriechen von ihren Cameraden dazu mit Peitschenstielen tapfer abgeschlagen. Wollen sie die Kurzweil nicht ausstehen, so müssen sie sich mit Gelde loskaufen. Die Obrigkeit hat diese Sitte schon mehrmals bei ziemlicher Strafe, aber fruchtlos verboten und der Knecht, der sich dem Brauch entziehen will, hat vor seinen Cameraden keinen Frieden und wird nicht bei ihnen gelitten. Vom Ursprung dieses Steins gibt der gemeine Mann vor: ein Hühne sey einsmals etliche Meilen Wegs gereist; als er nun hinter Ilefeld gekommen, habe er gefühlt, daß ihn etwas in dem einen Schuh drücke, ihn also ausgezogen und diesen Stein drin gefunden. Darauf habe er den Stein an den Ort, wo er noch liege, geworfen.

[422]
324.
Die Riesen zu Lichtenberg.
Mündlich, aus dem Odenwald.

Der Lichtenberg ist ein Bergschloß, das man späterhin aus den uralten Trümmern wieder erneuert hat, und in allen Dörfern, die in seiner Nähe liegen, lebt noch die Sage fort, daß es hier vor alten Zeiten Riesen gegeben habe. Unter den Steinen befinden sich manche, die keine Menschenkraft den jähen Berg hinauf hätte tragen können. Ein Riese schleppte einen über achtzig Centner schweren Block auf seiner Schulter herbei, aber er zerbrach ihm unterwegs und blieb eine Stunde von Lichtenberg auf der Höhe liegen; er wird noch heutzutag Riesenstein genannt. Im Schloß wird ein Knochen, anderthalb Schuh im Umfang haltend und mit einem andern, einen halben Schuh dicken, einen Fuß langen Bein verwachsen, aufbewahrt; auch soll daselbst vor fünf und zwanzig Jahren noch eine ungeheure Bettlade außer den Knochen zu sehen gewesen seyn. Es wird auch wiederum erzählt, daß die Riesenfrau einmal weiter als gewöhnlich von dem Lichtenberg weggegangen sey und einen Bauer getroffen habe, der mit Ochsen seinen Acker pflügte. Das hatte sie noch nie gesehn, nahm also Bauer, Pflug und Ochsen zusammen in ihre Schürze und brachte es ihren, Mann aufs Schloß mit den Worten: „sieh einmal Mann, was ich für schöne Thierchen gefunden habe.“

[423]
325.
Das Hühnenblut.
Otmar S. 267–270.

Zwischen dem magdeburgischen Städtchen Egeln und dem Dorfe Westeregeln, unweit des Hakels, findet sich in einer flachen Vertiefung rothes Wasser, welches das Volk: Hühnenblut nennet. Ein Hühne floh verfolgt von einem andern, überschritt die Elbe und als er in die Gegend kam, wo jetzo Egeln liegt, blieb er mit einem Fuße, den er nicht genug aufhob, an der Thurmspitze der alten Burg hangen, stolperte, erhielt sich noch ein Paar tausend Fuß zwischen Fall und Aufstehen, stürzte aber endlich nieder. Seine Nase traf gerade auf einen großen Feldstein bei Westeregeln mit solcher Gewalt, daß er das Nasenbein zerschmetterte und ihm ein Strom von Blut entstürzte, dessen Ueberreste noch jetzt zu sehen sind.

Nach einer zweiten Erzählung, wohnte der Hühne in der Gegend von Westeregeln. Oft machte er sich das Vergnügen, über das Dorf und seine kleinen Bewohner wegzuspringen. Bei einem Sprung aber ritzte er seine große Zehe an der Thurmspitze, die er berührte. Das Blut sprützte aus der Wunde in einem tausendfüßigen Bogen, bis in die Lache, in der sich das nieversiegende Hühnenblut sammelte. [424]


326.
Es rauscht im Hühnengrab.
Micrälius Pomm. Gesch. B. II. c. 52.


Bei Cößlin in Pommern zeigt man einen Hühnenberg, und man hat da ein großes Horn, ein großes Schwert und ungeheure Knochen ausgegraben. Auch in Vorpommern sollen vor Zeiten Riesen gewesen seyn. In der Gegend von Greifswalde ließ man 1594. solche Hühnengräber „kleuben und abschlichten,“ da fanden die Steinmetzen Leiber elf und wohl sechszehn Schuh lang, und Krüge daneben. Wie sie aber an einen andern Graben, dem vorigen gleich, kamen und ihn auch versuchen wollten, soll sich ihrem Vorgeben nach ein Getümmel, als wenn etwas mit Schlüsseln um sie herrauschte und tanzte, haben vernehmen lassen. Da standen sie ab vom Stören des Grabs.





327.
Todte aus den Gräbern wehren dem Feind.
Otmar’s Samml.


Wehrstedt, ein Dorf nahe bei Halberstadt, hat nach der Sage seinen Namen davon erhalten, daß bei einem gefahrvollen Ueberfall fremder Heiden, da die Landesbewohner der Uebermacht schon unterlagen, die Todten aus den Gräbern aufstanden, diese Unholde tapfer abwehrten und so ihre Kinder retteten.


[425]

328.
Hans Heilings Felsen.
Körner’s Nachlaß 2. 132–152. aus der deutschböhmischen Volkssage, vgl. 174.

An der Eger, dem Dorfe Aich gegenüber, ragen seltsame Felsen empor, die das Volk: Hans Heilings Felsen nennt und wovon es heißt: vor alten Zeiten habe ein gewisser Mann, Namens Hans Heiling, im Lande gelebt, der genug Geld und Gut besessen, aber sich jeden Freitag in sein Haus verschlossen und diesen Tag über unsichtbar geblieben sey. Dieser Heiling stand mit dem Bösen im Bunde und floh, wo er ein Kreuz sah. Einst soll er sich in ein schönes Mädchen verliebt haben, die ihm auch anfangs zugesagt, hernach aber wieder verweigert worden war. Als diese mit ihrem Bräutigam und vielen Gästen Hochzeit hielt, erschien Mitternachts zwölf Uhr Heiling plötzlich unter ihnen und rief laut: „Teufel, ich lösche dir deine Dienstzeit, wenn du mir diese vernichtest!“ Der Teufel antwortete: „so bist du mein“ und verwandelte alle Hochzeitleute in Felsensteine. Braut und Bräutigam stehen da, wie sie sich umarmen; die übrigen mit gefaltenen Händen. Hans Heiling stürzte vom Felsen in die Eger hinab, die ihn zischend verschlang und kein Auge hat ihn wieder gesehen. Noch jetzt zeigt man die Steinbilder, die Liebenden, den Brautvater und die Gäste; auch die Stelle, wo Heiling hinabstürzte.


[426]
329.
Die Jungfrau mit dem Bart.
Prätorius Wünschelruthe S. 152–153. aus mündl. Erzählung.
vgl. Kinder- und Haus-Märchen II. 66.

Zu Salfeld mitten im Fluß steht eine Kirche, zu welcher man durch eine Treppe von der nahgelegenen Brücke eingeht, worin aber nicht mehr gepredigt wird. An dieser Kirche ist als Beiwappen oder Zeichen der Stadt in Stein ausgehauen eine gekreuzigte Nonne, vor welcher ein Mann mit einer Geige kniet, der neben sich einen Pantoffel liegen hat. Davon wird folgendes erzählt. Die Nonne war eine Königs-Tochter und lebte zu Salfeld in einem Kloster. Wegen ihrer großen Schönheit verliebte sich ein König in sie und wollte nicht nachlassen, bis sie ihn zum Gemahl nähme. Sie blieb ihrem Gelübde treu und weigerte sich beständig, als er aber immer von neuem in sie drang und sie sich seiner nicht mehr zu erwehren wußte, bat sie endlich Gott, daß er zu ihrer Rettung die Schönheit des Leibes von ihr nähme und ihr Ungestaltheit verliehe; Gott erhörte die Bitte und von Stund an wuchs ihr ein langer, häßlicher Bart. Als der König das sah, gerieth er in Wuth und ließ sie ans Kreuz schlagen.

Aber sie starb nicht gleich, sondern mußte in unbeschreiblichen Schmerzen etliche Tage am Kreuz schmachten. Da kam in dieser Zeit aus sonderlichem Mitleiden ein Spielmann, der ihr die Schmerzen lindern und die Todes-Noth versüßen wollte. Der hub an und spielte [427] auf seiner Geige, so gut er vermogte, und als er nicht mehr stehen konnte vor Müdigkeit, da kniete er nieder und ließ seine tröstliche Musik ohn Unterlaß erschallen. Der heiligen Jungfrau aber gefiel das so gut, daß sie ihm zum Lohn und Angedenken einen köstlichen, mit Gold und Edelstein gestickten Pantoffel von dem einen Fuß herabfallen ließ.


330.
Die weiße Jungfrau zu Schwanau.
Joh. Müller Schweiz. Gesch. II. 3.

Die freien Schweizer brachen die Burg Schwanau auf dem lowerzer See, weil darin der böse und grausame Vogt des Kaisers wohnte. Einmal jährlich erschüttert bei nächtlicher Stille ein Donner die Trümmer und ertönt im Thurm Klaggeschrei; rings um die Mauer wird der Vogt von dem weißgekleideten Mädchen, das er entehrt hatte, verfolgt, bis er mit Geheule sich in den See stürzt. Drei Schwestern flohen vor der Vögte Lust in des Rigi Klüfte und sind nimmer wieder herausgekommen. Sanct Michels Capelle bezeichnet den Ort.


331.
Schwarzkopf und Seeburg am Mummel-See.
Erzählungen und Märchen von Gustav. Lpzg. 1804.

Der Mummel-See liegt im tiefen Murgthale rings von ehemaligen Burgen umgeben; gegeneinander stehen [428] die Ueberreste. der ehemaligen Festen Schwarzkopf und Seeburg. Die Sage erzählt, daß jeden Tag, wann Dämmerung die Bergspitzen verhüllt, von der Seite des Seeburger Burghofes dreizehn Stück Rothwild zu einem Pförtchen herein, über den Platz, und zu dem entgegengesetzten flügellosen Burgthore hinaus eilen. Geübte Wildschützen bekamen von diesen Thieren immer eins, aber nie mehr in ihre Gewalt. Die andern Kugeln gingen fehl, oder fuhren in die Hunde. Kein Jäger schoß seit der Zeit auf ein anderes Thier, als das in diesem Zuge lief und sich durch Größe und Schönheit auszeichnete. Von diesem täglichen Zuge ist jedoch der Freitag ausgenommen, der deswegen den noch jetzt üblichen Namen Jäger-Sabbath erhielt und an welchem niemand die Seeburg betritt. Aber an diesem Tage, um die Mitternacht, wird eine andere Erscheinung gesehen. Zwölf Nonnen, in ihrer Mitte ein blutender Mann, in dessen Leib zwölf Dolche stecken, kommen durch die kleine Waldpforte in den Hof und wandeln still dem großen Burgthore zu. In diesem Augenblick erscheint aus dem Portale eine ähnliche Reihe, bestehend in zwölf ganz schwarzen Männern, aus deren Leibern Funken sprühen und überall brennende Flecken hervorlodern; sie wandeln dicht an den Nonnen und ihrem blutigen Begleiter vorüber, in ihrer Mitte aber schleicht eine weibliche Gestalt. Dieses Gesicht erklärt die Sage auf folgende Weise: in der Seeburg lebten zwölf Brüder, Raub-Grafen, und bei ihnen eine gute Schwester; auf dem Schwarzkopf aber ein [429] edler Ritter Mit zwölf Schwestern. Es geschah, daß die zwölf Seeburger in einer Nacht die zwölf Schwestern vom Schwarzkopf entführten, dagegen aber auch der Schwarzkopfer die einzige Schwester der zwölf Raubgrafen in seine Gewalt bekam. Beide Theile trafen in der Ebene des Murgthals auf einander und es entstand ein Kampf, in welchem die Seeburger bald die Oberhand erhielten und den Schwarzkopfer gefangen nahmen. Sie führten ihn auf die Burg und jeder von den Zwölfen stieß ihm einen Dolch vor den Augen seiner sterbenden Geliebten, ihrer Schwester, in die Brust. Bald darnach befreiten sich die zwölf geraubten, Schwestern aus ihren Gemächern, suchten die zwölf Dolche aus der Brust ihres Bruders und tödteten in der Nacht sämmtliche Mord-Grafen. Sie flüchteten nach der That, wurden aber von den Knechten ereilt und getödtet. Als hierauf das Schloß durch Feuer zerstört ward, da sah man die Mauern, in welchen die Jungfrauen geschmachtet, sich öffnen, zwölf weibliche Gestalten, jede mit einem Kindlein auf dem Arm, traten hervor, schritten zu dem Mummel-See und stürzten sich in seine Fluten. Nachher hat das Wasser die zertrümmerte Burg verschlungen, in welcher Gestalt sie noch hervorragt.

Ein armer Mann, der in der Nähe des Mummel-Sees wohnte und oftmals für die Geister des Wassers gebätet hatte, verlor seine Frau durch den Tod. Abends darauf hörte er in der Kammer, wo sie auf Spänen lag, eine leise Musik ertönen. Er öffnete ein [430] wenig die Thüre und schaute hinein und sah sechs Jungfrauen, die mit Lichtlein in den Händen um die Todte standen; am folgenden Abend waren es eben so viel Jünglinge, die bei der Leiche wachten und sie sehr traurig betrachteten.


332.
Der Krämer und die Maus.
Wenzel dramat. Erzählungen.

Vor langen Jahren ging ein armer Krämer durch den Böhmerwald gen Reichenau. Er war müd geworden und setzte sich, ein Stückchen Brot zu verzehren; das einzige, was er für den Hunger hatte. Während er aß, sah er zu seinen Füßen ein Mäuschen herumkriechen, das sich endlich vor ihn hinsetzte und aufschaute, als erwartete es etwas. Gutmüthig warf er ihm einige Bröcklein von seinem Brot hin, so noth es ihm selber that, die es auch gleich wegnagte. Dann gab er ihm, so lang er noch etwas hatte, immer sein kleines Theil, so daß sie ordentlich zusammen Mahlzeit hielten. Nun stand der Krämer auf, einen Trunk Wasser an einer nahen Quelle zu thun; als er wieder zurückkam, siehe, da lag ein Goldstück auf der Erde und eben kam die Maus mit einem zweiten, legte es dabei und lief fort, das dritte zu holen. Der Krämer ging nach und sah, wie sie in ein Loch lief und daraus das Gold hervorbrachte. Da nahm er seinen Stock, öffnete den Boden und fand einen großen Schatz [431] von lauter alten Goldstücken. Er hob ihn heraus und sah sich dann nach dem Mäuslein um, aber das war verschwunden. Nun trug er voll Freude das Gold nach Reichenau, theilte es halb unter die Armen und ließ von der andern Hälfte eine Kirche daselbst bauen. Diese Geschichte ward zum ewigen Andenken in Stein gehauen und ist noch am heutigen Tage in der Dreieinigkeitskirche zu Reichenau in Böhmen zu sehen.


333.
Die drei Schatzgräber.
Falkenstein thüring. Chronik I. 219.

Unter der St. Dionysien Kirche, nicht weit von Erfurt, sollte ein großer Schatz liegen, welchen drei Männer miteinander zu heben sich vornahmen, nämlich ein Schmidt, ein Schneider und ein Hirt oder Schäfer. Aber der böse Geist, der den Schatz bewachte, tödtete sie alle dreie. Ihre Häupter wurden an dem Gesims der Kirche unterm Dache in Stein ausgehauen, nebst einem Hufeisen, einer Scheere und einem Schäferstock oder einer Weinmeisters-Hippe.


334.
Einladung vor Gottes Gericht.
Casp. Henneberg chronikon Prussiae p. 254.
Prätorius Weltbeschr. I. 285–288.

Zu Leuneburg in Preußen war ein sehr behender Dieb, der einem ein Pferd stehlen konnte, wie vorsichtig [432] man auch war. Nun hatte ein Dorfpfarrer ein schönes Pferd, das er dem Fischmeister zu Angerburg verkauft, aber noch nicht gewährt. Da wettete der Dieb, er wolle dieses auch stehlen und darnach aufhören; aber der Pfarrer erfuhr es und ließ es so verwahren und verschließen, daß er nicht dazu kommen konnte. Indeß ritt der Pfarrer mit dem Pferd einmal in die Stadt, da kam der Dieb auch in Bettlerskleidern mit zweien Krücken in die Herberge. Und als er merkt, daß der Pfarrer schier wollte auf seyn, macht er sich zuvor auf das Feld, wirft die Krücken auf einen Baum, legt sich darunter und erwartet den Pfarrer. Dieser kommt hernach, wohl bezecht, findet den Bettler da liegen und sagt: „Bruder, auf! auf! es kommt die Nacht herbei, geh zu Leuten, die Wölfe mögten dich zerreißen.“ Der Dieb antwortet: „ach! lieber Herr, es waren böse Buben eben hier, die haben mir meine Krücken auf den Baum geworfen, nun muß ich allhier verderben und sterben, denn ohne Krücken kann ich nirgend hinkommen.“ Der Pfarrer erbarmt sich seiner, springt vom Pferde, gibt es dem Schalk, am Zügel zu halten, zieht seinen Reitrock aus, legt ihn aufs Pferd und steigt dann auf den Baum, die Krücken abzugewinnen. Indessen springt der Dieb auf das Pferd, rennt davon, wirft die Bauerskleider weg und läßt den Pfarrer zu Fuß nach Hause gehen. Diesen Diebstahl erfährt der Pfleger, läßt den Dieb greifen und an den Galgen henken. Jedermann wußte nun von seiner Listigkeit und Behendigkeit zu erzählen.

[433] Einsmals ritten etliche Edelleute, wohl bezecht, an dem Galgen vorbei, redeten von des Diebs Verschlagenheit und lachten darüber. Einer von ihnen war auch ein wüster und spöttischer Mensch, der rief hinauf: „o du behender und kluger Dieb, du mußt ja viel wissen! komm auf den Donnerstag mit deinen Gesellen zu mir zu Gaste und lehre mich auch Listigkeit.“ Deß lachten die andern.

Auf den Donnerstag, als der Edelmann die Nacht über getrunken hatte, lag er lang schlafend, da kommen die Diebe Glocke neun des Morgens mit ihren Ketten in den Hof, gehen zur Frau, grüßen sie und sagen, der Junker habe sie zu Gast gebeten, sie solle ihn aufwecken. Dessen erschrickt sie gar hart, geht vor des Junkers Bett und sagt: „ach! ich habe euch längst gesagt, ihr würdet mit euerm Trinken und spöttischen Reden Schande einlegen, steht auf und empfanget eure Gäste;“ und erzählt, was sie in der Stube gesagt hätten.

Er erschrickt, steht auf, heißt sie willkommen und daß sie sich setzen sollten. Er läßt Essen vortragen, so viel er in Eile vermag, welches alles verschwindet. Unterdessen sagt der Edelmann zu dem Pferdedieb: „lieber, es ist deiner Behendigkeit viel gelachet worden, aber jetzund ist mirs nicht lächerlich, doch verwundert mich, wie du so behend bist gewesen, da du doch ein grober Mensch scheinest.“ Der antwortet: „der Satan, wann er sieht, daß ein Mensch Gottes Wort verläßt, kann einen leicht behend machen.“ Der [434] Edelmann fragte andere Dinge, darauf jener antwortete, bis die Mahlzeit entschieden war. Da stunden sie auf, dankten ihm und sprachen: „so bitten wir euch auch zu Gottes himmlischem Gericht, an das Holz, da wir um unserer Missethat willen von der Welt getödtet worden: da sollt ihr mit uns aufnehmen das Gericht zeitlicher Schmach und dies soll seyn heut über vier Wochen.“ Und schieden also von ihm.

Der Edelmann erschrack sehr und ward heftig betrübt. Er sagte es vielen Leuten, der eine sprach dies der andere jenes dazu. Er aber tröstete sich dessen, daß er niemanden etwas genommen und daß jener Tag auf Allerheiligen-Tag fiel, auf welchen um des Fests willen man nicht zu richten pflegt. Doch blieb er zu Hause und lud Gäste, so etwas geschähe, daß er Zeugnis hätte, er wäre nicht auskommen. Denn damals war die Rauberei im Lande, sonderlich Gregor Maternen Reiterei, aus welchen einer den Hauscomthur D. Eberhard von Emden erstochen hatte. Derhalben der Comthur Befehl bekam, wo solche Reiter und Compans zu finden wären, man sollte sie fangen und richten, ohn einige Audienz. Nun war der Mörder verkundschaftet und der Comthur eilte ihm mit den seinigen nach. Und weil jenes Edelmannes der letzte Tag war und dazu Allerheiligen-Fest, gedacht er, nun wär er frei, wollte sich einmal gegen Abend auf das lange Einsitzen etwas erlustigen und ritt ins Feld. Indessen als seiner des Comthurs Leute gewahr werden, däucht sie, es sey des Mörders Pferd und Kleid und reiten [435] flugs auf ihn zu. Der Reuter stellt sich zur Wehr und ersticht einen jungen Edelmann, des Comthurs Freund und wird deshalb gefangen. Sie bringen ihn vor Leuneburg, geben einem Litthauen Geld, der hängt ihn zu seinen Gästen an den Galgen. Und wollte ihm nicht helfen, daß er sagte, er käme aus seiner Behausung erst geritten, sondern muß hören: „mit ihm fort, eh andere kommen und sich seiner annehmen, denn er will sich nur also ausreden!“


335.
Gäste vom Galgen.
Bräuner’s Curiositäten S. 296–298.

Ein Wirth einer ansehnlichen Stadt reiste mit zwei Weinhändlern aus dem Weingebürge, wo sie einen ansehnlichen Vorrath Wein eingekauft hatten, wieder heim und ihr Weg führte sie am Galgen vorbei und obwohl sie berauscht waren, sahen sie doch und bemerkten drei Gehenkte, welche schon lange Jahre gerichtet waren. Da rief einer von den zwei Weinhändlern: „du, Bären-Wirth, diese drei Gesellen, die da hängen, sind auch deine Gäste gewesen.“ – „Hei! sagte der Wirth in tollem Muthe, sie können heut zu Nacht zu mir kommen und mit mir essen!“ Was geschieht? Als der Wirth also trunken anlangt, vom Pferd absteigt, in seine Wohnstube geht und sich niedersetzt, kommt eine gewaltige Angst über ihn, so daß er nicht [436] im Stande ist, jemand zu rufen. Indeß tritt der Hausknecht herein, ihm die Stiefel abzuziehen, da findet er seinen Herrn halb todt im Sessel liegen. Er ruft alsbald die Frau und als sie ihren Mann mit starken Sachen ein wenig wieder erquickt, fragt sie, was ihm zugestoßen sey. Darauf erzählt er ihr, im Vorbeireiten habe er die drei Gehängten zu Gast geladen und da er in seine Stube gekommen, seyen diese drei in der entsetzlichen Gestalt, wie sie am Galgen hängen, in das Zimmer getreten, hätten sich an den Tisch gesetzt und ihm immer gewinkt, daß er herbei kommen solle. Da sey endlich der Hausknecht hereingetreten, worauf die Geister alle drei verschwunden. Dieses wurde für eine bloße Einbildung des Wirths ausgegeben, weil ihm trunkener Weise eingefallen, was er im Vorbeireiten den Sündern zugerufen, aber er legte sich zu Bett und starb am dritten Tage.





336.
Teufels-Brücke.
Mündlich.


Ein Schweizer-Hirte, der öfters sein Mädchen besuchte, mußte sich immer durch die Reuß mühsam durcharbeiten, um hinüber zu gelangen, oder einen großen Umweg nehmen. Es trug sich zu, daß er einmal auf einer außerordentlichen Höhe stand und ärgerlich sprach: „ich wollte der Teufel wäre da und baute [437] mir eine Brücke hinüber.“ Augenblicklich stand der Teufel bei ihm und sagte: „versprichst du mir das erste Lebendige, das darüber geht, so will ich dir eine Brücke dahin bauen, auf welcher du stets hinüber und herüber kannst.“ Der Hirte willigte ein; in wenig Augenblicken war die Brücke fertig, aber jener trieb eine Gemse vor sich her und ging hinten nach. Der betrogene Teufel ließ alsbald die Stücke des zerrissenen Thiers aus der Höhe herunter fallen.





337.
Die zwölf Johanneße.
Falkenstein thüring. Chronik I. 218.


Ein fränkischer König hatte zwölf Jünglinge, die wurden die deutschen Schüler genannt, und hieß jeglicher Johannes. Sie fuhren auf einer Glücksscheibe durch alle Länder und konnten binnen vier und zwanzig Stunden erfahren, was in der ganzen Welt geschehen war. Das berichteten sie dann dem Könige. Der Teufel aber ließ alle Jahre einen von der Scheibe herabfallen und nahm ihn zum Zoll. Den letzten ließ er auf den Petersberg bei Erfurt fallen, der zuvor der Berbersberg genannt war. Der König bekümmerte sich, wo doch der letzte hingekommen wäre, und als er erfuhr, daß es ein schöner Berg sey, auf den er herabgefallen, ließ er eine Capelle daselbst bauen und nannte sie Corpus Christi; setzte auch einen Einsiedler [438] hinein. Es war aber damals schiffbar Wasser rings umher und nichts angebaut und an der Capelle hing eine Leuchte, darnach sich jeder richtete, bis das Wasser an der Sachsenburg abgestochen wurde.


338.
Teufels-Graben.
Mündlich.

In der Nähe des Dorfes Rappersdorf, das nicht weit von der Stadt Strehlen in Niederschlesien liegt, erblickt man in flachem Boden einen tiefen Graben, gegen einen etwas entfernten Bach laufend, welcher vom Volk der Teufels-Graben genannt wird. Ein Bauer aus Rappersdorf war sehr in Noth, weil er nicht wußte, wie er das überhand nehmende Regen-Wasser von seinen Feldern ableiten solle. Da erschien der Teufel vor ihm und sprach: „gib mir sieben Arbeiter zur Hülfe, so will ich dir noch in dieser Nacht einen Graben machen, der alles Wasser von deinen Äckern abzieht und fertig seyn soll, eh der Morgen graut.“ Der Bauer willigte ein und überlieferte dem Teufel die Arbeiter mit ihren Werkzeugen. Als er am folgenden Tag hinausging, die Arbeit zu besichtigen, war zwar der große breite Graben vollendet, aber die Arbeitsleute waren verschwunden, bis man die zerrissenen Glieder dieser Unglücklichen auf den Feldern rings umher zerstreut fand.

[439]
339.
Der Kreuzliberg.
Kleine Reminiscenzen und Gemählde. Zürich 1806.

Auf einer Burg in der Nähe von Baaden im Aargau lebte eine Königstochter, welche oft zu einem nah gelegenen Hügel ging, da im Schatten des Gebüsches zu ruhen. Diesen Berg aber bewohnten innen Geister und er ward einmal bei einem furchtbaren Wetter von ihnen verwüstet und zerrissen. Die Königstochter, als sie wieder hinzukam, beschloß in die geöffnete Tiefe hinabzusteigen, um sie beschauen zu können. Sie trat, als es Nacht wurde, hinein, wurde aber alsbald von wilden, entsetzlichen Gestalten ergriffen und über eine große Menge Fässer immer tiefer und weiter in den Abgrund gezogen. Folgenden Tags fand man sie auf einer Anhöhe in der Nähe des verwüsteten Bergs, die Füße in die Erde gewurzelt, die Arme in zwei Baumäste ausgewachsen und den Leib einem Steine ähnlich. Durch ein Wunderbild, das man aus dem nahen Kloster herbeibrachte, wurde sie aus diesem furchtbaren Zustande wieder erlöst und zur Burg zurückgeführt. Auf den Gipfel des Bergs setzte man ein Kreuz, und noch jetzt heißt dieser der Kreuzliberg und die Tiefe mit den Fässern des Teufels Keller.

[440]
340.
Die Pferde aus dem Bodenloch.

Merssaeus Cratepolius) catalogus episcop. Colonensis.
Greg. Horst in s. Zusätzen zu Marc Donatus hist. medica mirab. cap. 9. p. 707.
Balth. Bebelius diss. de bis mortius p. 9.
Rhein Antiquarius S. 728-730.
Cölner Taschenbuch für altdeutsche Kunst 1816.


Richmuth von Adocht, eines reichen Burgermeisters zu Cöln Ehefrau, starb und wurde begraben. Der Todtengräber hatte gesehen, daß sie einen köstlichen Ring am Finger trug, die Begierde trieb ihn Nachts zu dem Grab, das er öffnete, Willens den Ring abzuziehen. Kaum aber hatte er den Sargdeckel aufgemacht, so sah er, daß der Leichnam die Hand zusammendrückte und aus dem Sarg steigen wollte. Erschrocken floh er. Die Frau wand sich aus den Grabtüchern los, trat heraus und ging gerades Schritts auf ihr Haus zu, wo sie den bekannten Hausknecht bei Namen rief, daß er schnell die Thüre öffnen sollte und erzählte ihm mit wenigen Worten, was ihr widerfahren. Der Hausknecht trat zu seinem Herrn und sprach: „unsere Frau steht unten vor der Thüre und will eingelassen seyn.“ „Ach, sagte der Herr, das ist unmöglich, eh das möglich wäre, eher würden meine Schimmel oben auf dem Heuboden stehen!“ Kaum hatte er das Wort ausgeredet, so trappelte es auf der Treppe und auf dem Boden und siehe, die sechs Schimmel standen oben alle beisammen. Die Frau hatte

[441] nicht nachgelassen mit Klopfen, nun glaubte der Burgermeister, daß sie wirklich da wäre; mit Freuden wurde ihr aufgethan und sie wieder völlig zum Leben gebracht. Den andern Tag schauten die Pferde noch aus dem Bodenloch und man mußte ein großes Gerüste anlegen, um sie wieder lebendig und heil herabzubringen. Zum Andenken der Geschichte hat man Pferde ausgestopft, die aus diesem Haus zum Boden herausgucken. Auch ist sie in der Apostelkirche abgemahlt, wo man überdem einen langen leinenen Vorhang zeigt, den Frau Richmuth nachher mit eigner Hand gesponnen und dahin verehrt hat. Denn sie lebte noch sieben Jahre.





341.
Zusammenkunft der Todten.
Mündlich, aus Hessen.


Eine Königin war gestorben und lag in einem schwarz ausgehängten Trauersaal auf dem Prachtbette. Nachts wurde der Saal mit Wachskerzen hell erleuchtet und in einem Vorzimmer befand sich die Wache: ein Hauptmann mit neun und vierzig Mann. Gegen Mitternacht hört dieser, wie ein sechsspänniger Wagen rasch vor das Schloß fährt, geht hinab und eine in Trauer gekleidete Frau, von edlem und vornehmem Anstande, kommt ihm entgegen und bittet um die Erlaubniß, eine kurze Zeit bei der Todten verweilen zu dürfen. Er stellt ihr vor, daß er nicht die Macht [442] habe, dies zu bewilligen, sie nennt aber ihren wohlbekannten Namen und sagt, als Oberhofmeisterin der Verstorbenen gebühre ihr das Recht, sie noch einmal, eh sie beerdigt werde, zu sehen. Er ist unschlüssig, aber sie dringt so lange, daß er nichts schickliches mehr einzuwenden weiß und sie hineinführt. Er selbst, nachdem er die Thüre des Saals wieder zugemacht, geht haußen auf und ab. Nach einiger Zeit bleibt er vor der Thüre stehen, horcht und blickt durchs Schlüsselloch, da sieht er, wie die todte Königin aufrecht sitzt und leise zu der Frau spricht, doch mit verschlossenen Augen und ohne eine andere Belebung der Gesichtszüge, als daß die Lippen sich ein wenig bewegen. Er heißt die Soldaten, einen nach dem andern, hineinsehen und jeder erblickt dasselbe; endlich naht er selbst wieder, da legt sich die Todte eben langsam auf das Prachtbett zurück. Gleich darnach kommt die Frau wieder heraus und wird vom Hauptmann hinab geführt; dieser fühlt, indem er sie in den Wagen hebt, daß ihre Hand eiskalt ist. Der Wagen eilt, so schnell er gekommen, wieder fort und der Hauptmann sieht, wie in der Ferne die Pferde Feuerfunken ausathmen. Am andern Morgen kommt die Nachricht, daß die Oberhofmeisterin, welche mehrere Stunden weit auf einem Landhause wohnte, um Mitternacht und gerade in der Stunde gestorben ist, wo sie bei der Todten war.



  1. Die Sitte des hessischen Schwerttanzes, sammt dem Lied der Schwerttänzer wird anderswo mitgetheilt werden.
  2. Bei dem erbachischen Amt Reichenberg zu Reichelshelm hat man viele Personen deshalb abgehört; die Protokolle fangen mit dem Jahr 1742 an und endigen mit 1764. Im Juli 1792 war ein Auszug. Im Jahr 1816 erneuern sich in der Rheingegend ähnliche Gerüchte und Aussagen. Einige nennen statt des Rodensteiners den Lindenschmied, von dem das bekannte Volkslied anhebt: es ist noch nicht [246] lang, daß es geschah, daß man den Lindenschmied reiten sah auf seinem hohen Rosse, er litt den Rheinstrom auf und ab, er hats gar wohl genossen.“ Andere sagen, daß Schnellert aus seiner Burg nach dem Rodenstein auszöge, um seinen geschwornen Todfeind, den Rodensteiner, auch noch als Geist zu befehden.
  • Man findet gleichbedeutig: Horsel- Hursel- Hosel- Osel- berg. Die eigentliche Ableitung von Ursel, Usel (favilla) liegt nahe.
  • Bey Seyfried: Schawelberg. Jenes der linke, dieses der rechte Fuß.
  • Gestiftet von Friedrich mit dem Biß in der Wange.
  • Zeiler erzählt abweichend: Christus auf der Flucht vor den Juden habe die Merkzeichen eingedrückt. Die Leute holen sich allda Augenwasser.
  • In den gemeinen Mundarten heißt der Waldschwamm: Kröten-, oder Paddenstuhl.
  • Der Brei wird aus Erbsen und Heidegrütz gekocht, auch jedesmal Fische dazu gegeben.
  • fatschen braucht man, wenn die Füße der Pferde im zähen Koth und Moor schnalzen.
  • d. h. Teufelspfuhl, wie die nördlichen Harzbewohner Kreetkind ein Teufelskind nennen.
    1. Vorlage: mußen