Bekanntmachung, betreffend die Einführung von Bestimmungen über die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei der Beförderung von lebendem Geflügel auf Eisenbahnen

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Titel: Bekanntmachung, betreffend die Einführung von Bestimmungen über die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei der Beförderung von lebendem Geflügel auf Eisenbahnen.
Abkürzung:
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Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1899, Nr. 3, Seite 11–13
Fassung vom: 2. Februar 1899
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 7. Februar 1899
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(Nr. 2544.) Bekanntmachung, betreffend die Einführung von Bestimmungen über die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei der Beförderung von lebendem Geflügel auf Eisenbahnen. Vom 2. Februar 1899.

Auf Grund der Artikel 42 und 43 der Reichsverfassung hat der Bundesrath nachstehende Bestimmungen über die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei der Beförderung von lebendem Geflügel auf Eisenbahnen beschlossen:

§. 1.

(1) Die Eisenbahnverwaltungen sind verpflichtet, Eisenbahnwagen, worin lebendes Geflügel unverpackt befördert worden ist, nach jedesmaligem Gebrauch einer Reinigung und einer Desinfektion zu unterwerfen, welche geeignet sind, die den Wagen etwa anhaftenden Ansteckungsstoffe vollständig zu tilgen.
(2) In gleicher Weise sind die bei der Verladung und bei der Beförderung des Geflügels zum Füttern und Tränken oder zu sonstigen Zwecken benutzten Geräthschaften zu reinigen und zu desinfiziren.
(3) Bewegliche Rampen und Einladebrücken der Eisenbahnverwaltungen müssen, sofern zur Geflügelverladung benutzt, täglich mindestens einmal unter entsprechender Anwendung der Vorschriften im §. 3 gereinigt und desinfizirt werden.
(4) Feste Rampen sowie die Geflügel-Ein- und Ausladeplätze und die Geflügelhöfe (Buchten) der Eisenbahnverwaltungen sind stets von Streumaterialien, Dünger, Federn u. s. w. gesäubert zu halten. Rampen mit undurchlassendem Boden sowie feste hölzerne Rampen sind, sofern zur Geflügelverladung benutzt, täglich mindestens einmal mit Wasser zu spülen. Eine Desinfektion dieser Anlagen ist allgemein oder für gewisse Gegenden nur anzuordnen, wenn eine bestimmte Gefahr für die Verbreitung der Geflügelcholera vorliegt. Das in solchen Fällen anzuwendende Desinfektionsverfahren haben die Eisenbahnverwaltungen unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen im §. 3 vorzuschreiben. Für Fälle einer wirklichen Infektion oder des dringenden Verdachts einer solchen sind etwaige weitergehende Sicherungsmaßregeln von den zuständigen Polizeibehörden [12] anzuordnen. Rampen mit undurchlassendem Boden sowie feste hölzerne Rampen sind alsdann in der im §. 3 Abs. 3b angegebenen Weise zu desinfiziren.
(5) In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn bei der Beförderung von lebendem verpackten Geflügel eine Verunreinigung der Wagen und Rampen stattgefunden hat.
(6) Streu, Dünger, Federn und sonstige Abgänge sind zu sammeln und so aufzubewahren, daß Geflügel damit nicht in Berührung kommen kann. Derartige Abgänge von cholerakrankem oder -verdächtigem Geflügel müssen entweder durch vollständige Durchmischung mit Kalkmilch oder 5prozentiger Karbolsäurelösung desinfizirt oder verbrannt oder mindestens 1 Meter tief vergraben werden.

§. 2.

(1) Die Verpflichtung zur Desinfektion liegt in Bezug auf die Eisenbahnwagen und die zu ihnen gehörigen Geräthschaften (§. 1 Abs. 1 und 2) derjenigen Eisenbahnverwaltung ob, in deren Bereiche die Entladung der Wagen stattfindet. Erfolgt sie im Auslande, so ist zur Desinfektion diejenige deutsche Eisenbahnverwaltung verpflichtet, deren Bahn von den Wagen bei der Rückkehr in das Reichsgebiet zuerst berührt wird.
(2) Die Desinfektion hat in beiden Fällen innerhalb 24 Stunden zu erfolgen. Sind von den Eisenbahnverwaltungen besondere Desinfektionsstationen eingerichtet, so wird diese Frist auf 48 Stunden verlängert.

§. 3.

(1) Der eigentlichen Desinfektion der Wagen muß stets die Beseitigung der Streumaterialien, des Düngers, der Federn u. s. w. sowie eine gründliche Reinigung der Wagen durch heißes Wasser vorangehen. Wo letzteres nicht in genügender Menge zu beschaffen ist, darf auch unter Druck ausströmendes kaltes Wasser verwendet werden; jedoch muß zuvor zum Zwecke der Aufweichung der anhaftenden Unreinigkeiten eine Abspülung mit heißem Wasser erfolgen.
(2) Die Reinigung ist nur dann als eine ausreichende anzusehen, wenn dadurch alle von dem stattgehabten Transporte herrührenden Verunreinigungen vollständig beseitigt sind.
(3) Die Desinfektion selbst muß bewirkt werden:
a) unter gewöhnlichen Verhältnissen durch Waschen der Fußböden, Decken und Wände mit einer auf mindestens 50 Grad Celsius erhitzten Sodalauge, zu deren Herstellung wenigstens 2 Kilogramm Soda auf 100 Liter Wasser verwendet sind;
b) in Fällen einer wirklichen Infektion des Wagens durch Geflügelcholera oder des dringenden Verdachts einer solchen Infektion nach Anwendung des Verfahrens unter a noch durch sorgfältiges Bepinseln der Fußböden, Decken und Wände mit 5prozentiger Karbolsäurelösung. Diese ist durch Mischen von 1 Theile der im Handel als 100prozentige Karbolsäure oder Acidum carbolicum depuratum bezeichneten Karbolsäure mit 18 Theilen Wasser unter häufigem Umrühren herzustellen. [13]
(4) Die unter b vorgeschriebene Art der Desinfektion ist in der Regel nur auf Anordnung der zuständigen Polizeibehörde, ohne solche Anordnung jedoch auch dann vorzunehmen, wenn die Bahnbeamten von Umständen Kenntniß erlangen, die es zweifellos machen, daß eine wirkliche Infektion des Wagens durch Geflügelcholera vorliegt, oder die den dringenden Verdacht einer solchen Infektion begründen. Der Landespolizeibehörde bleibt vorbehalten, diese Art der Desinfektion auch in anderen Fällen anzuordnen, wenn sie solches zur Verhütung der Verschleppung der Seuche für unerläßlich erachtet.

§. 4.

Die Eisenbahnverwaltungen sind berechtigt, für die Desinfektion eine Gebühr zu erheben, deren Höhe in den Tarifen festzusetzen ist. Bei Bemessung der Gebührensätze ist davon auszugehen, daß sie lediglich dazu bestimmt sind, eine Ersatzleistung für die durch die Desinfektion bedingten außerordentlichen Aufwendungen zu gewähren. Für die der eigentlichen Desinfektion vorangehende oder ohne Rücksicht auf sie vorzunehmende Reinigung findet eine Entschädigung nicht statt. Die Gebühren sind unabhängig von der Größe der Entfernung, die der Transport durchlaufen hat, unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Beträge der Selbstkosten für alle Stationen im Bereich einer und derselben Eisenbahnverwaltung in gleicher Höhe und zwar in einem Satze für den Wagen festzusetzen.

§. 5.

Die Eisenbahnverwaltungen haben dafür zu sorgen, daß die Arbeiten zur Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Geflügeltransporten unter verantwortlicher Aufsicht ausgeführt werden.

§. 6.

Die Eisenbahnaufsichtsbehörden haben im Einvernehmen mit den Veterinärpolizeibehörden geeignete Kontroleinrichtungen zur Durchführung der vorstehenden Bestimmungen zu treffen.

§. 7.

Die vorstehenden Bestimmungen treten sofort in Kraft.
Berlin, den 2. Februar 1899.
Der Reichskanzler.

Fürst zu Hohenlohe.