Benutzer:A. Wagner/Geschichte der Italienischen Malerei (illustriert)

GESCHICHTE
DER
ITALIENISCHEN MALEREI
VON
J. A. CROWE & G. B. CAVALCASELLE.

DEUTSCHE ORIGINAL-AUSGABE

BESORGT VON
Dr. MAX JORDAN.


ERSTER BAND.
(MIT 13 TAFELN, IN HOLZ GESCHNITTEN VON H. WERDMÜLLER.)




LEIPZIG
VERLAG VON S. HIRZEL.
1869.



DEM MEISTER


JULIUS SCHNORR VON CAROLSFELD
DIREKTOR DER GEMÄLDEGALLERIE ZU DRESDEN


 VEREHRUNGSVOLL



GEWIDMET
VOM
HERAUSGEBER.


VORWORT. Bearbeiten

Die „New History of Painting in Italy“ von J. A. Crowe und G. B. Cavalcaselle (London, John Murray), deren erster Band im Jahre 1864 erschien, ist von der deutschen Kritik mit ungeteilter Auszeichnung begrüsst worden. Einfach sachliche Darstellung der aus Quellen ersten Ranges geschöpften Resultate und besonders die technische Würdigung des überall neu und mit unbefangenem Auge geprüften Forschungsmaterials sind Eigenschaften, welche das Werk nicht blos zu einer schätzbaren Bereicherung der kunstwissenschaftlichen Literatur überhaupt machen, sondern ihm hervorragenden Werth in einer historischen Disciplin geben, welche des Besitzes bestimmter Methode noch nicht hinlänglich sicher ist. Das Buch entstand aus dem Bedürfniss einer kritischen Sichtung der Vite de’ Pittori Vasari’s, deren Aufgaben längst über das Maass eines Commentares hinausgewachsen sind, die aber allenthalben als Augenmerk der Orientirung zu gute kommen. Wir erhalten so in der sich immer umfassender entwickelnden Darstellung eine Summe eingreifender Forschungen, welche für die gleichen Perioden italienischer Malerei uns heute leisten will, was die Biographien des Aretiners den Zeitgenossen versprachen. Hat er den unendlichen Vortheil zeitlicher Nähe voraus, so setzt dagegen die moderne Arbeit eine Literatur- und Urkundenverwerthung entgegen, die ihm völlig fremd war, und sie verfährt im vorliegenden Werke mit einer Gewissenhaftigkeit der Autopsie, die ihn bei weitem übertrifft.

Eine Arbeit, an die der italienische und der englische Autor je in seiner Richtung jahrelangen Fleiss gesetzt, dem deutschen Publikum noch zugänglicher zu machen, als das fremde Idiom und der Preis des Originaltextes gestatten, erschien daher als gerechtfertigter Wunsch, und ihn zu erfüllen konnte ich um so weniger Anstand nehmen, da ich denselben zuerst angeregt hatte (vgl. „Grenzboten“ 1864. II.) und das Unternehmen meinen eigenen Studien nicht fern lag. Gleichwol trat die Aufgabe zu überraschend an mich heran, um eine Umarbeitung möglich zu machen, wie sie mir namentlich für das erste Stück des Buches von Wichtigkeit schien. Diess muss zunächst den Umstand rechtfertigen, dass auch in dieser deutschen Ausgabe De Rossi’s grundlegendes Werk Roma sotterranea cristiana in dem Capitel über die Katakomben nicht erwähnt wird. Da die Untersuchungen des Herrn Cavalcaselle auf jenem Gebiet gleichzeitig mit denen Rossi’s und selbständig stattfanden, so haben die Autoren ausdrücklich darauf verzichtet, ihre Darstellung, der es vornehmlich auf den Zusammenhang der altchristlichen römischen Monumentalmalerei mit der specifisch italienischen ankam, zu ändern. Ohnehin bildet die Archäologie des unterirdischen Rom einen eigenen Forschungszweig, der sich in seiner ganzen Breite den Untersuchungsmitteln der Verfasser nicht zu Gebote stellt. Den Arbeiten de Rossi’s und der wissenschaftlichen Kritik glaubte ich diese Bemerkung schuldig zu sein.

In allen übrigen Theilen beruht dagegen meine Arbeit auf dem durchgesehenen Handexemplare der Verfasser, welches um so mehr die Geltung einer neuen Auflage beansprucht, als es überdiess noch in Gemeinschaft mit denselben gesichtet und andrerseits der Quellennachweis auf mittlerweile erschienene fremde und besonders deutsche Literatur möglichst ausgedehnt wurde. Daneben suchte ich die Uebersichtlichkeit des Ganzen durch redaktionelle Aenderungen zu fördern, welche die ursprüngliche Capiteleintheilung zwar unberührt lassen, aber innerhalb derselben die einzelnen Bestandteile des Textes systematischer gruppiren und von einander absetzen, als im Original geschehen war.

Bei der Uebertragung ins Deutsche habe ich mir zur Pflicht gemacht, die Haupteigenschaft des Originals treu zu bewahren, besonders die knappe Sachlichkeit der Darstellung wiederzugeben, welche den materiellen Werth des Werkes in so hohem Grade mit bedingt. Um die Handlichkeit des Buches zu erhöhen wurde der vorliegende erste Band mit dem XVIII. Capitel der Originalausgabe geschlossen, sodass er ein abgerundetes Bild der italienischen Malerei von den Anfängen bis auf Giotto und dessen Schule gibt. Sonach wird der Inhalt der beiden ersten Bände des Originalwerkes sich auf drei der deutschen Ausgabe vertheilen, ohne dass sich der Umfang des Ganzen vergrössert. Der zweite Band meiner Ausgabe soll im nächsten Halbjahr erscheinen und die Fortsetzung bald folgen. – Von den Abbildungen des englischen Werkes sind die Mehrzahl in die deutsche Ausgabe herübergenommen worden. –

Ob das Buch, wie ich es nun aus der Hand gebe, seine Absicht erreicht, ein Bürger in unserer deutschen Literatur zu werden, steht dahin; begonnen habe ich es mit der Ueberzeugung, dass alles Beste uns national sei.

Diesem Glauben gibt vollste Berechtigung der gefeierte Name, welchen ich meiner Arbeit zu Schutz und Schmuck vorzusetzen wage, der Name eines Künstlers, der sich in Italien zum deutschen Meister gebildet hat. Da ich ihm mit völlig eigenem Rüstzeug Würdiges zu bieten kaum hoffen darf, möge er diese meine Wiedererzählung der Kunstgeschichte Italiens als an ihn gerichtet freundlich anhören.

Leipzig, November 1868.


Dr. Max Jordan. 


ACHTES CAPITEL. Giotto. Bearbeiten

Giotto’s frühe Unterweisung in Assisi ist sicherlich nicht ohne Einfluss auf seine Lebensführung gewesen. Zwei Bettelbrüderschaften theilten sich damals in die geistige Leitung der Gesellschaft Mittelitaliens. Franciskaner und Dominikaner nahmen unbedenklich Männer und Frauen ohne Unterschied des Standes in ihre Gemeinschaft auf, und Peter de Vincis sagt, es möchte zu seiner Zeit kaum Eine Person gegeben haben, die sich nicht offen oder insgeheim in das Laienthum hätte aufnehmen lassen.[1] Der Orden des heil. Franciscus jedoch wurde vermöge seines demokratischen Grundcharakters volkstümlicher und sprach sein geistiges Uebergewicht auch in jener Kirche aus, welche zur Prüfstätte der Kunst geworden war. Wir begreifen heute die Förderung schwer, welche Kunst und Poesie diesem Orden gaben, aber sowohl Dante’s Feder wie Giotto’s Pinsel waren ihm geweiht, und diese geistige Begegnung erklärt vielleicht zu allermeist das Verhältniss zweier Männer, von denen der eine aus adeligem Stamm, der andre in der Bauerhütte geboren war.

Die Legende von Giotto’s Geburt und Erziehung hat seit Vasari bis auf unsere Tage Glauben gefunden. Sie erzählt, dass der Knabe seines Vaters Herde durch die dürftigen Weideplätze Vespignano’s trieb und dort eines Tags von Cimabue betroffen wurde, wie er mit Kohle eins der Lämmer auf einen Stein zeichnete. Da soll der Meister sich den zehnjährigen Jungen vom Vater Buondone erbeten und ihn 1286 als Lehrling mit nach Florenz genommen haben.

Anders und glaubwürdiger berichtet der anonyme Commentator Dante’s. Nach seiner Angabe hatte der Vater den Knaben zu einem Wollhändler in die Lehre gegeben; auf dem Wege zu seiner Arbeit aber blieb er jedesmal vor Cimabue’s Atelier stehen. Als später der Vater sich beim Lehrherrn erkundigt, wie sich der Bursch anliesse, erhält er zur Antwort, dass dieser seit einiger Zeit gar nicht mehr gekommen sei. Nun kam heraus, dass der kleine Giotto seine Tage bei den Malern zubrachte; auf Cimabue’s Zurede wurde er darauf aus der Wollhändlergilde entlassen und trat als Schüler ins Atelier.[2]

Jeder Versuch, Giotto’s Entwicklung unter dem Einflusse seines frühesten Lehrers zu verfolgen, ist eitel, weil die ersten Erzeugnisse seiner Thätigkeit – Malereien in der Badia zu Florenz – untergegangen sind.[3] Dass er aber noch in jungen Jahren zu Assisi gearbeitet hat, kann nicht bezweifelt werden, wenn man die Scenen aus dem Leben des Franciscus in der Oberkirche vergleicht. Ebenso sicherlich stand er in männlicher Reife, als er die Allegorien am Dache der Unterkirche malte. Wahrscheinlich hat er also diese letzteren infolge seiner Berufung durch den Ordensgeneral Fra Giovanni di Muro ausgeführt, von welcher Vasari weiss.[4]

Ausser der Verherrlichung der Wunderthaten des heil. Franciscus sollten in erster Reihe die Regeln seines Ordens dem Volke durch bildliche Darstellung eingeprägt werden. Deshalb wurde Giotto beauftragt, die Tugenden zu versinnbilden, welche den Bettelmönchen von Assisi am höchsten galten. Hierzu musste die Allegorie dienen: „die Armuth, Christi Weib und Witwe, war die Braut, die sich Franciscus erwählt; in Lumpen und Leiden ihren Weg durchs Leben verfolgend war sie doch nicht reizlos, denn Armuth, deren Pfad durch Dornen geht, geniesst auch den Duft der Rosen. Gesteinigt vom Leichtsinn, gemieden und verachtet von der Weltlichkeit, ist sie Feindin dem Geiz und der Wollust, Freundin der Liebe, und die Hoffnung flüstert ihr himmlische Verheissung zu. Wer sein Alles den Armen gibt, wird selbst Bettler, aber das Bewusstsein der Gutthat ist wie Rosen auf Dornicht und der Lohn ist ein Sitz bei den Engeln. Aber Armuth ohne Reue über vergangene Sünden d. h. ohne Keuschheit war nach der Auffassung und Lehre des dreizehnten Jahrhunderts noch kein Segen. Von Jedem, welcher das Gelübde des Bettelordens ablegen wollte, wurde daher Reinigung und Busse verlangt. Um das Ordal zu bestehen, war Muth vonnöthen; doch wem Kraft und Glaube nicht gebrach, der vertrieb die Sünden des Fleisches, er unterwand sich mit Hilfe des Gebetes der Veste der Keuschheit, deren Mauern uneinnehmbar waren, wenn Weisheit, Gerechtigkeit, Mässigung und Gehorsam Wache hielten. Gehorsam aber war das nothwendige Joch, dem sich der Bettelbruder fügen musste; mit ihm war Demuth und Weisheit verbunden: jene lehrte Zufriedenheit, diese diente zum Schutz gegen Stolz, Neid und Geiz; und wer das Joch willig auf sich nahm, war des Paradieses gewiss und sollte mit Franciscus vereint den Platz unter den himmlischen Heerschaaren erben.“

Das war das Thema, welches Giotto an der mittleren Decke der Unterkirche von Assisi zu malen hatte. Er stellte in Einem der Räume das mystische Verlöbniss des Heiligen mit der Armuth durch Christus dar, indem er dem Gleichniss grösstmögliche Deutlichkeit gab und es durch Scenen aus dem Leben des Franciscus illustrirte. So unternahm er, dem Beschauer nicht blos die geistigen Vorzüge, sondern auch den wirklichen Wandel des Ordensstifters anschaulich zu machen.

Unterkirche zu Assisi. Bearbeiten

Im Vorgrunde zur Linken sehen wir einen Armen seine Hand Almosen heischend ausstrecken, scheinbar bewillkommnet von einem Jüngling, der sich plötzlich seines Rockes entkleidet; als Zeuge und Aneiferer der milden Handlung erscheint der Schutzengel des Thäters. Dass der, welcher Armen Hilfe reicht, zur Uebernahme der Mendikantengelübde fähig wird, bekräftigt er, indem er auf die allegorische Ceremonie im Mittelpunkte des Bildes hindeutet, wo die Armuth in Lumpen gehüllt unter Blumen wandelt, welche an dem die Erde bedeckenden Dorngestrüpp blühen, und durch Christus mit dem heiligen Franz vereint wird, den sie freundlich anschaut. „Glaube“ reicht ihr von links her den Ring und „Liebe“ zeigt ihr brennendes Herz. Eine Engelschaar zu beiden Seiten der Hauptgruppe bildet den geistlichen Hofstaat, vor welchem nach Dante die mystische Ehe vollzogen wird. Der bellende Hund zu Füssen der Armuth, ein Kind, welches mit dem Stock nach ihr schlägt, und ein andres, das sie mit Steinen wirft, bezeichnen die Verachtung und Furcht der Welt. – Im Gegensatz zu dem Wohlthäter des Armen steht auf der andern Seite ein Jüngling, dem ein Engel erfolglos zuspricht und der durch verhöhnende Handbewegung und durch den Falken auf der Faust seine Lust an irdischem Vergnügen kundgibt, während rechts von ihm eine Gestalt mit einem Goldsack Habsucht versinnbildet und eine dritte zwischen diesen nach der Gruppe der Almosenspende hinzuweisen und weltlichen Rath zu geben scheint.[5] – Am oberen Theil des Bildes trägt ein fliegender Engel das Kleid des opferfreudigen Jünglings, ein zweiter hält das Sinnbild eines mit Mauern umgebenen Gebäudes in die Höhe, in dessen Hof ein Baum wächst; beide scheinen dankbar von einem aus dem Himmel Herabblickenden mit offenen Armen empfangen zu werden.

Offenbar ist Giotto bei dieser Allegorie der Anweisung seiner Auftraggeber gefolgt. Seine eigenen Empfindungen über die Armuth gab er in Versen kund, die zwar in Metrum und Sprache sehr unvollkommen, aber um der menschlich nüchternen Gesinnung willen sehr interessant sind.[6] Er verwirft darin die Armuth als Gegenstand der Regel, wenn sie auch trotzdem ohne Laster möglich sei. Unfreiwillige Armuth aber führe nur zu oft zum Bösen, sie treibe den Richter zur Bestechlichkeit, Frauen und Mädchen zur Unehre und die Menschen insgemein zu Lüge, Diebstahl und Gewaltthat. Erwählte Armuth wird ebenso oft umgangen wie bewahrt. Als Observanz betrachtet kann das nicht für gut gelten, was weder Zartgefühl, noch Kenntniss, noch irgend welche Fähigkeiten erfordert, und den Namen der Tugend verdient nicht, was das Gute ausschliesst. – Allein diese Anschauungen des Menschenverstandes hinderten den Künstler nicht, bei den Franciskanern seine Schuldigkeit zu thun, und wie ungleich er auch über die ihnen allgemein gezollte Verehrung dachte und wie sehr er ihre Schwächen durchschaute, seiner Gewissenhaftigkeit in ihrem Dienste that das ebenso wenig Eintrag wie irgend andere Rücksichten auf Stellung und Partei. Es ist von Anfang an bei den italienischen Künstlern charakteristisch, dass sie überall willkommen waren, Guelfen und Ghibellinen dienten mit derselben Bereitwilligkeit, mit der später auch Rafael für Freunde wie Feinde des Hofes von Urbino malte.

Das zweite Deckengemälde Giotto’s ist eine Allegorie der „Keuschheit“:

Unterkirche Assisi. Bearbeiten

Repräsentanten der drei Gattungen Franciskaner – Mönch, Nonne und Laienbruder – begrüssen im Vordergrunde links ihren Heiligen in Begleitung von Engeln und Glaubensrittern. Während ein Engel der Nonne das Kreuz reicht, streckt Franciscus dem Novizen die Hand entgegen, der Laienbruder scheint von höchstem Verlangen zur Theilnahme an der heiligen Gemeinschaft getrieben, eine Gruppe, die eigens den Wunsch der heil. Clara, des Bernhard von Quintavalle und eines Andern ausdrücken soll, der Hilfe des Franciscus und seines Ordens theilhaft zu werden. Ein Soldat hinter dem Heiligen hält schon das Bussinstrument in Gestalt einer vielschwänzigen Geissel. Weiter nach rechts steht ein Novize nackt im Taufwasser, dem ein bekleideter Engel die Hände auf Haupt und Schulter gelegt hat, während ein anderer das reinigende Nass über ihn ausgiesst. Zwei Engel mit den Ordenskleidern stellen daneben und warten den Reinigungsakt ab; hinter der ganzen Gruppe halten zwei Gestalten, welche Reinheit und Tapferkeit versinnbilden, von den Mauern der Keuschheitsveste aus Banner und Schild bereit. Rechts von dieser Scene sehen wir einen Geissler, der das Strafwerkzeug hinter dem Rücken verbergend andeutet, dass er auf den Novizen wartet, während ein mehr en face gesehener Genosse seitwärts die Geissel schwingt, als wäre sie eben bei Einem mit Flügeln, Kutte und Bart angewendet, der in Reinheit und Busse stark und mit Spuren der Kasteiung am zerrissenen Gewand und Rücken den unsaubern Geist mit Schweinskopf und Flügeln ausgetrieben und niedergeworfen hat und mit der Knute ein nacktes geflügeltes Weib mit verbundenen Augen schlägt, das die Wollust darstellt; ihre Füsse gleichen Vogelkrallen, die Formen sind jugendlich und der Kopf mit Rosen gekrönt, aber von der Schulter herab hängt ein Köcher an einem Strang von Menschenherzen. Dahinter ergreift der Tod, als Gerippe dargestellt, eine nackte Gestalt, welche die unreinen Leidenschaften symbolisirt, und schleudert sie in die Flammen des ewigen Abgrunds. Dem Büssenden stehen gegen seine Feinde drei edle jugendliche Frauengestalten in Helmen bei, von denen die eine das Abbild der Wollust mit der Lanze sticht, die andre es mit einer Vase, die dritte mit dem Kreuz und den übrigen Symbolen der Passion abwehrt. Noch weiter rückwärts drei alte behelmte Krieger mit Speeren. – Die Keuschheit, ein junges Weib, im Profil gesehen, steht betend im oberen Theil des von Reinheit und Tapferkeit bewachten Thurmes; zwei Engel in der Luft rechts und links bieten ihr eine Krone und einen Kelch dar, aus welchem die Palme hervorwächst. Der Thurm selbst, Symbol für die Stärke der Keuschheit, befindet sich in einer viereckigen Festung mit dicken Flankenthürmen, welche nach florentinischer Weise mit gezackten Zinnen bewehrt sind. Die Glocke au der Spitze deutet auf die Pflicht der Wachsamkeit.


Im Bilde des „Gehorsams“ führt Giotto ferner die Regeln des Franciskanerordens allegorisch vor, deren Befolgung den Gewinn des Himmels sichert:

Unterkirche Assisi. Bearbeiten

Rechts im Vorgrund malte er ein Thier von drei Naturen, theils Mensch, theils Pferd, theils Hund (?), das mit rothem Gewand auf dem Rücken Stolz, Neid und Habsucht ausdrücken soll. Sein Schritt scheint plötzlich dadurch gehemmt zu werden, dass auf sein Gesicht ein Lichtstrahl fällt, den der Spiegel in der Hand der „Vorsicht“ zurückwirft, einer doppelköpfigen Figur, welche zuäusserst links in einer Säulenhalle sitzt, in der auch „Gehorsam“ und „Demuth“ sich befinden. Diese Halle oder Loggia ist das Heiligthum des Franciscus, ein Krucifix hängt darin. – Davor und unterhalb der Figur der Vorsicht hält ein Engel eine von zwei knieenden Gestalten tröstend bei der Hand. Die erste schaut nach der Verscheuchung des Zwitterthieres und scheint anzudeuten, dass die Weisheit Stolz, Neid und Habsucht zu vertreiben lehrt; die andere, von einer Geste des Engels gelenkt, richtet den Blick auf die Demuth, die rechts im Portikus stehend eine Fackel in der Hand trägt zum Zeichen, dass Demuth dem Sünder zur Tugend leuchtet. Inmitten des Portikus steht der Gehorsam in Franciskanerhabit und unter dem Joche, mit dem Finger auf dem Munde Stillschweigen gebietend und den Schultern eines knieenden Mönches ein hölzernes Joch auflegend. Darüber wird Franciscus mittels des Joches gen Himmel gezogen, zwei Engel zu seinen Seiten tragen Rollen, worauf die Ordensregeln geschrieben stehen. Vorn rechts und links knieen Engel, die zwei ersten Füllhörner tragend, die andern betend. – In der vierten Abtheilung stellte Giotto den Franciscus auf der Kathedra dar mit Kreuz und Buch in einer Glorie von Engeln, von denen etliche tanzen, andere musiciren, noch andere Lilien und Palmen tragen.[7] – Im Kreuzungspunkt der Diagonalen ist ein Medaillon mit der Gottgestalt, wie sie dem Johannes erscheint – „begürtet um die Brust mit einem güldenen Gürtel, sein Haupt und sein Haar weiss wie weisse Wolle, wie der Schnee . . . und aus seinem Munde ging ein scharf zweischneidig Schwert“; die Vision hält in der Linken ein Buch mit dem Titel „Liber ecclesiae divinae“, in der Rechten die Schlüssel. Im Ornament der Diagonalen das Lamm mit drei Kronen, die vier geflügelten Evangelistensymbole, das weisse, das schwarze, das rothe und das fahle Pferd mit den apokalyptischen Reitern,[8] dann Engel, Seraphim und allegorische Gestalten der Tugenden.

Rumohr verschmähte bei diesen Deckengemälden zu verweilen, weil die Allegorie, welche sie illustriren, mönchisch-kindisch sei und Angaben der Besteller, nicht Gedanken des Künstlers ausdrückten.[9] Allein wenn wir dieselben nach dem Zwecke des Malers beurtheilen, den Inhalt der Gegenstände deutlich zu machen, so müssen wir Giotto nachrühmen, dass der Ausdruck genau so ist wie wörtliche Beschreibung. Und zudem bietet sich hier zur Betrachtung der Eigenheit des Malers ein weites Feld.

In den Fresken der Oberkirche fanden wir erfolgreiche Anwendung der Gesetze der Composition und Raumvertheilung, die (namentlich im 26. Bilde) zu Würde, Grossartigkeit und Einfachheit führten. Auch andere künstlerische Anforderungen werden befriedigt: keine Bewegung, die nicht der allgemeinen Handlung entspräche, keine Figur, deren Charakter nicht mit sich selbst und dem Platze, den sie ausfüllt, zusammenstimmte, keine Gestalt, die sich nicht gut proportionirt, sinnreich und mit Verständniss des Nackten geberdete. Seihst die architektonischen Formen, wenn auch immerhin noch das unvollkommenste malerische Beiwerk, sind soweit verbessert, dass sie wenigstens mehr Naturwahrheit, Geschmack und Leichtigkeit der Verhältnisse zeigen, Vorzüge, die auch von der Dekoration und dem Ornament gelten und die an sich schon Giotto als Urheber des letzten Freskencyklus in der Oberkirche würden vermuthen lassen. – In den Deckenbildern der Unterkirche nun, von denen wir wissen, dass sie von ihm sind, verbinden sich dieselben mit grösserer Leichtigkeit der Hand und besserem Naturstudium. Denn Giotto steigt, wie wir später nachweisen werden, mit jedem Jahr, das Arbeiten von ihm aufweist, in der künstlerischen Vervollkommnung höher, bis er die Stufe erreicht, auf der die Peruzzi-Kapelle zu Florenz steht. Vornehmlich aber in Einer Richtung prägt sich sein Fortschritt aus. Während in den Fresken der Oberkirche die Zeichnung ziemlich hart, die Figuren hoch und schlank, das Colorit in den Generaltönen kalt, ja rauh und mangelhaft durchgebildet ist, gewinnen die Gestalten der Unterkirche sofort bessere Proportionen, mehr Leben und Ruhe, die äusseren Gliedmaassen sind minder mangelhaft und fügen sich besser zum übrigen Körper, das Ganze ist harmonischer. Der gewaltsame Ausdruck der Bewegungen weicht der Gelassenheit und Wahrheit, die Conturen schmeidigen sich und prägen die Formen klarer aus, die Gewandung begnügt sich mit den einfachsten Motiven, ja sie treibt die Vermeidung aller überflüssigen oder nutzlosen Falten fast bis ins Extrem. Massige Licht- und Schattengebung bringt wieder eine Plastik und Rundheit in die Figuren, die lange gänzlich fehlte; die Farbenbehandlung zeigt ungemeine Veränderung, breit in Modellirungen und Uebergängen gewinnt sie eine Helle und Klarheit, die ebenso merkwürdig wie neu ist. Für die Gesammtuntermalung wird statt des dunkel graugrünen Tones lichtes Grau gewählt, durch dessen warme Lasuren in rosigen transparenten Tinten die Fleischpartien leuchtend werden, und die höchsten Lichter sind sodann sorgfältig aufgetragen und so vertrieben, dass die Lokaltöne der Massen nicht beeinträchtigt werden. In der Farbe liegt das charakteristische Verdienst Giotto’s; er hat dem Freskocolorit der Florentiner die Bahn gewiesen, auf welcher es durch Orcagna, Masolino, Fiesole, Masaccio und zuletzt durch Fra Bartolommeo und Andrea del Sarto in immer aufsteigender Aufeinanderfolge in seinem Sinne zur Vollendung kam. Unter Giotto’s Händen gewann die Kunst das specifisch Italienische,[10] denn Composition, Zeichnung, Ausdruck und Farbe verbinden sich bei ihm zu übereinstimmendem Idiome, das er gleichmässig ausbildet. [11]

In gewissen Specialitäten der Formgebung hält er sich an seinen Meister Cimabue: bemerkt man bei jenem in der Umbildung der herkömmlichen starrenden Augen in lange geschlossene Lider und elliptische Iris einen Wechsel der Extreme, so sehen wir Giotto hieran festhalten, und wenn er selbst auch später Anstrengungen macht, sich zu verbessern, so erstreckt sich diese Eigenthümlichkeit doch fast auf alle Giottesken. Im Colorit schien Cimabue ganz ausdrücklich gegen den dunklen Farbenauftrag der Vorläufer zu reagiren, dem er in seinen leichten klaren Tönen eine Tendenz zur Blassheit entgegensetzte, und auch Giotto malt oft blasses Carnat, aber der Abstand gegen früher ist vermuthlich heute, wo die Lasuren, welche die Generaltöne erhöhten und erwärmten, verschwunden sind, fühlbarer als in den Tagen der Maler selbst. Ueberdiess darf nie vergessen werden, dass Giotto dem dreizehnten Jahrhundert angehört und dass man ihn nicht nach dem Maasstabe des sechzehnten beurtheilen darf. Aber erwägt man die Eigenschaften des Zeitalters und den Geist der Allegorien zu Assisi, so kommt ihm höheres Lob zu, als man diesen Werken gewöhnlich spendet.

In der ersten Allegorie stellt Giotto die Armuth als ein mageres physisch leidendes Wesen in langem geflickten Kleide dar, ihre Wendung lässt eine Brust sehen, die anatomisch wahr behandelt ist. Langes vernachlässigtes Haar, unter weissem mit gelb und goldnem Band um den Kopf befestigten Tuche hervordringend umschliesst ein von Arbeit und Mühsal ermattetes, aber doch lächelndes Gesicht. Die Verzückung des Franciscus beim Empfang des Ringes entspricht aufs trefflichste der poetischen Schilderung Dante’s von diesem Vorgange, sein sanfter Blick drückt heilige Liebe aus. – Die jugendlich milden, aber gesunden Formen des feurig bewegten Jünglings ferner, der, ganz Liebesantheil, sein Kleid dem Armen gibt, und jener Männlichere, der reich gekleidet, aber mit harten und gemeinen Zügen höhnisch und zuchtlos seine Vorliebe für die Weltlust zu erkennen gibt, sind Gegensätze, wie sie niemals sinnlicher und schärfer zur Anschauung gebracht waren. Strenges Anstandsgefühl mag sich an der Derbheit mancher Gesten stossen, aber das Maass des Geziemenden war in verschiedenen Zeitaltern verschieden und ist es heute noch unter verschiedenen Völkern.[12] Jedenfalls haben wir Deutlichkeit, Eigenthümlichkeit und Sicherheit als Hauptelemente in Giotto anzuerkennen; dafür bieten sich die reichlichsten Belege in Geberde und Ausdruck der Geissler in der Allegorie der Keuschheit. Diese Figuren bezeichnen in den verschiedenen Phasen ihrer Aktion unverkennbar das strenge Pflichtgefühl (in der Scene, wo die Neulinge vom Heiligen empfangen werden), Erwartung (wo die Busse sich vorbereitet), Ruhebewusstsein (wo die Strafe vollzogen ist). Stets ist die Handlung resolut und unmittelbar. Es würde schwer sein, mehr einnehmende Freundlichkeit und Milde darzustellen, als in dem Willkomm der Novizen vor Franciscus, aus seinem jugendlichen Wesen und Gesicht spricht Begeisterung ohne materiellen Affekt der Pönitenz, seine Geberde drückt bescheidenes Vertrauen, sichere und weihevolle Handlung aus. – In der Allegorie, welche den Heiligen in der Glorie zeigt, ist Verzückung und Triumph in den regelmässigen Zügen ausgeprägt; unter den ihn umringenden Engeln sind etliche in der gewichtigen und männlichen Weise charakterisirt, die den Florentinern eigen ist, während bei denen, welche in den andern Fresken figuriren, weibliche Sanftheit vorwiegt. Aus jenen hat sich nachmals die Mächtigkeit der Ghirlandaio und Michelangelo entwickelt. – Bei der Gestalt des Büssers und der Wollust sowie bei dem Zwitterthier in der Allegorie des Gehorsams ist das Nackte noch nicht so wiedergegeben, wie Giotto es später that, aber die Behandlung desselben steht im Einklang mit den übrigen Partien der Composition sowohl wie mit den Proportionsregeln; Zeichnung und Form stellen unter der allgemeinen Idee und der Künstler hatte das Ganze mehr im Auge als die Theile. Arme, wie er sie malte, entbehren zwar der anatomischen Artikulation und der Detailausbildung, aber als Gliedmaassen functioniren sie immer zweckgemäss; was er damit ausdrücken will, ist stets klar, und es kann nicht zweifelhaft sein, dass es einer Kunstbildung gegenüber, wie die der Zeitgenossenschaft Giotto’s, besser war, der Massenwirkung, Proportionalität und der Dramatik die feineren Details zu opfern, als umgekehrt.

Während Giotto auf solche Weise Composition, Zeichnung und Colorit ebenmässig anstrebte, vollzog sich nach seinem Tode eine Theilung der künstlerischen Arbeit: Etliche machten die Formgebung zum Hauptzweck, und anfänglich nicht eben mit Glück, Andere richteten ihr Augenmerk vorwiegend der Farbe und dem Relief zu, noch Andere endlich beschränkten sich auf Nebendinge und Detail. Keiner nahm die Weiterbildung der Kunst in allen Richtungen auf, die Giotto verfolgt hatte; allen seinen Schülern fehlte sowohl der Genius wie das Talent des Lehrers, und so sank die Malerei unter ihren Händen, bis sie sich im fünfzehnten Jahrhundert mit neuer Gewalt der Natur zuwandte. Ghirlandaio’s Verdienst bestand in Wiederaufnahme der meisten Hauptelemente, und in Rafael kam in gleichem Sinne wie bei Giotto, aber in vollendeter Gestalt der ganze Umkreis künstlerischer Wirkungen zur Einheit. In jenen drei Namen liegt die Geschichte der italienischen Malerei beschlossen, aber zahllose Andere mussten beitragen, diesen Stufengang zu fördern. –

Fresken Giotto’s schmücken auch die Wände der Unterkirche zu Assisi. Die Darstellungen aus dem Leben Christi und des heil. Franciscus im südlichen Querschiff sind nicht blos für die Kunst im Beginn des vierzehnten Jahrhunderts, sondern auch als Zeugnisse neuer Fortschritte ihres Urhebers charakteristisch. Gegen die ausdrückliche Angabe Ghiberti’s[13] und auf Grund sehr willkürlicher Auslegung Vasari’s schreibt Rumohr dieselben dem Giovanni da Milano zu. Von diesem sagt der Biograph allerdings, dass er in Assisi „in der Tribüne des Hochaltars eine Kreuzigung, eine Madonna und St. Chiara und an den Stirn- und Seitenwänden Scenen aus dem Leben der Jungfrau gemalt habe,[14] aber damit hat Vasari offenbar die Fresken des südlichen Querschiffes nicht gemeint, denn weder ist die Tribüne des Hochaltars das Querschiff, noch sind hier jene Gegenstände mit den von Vasari bezeichneten identisch. Diese bedecken in drei Reihen die Ost- und Westwand, beginnen auf der Höhe der letzteren mit der Geburt Christi und der Heimsuchung und setzen sich in der Anbetung der Könige. der Darbringung im Tempel und der Kreuzigung fort. An der Ostseite haben wir in ähnlicher Ordnung die Flucht nach Aegypten, den Kindermord, Christus im Tempel und von seinen Aeltern heimgeführt, die Auferweckung eines Kindes aus der Familie Spini, das Bildniss des heil. Franz zu Seiten eines Todtengerippes, und über einer Thürlünette eine majestätische Halbfigur des Heilands. Sämmtliche Bilder sind durch gemalte architektonische Ornamente von einander getrennt, welche wieder von kleinen Prophetenfiguren und Allegorien in Miniatur auf Goldgrund unterbrochen werden.

Unterkirche zu Assisi, Südl. Querschiff. Bearbeiten

Das Bild der Geburt Christi – vielleicht etwas zu symmetrisch componirt – zieht durch milde unweltliche Ruhe an: die Jungfrau liegt lächelnd auf dem Bett, das Kind in Windeln auf dem Arme haltend ; ein doppelter Engelchor singt oben in der Hütte, in deren Tiefe Ochs und Esel stehen. Ein andrer Doppelchor lagert auf dem Dache, welches in der Mitte ein Himmelsstrahl durchdringt. Ein Engel fliegt rechts herab, um den Hirten die Ankunft des Messias zu verkünden; der sanfte Ausdruck und die ruhige ätherische Bewegung der göttlichen Boten steht in feinem Gegensatz zu den energischen Geberden der staunenden Schäfer, deren Thiere im Vorgrund weiden. Joseph, nachdenklich wie auf den alten typischen Compositionen, sitzt links in der Ecke, den Kopf auf seine linke Hand gestützt. Vorn in der Mitte sieht man die herkömmliche Gruppe von Frauen, welche dem Kinde das Bad bereiten. Der unklaren und lockeren Composition der Oberkirche gegenüber ist hier der Fortschritt offenbar.

Streng künstlerischen Maasstab verträgt die Darstellung der Heimsuchung, die vermöge ihres religiösen Sentiments etwas von Fiesole an sich hat. In dem Bilde der Anbetung der Könige ferner sitzt Maria vor einem in weiten Palast öffnenden Portikus, zu beiden Seiten von Engeln behütet, deren einer bereits die Spende des ältesten der Könige darreicht. Von diesen küsst einer knieend den Fuss des Christuskindes, dessen Händchen segnend ihm aufs Haupt gelegt ist. Links die beiden andern Könige, von denen einer den Mantel ablegt, um demüthiger in die heilige Nähe zu treten, während der dritte ein Füllhorn hält, dahinter Gefolge mit zwei Kameelen.

Die Darstellung im Tempel zeichnet sich durch grosse Lebendigkeit der fünf Figuren und schöne Gewölbarchitektur aus: Simeon hat eben das Kind auf den Arm genommen und blickt in die Höhe.

Die Gestalt des Gekreuzigten endlich, edel in Typus und Formgebung, ist mit übereinander liegenden Füssen befestigt (was jetzt in Italien Regel wurde), einfach gezeichnet und von guten Verhältnissen. Die Engel, welche das Kreuz umgeben, haben noch heftigen Schmerzensausdruck, etliche halten die Hände vor die Backen, andere reissen sich die Kleider von der Brust, einer fängt das Blut der Seitenwunde in einer Schaale auf. Zu Füssen des Kreuzes Magdalena, links Johannes händeringend den Blick aufwärts gerichtet, ein Weib hinter ihm streckt die Arme entsetzt zurück, noch erschrockener benimmt sich eine zweite; ferner die Marien, welche die ohnmächtige Jungfrau unterstützen, rechts Franciscus mit mehreren Ordensmönchen und eine andere Gruppe weiter zurück vervollständigen das Bild. Zwei davon sprechen über den Vorgang; einer hat die Hand am Bart, andere vor Schmerz sich abwendend geben ihre Eindrücke verschiedentlich kund. Das Antlitz Christi ist frei von Verzerrung, unter der Dornenkrone sind keine blutigen Wunden zu sehen, – grosse Einfachheit und Biegsamkeit des Gesammtcontur stellt die Figur in den vorteilhaftesten Gegensatz zu ändern Reproductionen desselben Sujets.

Auch die Flucht nach Aegypten gehört mit ihrem einfachen Arrangement zu den anziehendsten Darstellungen dieses Gegenstandes. Joseph mit Pilgerstab und Flasche führt den Esel, auf welchem Maria reitet, das Kind in den Falten des Mantels geborgen; ein Knabe treibt das Thier an, ein altes Weib folgt mit einer Tracht auf dem Kopfe und mit einem Stecken in der Hand. In der Ferne weisen Hügel und Burgen und zwei Engel den Weg. Die Figur der Jungfrau ist fein und graziös, die der Alten hat antiken Wurf. Auch hier wieder Annäherung an das religiöse Sentiment, das bei Fiesole so intensiv wird; Form und Bewegung des Thieres sprechen für des Künstlers ausgedehnte. Naturbeobachtung. – In den Gruppen des Kindermordes zeigt sich Mannigfaltigkeit der Erfindung und des Ausdrucks, aber die Energie der Handlung hat die Concentration beeinträchtigt. Die drei Frauen links, von denen eine über dem Leichnam ihres Kindes weint, die zweite ihren Kleinen küsst und die dritte ihre Kleider zerreisst, deuten auf ähnliche Motive bei Rafael. Das Weib im Vordergrunde rechts, welches ohnmächtig in den Armen eines Kriegers liegt, hat zum Gegensatz eine Mutter, die ihr Kind vor dem mit gezücktem Schwert andringenden Würger zu vertheidigen sucht. Von einem Thurme aus commandirt Herodes das Gemetzel. Gut charakterisirt ist im nächsten Bilde Verwunderung und Staunen der Schriftgelehrten, die mit dem Knaben Jesus im Tempel disputiren. – In der Darstellung der Heimkehr hat Joseph den Sohn fest gefasst, damit er nicht wieder davongehe.

Die ganz von vorn gesehene Franciscusgestalt (rechts von der benachbarten Thür mit dem Lünettenbilde Christi), welche auf das gekrönte Skelett weist, offenbart eindringendere Natur- und Anatomiekenntniss, als man gewöhnlich bei Giotto zu suchen pflegt. Aber aus diesem einzigen Beispiele schon geht hervor, dass er gutes Verständniss des menschlichen Körperbaues und des Knochengerüstes besessen hat, und zwar blieb er hierin gewissenhafter als spätere Nachfolger; Luca Signorelli’s Skelette im Dom zu Orvieto z. B., deren Bewegung freilich ihn weit übertrifft, gehen zuweilen über die Grenzen der Möglichkeit und Richtigkeit hinaus.

Was von dem Bilde der Errettung des Kindes aus der Familie Spini erhalten ist,[15] zeigt in einer ihn umgebenden Frauengruppe den heil. Franciscus, wie er vom Geist erfüllt gen Himmel blickend das gefallene Kind mit den Armen aufrichtet. Zu seiner Seite kniet ein Mönch, Sorge, Neugier und freudiges Vertrauen malen sich auf den Gesichtern der ebenfalls knieenden Weiber, die alle in schöne weisse Gewänder gehüllt sind: eine mit gefalteten Händen unmittelbar hinter dem Heiligen blickt mit zarter Sorglichkeit, welche die Mutter anzeigt, nach dem Kinde. Den ersten Figurenkreis umgibt ein zweiter, stehende Männer in verschiedensten Attitüden, die theils Dank, theils Hoffnung ausdrücken. Unter denen zur Rechten der Hauptgruppe sind etliche Mönche; einer derselben schaut gen Himmel und scheint die Gestalt des heil. Franz von einem Engel begleitet wahrzunehmen, wovon Spuren erkennbar sind. Der ganze Vorgang ist angesichts eines Klosters gedacht, aus welchem die Mönche gekommen zu sein scheinen.

Für edle Proportionen, weite und reichliche Gewandung und Verkürzung in den Falten sind kaum schönere Beispiele aufzufinden, als die Vordergrundfiguren dieses Fresko’s.[16] Die Köpfe sind geschmackvoll und sauber mit Tüchern drapirt, es fehlt nicht an höchst ausdrucksvollen Profilen, die grosse Feinheit der Empfindung bekunden. Der Mannigfaltigkeit der hier weichen, dort männlich kräftigen Gesichter steht die Accuratesse und Wohlgefälligkeit gleich, mit welcher Einzelheiten wie Nacken, Brust, Arme und Hände durchgebildet sind. Trotz der Gedrängtheit entbehren die Figuren doch der Abtönung nicht, welche sie in die verschiedenen Pläne des Bildes rangirt. Wir bemerken hier schon Eigenschaften, die später bei Masaccio so bedeutend hervortreten; die Wichtigkeit der Luftperspektive ist Giotto nicht entgangen, er erreicht seinen Zweck durch grosse Breite der Modellirung und indem er die Formen rund hervorhebt, ohne Schwärze der Schatten anzuwenden. Das Colorit ist klar, licht, gut verarbeitet und mit grösster Handfertigkeit aufgetragen. Die Gewänder zeichnet naturwahre Harmonie aus, die Conturen sind bestimmt und leicht, wie denn das ganze technische Verfahren entschiedenen Fortschritt gegen die Deckengemälde bezeichnet. Bei so viel Meisterschaft wäre schwer zu sagen, wer sonst ausser Giotto diesen Cyklus gemalt haben könnte.[17]

Ob Giotto mehr als ein Mal in Assisi gewesen sei, ist kaum zu entscheiden, sicher ist jedoch, dass diese Fresken später entstanden sind als die Deckenbilder der Unterkirche. Dass er damals schon Meister und von zahlreichen Schülern umgeben war, hat viel Wahrscheinlichkeit, aber es würde gewagt sein, Diejenigen namhaft zu machen, die ihm an die Hand gingen. Es genügt, darzuthun, dass diese Arbeiten, welche an Kraft und dramatischem Leben nur von denen in der Arena zu Padua übertroffen werden, das Gepräge der früheren Periode Giotto’s und jenes schlicht religiösen Sinnes tragen, der ihm allein eigen ist. Von einem Künstler wie Giovanni da Milano aber, der aus der Schule der Gaddi kam, die bereits unter Taddeo nachgelassen hatte, können sie nicht herrühren. In der Verallgemeinerung und zugleich Einschränkung, dass bei Compositionen, wo lange und schmächtige Figuren auftreten (wie in der Heimsuchung), Taddeo Gaddi’s Beihilfe zu vermuthen ist, mag die Behauptung gelten, aber Giovanni da Milano, der dem Ende des vierzehnten Jahrhunderts angehört, steht ausser Frage.

Die neuere Forschung hat noch nicht viel für die Chronologie der Werke Giotto’s gethan, man ist deshalb darauf angewiesen, sie nach der stilistischen Entwicklung zu ordnen. Nun macht es nicht blos die Stilkritik, sondern auch das Zusammentreffen historischer Thatsachen wahrscheinlich, dass Giotto in den Jahren 1289 bis 1300 in Rom thätig war. Denn einmal haben seine dortigen Arbeiten grosse Verwandtschaft mit den Deckengemälden der Unterkirche zu Assisi, und ferner wissen wir, dass sie für einen Mann gefertigt worden sind, der nachweislich sein Patron und Gönner war. Gaetano Jacopo Stefaneschi, Nepote Bonifaz des VIII., erhielt den Cardinalshut am 18. December 1295 unter dem Titel S. Giorgio in Valebro.[18] Die Tribüne dieser Kirche soll von Giotto ausgemalt worden sein; Stefaneschi, der Kanonikus zu S. Peter war, liess aber ausserdem ein Mosaik von ihm anfertigen,[19] welches die Errettung des Petrus und seiner Genossen aus dem Sturm darstellte.[20] Er hatte die Kapelle S. Giorgio e Lorenzo an der Peterskirche errichtet, die 1343 zu seinem Begräbnissplatz bestimmt wurde, und verschiedene Manuskripte rühren von ihm her, wovon einige, von Giotto mit Miniaturen geschmückt, noch heute in der vatikanischen Bibliothek existiren mögen; und endlich gab er seinem bevorzugten Meister ein Ciborium zu malen, für welches er 800 Goldflorene zahlte.

Erhalten ist über dem Eingang der Vorhalle zu S. Peter das „Navicella“ genannte Mosaik.

Navicella. S. Peter. Rom. Bearbeiten

Es stellt Christus dar, wie er den Petrus aus den Wellen rettet, während im Hintergrunde das mit den Aposteln bemannte Schiff mit den Winden kämpft, die allegorisch in den Wolken dargestellt sind. Vier andere Figuren blicken zu den Seiten vom Himmel nieder. In der rechten Ecke des Bildes zeigen sich Kopf und Schulter Stefaneschi’s, während links ein Fischer am Wasser angelt.[21]

Das Werk, wofür der Stifter 2200 Florene gezahlt haben soll, ist in so hohem Grade verändert,[22] dass Entstehungszeit und Autor schwer zu erkennen sind. Der Theil indess, welcher das Schiff mit seiner Mannschaft enthält, hat den Charakter des dreizehnten Jahrhunderts und auch Etwas von Giotto’s Hand. In einer Registrande des Vatikan befindet sich nach Caldinucci[23] und Anderen eine Notiz, welche besagt, dass Giotto das Mosaik im Jahre 1298 verfertigt habe.

Ueberzeugender sind die drei auf beiden Seiten bemalten Tafeln (jetzt in der Sakristei der Canonici von S. Peter), mit drei Stücken der Predelle, auf welcher offenbar die Hauptbilder gestanden haben.[24] Diess ist ohne Zweifel das Ciborium des Cardinals Stefaneschi, dessen Fassung sich aus einer Nachbildung in Miniatur in der Hand des Bischofs abnehmen lässt, welcher vor der majestätischen Gestalt des Petrus auf dem Altarbilde selber kniet.

Ciborium. Sakr. zu S. Peter. Bearbeiten

Auf der einen Seite sehen wir den Heiland von Card. Stefaneschi angebetet, ein Bild in einfachen Conturen und symmetrischer Proportion bei würdevoller Unbewegtheit, und einen Engelchor regelmässig in Rängen übereinander geordnet, denen es aber keineswegs an warmem Gefühlsausdruck und Individualisirung bei guten Proportionen fehlt. Der Mantel Christi ist blau mit weissen Blumen, besetzt mit Goldblumen auf Weiss. Stefaneschi, ein Mann von etwa 50 Jahren, trägt blaues Gewand und den Purpur[25] Im Schlusssteine des Kleeblattgiebels, worunter Christus sitzt, sieht man die Halbfigur Gottes, der in goldne Tunika und Gürtel mit blauem Mantel gekleidet Weltkugel und Schlüssel trägt, aus seinem Munde geht ein zweischneidiges Schwert hervor; in den Zwickeln des Giebels sind Propheten in Medaillons. Vier Pilaster, welche die Bedachun tragen, sind mit einem schönen Ornament geschmückt, das je von drei Heiligen- und Evangelistenfiguren in regelmässigen Abständen durchsetzt ist.[26]

Rechts ist das Martyrium des Paulus, links das des Petrus, welcher der Legende gemäss auf sein eignes Begehren[27] mit dem Kopfe nach unten gekreuzigt wird. Lebend und sogar heiter blickend ist Letzterer in dem traditionellen Typus der Kirche gehalten, die Formen ebenso gut proportionirt wie lebendig und elastisch, das Nackte mit überraschendem Verständniss sowohl für Markirung der Körpertheile als für die Muskulatur wiedergegeben; auch das äussere Lineament bewahrt die Biegsamkeit des Fleisches und den Zusammenhang der Muskeln und Gliedmaassen; die Struktur der Nackenpartie ist trefflich. Die Andeutung des Schmerzes, soweit sie Giotto hier wagt, beschränkt sich ausschliesslich auf den Krampf der Zehen und Muskeln in den einzeln festgenagelten Füssen. Ein Weib, Nachahmung der Magdalena, umfasst das untere Ende des Marterholzes, während vor und hinter ihr eine schöne Frauengruppe mit einem Kinde mannigfaltig bewegt den Leidenden beweint.[28] Zu beiden Seiten umgeben Krieger zu Fuss und Ross die Hauptfigur. Hinter den Weibern links vom Heiligen hält Einer mit dem Nerogesicht einen Hammer in der Hand. Der Hintergrund wird rechts und links durch pyramidale Thürme geschlossen. Oberhalb des Kreuzes fliegen zwei Engel mit flatternden Gewändern hernieder, um den Märtyrer zu trösten: der eine mit ältlichen Zügen hält ein offenes Buch, der andre schlägt in die Hände. Im obern Giebelstück erscheint Petrus geflügelt auf einer Wolke knieend von Engeln gen Himmel getragen. Die Spitze des Giebels nimmt die Darstellung Abrahams ein, der das Schwert gegen Isaak zückt; die Seitenzwickel tragen Medaillons mit Propheten; sehr schöne Pilasterfiguren von Heiligen, gleich den oben beschriebenen, vervollständigen das Bild, welches von der dramatischen Darstellungskraft Giotto’s würdiges Zeugniss gibt.

Das Gegenstück, Martyrium des Paulus, zeigt den Heiligen noch im Gebete knieend, obgleich das Haupt mit dem Nimbus schon abgeschlagen am Boden liegt; vorn der Henker, der mit schmerzlichem Ausdruck das Schwert wieder einsteckt. Ueberaus naturwahr sind zwei Frauen charakterisirt, welche vor dem Enthaupteten knieen und sich über ihn beugen, und ein Mann, der mit Entsetzen den schrecklichen Vorgang beobachtet. Gruppen von Soldaten mit Schildern, Lanzen und Fahnen, rechts ein Trompetenbläser, geben der Composition Gleichgewicht. Einer aus der Zahl schaut in der Luft zwei Engel, die eilig herabfliegen und die Hände verzweiflungsvoll ringen. Im oberen Stück des Bildes ist Paulus mit Flügeln auf einer Wolke gen Himmel fahrend dargestellt; sein herunterfliegender Mantel wird von einer Gestalt aufgefangen, die auf einem Hügel der Landschaft des Hintergrundes steht. Der Paulustypus ist auch hier bewahrt. Pilaster und Zwickel sind ebenso behandelt wie auf dem Pendant.

Auf der Rückseite dieser Tafeln sitzt Petrus thronend in Pontifikalien zwischen zwei Engeln, angebetet von zwei Bischöfen mit ihren Schutzheiligen. Der eine in der Mitra, vom heiligen Georg geleitet, ist ohne Zweifel Cardinal Stefaneschi,[29] der andere, in gleicher Tracht, ist durch Nimbus ausgezeichnet, hält ein Buch und wird von einem Heiligen in reichem geistlichen Ornate eingeführt. Individualisirung der Porträts und imponirende Würde der Petrusfigur sowie Noblesse in Haltung und Zügen der Engel bilden die Eigentümlichkeiten dieses Stückes.[30] Die Pilaster sind hier nur mit Arabesken geziert. Im Medaillon an der Spitze der Bedachung ist ein Engel mit einem Buche, die rechte Hand in deutender Bewegung; er ist in blaue Tunika mit goldnem Gürtel gekleidet.

Auf den Stücken zu beiden Seiten sind Andreas und der Evangelist Johannes (diese sehr beschädigt) sowie Jakobus (eine schöne jugendliche Figur mit Buch und Stab) und Paulus mit dem Schwert über der Schulter gemalt; letztere Beide in Nischen, über ihnen ein Prophet mit Rolle, in den Medaillons der Giebelzwickel über Jenen befinden sich ein Prophet und ein Engel. – Von den drei Predellen sind zwei in je fünf Stücke eingetheilt; das erste derselben – die Jungfrau mit dem Kinde zwischen zwei Engeln thronend nebst Petrus und Andreas – ist durch Grösse des Faltenwurfs bei der Madonna, charakteristische Darstellung des Hauptapostels mit seinen strengen Zügen und durch schöne Haltung und innig religiösen Ausdruck der Engel ausgezeichnet –, das zweite enthält fünf stehende Apostel, das dritte drei Büsten (Lorenz und zwei andre Heilige).[31] Die übrigen Predellen sind zerstört.

Giotto gibt hier der Madonna ernste Würde, die sie dem alten conventionellen Typus näher stellt als gewöhnlich, aber er giesst eine gewisse Frische in diese archaistische Form und verleiht dem Gesichte bessere Proportionen. Seine lebhafte Naturbeobachtung bestätigt das schöne Christuskind, welches sich damit beschäftigt, an seinen Händchen zu saugen. Das grämliche Kind von ehedem ist zum ernsthaften einfachen Knaben geworden.[32] Dieses Ciborium allein würde schon genügen, Giotto als Gründer einer neuen Malerschule auszuweisen und darzuthun, dass er in Fresko- wie in Tafelmalerei gleiche Meisterschaft besass. Denn es treten uns hier dieselben coloristischen Eigenthümlichkeiten entgegen, wie in den Wandbildern zu Assisi: die Farbe transparent, warm und licht, in den Schatten grünlichgraue Tinten, durch warmröthliche Halbtöne in die Lichter übergeleitet, die mit breitem Pinsel entschieden und gut verarbeitet den Gestalten Rundung geben. Die Draperien, in klaren schönen Grundtönen gefärbt, wirken sanft harmonisch, sind höchst geschmackvoll verziert und mit einer Fertigkeit behandelt, welche die früheren Arbeiten übertrifft.

Vasari und Platina bezeugen zwar übereinstimmend, dass Giotto in einem der Nebenräume der Peterskirche[33] Scenen aus dem Leben der päpstlichen Märtyrer und an den Wänden der Basilika selbst eine Madonna mit Kind und andere Gegenstände gemalt habe,[34] erhalten ist jedoch in Rom von ihm nichts weiter als ein Fresko in der Laterankirche, welches Bonifaz den VIII. im vollen päpstlichen Ornate darstellt, wie er den Beginn des Jubiläums vom Jahre 1300 verkündigt.

S. Giov. in Laterano. Bearbeiten

Neben dem Papste stehen zwei Kleriker auf dem Balkon, von denen einer die Schriftrolle mit den Worten „Bonifacius Episcopus“ darhält; Laterano. rechts steht noch eine vierte Figur. Auf dem grünen Teppich, der über den Balkon herabhängt, ist das Wappen der Orsini zu sehen. Die Verkündigung des Jubeljahres befindet sich in einer Inschrift unterhalb.

Geschwärzt durch die Zeit und stark retouchirt, wie es ist, hat das Freskobild allen Farbenreiz verloren, aber bei genauer Betrachtung lässt es doch noch grosse Begabung für Porträt, Ebenmaass und Harmonie erkennen und beweist ausserdem Fortschritt in der Zeichnung namentlich solcher Einzelheiten wie die Augen, denen der Meister jetzt offenbar mehr Aufmerksamkeit widmet. Interessant ist das Stück auch deshalb, weil es bestätigt, dass Giotto nach dem Jahre 1300 noch in Rom gewesen ist.[35] Seines nachhaltigen Einflusses auf die Künstler der Hauptstadt und besonders auf Pietro Cavallini, der sich demselben rückhaltlos hingab, wurde schon gedacht (s. Cap. III); Stefaneschi, welcher Giotto beschäftigte, wurde auch Cavallini’s Gönner, und die Fresken in der Apsis zu S. Giorgio in Velabro sowie die Mosaiken in S. Paolo fuori sind redende Zeugnisse seiner Nachwirkung. –

Von nun an tritt Giotto in nähere Beziehung zu seiner Heimath. Gerade in einem entscheidenden Wendepunkte ihrer Geschicke trat er in die Stadt ein.[36] Nach langen und oft zweifelhaften Kämpfen hatte die Republik eine dominirende Stellung in Italien behauptet, die ihr friedlichen Genuss ihrer Erfolge und Ausbreitung ihrer Machtsphäre durch Reichthum und Thätigkeit gegönnt hätte, wäre sie nicht dem alten unheilvollen Naturgesetz italienischer Gemeinwesen verfallen, dass die vollbrachte Abwehr des äusseren Feindes die Einigkeit der Parteien löst und die inneren Streitigkeiten neu entzündet. Uns interessiren die Kämpfe der „Weissen“ und „Schwarzen“ (Cerchi und Donati) nur insoweit, als sie Licht oder Schatten auf den Weg des Künstlers werfen, den wir vor Augen haben. Parteigänger der Bianchi und ihres Führers Vieri de’ Cerchi war bekanntlich Dante. Dieser wurde bei seiner Anwesenheit in Rom während des Jubiläums mit Giotto näher bekannt;[37] in der kurzen Zeit zwischen seiner Heimkehr nach Florenz und der Rückkehr nach Rom in der Gesandtschaft an Papst Bonifaz, die seinem Exile vorausging, scheint das Verhältniss der congenialen Männer zur Freundschaft gereift zu sein.

Um diese Zeit also, zwischen 1300 und dem Frühjahr 1302 muss Giotto in Florenz in der zum Palast des Podestà (oder Bargello) gehörigen Kapelle den Vorgang aus der Geschichte des Parteilebens seiner Vaterstadt illustrirt haben. Leider hat weder der kunsthistorische Werth des Ganzen noch das Conterfei Dante’s, das eins der Bilder enthält, dieses Denkmal vor Zerstörung bewahrt. Aus der schönen Kapelle, die noch über Vasari’s Lebenszeit hinaus unberührt stand, wurden durch Einbau einer Zwischendecke zwei Räume gemacht: der obere Raum wurde Gefängniss, der untere Magazin, und wenigstens etliche Wände geweisst.[38] Neuerdings (1841) ist nun der Zwischenboden entfernt und die Kapelle wieder völlig gesäubert worden: die Wände wurden mit Messern abgekratzt und so die Fresken klar gelegt, freilich nicht ohne arge Beschädigungen; in ihrer jetzigen Beschaffenheit fehlt ihnen aller Reiz der Farbe, viele Partien der Composition sind verstümmelt, andere gänzlich ruinirt, aber Plan und Zeichnung, wie sie erkennbar geblieben sind, besitzen immer noch Werth genug.

Kapelle des Bargello. Bearbeiten

Der Boden der Kapelle ist ein gestrecktes Rechteck von 936 Quadratfuss[39] Fläche, durch Gewölbe geschlossen. Ueber dem Eingang, welcher sich an einer Schmalseite befindet, ist das Inferno dargestellt,[40] gegenüber an der Fensterwand das Paradies; die Langwand zur Rechten der Thür wird von zwei Fenstern durchbrochen, die zur Linken ist in eine Doppelreihe von vier Fresken getheilt, welche in der Tiefe zunächst dem Eingange mit einer Scene aus dem Leben der heil. Maria Aegyptiaca beginnen, woran sich die Communion derselben Heiligen und sodann ausser einer anderen Darstellung aus dem Leben Maria Magdalena’s das Noli-me-tangere schliesst. (Hiervon sind nur Stücke der Magdalenenfigur und einer ändern übrig, welche ein Herz hält.) Oberhalb in derselben Reihe sieht man die Marien am Grabe (jetzt ruinirt), die Auferweckung des Lazarus, und Magdalena, wie sie dem Heiland die Füsse netzt. Gegliedert werden diese Darstellungen durch ein schönes Ornament, das in rhombische Ecken mit Engeln (Halbfiguren) ausläuft; einer derselben, welcher Wasser aus einer Vase giesst, ist ausserordentlich graziös. – Die Gegenseite, rechts und links an den Fenstern, enthält eine Doppelreihe einzelner Bilder: die Tochter der Herodias tanzend (jetzt fast ganz zerstört), das Wunder des Kaufmanns von Marseilles, und eine ganz unkenntliche Darstellung. Seitwärts der Fenster an der rechten Wand sind gemalte Wappenschilder und Rosen; über dem einen ein Christuskopf. – Die Deckenwölbung ist in vier Felder getheilt, die Ornamenteinfassung entspricht der übrigen und wird durch Rhomben mit Engeln darin unterbrochen, die jetzt fast ganz verschwunden sind. Im Mittelpunkte steht das Lamm auf einem von zwei Hippogryphen gestützten Altar, darum die Evangelistensymbole.[41] – Zwischen den Fenstern steht die Einzelfigur des heil. Venanzius mit Palme und Buch; daneben auf einem Cartello die Invocation des Heiligen, welche mit der Jahrzahl MCCC.... (1337, s. unten) endigt; auf einem tieferen Streifen liest man ferner die Inschrift: „Hoc opus factum fuit tempore potestarie magnifici et potentis militis domini Fidesmini de Varano civis Camerinensis honorabilis potestatis.“

Hier muss vorab bemerkt werden, dass die obige Inschrift mit Jahrzahl sich nicht auf die Dekoration der übrigen Wand, sondern lediglich auf S. Venanzio bezieht, den Schutzheiligen des Fidesmini de Varano, welcher im Jahre 1337 Podestà von Florenz war. Dass Giotto mit Ausführung der dortigen Wandbilder betraut gewesen ist, wird von den frühesten florentinischen Geschichtschreibern mehrfach bezeugt. Zuerst geschieht diess in dem lateinischen Manuskript des Filippo Villani aus dem Anfange des vierzehnten Jahrhunderts; dort heisst es: „Giotto malte sich selbst mit Hilfe von Spiegeln und seinen Zeitgenossen Dante im Altarstück der Kapelle des Podestà.[42] Villani’s Chronik brachte der Dichter Antonio Pucci (geb. in Florenz 1300) in seinem „Centiloquio“ in Verse[43] Im 50. Gesang, welcher keine Transskription der Reimchronik, sondern ein Eulogium Dante’s von Pucci ist, heisst es:

     „Questo che veste di color sanguigno
Posto seguente alle merite sante,
Dipinse Giotto in figura di Dante
Che di parole fe’ si bell’ ordigno.
     E come par nell’ abito benigno,
Così nel mondo fu con tutte quante
Quelle virtù, ch’ onoran chi davante
Se porta con affetto nello scrigno.
     Diritto paragon fu di sentenze:
Col braccio manco avinchia la scrittura
Perchè signoreggiò molte scïenze
− − − − − − − − − − − − − −
Perfetto di fattezze è qui dipinto
Com’ a sua vita fu di carne cinto.

Ausdrücklicher als diese Verse ihn enthalten kann der Hinweis auf Dante’s Porträt inmitten der Seligen des Paradieses (merite sante) kaum verlangt werden. Weitere Beglaubigung gibt Gianozzo Manetti in seinem Leben Dante’s (in den ersten Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts geschrieben): „Sein (Dante’s) Porträt ist a Fresko an der Wand der Basilika von S. Croce und in der Capella del Podestà in der Gestalt, wie es bei Lebzeiten Dante’s von Giotto, dem berühmtesten Maler jener Zeit, abgenommen war. “ Mit voller Sicherheit schreibt ferner Ghiberti in seinem Commentar diese Fresken dem Giotto zu und ebenso Vasari;[44] Letzterer redet auch ausdrücklich von Porträts Dante’s, Brunetto Latini’s und Corso Donati’s.[45]

Bargello. Florenz. Bearbeiten

Gehen wir näher auf die Darstellungen selber ein: Das erste Bild an den Seitenwänden zeigt die heil. Maria von Aegypten, wie sie knieend den Segen vom Bischof Zosimus empfängt, der in einer Kirche thront. Ausserdem sind noch Bruchstücke von vier andern Figuren erhalten.[46] – In der Communion kniet die Heilige wieder vor Zosimus und empfängt Hostie und Kelch; rechts ebenfalls ein Kerzenträger.[47] – Beim Noli-me-tangere ist nur der obere Theil Magdalena’s und der untere der Christusfigur erhalten nebst einem Stück vom Grabe und fernen Bäumen[48] doch lässt die Kopfbewegung des Weibes und ihr sehnsüchtiger Blick auf die Schönheit des ehemaligen Ganzen schliessen. Trotz der gänzlich fehlenden Farbe wirkt die ausserordentliche Empfindung in den Conturen und in den Bewegungen der Züge und des Nackens noch immer. – Von der Gruppe der Marien am Grabe sind fast nur Umrisse übrig; die auf dem Grabe sitzende Engelgestalt ist besonders edel, auch kann man noch die Landschaft theilweise erkennen.[49] – Schön charakterisirt ist ferner die Bewegung Christi bei Auferweckung des Lazarus und die lebensvolle Zeichnung der Schwestern.[50] – Von der Composition der Salbung Christi durch Magdalena erkennt man nur noch in Umrissen die vor dem Heiland hingeworfene Figur, der mit Simon und einem Andern zusammensitzt, während ein Diener Fleisch bringt; daneben in der Ecke in rhombischem Feld ein schön gezeichneter Engel mit Lanze. Herodes, ein Gast und Stücke der tanzenden Figur Salome’s sind die einzigen Reste des nächsten Bildes, welches Giotto vollendeter in der Peruzzi-Kapelle zu S. Croce wiederholt hat. Auch hierneben im Ornamentfeld ein schöner Erzengel, der den Dämon bewältigt. – Besser ist das Bild vom Wunder des Kaufmanns erhalten:[51] es ist eine Gruppe von sechs Figuren, wovon eine kniet; sie stehen zu den Füssen eines liegenden Weibes mit einem Kinde neben sich; in der Ferne ein Schiff, das mit den Wogen kämpft, und Theile einer Gestalt in den Lüften.[52] Das „Inferno“ ist ebenso entfärbt wie die übrigen Bilder, aber von vielen Figuren ist die kühne Anlage in Roth mit tieferem Tone derselben Farbe schattirt auf der Mauer erhalten geblieben. Inmitten steht der colossale Lucifer, genau wie ihn Dante beschreibt:[53] um die Gestalt Schlangen, deren Rachen die Körper von Verdammten zermalmen und nach Lucifer selbst schnappen, in den Fäusten zwei Sünder, die haarigen Beine und Klauen auf dem Leibe eines Niedergeworfenen ruhend, der von zwei schuppigen Affen gepackt ist; rings um ihn Leiber, von Dämonen gefesselt oder gepeinigt, ein Centaur und Einer, der seinen Kopf in der Hand trägt.

Diese Darstellung des Höllenfürsten und seiner grotesken Sippschaft zeigt die Mannigfaltigkeit der Studien und Vorstellungen Giotto’s. Aber wie bei Dante die Bildlichkeit oft buchstäblich ist und die Contraste irdisch, so finden wir bei Giotto, der wahrscheinlich die dantesken Ideen vom Dichter selbst entlehnte, nichts weiter als phantastischen Materialismus. Beim vorliegenden Gegenstande jedoch verkörperte der Poet wie der Maler Ueberlieferungen aus älteren Zeiten, denn dieser Lucifer hat grosse Verwandtschaft mit dem Cerberus der Antike.[54]

Dem Bilde des Inferno gegenüber ist der Heiland in der Glorie als Fürst der seligen Hierarchie dargestellt, die zu beiden Seiten der Fenster sich vertheilt. Vom oberen Theile ist wenig erhalten, desto reichlicheren Stoff bietet der untere, nicht blos weil die Figuren hier zum grossen Theil wenigstens in den Umrissen gerettet sind, sondern auch weil Giotto hier unter dem Bilde des Paradieses unverkennbar auf den Frieden anspielt, den der Cardinal Acquasparta im Namen seines Herrn Bonifaz des VIII. den Florentinern im Winter des Jahres 1301 aufzwang.[55]

Bargello. Florenz. Bearbeiten

Zwei Engel (jetzt zum Theil zerstört), welche über der Lilie von Florenz[56] Wache halten, stellen die Verbindung der beiden Hauptgruppen dar: rechts, nahe dem Fensterwinkel steht die Gestalt eines Prinzen; er trägt auf dem langen Haar, wie es in jener Zeit bei den Franzosen Mode war, eine Mütze mit Kronreif, jung und mit ziemlich hochmüthigem Blick in den majestätischen Mienen,[57] die Arme in weite Aermel gewickelt, führt er eine Reihe stehender Figuren an, zu stolz, um es dem Manne in Magistratskostüm nachzuthun, der weiter vorn kniet.[58] Aussehn und Kleidung des Jünglings sowie die Krone auf seinem Kopf lassen in ihm Karl von Valois erkennen, den Vetter des Königs von Neapel und Sicilien, der durch die Ränke Corso Donati’s in die Stadt gerufen, von den widerstrebenden Florentinern als Friedensstifter angenommen wurde.[59] Hinter ihm stehen Dante, Corso Donati, Brunetto Latini[60] und ein Vierter, dessen Gesichtszüge ruinirt sind; weiter hinten noch andere Würdenträger in verschiedenen Attitüden von ruhiger Haltung, und in Reihen zu ihren Häuptern Heilige beider Geschlechter aus der Zahl der himmlischen Schaaren, theils mit Nimbus, theils mit Kronen, baarhänptig oder mit Draperie, – Gestalten von feinen und graziösen Gesichtszügen und bei aller Würde des Ausdrucks doch voll Leben und Natürlichkeit.[61]

Ebenso ist die Seite links der Fenster angeordnet: hier steht zuerst ein Cardinal im Gebet, das rothe Gewand mit weissem Pelz besetzt, – offenbar Matteo d’Acquasparta,[62] vor ihm ebenfalls betend ein florentinischer Rathsherr, dessen Profil, mit langer Adlernase und Oberlippe, augenscheinlich nach dem Leben genommen ist, an seiner Seite hängt ein Dolch, unter ihm ein Wappenschild.[63] Hinter Acquasparta, dessen breiter muskulöser Körperbau mit der schlankeren Gestalt des Valois contrastirt, steht eine Procession von Figuren in derselben Reihe wie gegenüber, an ihrer Spitze drei, von denen der Letzte deshalb besondere Aufmerksamkeit verdient, weil er einer Figur in den Fresken der Arena zu Padua nicht unähnlich ist, welche gemeiniglich für Giotto selbst gehalten wird. Das Porträt zeigt einen Mann von etwa 25 Jahren; die breite Stirn ist von einer Mütze überschattet, aus der einige Haare herabfallen; sein gelbliches Gewand wird am Halse durch einen kleinen Kragen festgehalten. Der Blick ist nach der andern Fensterseite auf Dante gerichtet.[64]

Dante’s Kopf entspricht in allen Stücken der bekannten Maske, welche nachmals allen Künstlern zum Modell gedient hat: die hohe schöne Stirn, die regelmässig geschwungenen Brauen und die etwas eingesunkenen Augen, die Habichtnase, der klassische Mund und das leicht gespitzte Kinn waren freilich bei der Aufdeckung des Bildes ungleich charakteristischer, als im jetzigen Zustande.[65] Das Profil ist neu umzogen und dadurch verdorben worden, der grösste Theil der Iris bis zum oberen Lid mit einem Stück der Wange, welcher zerstört war, ist vom Restaurator neu hergestellt. Nun kann auch die grösste Sorgfalt die Harmonie neuer mit alter Farbe nicht erreichen, da jene sich fortwährend verändert, diese constant bleibt. Hier will es scheinen, als wäre nicht blos die Lücke ausgefüllt, sondern zugleich der Versuch gemacht, das Frische mit dem Originalcolorit durch Lasirung des letzteren in Einklang zu setzen, wodurch der Gesammtton schwächlich gelb geworden und Licht und Transparenz, der edelste Vorzug des Fresko, verloren gegangen sind. Bei der Kopfbedeckung hat man sich nicht mit Herstellung begnügt, sondern sie in Farbe und Form verändert, und zwar so stark, dass die Façon jetzt weder die modische aus Dante’s Zeit ist, noch die der zahlreichen Beispiele an Figuren im Capellone degli Spagnuoli zu S. Maria Novella oder zu S. Croce. Ihre gegenwärtige Beschaffenheit, die rothe Kappe mit herabhängendem weissen Sack ist über Gebühr hässlich; ursprünglich war das Ganze roth colorirt. [66] Die Veränderung der Linie und die Einmalung des Saumes zwischen Kappe und Ueberhang war unverzeihliche Willkür. Wenn auch zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts mehrfarbige Kopfbedeckungen getragen worden sind, so haben wir doch schlechterdings kein Beispiel von solcher Zusammenstellung, wie sie jetzt das Bild Dante’s verunziert.[67] – Im Uebrigen besteht das Originalkostüm Dante’s hier aus einer weissen Unterkappe, enganschliessendem, am Halse mit einer Schnur zusammengehaltenen Rock, auf der Brust zurückgeklappt und am Halse mit stehendem Kragen, durchweg roth, nur oben durch einen schmalen weissen Leinenstreifen abgesetzt. Vorn auf der Brust wird eine grüne Weste sichtbar. Er hält mit der Linken ein geschlossenes zum Theil zerstörtes Buch und in der Rechten (genauer mit Daumen und Zeigefinger, welche erhalten sind) einen Stengel mit drei Granaten, vielleicht als Symbole seiner drei grossen Dichtungen.[68]

Interessant ist der physiognomische Gegensatz des gedankenvollen Dantekopfes mit dem des Corso Donati, wenn wir anders in den straffen Zügen des Nachbars, aus denen Körperkraft, Willenshärte und lauernde Tücke sprechen, den Chef der Neri vor uns haben. Corso’s Hände sind zum Gebet gefaltet, Stücke der Finger noch erhalten. Von dem vermeintlichen Porträt des Brunetto Latini ist die Hälfte des Gesichtes noch da und zeigt kühne Formen; wie Donati trägt er eine Mütze, aber die Annahme seiner Gegenwart auf dem Bilde hat wenig für sich, da er um 1294 starb[69] und obgleich Dante’s Lehrer, von diesem doch ins Inferno versetzt ward.

Die Gruppe als solche beweist am besten für Giotto’s Fähigkeit zum Individualisiren. Wenn auch selbst die grössten Bewundrer seinen Gesichtern eine gewisse allgemeine Gleichartigkeit nachgesagt haben, so ist davon hier keine Rede; jede Form ist eigenthümlich und harmonirt doch mit der andern, in den Zügen sind die Charaktere deutlich abgeprägt, und das gilt nicht blos von den oben beschriebenen Porträts, sondern ebenso von den Heiligen und Märtyrern, die er ausserdem darstellt.

Gegenstand und Eigenschaften dieser Fresken weisen auf das Jahr 1301 bis 2 hin.[70] Fraglich kann nur sein, ob Giotto sie damals auch ausgeführt hat. Jedenfalls lässt sich behaupten, Dante’s Porträt würde an so hervorragender Stelle nicht angebracht worden sein, wenn er zu dieser Zeit nicht eine angesehene Stellung in Florenz gehabt hätte. Durch Bande des Blutes mit den Donati verwandt – er war mit Gemma, einer Tochter jenes Hauses, vermählt – und vertraut mit Forese und Piccarda, Corso’s Geschwistern,[71] gehörte er als Politiker den Gegnern desselben an und sein Einfluss hat den Fall der Bianchi nicht überdauert. Die Katastrophe bildet das Jahr 1302. Damit stimmt Dante’s Porträt, das einen Mann von etwa 35 Jahren zeigt.[72] Kurz zuvor, vom Juni bis August 1300, hatte er das höchste Amt in Florenz innegehabt, und wenn er auf dem Fresko auch nicht den Ornat der Priori trägt, so deutet doch die Umgebung des Prinzen auf hervorragenden Rang. Sonach ist wahrscheinlich, dass die Fresken kurz vor seiner Verbannung gemalt sind, und dieser Zeitpunkt wird durch den technischen und künstlerischen Fortschritt bestätigt, den wir an ihnen wahrnehmen; denn sie zeigen den Meister auf entschieden höherer Stufe als in Rom und Assisi. [73]


  1. Vgl. Cesare Guasti, opusculi. Florenz 1859.
  2. Vgl. Anonym, comment. bei Camillo Laderchi, Giotto, Nuova antologia. Flor. 1867. Hinsichtlich des Vaternamens und des Gleichklanges mit einem andern Giotto vgl. Rumohr II, 41 und Vasari Not. 4 zu I, 329 sowie die dort mitgetheilte Urkunde v. J. 1312. – Ghiberti, welcher die erste Version vom Anfang der Laufbahn Giotto’s vertritt, sagt, dieser sei damals „di piccola età“ gewesen und sein Vater habe ihn dem fremden Manne anvertraut, weil er „poverissimo“ war.
  3. vgl. Vas. I, 311.
  4. Muro war vierter General des Ordens, erwählt i. J. 1296 (s. Wadding, Ann. ord. Min. V, 348). Vasari (I, 315) erzählt, Giotto habe auf seiner Reise nach Assisi in Arezzo verweilt und im Dom vor der Stadt in einer Kapelle die Steinigung des Stephanus und ausserdem in einer Kapelle der Pieve d’Arezzo, die dem Franciscus geweiht ist, die Porträts dieses Heiligen und des Dominicus auf eine Säule gemalt. Jenes Gemälde ist mit der Abtragung des alten Domes i. J. 1561 zu Grunde gegangen, während die beiden Bildnisse noch an Ort und Stelle existiren, Franciscus mit einem Buch, Dominicus mit einer Lilie in der Hand: sie stehen auf den Fussspitzen, sind hart umrissen, nicht ohne Detailstudium, aber von hässlicher Gestalt, schlecht gezeichneten Extremitäten und schwächlichen Gewandmotiven; von Giotto rühren sie nicht her, möglicherweise von Jacopo di Casentino. – Auch ein Krucifix in der Badia di S. Fiore zu Arezzo wird dem Giotto zugeschrieben (s. Not. zu Vas. I, 324), da Vasari behauptet dass er dort eins gemalt habe; dasjenige aber, was sich dort vorfindet, ist ihm gar nicht stilverwandt, sondern in sienesischer Manier, vielleicht von Segna, von dessen Arbeiten später die Rede sein soll. Ueber die Figur des heil. Martin, die für Pietro Saccone auf einem Pilaster im Chor des Vescovado gemalt gewesen war (Vas. I, 324), kann nicht geurtheilt werden, da das Fresko verschwunden ist.
  5. Giotto’s Originalzeichnung zu dieser Gruppe, Feder auf feinem Pergament, ist kürzlich aus dem Besitz des Herrn F. Reiset in die Sammlung des Herzogs von Aumale übergegangen.
  6. Die Canzone ist abgedruckt bei Rumohr II, 51 und bei Vas. I, 348.
  7. Diese 4 Fresken haben Goldgrund.
  8. Nach Offenb. Joh. I, 13. 14. V, 6. IV, 6. VI, 2. 5. 4. 8.
  9. Er verweist auf die damals ganz neue Beschreibung Köhlers (Kunstbl. 1821 N. 40 ff.), vgl. Rumohr II, 67.
  10. „Tu vedi“ – sagt Cesare Guasti (Opuscoli) – „per la mano di Giotto sostituirsi nuovi tipi, che volontieri chiamero nazionali alle maniere de’ Bizantini, in tanto che la barbarie del feudalismo cedeva alla costituzione dei Comuni, e dal rozzo latino svolgevasi la bella lingua d’Italia.“
  11. Trefflich bezeichnet es Ghiberti (Comm. in Vas. I, XVIII): „Arreco l’arte naturale e la gentilezza con essa non uscendo delle misure.“ Und Boccaccio (Decam. Nov. 5): „Niuna cosa dalla natura fù che egli con lo stile e eon la penna e col penello non dipignesse sì simile a quella, che non simile, anzi più d’essa paresse; intantochè molte volte nelle cose da lui fatte si truora, che il visivo senso degli uomini vi prese errore, quello credendo esser vero che era dipinto.“ – Freilich eine poetische Uebertreibung, aber bezeichnend für den Grad der Bewunderung.
  12. Hier mag besonders auf die groteske Weise hingedeutet werden, in welcher Dante seinen Lucifer die Trompete handhaben lässt.
  13. Rumohr, a. a O. II, 87; die Stelle des Ghiberti mitgetheilt in Note 2 zu Vasari I, p. XVIII.
  14. Vas. II, 120 (im Leben des Taddeo Gaddi).
  15. Durch Anbringung einer Orgel für die Kirchensänger ist die linke Seite auf barbarische Weise zerstört.
  16. Ein Bruchstück vom Rahmen dieses Bildes befand sich in der Sammlung Ramboux zu Cöln (unter N. 29), wohin er aus dem Besitze des Herrn Cavalier Frondini gelangt war. Der Kopf – dort irrthümlich als „Sancta Paupertas“ bezeichnet – gehörte dem Rippenornament unmittelbar unter dem eben beschriebenen Bilde an, das Kinn ist in weissen Schleier gehüllt und oben befindet sich eine Flamme, welche vom Ornament im Haar ausgeht.
  17. Zwar ist Einiges retouchirt, aber die technischen Eigenthümlichkeiten Giotto’s sind sehr kenntlich; hier ist dieselbe Pinselführung auf der sehr geschliffenen Fläche wie bei dem Tanze der Tochter der Herodias in S. Croce und bei den Allegorien der Tugenden und Laster in der Scrovegni-Kapelle zu Padua.
  18. Die Nachweise für diese und die übrigen Daten über die Beziehungen Giotto’s zu Stefaneschi vgl. G. Morone, Dizionario Nibby und Lor. Cardella, parocco di S. Vincenzo, Mem Stor, de’ Cardinali.
  19. Vas. I, 322 und Ghiberti, Comm. 2 in Vas. I, p. XVIII.
  20. S. den Original-Nekrolog bei Cancellieri (de Secretariis veteris Basilicae Vaticanae), wo die Autorschaft Giotto’s und der Preis bezeugt sind.
  21. In seinem 1510 in Rom publicirten Opusc. de mirabilibus Nove et Veteris Urbis Rome gibt Fr. Albertini an, das Mosaik befinde sich unter dem Portikus zu S. Peter. Ebenso sagt Leon Battista Alberti, De Pictura (Basil. 1540, 12°.) und Vasari I, 174: „nella nave del portico.“
  22. Die Staffagefigur des Anglers ist von Marcello Provenzale und von Orazio Manetti unter Bernini’s Leitung restaurirt. vgl. Not. zu Vas. I, 323. Wir fügen hinzu, dass auch Christus und Petrus, der Cardinal und die beiden Figuren der Winde überarbeitet und die vier Heiligen oben offenbar moderne Zuthaten sind. Gestochen ist das Mosaik von Girolamo Mosciano (Vas. IX, 290).
  23. F. Baldinucci Opere, Mailand 1811, IV, 132.
  24. Wir haben hierin sicherlich das Werk, worauf Ghiberti (Comm. 2. zu Vas. I, XVIII) sich bezieht. Von den Predellenstücken (ursprünglich 6) sind 3 vorhanden.
  25. Cancellieri (a. o. a. O.) sagt: „ad ejus (sospitatoris nostri) pedes provolutum Cardinalem Jacobum Caietani de Stefanescis . . qui DCCC Florenor. sumptu . . hujus modi tabulas a Jotto depingendas curavit.“
  26. Die Beschädigung der Tafel rührt vom Reinigen, nicht vom Repariren her. Etliche Köpfe, namentlich die der obersten Engel, sind durch Abreiben um ihre Farbe gebracht worden.
  27. Legenda Aurea Cap. LXXXIX.
  28. Eine derselben, von rückwärts gesehen, wirft die Arme mit einer Bewegung nach hinten, die sehr oft bei Giotto wiederkehrt, so z. B. in der Kreuzigung in der Unterkirche zu Assisi und in der Pietà der Scrovegni-Kapelle, aber an beiden Stellen gewaltsamer als hier.
  29. Auch Cancellieri sagt (a. a. O. p. 1464): „a tergo prima tabula conspicitur S. Petrus sedens, idemque cardinalis Cajetanus in genua provolutus.“ Er hält ein sechseckiges Ciborium in Händen, aus dessen Beschaffenheit sich vermuthen lässt, dass die oben beschriebenen Tafeln nicht ursprünglich Rücken an Rücken gestanden haben, wie jetzt.
  30. Es ist durch die Zeit sehr schwarz geworden und durch einen senkrechten Sprung beschädigt. Die abgefallene Farbe legt das grundirte Pergament bloss, welches in den Gyps eingearbeitet ist. Der Marmor-Vorgrund des Bildes hat Farbe und Gypsunterlage verloren.
  31. Dieses Predellenstück ist lädirt und scheint durch die Lichter des Altars gelitten zu haben.
  32. So sehr diese Bilderfolge von der Zeit mitgenommen ist, so ist sie doch wenigstens von Restauration freigeblieben und gibt volle Rechenschaft über Giotto’s Technik.
  33. Vas. XI, 309.
  34. Vas. X, 168 f. Als diese Fresken von Perino del Vaga abgenommen wurden, brachte man sie in dazu präparirten Rahmen in die Orgelnische. Wo sie jetzt sind, ist uns unbekannt.
  35. Laut Ghiberti’s und Vasari’s Angaben (Comm. 2. in Vas. I, p. XVIII und I, 323) malte Giotto verschiedene Fresken in S.Peter und ein Krucifix in Tempera in S. Maria sopra Minerva. Diese sind untergegangen. Wenn man ihm das Krucifix auf Holz zuschreibt, welches jetzt noch in letzterer Kirche ist, so begreifen wir nicht, mit welchem Rechte.
  36. Zuerst arbeitete Giotto in Florenz in (nach Vas. I, 311 f.) in der Badia. Aber die Jungfrau in der Verkündigung, die hier erwähnt wird, ist von Lorenzo Monaco und das Gemälde am Hochaltar ist untergegangen.
  37. Vas. nennt Dante „coetano et amico suo grandissimo.“ Vgl. bezügl. der Anwesenheit Dante’s in Rom Inf. C. XVIII, 28 ff. – Dante’s Verbannung wurde publicirt, als er auf der Gesandtschaftsreise in Rom war (April 1302).
  38. Drei Kunstförderer, Kanonikus Moreni, Luigi Scotti und Prof. Missirini hatten bereits in unsrem Jahrhundert die Wiederherstellung dieser Malereien beantragt, aber erst der Energie des Hrn. Seymour Kirkup unter Beistand des Amerikaners Henry Wild und O. Bezzi gelang es, die Indolenz der Behörden zu besiegen. Von ihnen aufgefordert erklärte sich Sign. Marini bereit, für die Summe von 240 Francesconi die Tünche zu entfernen, und die Kosten würden von jenen Herren getragen worden sein, hätten nicht Cav. Remirez di Montalvo und Marquis Girolamo Ballati-Nerli die Ausgaben auf den toskanischen Fiskus übernommen.
  39. Die Höhe beträgt 60, die Bodenfläche etwa 36 zu 26 Fuss.
  40. Sämmtliche Fresken sind in einer Höhe von etwa 11 Fuss über dem Boden angebracht.
  41. Der Fond der Decken, ursprünglich blau mit goldenen Sternen, ist jetzt weiss, da das Blau abgeblättert ist. In einem der rhombischen Felder sieht man noch einen Engel mit Weihrauchfass.
  42. Das MS. ist betitelt: „De origine Civitatis Florentiae etc.“ Dass der Ausdruck „Altarstück“ nur Versehen war, geht aus der zu Anfang des 15. Jahrh. erschienenen italienischen Uebersetzung hervor, wo einfach „Capella del Podestà“ steht.
  43. Zum ersten Mal 1772 in Florenz in den „Delizie degli eruditi Toscani“ publicirt. Wieder abgedruckt ist der 50. Gesang in der Festschrift zur Feier der Hochzeit Bonghi-Ranalli, den 15. Jan. 1868 in Florenz, unter dem Titel: „In Lode di Dante.“
  44. Vas. p. XIX in Vol. I. u. I, 311.
  45. Dieses ausführliche Zeugenverhör Über Giotto’s Anrecht an den Fresken im Bargello schien vonnöthen, weil dasselbe jüngst von zwei namhaften italienischen Kunstautoritäten, Gaetano Milanesi und Luigi Passerini geleugnet worden ist. In ihrem dem Magistrate von Florenz bei Gelegenheit des Dante-Jubiläums erstatteten Bericht plädiren sie mit folgenden Gegengründen: 1) Dante’s Porträt auf jenem Fresko sei das eines Mannes von etwa 25 Jahren, und müsse also im Jahre 1290 gemalt sein, wo Giotto kaum 15 Jahre alt war; 2) in einem gleichzeitigen Gemälde würde Dante sicherlich nicht in Gesellschaft seines grössten Feindes Corso Donati dargestellt worden sein, 3) Arbeiten Giotto’s in jener Kapelle hätten untergehen müssen in dem Feuer, welches am 28. Febr. 1332 ausbrach, oder bei Vertreibung des Herzogs von Athen, infolge dessen der Palast des Podestà im Jahr 1345 völligen Neubau erfordert hätte; 4) unter der knieenden Gestalt auf dem Fresko, welches das Paradies vorstellt, sei ein Schild mit dem Wappen des Tedice de’ Fieschi, Podestà von Florenz für die Jahre 1358 u. 59. – Folgendes zur Widerlegung dieser Grunde: ad 1: Das Porträt Dante’s zeigte vor seiner Reparatur einen Mann von 30 bis 35 Jahren; ad 2: Es steht gar nichts im Wege, dass Giotto hier den Dante mit seinem Gegner Corso Donati zusammen malte, sollte doch das Bild zum Gedächtniss des freilich in Wirklichkeit vorübergehenden Friedens dienen, der 1301 geschlossen wurde; ad 3: wenn die Kapelle mit dem Palazzo i. J. 1332 zerstört worden wäre, so könnte unter der Figur des Venanzio nicht die Zahl 1337 stehen; ad 4: das angeführte Wappen ist allerdings das des Tedice de’ Fieschi, aber wie männiglich sehen kann, ist das eines früheren Podestà damit zugemalt.
  46. Neben dem Bischof zwei Figuren mit Kerzen, deren Köpfe verwischt sind. Rechts von der Knieenden zwei Engelköpfe, oben Spuren von Engeln, die eine Figur gen Himmel tragen.
  47. Die Fleischtöne in der weiblichen Figur sind verschwunden, nur die eingedrückten Linien von Gesicht, Händen und Füssen noch sichtbar, der Rest der Gestalt flott mit dem Haarpinsel in Roth unterlegt; es scheint, als wären die Conturen mit dem Stift über durchsichtiger Zeichnung eingedrückt.
  48. Durch Abkratzung der Farbe ist die herkömmliche grünlichgraue Untermalung der Fleischtöne sichtbar geworden. Die Formen sind roth umzogen, das Haar, in sehr schönen Linien ausgeprägt, bewahrt noch ein feines warmes Gelb, der Mantel, roth unterlegt, hatte sicherlich blaue Lasuren.
  49. Die Hauptsache aber, die Marien und die schlafenden Soldaten, sind zerstört.
  50. Lazarus selbst ist zerstört.
  51. Der Vorgang, welcher in Darstellungen des 14. Jahrh. oft wiederkehrt, wird folgendermaassen belichtet: Ein heidnischer Kaufmann in Marseilles hatte der Maria Magdalena, die ihm erschienen war, versprochen, Christ zu werden und ins heilige Land zu pilgern, wenn ihm dann Kinder bescheert würden. Sein Wunsch ging in Erfüllung, bald darauf starb sein Weib auf einer Reise und wurde mit ihrem Neugeborenen auf einsamem Felseneiland zurückgelassen. Nach zwei Jahren jedoch, als der Kaufmann den Ort wieder besucht, findet er das Kind lebend an der Seite der Mutter.
  52. Von dieser sind nur die Arme erhalten.
  53. Inferno C. XXXIV. v. 38 ff.:
    . . vidi tre facce alla sua testa,
    L’una dinanzi, e quella era vermiglia,
    L’altre eran due, che s’aggiungieno a questa. .
    . . . . . . .
    Sotto ciascuna uscivan due grandi ali
    Quanto si convenia a tanto uccello;
    Vele di mar non vid’ io mai cotali.
    Non avean penne, ma di vipistrello
    Era lor modo ; . . . .
    . . . . . . . . . . . .
    Da ogni bocca dirompea coi denti
    Un peccatore, a guisa di maciulla.
  54. Die Farbe des Fresko’s ist zwar abgefallen, aber ohne die Politur der Stucklage zu beschädigen, die ihre ursprüngliche Glätte behalten hat. Die Umrisse des Lucifer sind eingeritzt, die übrigen Formen fest liniirt und in röthlichem Braun schattirt. Hinsichtlich des technischen Verfahrens nehmen wir an diesem Bilde eine Vermischung zweier Methoden wahr: buon fresco und a secco retouchirtes Fresko. Man erkennt noch die Nähte von vier grossen Stücken, und es scheint, dass die Conturen theilweise eingedrückt, theilweise aufs Frische gemalt waren. Von diesem Theil ist am meisten erhalten. Das nach dem alten Verfahren behandelte Colorit in Fleisch und Gewändern hat der Zeit, der Tünche und Reparatur nicht widerstanden.
  55. Vgl. unter den Geschichtschreibern der Stadt Florenz namentlich Scipio Ammirato, dell’ Istorie Fiorentine etc. Flor. 1600, 4°.
  56. Sie ist jetzt frisch gemalt.
  57. Ein Stück vom Gesicht ist zerstört.
  58. Von dieser Figur ist der grösste Theil des Kopfes zerstört.
  59. „Tempo vegg’ io, non molto dopo ancoi,
    Che tragge un altro Carlo fuor di Francia,
    Per far conoscer meglio e sè e i suoi.“
    Purgatorio C. XX. v. 70.
  60. Dante zweifellos; vielleicht hat er sogar Antheil an seinem eignen malerischen Denkmal, vgl. Balbo, Vita di Dante, der dafür den Leonardo Aretino citirt. Die übrigen Namen sind Vermuthung. Näheres über die Porträts am Schlusse des Capitels.
  61. Diese Eigenschaften können nur bei ganz genauer Betrachtung wahrgenommen werden, denn etliche Köpfe sind theilweise beschädigt, andere sogar völlig zerstört.
  62. Flecken vom ursprünglichen Roth sind noch zu sehen. Das Kopftuch theilweise verlöscht, auch ein Stück vom Kopfe selbst zu Grunde gegangen. Das Gesicht scheint breit gewesen zu sein, die Nase kurz. Vgl. die früher gegebene Beschreibung seines Grabmals von einem der Cosmaten, Cap. III, S 89.
  63. Das Wappen, zum grossen Theil lädirt, ist das des Tedice de’ Fieschi, auf einen älteren Schild aufgemalt.
  64. Die Figur im Paradiese in der Arena zu Padua in der dritten Reihe der Seligen, an zweiter Stelle von links, ist dieser ähnlich, nur älter (vgl. Cap. IX.); doch hat sie so wenig wie die im Bargello Aehnlichkeit mit dem sogen. Giotto-Porträt in Assisi; mehr entsprechen sie dem Typus desjenigen, welches ein Jahrhundert nach seinem Tode für Giotto’s Monument in S. Maria del Fiore in Florenz gearbeitet ist.
  65. Herr Seymour Kirkup hat das Verdienst, eine genaue Zeichnung vor der Restauration angefertigt zu haben, es ist später von der Arundel-Society publicirt worden und dient als Maasstab für die Veränderungen, die mit dem Originale vorgenommen sind.
  66. Genaue Inspection ergibt, dass der Restaurator beim Abkratzen der weissen Tünche von einem Theil des Hinterkopfes und des herabhängenden Tuchstückes die Farbe mit hinwegnahm; aus einzelnen stehengebliebenen Stellen ist das Roth erkennbar. Der Saum, der jetzt die Mütze mit dem herabhängenden Stück verbindet, ist eine einfache Zuthat des Restaurators, der zugleich auch die Contur durch Lädirung der Kappenspitze verfälscht hat. Und wie das Stück am Hinterkopf, so hätte er dann auch den Ueberhang mit Roth ergänzen müssen.
  67. Gestreifte Kleider und Strümpfe müssen im 14. Jahrh. ziemlich ungewöhnlich gewesen sein, wenigstens erzählt Sacchetti in der Novella LXXIX. Vol. II. sehr launig, wie Boninsegna Angiolini beim Anblick von Figuren mit gestreiften Strümpfen in S. Piero Scheraggio starr vor Staunen war. Die Beschauer gehen verwundert fort und einer sagt, die Streifen seien nicht so ausserordentlich wie die Mode in Siena, wo häufig halb schwarz, halb weiss getragen werde. Von letzterem Kostüm finden sich Abbildungen in den Fresken der Lorenzetti. – Dagegen haben wir zahlreiche Beispiele von einfarbigen Kappen, und eins beweist auch, dass Dante eine rothe zu tragen pflegte. Domenico Michelino malte 1465 ein postumes Porträt des Dichters, jetzt in S. Maria del Fiore, worauf Dante in rother Kappe und rothem Kleid zu sehen ist, und es ist kein Grund, daran zu zweifeln, dass Michelino sich nach dem Bilde im Bargello oder nach dem andern von Giotto gerichtet hat, das ehemals in S. Croce existirte, jetzt aber untergegangen ist. Vgl. darüber Vasari XII, 302.
  68. Die Hand mit dem Zweige ist nur noch in der rothen Untermalung zu sehen, da das Kleid der Nebenfigur, welches als Folie diente, die Farbe verloren hat.
  69. Sein Grab mit moderner Inschrift, welche ihn 1394 sterben lässt, befindet sich in S. Maria Maggiore. vgl Richa, Chiese III, 287.
  70. Carl von Valois kam am 1. November 1301 nach Florenz.
  71. Vgl.Balbo, Vita di Dante. - Piccarda findet er im Paradiese (Canto III, v. 49): sie war Nonne gewesen, aber mit Gewalt von Corso aus dem Kloster genommen und wider ihren Willen verheirathet. Forese wird in das Purgatorio versetzt. (C. XXIII, v. 48.)
  72. Dante ist 1265 geboren. Aus Corso’s Porträt ist schwerer auf das Alter zu schliessen, doch sieht er älter aus als Dante.
  73. Bemerkenswerth ist, dass i. J. 1329, also noch zu Giotto’s Lebzeiten in Florenz ein Dekret erging, welches allen städtischen Vorständen und Beamten der „Commune“ die Ausführung oder Veranlassung irgend welcher Gemälde an Häusern oder Plätzen, welche von solchen Beamten bewohnt oder von ihnen im Dienst benutzt würden, nicht blos untersagte, sondern auch die Zerstörung aller diesem Gesetze zum Trotz angefertigten Bilder und Statuen anbefahl. Ausgenommen waren nur solche, welche den Heiland und die Jungfrau oder einen Sieg und die Eroberung einer Stadt zu Gunsten der Florentiner darstellten. Diese Ausnahmebestimmung kam offenbar den Gemälden Giotto’s im Bargello zu Gute. Wie werthvoll würde es sein, wenn ein Verzeichniss der kraft dieses Dekrets vernichteten Kunstwerke aufgefunden werden könnte! Das Original des Gesetzes gibt Gaye, Carteggio I, 473.