Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der zur Anfertigung von Cigarren bestimmten Anlagen. Vom 8. Juli 1893

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Titel: Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der zur Anfertigung von Cigarren bestimmten Anlagen.
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Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1893, Nr. 27, Seite 218–220
Fassung vom: 8. Juli 1893
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 14. Juli 1893
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(Nr. 2116.) Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der zur Anfertigung von Cigarren bestimmten Anlagen. Vom 8. Juli 1893.

Auf Grund des §. 120e und des §. 139a der Gewerbeordnung hat der Bundesrath folgende Vorschriften über die Einrichtung und den Betrieb der zur Anfertigung von Cigarren bestimmten Anlagen erlassen:

§. 1.

Die nachstehenden Vorschriften finden Anwendung auf alle Anlagen, in welchen zur Herstellung von Cigarren erforderliche Verrichtungen vorgenommen werden, sofern in den Anlagen Personen beschäftigt werden, welche nicht zu den Familiengliedern des Unternehmers gehören.

§. 2.

Das Abrippen des Tabacks, die Anfertigung und das Sortiren der Cigarren darf in Räumen, deren Fußboden 0,5 Meter unter dem Straßenniveau liegt, überhaupt nicht, und in Räumen, welche unter dem Dache liegen, nur dann vorgenommen werden, wenn das Dach mit Verschalung versehen ist.
Die Arbeitsräume, in welchen die bezeichneten Verrichtungen vorgenommen werden, dürfen weder als Wohn-, Schlaf-, Koch- oder Vorrathsräume noch als Lager- oder Trockenräume benutzt werden. Die Zugänge zu benachbarten Räumen dieser Art müssen mit verschließbaren Thüren versehen sein, welche während der Arbeitszeit geschlossen sein müssen.

§. 3.

Die Arbeitsräume (§. 2) müssen mindestens drei Meter hoch und mit Fenstern versehen sein, welche nach Zahl und Größe ausreichen, um für alle Arbeitsstellen hinreichendes Licht zu gewähren. Die Fenster müssen so eingerichtet sein, daß sie wenigstens für die Hälfte ihres Flächenraumes geöffnet werden können.

§. 4.

Die Arbeitsräume müssen mit einem festen und dichten Fußboden versehen sein.

§. 5.

Die Zahl der in jedem Arbeitsraum beschäftigten Personen muß so bemessen sein, daß auf jede derselben mindestens sieben Kubikmeter Luftraum entfallen.

§. 6.

In den Arbeitsräumen dürfen Vorräthe von Taback und Halbfabrikaten nur in der für eine Tagesarbeit erforderlichen Menge und nur die im Laufe des Tages angefertigten Cigarren vorhanden sein. Alles weitere Lagern von Taback [219] und Halbfabrikaten, sowie das Trocknen von Taback, Abfällen und Wickeln in den Arbeitsräumen auch außerhalb der Arbeitszeit ist untersagt.

§. 7.

Die Arbeitsräume müssen täglich zweimal mindestens eine halbe Stunde lang, und zwar während der Mittagspause und nach Beendigung der Arbeitszeit, durch vollständiges Oeffnen der Fenster und der nicht in Wohn-, Schlaf-, Koch- oder Vorrathsräume führenden Thüren gelüftet werden. Während dieser Zeit darf den Arbeitern der Aufenthalt in den Arbeitsräumen nicht gestattet werden.

§. 8.

Die Fußböden und Arbeitstische müssen täglich mindestens einmal durch Abwaschen oder feuchtes Abreiben vom Staube gereinigt werden.

§. 9.

Kleidungsstücke, welche von den Arbeitern für die Arbeitszeit abgelegt werden, sind außerhalb der Arbeitsräume aufzubewahren. Innerhalb der Arbeitsräume ist die Aufbewahrung nur gestattet, wenn dieselbe in ausschließlich dazu bestimmten verschließbaren Schränken erfolgt. Die letzteren müssen während der Arbeitszeit geschlossen sein.

§. 10.

Auf Antrag des Unternehmers können Abweichungen von den Vorschriften der §§. 3, 5, 7 durch die höhere Verwaltungsbehörde zugelassen werden, wenn die Arbeitsräume mit einer ausreichenden Ventilationseinrichtung versehen sind.
Desgleichen kann auf Antrag des Unternehmers durch die höhere Verwaltungsbehörde eine geringere als die im §. 3 vorgeschriebene Höhe für solche Arbeitsräume zugelassen werden, in welchen den Arbeitern ein größerer als der im §. 5 vorgeschriebene Luftraum gewährt wird.

§. 11.

Die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern ist bis zum 1. Mai 1903 gestattet, wenn die nachstehenden Vorschriften beobachtet werden:
1. Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter müssen im unmittelbaren Arbeitsverhältniß zu dem Betriebsunternehmer stehen. Das Annehmen und Ablohnen derselben durch andere Arbeiter oder für deren Rechnung ist nicht gestattet.
2. Für männliche und weibliche Arbeiter müssen getrennte Aborte mit besonderen Eingängen und, sofern vor Beginn und nach Beendigung der Arbeit ein Wechseln der Kleider stattfindet, getrennte Aus- und Ankleideräume vorhanden sein. [220]
Die Vorschrift unter Ziffer 1 findet auf Arbeiter, welche zu einander in dem Verhältniß von Ehegatten, Geschwistern oder von Aszendenten und Deszendenten stehen, die Vorschrift unter Ziffer 2 auf Betriebe, in welchen nicht über zehn Arbeiter beschäftigt werden, keine Anwendung.

§. 12.

An der Eingangsthür jedes Arbeitsraumes muß ein von der Ortspolizeibehörde zur Bestätigung der Richtigkeit seines Inhalts unterzeichneter Aushang befestigt sein, aus welchem ersichtlich ist:
1. die Länge, Breite und Höhe des Arbeitsraumes,
2. der Inhalt des Luftraumes in Kubikmeter,
3. die Zahl der Arbeiter, welche demnach in dem Arbeitsraum beschäftigt werden darf.
In jedem Arbeitsraum muß eine Tafel ausgehängt sein, welche in deutlicher Schrift die Bestimmungen der §§. 2 bis 11 wiedergiebt.

§. 13.

Die vorstehenden Bestimmungen treten mit dem Tage ihrer Verkündigung an die Stelle der durch die Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 9. Mai 1888 (Reichs-Gesetzbl. S. 172) verkündeten Vorschriften.
Berlin, den 8. Juli 1893.
Der Stellvertreter des Reichskanzlers.

von Boetticher.