Bekanntmachung, betreffend Bestimmungen zur Ausführung des Gesetzes über die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten. Vom 21. Februar 1904 / I. Bekämpfung der Cholera

Gesetzestext
korrigiert
Titel: Bekanntmachung, betreffend Bestimmungen zur Ausführung des Gesetzes über die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten. I. Bekämpfung der Cholera.
Abkürzung:
Art:
Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1904, Nr. 9, Seite 68 - 91
Fassung vom: 21. Februar 1904
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 27. Februar 1904
Inkrafttreten:
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I. Bekämpfung der Cholera. Bearbeiten

1. Zu §§ 12, 13. Diejenigen Personen, welche mit einer an der Cholera erkrankten oder verstorbenen Person, mit Wäsche, Kleidungsstücken oder Ausleerungen Cholerakranker in Berührung gekommen sind, sowie die Haus- und Arbeitsgenossen Cholerakranker (ansteckungsverdächtige Personen) sind einer Beobachtung zu unterstellen, soweit nicht schärfere Maßregeln nach Nr. 2 zu ergreifen sind oder vom beamteten Arzte aus besonderen Gründen für erforderlich erklärt werden. Die Beobachtung soll nicht länger als fünf Tage, gerechnet vom Tage der letzten Ansteckungsgelegenheit, dauern. Sie ist in schonender Form und so vorzunehmen, daß Belästigungen tunlichst vermieden werden. Sie wird, abgesehen von den etwa erforderlichen bakteriologischen Untersuchungen der Ausleerungen, in der Regel darauf beschränkt werden können, daß durch einen Arzt oder durch eine sonst geeignete Person täglich Erkundigungen über den Gesundheitszustand der betreffenden Personen eingezogen werden.
Die höhere Verwaltungsbehörde kann für den Umfang ihres Bezirkes oder für Teile desselben anordnen, daß zureisende fremde oder ortsansässige Personen, welche sich innerhalb der letzten fünf Tage vor ihrer Ankunft in einem von der Cholera betroffenen Bezirk oder Orte aufgehalten haben, nach ihrer Ankunft der Ortspolizeibehörde binnen einer zu bestimmenden, möglichst kurzen Frist schriftlich oder mündlich zu melden sind. Derartige Personen können als ansteckungsverdächtig angesehen und der Beobachtung unterworfen werden.
Eine verschärfte Art der Beobachtung, verbunden mit Beschränkungen in der Wahl des Aufenthalts oder der Arbeitsstätte (zum Beispiel Anweisung eines bestimmten Aufenthalts, Verpflichtung zum zeitweisen persönlichen Erscheinen vor der Gesundheitsbehörde, Untersagung des Verkehrs an bestimmten Orten) ist solchen Personen gegenüber zulässig, welche obdachlos oder ohne festen Wohnsitz sind oder berufs- oder gewohnheitsmäßig umherziehen, zum Beispiel die in der Flußschiffahrt oder der Flößerei beschäftigten Personen, fremdländische Auswanderer und Arbeiter, fremdländische Drahtbinder, Zigeuner, Landstreicher, Hausierer. [69]
2. Zu §§ 14, 18. An der Cholera erkrankte oder krankheitsverdächtige Personen sind ohne Verzug unter Beobachtung der Bestimmungen im § 14 Abs. 2 und 3 des Gesetzes abzusondern. Als krankheitsverdächtig sind – solange nicht zwei in eintägigem Zwischenraum angestellte bakteriologische Untersuchungen den Choleraverdacht beseitigt haben – solche Personen zu betrachten, welche unter Erscheinungen erkrankt sind, die den Ausbruch der Cholera befürchten lassen.
Anscheinend gesunde Personen, in deren Ausleerungen bei der bakteriologischen Untersuchung Choleraerreger gefunden wurden, sind wie Kranke zu behandeln.
Ansteckungsverdächtige Personen sind gleichfalls unter Beobachtung der Bestimmungen im § 14 Abs. 2 und 3 des Gesetzes abzusondern, wenn sie mit einem Cholerakranken in Wohnungsgemeinschaft leben. Jedoch kann die Absonderung unterbleiben, sofern der beamtete Arzt die Beobachtung (Nr. 1) für ausreichend erachtet.
Die Absonderung ansteckungsverdächtiger Personen darf die Dauer von fünf Tagen, gerechnet vom Tage der letzten Ansteckungsgelegenheit, nicht übersteigen.
Insoweit der beamtete Arzt es zur wirksamen Bekämpfung der Krankheit für unerläßlich erklärt, kann angeordnet werden, daß die Gesunden aus der Wohnung entfernt und die Kranken, anstatt daß sie zur Absonderung in ein Krankenhaus oder in einen sonst geeigneten Unterkunftsraum verbracht werden, in der Wohnung belassen werden. Unter der gleichen Voraussetzung kann ausnahmsweise sogar die Räumung des ganzen Hauses angeordnet werden, wenn in ihm außergewöhnlich ungünstige, der Krankheitsverbreitung förderliche Zustände (Überfüllung, Unreinlichkeit und dergleichen) herrschen. Den betreffenden Bewohnern ist anderweit geeignete Unterkunft unentgeltlich zu bieten.
Zur Fortschaffung von Kranken und Krankheitsverdächtigen sollen dem öffentlichen Verkehre dienende Beförderungsmittel (Droschken, Straßenbahnwagen und dergleichen) in der Regel nicht benutzt werden (vergleiche Nr. 6).
Wohnungen oder Häuser, in denen an der Cholera erkrankte Personen sich befinden, sind kenntlich zu machen.
Denjenigen Personen, welche der Pflege und Wartung von Cholerakranken sich widmen, ist aufzugeben, den Verkehr mit anderen Personen solange als erforderlich tunlichst zu vermeiden. Sie haben die von dem beamteten Arzte für nötig befundenen Maßnahmen gegen eine Weiterverbreitung der Krankheit zu beobachten.
Als geeignet zur Absonderung sind nur solche Krankenhäuser oder Unterkunftsräume anzusehen, in welchen die Absonderung des Kranken derart erfolgen kann, daß er mit anderen als den zu seiner Pflege bestimmten Personen, dem Arzte oder dem Seelsorger nicht in Berührung kommt und eine Weiterverbreitung der Krankheit tunlichst ausgeschlossen ist.
3. Zu § 15. Die zuständigen Behörden haben besonders zu erwägen, inwieweit Veranstaltungen, welche eine Ansammlung größerer Menschenmengen mit sich bringen (Messen, Märkte usw.), in oder bei solchen Ortschaften, in welchen die Cholera ausgebrochen ist, zu untersagen sind. [70]
In einem Hause, in welchem ein Cholerakranker sich befindet, können gewerbliche Betriebe, durch welche eine Verbreitung des Ansteckungsstoffs zu befürchten ist, insbesondere Betriebe zur Herstellung und zum Vertriebe von Nahrungs- und Genußmitteln, Beschränkungen unterworfen oder geschlossen werden, insoweit nach dem Gutachten des beamteten Arztes die Fortsetzung des Betriebs als gefährlich zu betrachten ist.
Die Polizeibehörden der von der Cholera ergriffenen Ortschaften haben dafür zu sorgen, daß Gegenstände, von denen nach dem Gutachten des beamteten Arztes anzunehmen ist, daß sie mit dem Ansteckungsstoffe der Cholera behaftet sind, vor wirksamer Desinfektion nicht in den Verkehr gelangen.
Insbesondere ist für Ortschaften oder Bezirke, in denen die Cholera gehäuft auftritt, die Ausfuhr von Milch, von gebrauchter Leibwäsche, alten und getragenen Kleidungsstücken, gebrauchtem Bettzeuge, Hadern und Lumpen zu verbieten. Ausgenommen sind zusammengepreßte Lumpen, welche in verschnürten Ballen im Großhandel versendet werden; ferner neue Abfälle, welche unmittelbar aus Spinnereien, Webereien, Konfektions- und Bleichanstalten kommen, Kunstwolle, neue Papierschnitzel, unverdächtiges Reisegepäck und Umzugsgut.
Bei gehäuftem Auftreten der Cholera ist in den von der Krankheit befallenen Ortschaften oder Bezirken das gewerbsmäßige Einsammeln von alten Kleidungsstücken, alter Leib- und Bettwäsche, Hadern und Lumpen im Umherziehen zu verbieten.
Einfuhrverbote gegen inländische, von der Cholera befallene Ortschaften oder Bezirke sind nicht zulässig. Das Verbot der Einfuhr bestimmter Waren und anderer Gegenstände aus dem Auslande richtet sich ausschließlich nach den gemäß § 25 des Gesetzes in Vollzug gesetzten Bestimmungen.
Für gebrauchtes Bettzeug, Leibwäsche und getragene Kleidungsstücke, welche aus einer von der Cholera betroffenen Ortschaft stammen und noch nicht wirksam desinfiziert worden sind, kann eine Desinfektion angeordnet werden. Im übrigen ist eine Desinfektion von Gegenständen des Güter- und Reiseverkehrs einschließlich der von Reisenden getragenen Wäsche- und Kleidungsstücke nur dann geboten und zulässig, wenn die Gegenstände nach dem Gutachten des beamteten Arztes als mit dem Ansteckungsstoffe der Cholera behaftet anzusehen sind.
Weitergehende Beschränkungen des Gepäck- und Güterverkehrs sowie des Verkehrs mit Post-(Brief- und Paket-)Sendungen sind nicht zulässig.
In den von der Cholera befallenen oder bedrohten Bezirken können die in der Schiffahrt oder der Flößerei beschäftigten Personen einer gesundheitspolizeilichen Überwachung unterworfen werden. Die Überwachung ist nach den in der Anlage 1 enthaltenen Grundsätzen einzurichten.
4. Zu § 16. Jugendliche Personen aus Behausungen, in welchen ein Cholerafall vorgekommen ist, müssen, soweit und solange nach dem Gutachten des beamteten Arztes eine Weiterverbreitung der Krankheit aus diesen Behausungen zu befürchten ist, vom Schulbesuche ferngehalten werden.
Das gleiche gilt hinsichtlich des Besuchs jedes anderen Unterrichts, an welchem mehrere Personen teilnehmen. [71]
5. Zu § 17. In Ortschaften, welche von der Cholera befallen oder bedroht sind, sowie in deren Umgegend kann die Benutzung von Brunnen, Teichen, Seen, Wasserläufen, Wasserleitungen sowie der dem öffentlichen Gebrauche dienenden Bade-, Schwimm-, Wasch- und Bedürfnisanstalten verboten oder beschränkt werden. Jedoch sind diese Anordnungen nur im Einvernehmen mit dem beamteten Arzte zu treffen.
6. Zu § 19. In einem Hause, in welchem ein Cholerafall vorgekommen ist, sind die erforderlichen Maßnahmen zur Desinfektion der Abgänge des Kranken (Stuhlentleerungen, Erbrochenes, Harn) sowie der mit dem Kranken oder Gestorbenen in Berührung gekommenen Gegenstände zu treffen. Ganz besondere Aufmerksamkeit ist der Desinfektion infizierter Räume, ferner der Kleidungsstücke, der Betten und der Leibwäsche des Kranken oder Gestorbenen sowie der bei der Wartung und Pflege des Kranken benutzten Kleidungsstücke, des Badewassers und der Badewanne zuzuwenden. Auch ist Vorsorge zu treffen, daß Fahrzeuge und andere Beförderungsmittel, welche zur Fortschaffung von kranken oder krankheitsverdächtigen Personen gedient haben, alsbald und vor anderweitiger Benutzung desinfiziert werden.
Besteht der Verdacht, daß in der Umgebung des Hauses offene Dungstätten, Stallungen, Höfe oder Gartenland mit menschlichen Ausleerungen verunreinigt sind, so müssen die in Betracht kommenden Bodenoberflächen, Schmutzwasseransammlungen, Rinnsteine und dergleichen desinfiziert werden.
Wohnungen, welche wegen Choleraausbruchs geräumt worden sind, dürfen erst nach einer wirksamen Desinfektion zur Wiederbenutzung freigegeben werden.
Die Desinfektionen sind nach Maßgabe der aus der Anlage 2 ersichtlichen Anweisung zu bewirken.
7. Zu § 21. Die Leichen der an der Cholera Gestorbenen sind ohne vorheriges Waschen und Umkleiden sofort in Tücher einzuhüllen, welche mit einer desinfizierenden Flüssigkeit getränkt sind. Sie sind alsdann in dichte Särge zu legen, welche am Boden mit einer reichlichen Schicht Sägemehl, Torfmull oder anderen aufsaugenden Stoffen bedeckt sind. Der Sarg ist alsbald zu schließen.
Soll mit Rücksicht auf religiöse Vorschriften das Waschen der Leiche ausnahmsweise stattfinden, so darf es nur unter den vom beamteten Arzte angeordneten Vorsichtsmaßregeln und nur mit desinfizierenden Flüssigkeiten ausgeführt werden.
Ist ein Leichenhaus vorhanden, so ist die eingesargte Leiche sobald als möglich dahin überzuführen. In Ortschaften, in welchen ein Leichenhaus nicht besteht, ist dafür Sorge zu tragen, daß die eingesargte Leiche tunlichst in einem besonderen, abschließbaren Raume bis zur Beerdigung aufbewahrt wird.
Die Ausstellung der Leiche im Sterbehaus oder im offenen Sarge ist zu untersagen, das Leichengefolge möglichst zu beschränken und dessen Eintritt in das Sterbehaus zu verbieten.
Die Beförderung der Leichen von Personen, welche an der Cholera gestorben sind, nach einem anderen als dem ordnungsmäßigen Beerdigungsort ist zu untersagen. [72]
Die Bestattung der Choleraleichen ist tunlichst zu beschleunigen. Personen, die bei der Einsargung beschäftigt gewesen sind, ist die Einhaltung der von dem beamteten Arzte gegen eine Weiterverbreitung der Krankheit für erforderlich erachteten Maßregeln zur Pflicht zu machen.
8. Zu § 22. Die Aufhebung der zur Abwehr der Choleragefahr getroffenen Anordnungen darf nur nach Anhörung des beamteten Arztes erfolgen.
9. Zu § 24. Bei einem gefahrdrohenden Ausbruche der Cholera im Ausland ist der Übertritt von Durchwanderern aus solchen ausländischen Gebieten, in denen die Cholera herrscht, nur an bestimmten Grenzorten zu gestatten, wo eine ärztliche Besichtigung sowie die Zurückhaltung und Absonderung der an der Cholera Erkrankten und der Krankheitsverdächtigen stattzufinden hat.
Die Massenbeförderung von Durchwanderern mit der Eisenbahn hat in Sonderzügen oder in besonderen Wagen, und zwar nur in Abteilen ohne Polsterung, zu geschehen. Die benutzten Wagen sind nach jedesmaligem Gebrauche zu desinfizieren. Müssen die Durchwanderer während der Reise durch das Reichsgebiet behufs Übernachtung den Zug verlassen, so darf dies nur auf Eisenbahnstationen geschehen, bei denen sich Auswandererhäuser befinden.
Es ist dafür Sorge zu tragen, daß solche Durchwanderer mit dem Publikum so wenig wie möglich in Berührung kommen und in den Hafenorten tunlichst in Auswandererhäusern untergebracht werden.
Auf fremdländische Arbeiter, welche aus ausländischen von der Cholera betroffenen Gebieten zum Erwerb ihres Unterhalts einwandern, sowie auf ihre Angehörigen finden die Bestimmungen unter Nr. 1 letzter Absatz Anwendung.
10. Zu § 27. Für das Arbeiten und den Verkehr mit Choleraerregern gelten die auf Grund des § 27 des Gesetzes in Vollzug gesetzten Vorschriften.
11. Zu § 40. Cholerakranke dürfen in der Regel nicht mittels der Eisenbahn befördert werden. Ausnahmen sind nur nach dem Gutachten des für die Abgangsstation zuständigen beamteten Arztes zulässig. In solchen Ausnahmefällen ist der Kranke in einem besonderen Wagen, der alsbald nach der Benutzung zu desinfizieren ist, zu befördern. Das bei ihm beschäftigt gewesene Personal ist anzuhalten, vor ausgeführter Desinfektion (Anlage 2) den Verkehr mit anderen Personen nach Möglichkeit zu vermeiden.
Ergibt sich bei einem Reisenden während der Eisenbahnfahrt Choleraverdacht, so ist er, falls nicht die Verkehrsordnung seinen Ausschluß von der Fahrt vorschreibt, an der Weiterfahrt nicht zu verhindern; jedoch ist, sobald dies ohne Unterbrechung der Reise möglich ist, die Feststellung der Krankheit durch einen Arzt herbeizuführen. Der Abteil, in welchem der Kranke untergebracht war, und die damit in Zusammenhang stehenden Abteile sind zu räumen. Der Wagen ist, falls der Choleraverdacht sich bestätigt, sobald wie möglich außer Betrieb zu setzen und zu desinfizieren.
Im einzelnen gelten beim Auftreten der Cholera die in der Anlage 3 enthaltenen Bestimmungen. [73]
12. Zu § 42. Von jedem ersten, nach den Ermittelungen des beamteten Arztes vorliegenden Falle von Cholera oder Choleraverdacht in einer Ortschaft ist sofort dem Kaiserlichen Gesundheitsamt auf kürzestem Wege Nachricht zu geben.
Weiterhin sind von den durch die Landesregierungen zu bestimmenden Behörden an das Kaiserliche Gesundheitsamt mitzuteilen:
a) täglich Übersichten über die weiteren Erkrankungs- und Todesfälle unter Benennung der Ortschaften und Bezirke,
b) wöchentlich eine Nachweisung über die in der vergangenen Woche bis Sonnabend einschließlich in den einzelnen Ortschaften gemeldeten Erkrankungs- und Todesfälle nach Maßgabe des als Anlage 4 beigefügten Formulars.
Die täglichen Übersichten sind auf kürzestem Wege zu übermitteln. Die Wochennachweisungen sind so zeitig abzusenden, daß sie bis Montag Mittag im Gesundheitsamt eingehen.

Anlage 1. Grundsätze für die gesundheitliche Überwachung des Binnenschiffahrts- und Flößereiverkehrs. Bearbeiten

1. Zur Verhütung der Choleraverbreitung durch den Binnenschiffahrts- oder Flößereiverkehr werden (falls nicht für einzelne Stromstrecken Einschränkungen sich empfehlen) alle stromauf- oder stromabwärts fahrenden oder auf dem Strome liegenden Fahrzeuge (Schiffe jeder Art und Größe sowie Flöße) womöglich täglich nach Maßgabe der nachstehenden Vorschriften ärztlich untersucht. Die ärztliche Untersuchung erfolgt in Überwachungsbezirken entweder auf dem Strome während der Fahrt oder an bestimmten Überwachungsstellen. Um dem Überwachungsdienst innerhalb eines in Betracht kommenden Stromgebiets die erforderliche Einheitlichkeit zu sichern, ist es zweckmäßig, die Leitung des gesamten Dienstes einem hierfür besonders zu ernennenden Kommissar zu übertragen.
Inwieweit Dienstfahrzeuge der Überwachung unterliegen sollen, richtet sich nach den besonderen Vereinbarungen zwischen dem Kommissar und den beteiligten Verwaltungen.
2. Es empfiehlt sich, jedem Überwachungsbezirke mindestens zwei Ärzte zuzuteilen. Dem einen Arzte wird die Leitung des gesamten Überwachungsdienstes innerhalb des Bezirkes, einem anderen die Stellvertretung des Leiters, im Falle derselbe amtlich in Anspruch genommen oder sonst behindert ist, übertragen. [74]
Dem leitenden Arzte wird seitens der zuständigen Verwaltungsbehörde das nötige Personal an Polizeibeamten, Bootsleuten, Krankenwärtern und Mannschaften zur Fortschaffung von Kranken und Verstorbenen und zur Durchführung der Desinfektion überwiesen, soweit es nicht für zweckmäßig erachtet wird, die Annahme desselben den leitenden Ärzten selbst zu übertragen.
Innerhalb eines Bezirkes können nach Bedarf Nebenüberwachungsstellen eingerichtet werden, welche in der Regel nur mit einem Arzte zu besetzen sind.
3. Für den Dienst auf dem Strome wird für jeden Überwachungsbezirk mindestens ein Dampfer bereitgestellt.
Die Dampfer sind mit den nötigen Arznei- und Desinfektionsmitteln, einer Krankentrage und mit einem so ausreichenden Vorrat an einwandfreiem Trinkwasser dauernd ausgerüstet zu halten, daß von letzterem erforderlichenfalls ein Teil an die vorüberkommenden Fahrzeuge abgegeben werden kann.
Neben den Dampfern sind für jeden Überwachungsbezirk die nötigen Boote zur Verfügung zu stellen.
Sämtliche Dienstfahrzeuge der Überwachungsbezirke führen eine weiße Flagge.
Es empfiehlt sich, die etwaigen Telephonanlagen der Strombau- oder anderer Verwaltungen für den Überwachungsdienst zur Verfügung zu stellen.
4. Jede Überwachungsstelle ist durch eine weithin sichtbare Tafel mit der Aufschrift „Überwachungsstelle – Halt!“ und durch eine große weiße Flagge kenntlich zu machen.
In jedem Überwachungsbezirk und zwar in möglichster Nähe der Überwachungsstellen sind, falls nicht bereits vorhanden, Einrichtungen zu treffen, welche gesondert
a) die Unterbringung und Behandlung von Kranken,
b) die Unterbringung und Beobachtung von Verdächtigen ermöglichen.
Auch sind die erforderlichen Desinfektionsmittel in genügender Menge zu beschaffen und bereitzuhalten.
An den Überwachungsstellen und anderen geeigneten Orten der Überwachungsbezirke, insbesondere den regelmäßigen Anlegestellen, ist dafür Sorge zu tragen, daß die Fahrzeuge einwandfreies Trinkwasser einnehmen können. Die Stellen, an denen das Wasser zu entnehmen ist, sind durch Tafeln oder dergleichen kenntlich zu machen, auf denen in weithin lesbarer Schrift der Vermerk „Wasser für Schiffer“ anzubringen sein wird. Die mit dem Untersuchungsdienste betrauten Beamten haben darauf zu achten, daß jedes Fahrzeug brauchbares Trinkwasser an Bord hat. Bei jeder Schiffsuntersuchung ist die Bemannung eindringlich vor der Gefahr des Trinkens und sonstiger Benutzung von Fluß- und Kanalwasser zu warnen. Auch ist dahin zu wirken, daß jeder Schiffsführer sich im Besitze der Druckschrift: „Wie schützt sich der Schiffer vor der Cholera? Zusammengestellt im Kaiserlichen Gesundheitsamte.“, befindet.
Es ist Vorsorge zu treffen, daß im Bedarfsfälle die Benutzung von Begräbnisplätzen für Beerdigung von Choleraleichen nicht auf Schwierigkeiten stößt. [75]
Die Vorstände der Überwachungsbezirke haben bei jeder Gelegenheit darauf zu achten und dahin zu wirken, daß nichts, was zur Verbreitung der Cholera geeignet ist, insbesondere nicht Stuhlentleerungen undesinfiziert in das Wasser gelangen. Es ist darauf hinzuwirken, daß besondere Gefäße zur Aufnahme von Stuhlentleerungen auf jedem Fahrzeuge vorhanden sind.
5. Die in dem Stromgebiete verkehrenden Fahrzeuge sind, unbeschadet der für die regelmäßig verkehrenden Personendampfer etwa anzuordnenden Ausnahmen, zu verpflichten, an jeder Überwachungsstelle ohne Aufforderung anzuhalten und das Untersuchungspersonal an Bord zu nehmen.
Dieselbe Verpflichtung ist den auf dem Strome befindlichen Fahrzeugen für den Fall aufzuerlegen, daß sie von dem durch die weiße Flagge kenntlichen Untersuchungsfahrzeuge durch einen Befehl (Anrufen, Dampfpfeife, Glockenzeichen oder Heben und Senken der Flagge) dazu aufgefordert werden.
Jedes auf dem Strome verkehrende Fahrzeug hat eine gelbe und eine schwarze Flagge bei sich zu führen. Die gelbe Flagge ist bei dem Vorhandensein einer unter den Erscheinungen der Cholera erkrankten Person, die schwarze Flagge bei dem Vorhandensein einer Leiche aufzuziehen. Fahrzeuge, auf denen sich eine solche Person oder eine Leiche befindet, haben bei Annäherung eines Untersuchungsfahrzeugs ohne Aufforderung zu halten.
In welchem Umfange der Schiffahrtsverkehr während der Nachtstunden zu beschränken ist, wird mit Rücksicht auf die dabei in Betracht kommenden Umstände (örtliche Verhältnisse, Jahreszeit) festzusetzen sein.
6. Die in Nr. 1 vorgesehene Untersuchung ist so zu handhaben, daß den Fahrzeugen ein möglichst geringer Aufenthalt bereitet und der Verkehr so wenig als möglich gehemmt wird. Sie wird folgendermaßen ausgeführt:
Der Arzt begibt sich, nötigenfalls in Begleitung eines Polizeibeamten, auf das Fahrzeug und unterzieht alle auf diesem befindlichen Personen einer Untersuchung auf Choleraerkrankung, der begleitende Polizeibeamte durchsucht das Fahrzeug nach etwa versteckten Personen. Werden Personen, welche unter den Erscheinungen der Cholera erkrankt sind, vorgefunden, so sind sie sofort vom Fahrzeuge zu entfernen, ebenso grundsätzlich die übrigen Insassen. Diese sind in den in Nr. 4 bezeichneten Räumen unterzubringen. Sofern zur Absonderung der anscheinend Gesunden ausreichende Unterkunftsräume nicht vorhanden sind, können solche Personen vorläufig auf dem Fahrzeuge belassen werden.
Die Beobachtung der anscheinend Gesunden hat fünf Tage zu dauern. Ereignete sich die Erkrankung auf einem dem regelmäßigen Personenverkehre dienenden Dampfer, so werden nach Lage des Falles weniger störende Anordnungen zu treffen sein.
Zur Fortschaffung von Kranken sind die Untersuchungsfahrzeuge tunlichst nicht zu benutzen. In der Regel wird dazu der Handkahn des untersuchten Fahrzeugs verwendet werden können. Derselbe ist vor der Zurückgabe zu desinfizieren. [76]
Von den Ausleerungen der Kranken ist sofort eine Probe an die dazu bestimmte Untersuchungsstelle abzusenden. Zur Versendung geeignete Gefäße und Verpackungsmaterial sind vorrätig zu halten.
Die Kleidungs- und Waschestücke der Kranken sind sofort zu desinfizieren. Das Bettstroh ist zu verbrennen. Die Wohn- und Schlafräume, die Küche, der Abort beziehungsweise das zu Stuhlentleerungen bestimmte Gefäß sowie das Kiel- (Bilge-) Wasser des Fahrzeugs, auf welchem ein Kranker vorgefunden wurde, sind zu desinfizieren; außerdem sind alle Räume des Fahrzeugs auf etwa vorhandene Ausleerungen zu durchsuchen.
Für die Bewachung des geräumten Fahrzeugs ist Sorge zu tragen.
Die erforderlichen Desinfektionen sind nach Maßgabe der Desinfektionsanweisung bei Cholera auszuführen.
7. Die vorgeschriebenen Desinfektionsmaßregeln sind unter der persönlichen Verantwortung des leitenden Arztes auszuführen, und zwar, bis völlig sichere Hilfskräfte herangebildet sind, unter der persönlichen Aufsicht eines Arztes.
8. Diejenigen Fahrzeuge, auf denen Choleraleichen oder verdächtig Erkrankte vorgefunden wurden, sind nach erfolgter Desinfektion fünf Tage lang zu beobachten.
Eine Beobachtung von gleicher Dauer kann über solche Fahrzeuge verhängt werden, deren Führer oder Mannschaften ihre Person oder ihre Fahrzeuge der Untersuchung zu entziehen suchen, den Untersuchungsbeamten Widerstand leisten oder sonst die Annahme begründet erscheinen lassen, daß eine Verheimlichung von cholerakranken oder choleraverdächtigen Personen oder verseuchten Gegenständen und eine Vereitelung der zur Verhütung der Choleraeinschleppung oder Verbreitung vorgeschriebenen Maßregeln beabsichtigt wird.
9. Werden auf dem untersuchten Fahrzeuge Kranke nicht gefunden, so wird dem Fahrzeuge nach Erfüllung der Vorschriften unter Nr. 10 die Weiterfahrt gestattet. Es sind jedoch regelmäßig die auf ihm etwa vorhandenen Aborte beziehungsweise die zu Stuhlentleerungen bestimmten Gefäße und, sofern der leitende Arzt es für notwendig hält, auch das Kiel-(Bilge-) Wasser zu desinfizieren.
Bei den regelmäßig verkehrenden Personendampfern kann eine Desinfektion des Kiel-(Bilge-) Wassers bei Gelegenheit der täglichen Untersuchungen unterbleiben, wenn seine Desinfektion in angemessenen Zwischenräumen anderweitig sichergestellt ist.
10. Jedem Führer eines Schiffes oder Floßes ist über die stattgehabte Untersuchung und den Umfang der etwa vorgenommenen Desinfektion eine Bescheinigung nach dem beigegebenen Formular auszustellen, in welcher die auf dem Schiffe vorgefundenen Personen unter gesonderter Angabe der Familienangehörigen des Führers, der Mannschaften und der sonst an Bord befindlichen Personen, wenigstens der Zahl nach, aufgeführt sind. Bei der Untersuchung ist noch besonders darauf zu achten, daß die Zahl der auf dem Schiffe oder Floße anwesenden [77] Personen genau übereinstimmt mit der auf dem letzten Untersuchungsschein angegebenen Zahl der Insassen. Werden weniger Personen auf dem Fahrzeuge vorgefunden, als zuletzt angegeben, so sind unverzüglich sorgfältige Ermittelungen über den Verbleib der fehlenden anzustellen und erforderlichenfalls dieserhalb den zuständigen Polizeibehörden Mitteilungen behufs weiterer Veranlassung zu machen. Dieser Personennachweis ist jedoch für die dem regelmäßigen Personenverkehre dienenden Dampfer nicht erforderlich.
Für einzelne Stromstrecken kann es sich empfehlen, auf den Namen lautende Bescheinigungen für jede auf einem Floße befindliche Person auszustellen, auf welchen die Ergebnisse der stattgehabten Untersuchungen vermerkt werden.
Über die Zahl und Art der untersuchten Fahrzeuge, ausgeführten Desinfektionen und angeordneten Beobachtungen sowie über die Zahl der untersuchten an Cholera oder choleraverdächtigen Erscheinungen erkrankten und der Beobachtung überwiesenen Personen sind genaue Nachweisungen zu führen.
11. Die leitenden Ärzte haben über alle Fälle von Cholera und choleraähnlichen Erkrankungen sowie über alle Todesfälle tunlichst genaue Aufklärung, namentlich bezüglich der Entstehung und einer etwa bereits erfolgten Krankheitsverschleppung, zu suchen sowie Beobachtungsstoff zur wissenschaftlichen Bearbeitung zu sammeln. Regelmäßige bakteriologische Untersuchungen des Flußwassers sind, soweit ausführbar, zu veranlassen.
Wahrnehmungen von gesundheitspolizeilicher Wichtigkeit, namentlich verdächtige Erkrankungen unter den Bewohnern des Ufergebiets, sind von dem leitenden Arzte unverzüglich und auf kürzestem Wege dem Kommissar oder, wo ein solcher nicht ernannt ist, der zuständigen Polizeibehörde zu melden; ferner ist vom dem Arzte über jeden Erkrankungs- und Todesfall, bei welchem Cholera festgestellt ist oder Choleraverdacht vorliegt, telegraphische oder schriftliche Anzeige an den Kommissar, die höhere Verwaltungsbehörde des Bezirkes sowie an den zuständigen beamteten Arzt zu erstatten.
Dem Kaiserlichen Gesundheitsamte sind über die gelegentlich der Schiffahrtsüberwachung vorgefundenen Choleraerkrankungen und Todesfälle regelmäßig Mitteilungen auf tunlichst kürzestem Wege zu machen; ebenso ist dieser Behörde der aufgesammelte wissenschaftliche Beobachtungsstoff zugängig zu machen.
Die leitenden Ärzte haben täglich nach Schluß des Dienstes eine Anzeige über den Umfang und das Ergebnis der im Laufe des Tages bewirkten Untersuchungen an den Kommissar zu erstatten. Zu diesem Zwecke empfiehlt es sich, den leitenden Ärzten der Überwachungsbezirke beziehungsweise Überwachungsstellen Postkarten mit Vordruck zu liefern. Diese Karten sind noch am Tage der Ausfertigung zur Post zu befördern.
12. Die zur wirksamen Durchführung der vorstehenden Maßregeln erforderlichen Polizeiverordnungen und sonstigen Verfügungen sind seitens der Landesbehörden zu erlassen. Bei letzteren hat der Kommissar die nötigen Anträge unmittelbar zu stellen. [78]

Formular Bescheinigung über ärztliche Untersuchung und Desinfektion Bearbeiten

[79]

Zu Anlage 1. Wie schützt sich der Schiffer vor der Cholera? Zusammengestellt im Kaiserlichen Gesundheitsamte. Bearbeiten

Schiffer sind mit ihren Familien der Cholera besonders ausgesetzt.
Durch die Beachtung nachstehender Regeln kannst Du Dich in wirksamer Weise vor der Cholera schützen.
1. Das Choleragift findet sich häufig im Wasser, mit welchem Dein Beruf, zum Beispiel beim Staken, Rudern, Einholen der Taue und Ketten Dich vielfach in Berührung bringt. Auch wenn dies Wasser ganz klar ist und gut schmeckt, kann das Choleragift darin enthalten sein.
2. Trinke daher niemals Wasser aus Kanälen, Flüssen und Seen; benutze es aber auch nicht zum Waschen der Hände und des Gesichts, zum Spülen des Eßgeschirrs und der Trinkgefäße noch zum Aufwischen des Wohnraums. Hüte Dich, Gegenstände, die mit solchem Wasser in Berührung waren, oder die Du mit nassen Händen angefaßt hast (Zigarren, Pfeifen zum Beispiel), zum Munde zu führen.
3. Nimm zum Trinken, Waschen und Spülen nur unverdächtiges Wasser aus guten Brunnen und Wasserleitungen. Bei den Schleusen und Überwachungsstellen sind die Entnahmestellen zu erfragen oder schon kenntlich gemacht.
4. Halte an Bord gutes Wasser in einem zugedeckten Gefäße von ausreichender Größe (Tonne, Eimer).
5. Bist Du aus Mangel an unverdächtigem Wasser genötigt, aus dem Fahrwasser zu schöpfen, so benutze dies Wasser nur, nachdem es mehrere Minuten lang gekocht ist.
6. Vor dem Essen reinige stets die Hände gründlich mit Wasser und Seife. Noch besser ist die Desinfektion mit verdünntem Kresolwasser, durch welches sich zum Beispiel auch Ärzte und Krankenpfleger schützen.
7. Verunreinige das Fahrwasser nicht durch Ausleerungen und halte auch Deine Angehörigen davon ab. Benutze zur Verrichtung der Notdurft besondere Gefäße, in welche zuvor Kalkmilch, die an den Überwachungsstellen ausgeteilt wird, geschüttet worden ist.
8. Vermeide jedes Übermaß im Genusse von Speisen und Getränken, entnimm die Lebensmittel nur aus zuverlässig reinlichen Verkaufsstellen und schütze Dich durch zweckmäßige Kleidung vor Erkältungen. Halte Deine Kammern peinlich sauber; genieße alle Nahrung (besonders Milch) womöglich nur in gekochtem Zustande. Vermeide den Verkehr mit choleraverdächtigen Personen und gehe nicht in unreinliche Wirtschaften.
9. Bei Erkrankungen, insbesondere an Durchfall, Leibschmerz und Erbrechen, wende Dich sofort an den nächsten Arzt. Ausleerungen so Erkrankter dürfen unter keinen Umständen in das Wasser gelangen. [80]

Anlage 2. Desinfektionsanweisung bei Cholera. Bearbeiten

I. Desinfektionsmittel. Bearbeiten

a. Kresol, Karbolsäure. Bearbeiten

1. Verdünntes Kresolwasser. Zur Herstellung wird 1 Gewichtsteil Kresolseifenlösung (Liquor Cresoli saponatus des Arzneibuchs für das Deutsche Reich, vierte Aufgabe) mit 19 Gewichtsteilen Wasser gemischt. 100 Teile enthalten annähernd 2,5 Teile rohes Kresol. Das Kresolwasser (Aqua cresolica des Arzneibuchs für das Deutsche Reich) enthalt in 100 Teilen 5 Teile rohes Kresol, ist also vor dem Gebrauche mit gleichen Teilen Wasser zu verdünnen.
2. Karbolsäurelösung. 1 Gewichtsteil verflüssigte Karbolsäure (Acidum carbolicum liqufactum) wird mit 30 Gewichtsteilen Wasser gemischt.

b. Chlorkalk. Bearbeiten

Der Chlorkalk hat nur dann eine ausreichende desinfizierende Wirkung, wenn er frisch bereitet und in wohlverschlossenen Gefäßen aufbewahrt ist; er muß stark nach Chlor riechen. Er wird in Mischung von 1:50 Gewichtsteilen Wasser verwendet.

c. Kalk, und zwar: Bearbeiten

1. Kalkmilch. Zur Herstellung wird 1 Liter zerkleinerter reiner gebrannter Kalk, sogenannter Fettkalk, mit 4 Liter Wasser gemischt, und zwar in folgender Weise:
Es wird von dem Wasser etwa ¾ Liter in das zum Mischen bestimmte Gefäß gegossen und dann der Kalk hineingelegt. Nachdem der Kalk das Wasser aufgesogen hat und dabei zu Pulver zerfallen ist, wird er mit dem übrigen Wasser zu Kalkmilch verrührt.
2. Kalkbrühe, welche durch Verdünnung von 1 Teile Kalkmilch mit 9 Teilen Wasser frisch bereitet wird.

d. Kaliseife. Bearbeiten

3 Gewichtsteile Kaliseife (sogenannte Schmierseife oder grüne Seife oder schwarze Seife) werden in 100 Gewichtsteilen siedend heißem Wasser gelöst (zum Beispiel ½ Kilogramm Seife in 17 Liter Wasser).
Diese Lösung ist heiß zu verwenden. [81]

e. Formaldehyd. Bearbeiten

Der Formaldehyd ist ein stark riechendes, auf die Schleimhäute der Luftwege, der Nase, der Augen reizend wirkendes Gas, das aus einer im Handel vorkommenden, etwa 35prozentigen wässerigen Lösung des Formaldehyds (Formaldehydum solutum des Arzneibuchs) durch Kochen oder Zerstäubung mit Wasserdampf oder Erhitzen sich entwickeln laßt. Die Formaldehydlösung ist bis zur Benutzung gut verschlossen und vor Licht geschützt aufzubewahren.
Der Formaldehyd in Gasform ist für die Desinfektion geschlossener oder allseitig gut abschließbarer Räume verwendbar und eignet sich zur Vernichtung von Kranhheitskeimen, die an freiliegenden Flächen oberflächlich oder doch nur in geringer Tiefe haften. Zum Zustandekommen der desinfizierenden Wirkung sind erforderlich:
vorgängiger allseitig dichter Abschluß des zu desinfizierenden Raumes durch Verklebung, Verkittung aller Undichtigkeiten der Fenster und Türen, der Ventilationsöffnungen und dergleichen;
Entwickelung von Formaldehyd in einem Mengenverhältnisse von wenigstens 5 Gramm auf je 1 Kubikmeter Luftraum;
gleichzeitige Entwickelung von Wasserdampf bis zu einer vollständigen Sättigung der Luft des zu desinfizierenden Raumes (auf 100 Kubikmeter Raum sind 3 Liter Wasser zu verdampfen);
wenigstens 7 Stunden andauerndes ununterbrochenes Verschlossenbleiben des mit Formaldehyd und Wasserdampf erfüllten Raumes; diese Zeit kann bei Entwickelung doppelt großer Mengen von Formaldehyd auf die Hälfte abgekürzt werden.
Formaldehyd kann in Verbindung mit Wasserdampf von außen her durch Schlüssellöcher, durch kleine in die Tür gebohrte Öffnungen und dergleichen in den zu desinfizierenden Raum geleitet werden. Werden Türen und Fenster geschlossen vorgefunden und sind keine anderen Öffnungen (zum Beispiel für Ventilation, offene Ofentüren) vorhanden, so empfiehlt es sich, die Desinfektion mittels Formaldehyds auszuführen, ohne vorher das Zimmer zu betreten, beziehungsweise ohne die vorherigen Abdichtungen vorzunehmen; für diesen Fall ist die Entwickelung wenigstens viermal größerer Mengen Formaldehyds, als sie für die Desinfektion nach geschehener Abdichtung angegeben sind, erforderlich.
Die Desinfektion mittels Formaldehyds darf nur nach bewährten Methoden ausgeübt und nur geübten Desinfektoren anvertraut werden, die für jeden einzelnen Fall mit genauer Anweisung zu versehen sind. Nach Beendigung der Desinfektion empfiehlt es sich, zur Beseitigung des den Räumen noch anhaftenden Formaldehydgeruchs Ammoniakgas einzuleiten.

f. Dampfapparate. Bearbeiten

Als geeignet können nur solche Apparate und Einrichtungen angesehen werden, welche von Sachverständigen geprüft sind. [82]
Auch Notbehelfseinrichtungen können unter Umständen ausreichen.
Die Prüfung derartiger Apparate und Einrichtungen hat sich zu erstrecken namentlich auf die Anordnung der Dampfzuleitung und -ableitung, auf die Handhabungsweise und die für eine gründliche Desinfektion erforderliche Dauer der Dampfeinwirkung.
Die Bedienung der Apparate usw. ist, wenn irgend angängig, wohlunterrichteten Desinfektoren zu übertragen.

g. Siedehitze. Bearbeiten

Auskochen in Wasser, Salzwasser oder Lauge wirkt desinfizierend. Die Flüssigkeit muß die Gegenstände vollständig bedecken und mindestens 10 Minuten lang im Sieden gehalten werden.
Unter den angeführten Desinfektionsmitteln ist die Auswahl nach Lage der Umstände zu treffen. Es ist zulässig, daß seitens der beamteten Ärzte unter Umständen auch andere in bezug auf ihre desinfizierende Wirksamkeit erprobte Mittel angewendet werden; die Mischungs- beziehungsweise Lösungsverhältnisse sowie die Verwendungsweise solcher Mittel sind so zu wählen, daß der Erfolg der Desinfektion nicht nachsteht einer mit den unter a bis g bezeichneten Mitteln ausgeführten Desinfektion.

II. Anwendung der Desinfektionsmittel im einzelnen.[1] Bearbeiten

1. Die Ausscheidungen der Kranken (Stuhlgang, Urin und Erbrochenes) sind mit dem unter Ia beschriebenen verdünnten Kresolwasser oder mit Chlorkalk (Ib) oder mit Kalkmilch (Ic) oder durch Siedehitze (Ig) zu desinfizieren. Die Desinfektionsflüssigkeit ist in mindestens gleicher Menge den Ausscheidungen zuzusetzen und mit ihnen gründlich zu verrühren.
Die Gemische sollen mindestens zwei Stunden stehen bleiben und dürfen erst dann beseitigt werden. Von Chlorkalk sind mindestens zwei gehäufte Eßlöffel voll in Pulverform auf ½ Liter der Abgänge zuzusetzen und gut damit zu mischen. Die so behandelten Abgänge können bereits nach 20 Minuten beseitigt werden.
Zur Reinigung der Kranken benutzte Tücher und dergleichen sind unmittelbar nach dem Gebrauch in verdünntes Kresolwasser (Ia) zu legen, so daß sie von der Flüssigkeit vollständig bedeckt sind. Nach Ablauf von zwei Stunden können sie ausgewaschen werden.
Schmutzwässer sind mit Chlorkalk oder Kalkmilch zu desinfizieren, und zwar ist vom Chlorkalke so viel zuzusetzen, bis die Flüssigkeit stark nach Chlor riecht, von Kalkmilch so viel, daß das Gemisch rotes Lackmuspapier stark und dauernd blau färbt. In allen Fällen darf die Flüssigkeit erst nach zwei Stunden abgegossen werden. Badewässer sind wie Schmutzwässer zu behandeln. [83]
Abtritte sind in der Weise zu desinfizieren, daß die Sitze gründlich mit verdünntem Kresolwasser oder Kalkmilch abgewaschen werden und in die Sitzöffnungen reichlich Kalkmilch eingegossen wird. Der Inhalt der Abtrittgruben ist reichlich mit Kalkmilch zu übergießen und, solange die Epidemie dauert, tunlichst nicht auszuleeren. Der Inhalt von Tonnen, Kübeln und dergleichen, welche zum Auffangen des Kotes in den Abtritten dienen, ist unter Umrühren mit ungefähr gleichen Teilen Kalkmilch zu versetzen und erst zu entfernen, nachdem er mindestens 24 Stunden mit dem Desinfektionsmittel in Berührung gewesen war; die Tonnen und dergleichen sind nach dem Entleeren reichlich mit Kalkmilch außen und innen zu bestreichen.
2. Hände und sonstige Körperteile müssen jedesmal, wenn sie mit infizierten Dingen (Ausscheidungen der Kranken, beschmutzter Wäsche usw.) in Berührung gekommen sind, durch gründliches Waschen mit verdünntem Kresolwasser oder Karbolsäurelösung (Ia) desinfiziert werden.
3. Bett- und Leibwäsche sowie waschbare Kleidungsstücke und dergleichen sind entweder auszukochen (Ig) oder in ein Gefäß mit verdünntem Kresolwasser oder Karbolsäurelösung (Ia) zu stecken. Die Flüssigkeit muß in den Gefäßen die eingetauchten Gegenstände vollständig bedecken. In dem Kresolwasser oder der Karbolsäurelösung bleiben die Gegenstände wenigstens zwei Stunden. Dann werden sie mit Wasser gespült und weiter gereinigt. Das dabei ablaufende Wasser kann als unverdächtig behandelt werden.
4. Kleidungsstücke, die nicht gewaschen werden können, Matratzen, Teppiche und alles, was sich zur Dampfdesinfektion eignet, sind in Dampfapparaten zu desinfizieren (If).
5. Alle diese zu desinfizierenden Gegenstände sind beim Zusammenpacken und bevor sie nach den Desinfektionsanstalten oder -apparaten geschafft werden, in Tücher, welche mit Karbolsäurelösung (Ia) angefeuchtet sind, einzuschlagen und, wenn möglich, in gut schließenden Gefäßen zu verwahren.
Wer solche Wäsche usw. vor der Desinfektion angefaßt hat, muß seine Hände in der unter Ziffer 2 angegebenen Weise desinfizieren.
6. Zur Desinfektion infizierter oder der Infektion verdächtiger Räume, namentlich solcher, in denen Kranke sich aufgehalten haben, sind zunächst die Lagerstellen, Gerätschaften und dergleichen, ferner die Wände und der Fußboden, unter Umständen auch die Decke mittels Lappen, die mit verdünntem Kresolwasser oder Karbolsäurelösung (Ia) getränkt sind, gründlich abzuwaschen; besonders ist darauf zu achten, daß diese Lösungen auch in alle Spalten, Risse und Fugen eindringen.
Die Lagerstellen von Kranken oder von Verstorbenen und die in der Umgebung auf wenigstens 2 Meter Entfernung befindlichen Gerätschaften, Wand- und Fußbodenflächen sind bei dieser Desinfektion besonders zu berücksichtigen.
Alsdann sind die Räumlichkeiten und Gerätschaften mit einer reichlichen Menge Wasser oder Kaliseifenlösung (Id) zu spülen. Nach ausgeführter Desinfektion ist gründlich zu lüften. [84]
7. Die Anwendung des Formaldehyds empfiehlt sich besonders zur sogenannten Oberflächendesinfektion (vergleiche Ie Abs. 3).
Nach voraufgegangener Desinfektion mittels Formaldehyds können nur die Wände, die Zimmerdecke, die freien glatten Flächen der Gerätschaften als desinfiziert gelten. Alles übrige, namentlich alle diejenigen Teile, welche Risse und Fugen aufweisen, sind gemäß den vorstehend gegebenen Vorschriften zu desinfizieren.
8. Gegenstände aus Leder, Holz- und Metallteile von Möbeln sowie ähnliche Gegenstände werden sorgfältig und wiederholt mit Lappen abgerieben, die mit verdünntem Kresolwasser oder Karbolsäurelösung (Ia) befeuchtet sind. Die gebrauchten Lappen sind zu verbrennen.
Pelzwerk wird auf der Haarseite bis auf die Haarwurzel mit verdünntem Kresolwasser oder Karbolsäurelösung (Ia) durchweicht. Nach zwölfstündiger Einwirkung der Desinfektionsflüssigkeit darf es ausgewaschen und weiter gereinigt werden.
Plüsch- und ähnliche Möbelbezüge werden nach Ziffer 3 und 4 desinfiziert oder mit verdünntem Kresolwasser oder Karbolsäurelösung (Ia) durchfeuchtet, feucht gebürstet und mehrere Tage hintereinander gelüftet und dem Sonnenlicht ausgesetzt.
Von Kranken benutzte Eß- und Trinkgeschirre oder Geräte sind entweder auszukochen (Ig) oder mit heißer Kaliseifenlösung (Id) eine halbe Stunde lang stehen zu lassen und dann gründlich zu spülen. Waschbecken, Spucknäpfe, Nachttöpfe und dergleichen werden nach Desinfektion des Inhalts (Ziffer 1) gründlich mit verdünntem Kresolwasser ausgescheuert.
9. Gegenstände von geringem Werte (Inhalt von Strohsäcken, gebrauchte Lappen und dergleichen) sind zu verbrennen.
10. Durch Ausscheidungen von Kranken beschmutzte Erde, Pflaster sowie Rinnsteine, offene Dungstätten, Stallungen werden durch Übergießen mit verdünntem Kresolwasser (Ia) oder Kalkmilch (Ic 1) desinfiziert.
11. Soll sich die Desinfektion auch auf Personen erstrecken, so ist dafür Sorge zu tragen, daß sie ihren ganzen Körper mit Seife abwaschen und ein vollständiges Bad nehmen. Ihre Kleider und Effekten sind nach Ziffer 3 und 4 zu behandeln, das Badewasser nach Ziffer 1.
12. Die Leichen der Gestorbenen sind in Tücher zu hüllen, welche mit einer der unter Ia aufgeführten desinfizierenden Flüssigkeit getränkt sind, und alsdann in dichte Särge zu legen, welche am Boden mit einer reichlichen Schicht Sägemehl, Torfmull oder anderen aufsaugenden Stoffen bedeckt sind.
13. Die Desinfektion des Kiel-(Bilge-)Raums der im Fluß- und Binnenschiffahrtsverkehre benutzten Fahrzeuge, die Desinfektion des Ballastwassers und des etwa infizierten Trinkwassers ist nach den Vorschriften über die gesundheitspolizeiliche Kontrolle der einen deutschen Hafen anlaufenden Seeschiffe zu bewirken.
14. Abweichungen von den Vorschriften unter Ziffer 1 bis 13 sind zulässig, soweit nach dein Gutachten des beamteten Arztes die Wirkung der Desinfektion gesichert ist. [85]

Anlage 3. Grundsätze für Maßnahmen im Eisenbahnverkehre beim Auftreten der Cholera. Bearbeiten

1. Beim Auftreten der Cholera findet eine allgemeine und regelmäßige Untersuchung der Reisenden nicht statt; es werden jedoch dem Eisenbahnpersonale bekannt gegeben:
a) die Stationen, auf welchen Ärzte sofort erreichbar und zur Verfügung sind,
b) die Stationen, bei welchen geeignete Krankenhäuser zur Unterbringung von Cholerakranken bereitstehen (Krankenübergabestationen).
Die Bezeichnung dieser Stationen erfolgt durch die Landes-Zentralbehörde unter Berücksichtigung der Verbreitung der Seuche und der Verkehrsverhältnisse.
Ein Verzeichnis der unter a und b bezeichneten Stationen ist, nach der geographischen Reihenfolge der Stationen geordnet, jedem Führer eines Zuges, welcher zur Personenbeförderung dient, zu übergeben.
2. Auf den zu 1a und b bezeichneten Stationen sowie, falls eine ärztliche Überwachung der Reisenden an der Grenze angeordnet ist, auf den Zollrevisionsstationen sind zur Vornahme der Untersuchung Erkrankter die erforderlichen Räume, welche tunlichst mit einem besonderen Aborte verbunden oder mit einem abgesonderten Nachtstuhle versehen sein müssen, von der Eisenbahnverwaltung, soweit sie ihr zur Verfügung stehen, herzugeben.
3. Die Schaffner haben dem Zugführer von jeder während der Fahrt vorkommenden auffälligen Erkrankung sofort Meldung zu machen.
Der Schaffner hat sich des Erkrankten nach Kräften anzunehmen; er hat alsdann jedoch jede Berührung mit anderen Personen nach Möglichkeit zu vermeiden.
Der Erkrankte ist, falls nicht die Verkehrsordnung seinen Ausschluß von der Fahrt vorschreibt, an der Weiterfahrt nicht zu verhindern; jedoch ist, sobald dies ohne Unterbrechung der Reise möglich ist, die Feststellung der Krankheit durch einen Arzt (1a) herbeizuführen.
Verlangt der Erkrankte, der nächsten im Verzeichnis aufgeführten Übergabestation übergeben zu werden oder macht sein Zustand eine Weiterbeförderung untunlich, so hat der Zugführer, falls der Zug vor der Ankunft auf der Übergabestation noch eine Zwischenstation berührt, sofort beim Eintreffen dem diensthabenden Stationsbeamten Anzeige zu machen; dieser hat alsdann der Krankenübergabestation ungesäumt telegraphisch Meldung zu erstatten, damit möglichst [86] die unmittelbare Abnahme des Erkrankten aus dem Zuge selbst durch die Krankenhausverwaltung, die Polizei- oder die Gesundheitsbehörde veranlaßt werden kann.
Will der Erkrankte den Zug auf einer Station vor der nächsten Übergabestation verlassen, so ist er hieran nicht zu hindern. Der Zugführer hat aber dem diensthabenden Beamten der Station, auf welcher der Erkrankte den Zug verläßt, Meldung zu machen, damit der Beamte, falls der Erkrankte nicht bis zum Eintreffen ärztlicher Hilfe auf dem Bahnhofe, wo er möglichst abzusondern sein würde, bleiben will, seinen Namen, Wohnort und sein Absteigequartier feststellen und unverzüglich der nächsten Polizeibehörde unter Angabe der näheren Umstände mitteilen kann.
4. Erkrankt ein Reisender unterwegs in auffälliger Weise, so sind alsbald sämtliche Mitreisenden, ausgenommen solche Personen, welche zu seiner Unterstützung bei ihm bleiben, aus dem Wagenabteil, in welchem der Erkrankte sich befindet und, wenn mehrere Wagenabteile einen gemeinschaftlichen Abort haben, aus diesen sämtlichen Abteilen zu entfernen und in einem anderen Abteil, und zwar abgesondert von den übrigen Reisenden, unterzubringen. Bei der Ankunft auf der Krankenübergabestation sind diejenigen Personen, welche sich mit dem Kranken in demselben Wagenabteile befunden haben, sofort dem etwa anwesenden Arzte zu bezeichnen, damit dieser denselben die nötigen Weisungen erteilen kann.
Im übrigen muß das Eisenbahnpersonal beim Vorkommen verdächtiger Erkrankungen mit der größten Vorsicht und Ruhe vorgehen, damit alles vermieden wird, was zu unnötigen Besorgnissen unter den Reisenden oder sonst beim Publikum Anlaß geben könnte.
5. Der Wagen, in welchem ein Cholerakranker sich befunden hat, ist sofort außer Dienst zu stellen und der nächsten geeigneten Station zur Desinfektion zu übergeben. Die näheren Vorschriften über diese Desinfektion sowie über die sonstige Behandlung der Eisenbahn-Personen- und Schlafwagen bei Choleragefahr enthalt die beigefügte Anweisung A.
6. Die Zugbeamten haben, wenn sie mit Ausleerungen Erkrankter in Berührung gekommen sind, sich sorgfältig zu reinigen und etwa beschmutzte Kleidungsstücke desinfizieren zu lassen; die in gleiche Lage gekommenen Reisenden sind auf die Notwendigkeit derselben Maßnahmen aufmerksam zu machen.
Alle Personen, welche mit Cholerakranken in Berührung kommen, müssen bis nach stattgehabter gründlicher Reinigung ihrer Hände unbedingt vermeiden, die letzteren mit ihrem Gesicht in Berührung zu bringen, da durch Zuführung des Krankheitsstoffs durch den Mund in den Körper eine Ansteckung erfolgen kann. Es ist deshalb auch streng zu vermeiden, bei oder nach dem Umgange mit Kranken vor erfolgter sorgfältiger Reinigung der Hände zu rauchen oder Speisen und Getränke zu sich zu nehmen.
7. Eine besondere Sorgfalt ist der Erhaltung peinlicher Sauberkeit in allen Bedürfnisanstalten auf den Stationen zuzuwenden; die Sitzbretter der Aborte sind durch Abwaschen mit einer heißen Lösung von Kaliseife mindestens einmal [87] täglich zu reinigen. Eine Desinfektion der Aborte, welche alsdann mit Kalkmilch und unter wiederholtem Übergießen der Fußböden mit Kalkmilch, soweit sie diese Behandlung vertragen, zu bewirken ist, erfolgt lediglich auf den Stationen der Orte, an welchen die Cholera ausgebrochen ist, und auf solchen Stationen, wo dies ausdrücklich angeordnet werden sollte. Die zur Beseitigung üblen Geruchs für die warme Jahreszeit allgemein getroffenen Bestimmungen werden jedoch hierdurch nicht berührt.
8. Der Boden zwischen den Gleisen ist, sofern er auf den Stationen infolge Benutzung der in den Zügen befindlichen Bedürfnisanstalten verunreinigt ist, durch wiederholtes Übergießen mit Kalkmilch gehörig zu desinfizieren.
9. Eine Beschränkung des Eisenbahn-Gepäck- und Güterverkehrs findet, abgesehen von den bezüglich einzelner Gegenstände ergehenden Ausfuhr- und Einfuhrverboten, nicht statt.
10. Eine Desinfektion von Reisegepäck und Gütern findet nur in folgenden Fällen statt:
a) Auf den zu 2 bezeichneten Zollrevisionsstationen erfolgt auf ärztliche Anordnung zwangsweise die Desinfektion von gebrauchter Leibwäsche, getragenen Kleidungsstücken, gebrauchtem Bettzeug und sonstigen Gegenständen, welche zum Gepäck eines Reisenden gehören oder als Umzugsgut anzusehen sind und aus einem choleraverseuchten Bezirke stammen, sofern sie nach ärztlichem Ermessen als mit dem Ansteckungsstoffe der Cholera behaftet anzusehen sind.
b) Im übrigen erfolgt eine Desinfektion von Expreß-, Eil- und Frachtgütern – auch auf den Zollrevisionsstationen – nur bei solchen Gegenständen, welche nach Ansicht der Ortsgesundheitsbehörde als mit dem Ansteckungsstoffe der Cholera behaftet anzusehen sind.
Briefe und Korrespondenzen, Drucksachen, Bücher, Zeitungen, Geschäftspapiere usw. unterliegen keiner Desinfektion.
Die Einrichtung und Ausführung der Desinfektion wird von den Gesundheitsbehörden veranlaßt, welchen von dem Eisenbahnpersonale tunlichst Hilfe zu leisten ist.
11. Sämtliche Beamte der Eisenbahnverwaltung haben den Anforderungen der Polizeibehörden und der beaufsichtigenden Ärzte, soweit es in ihren Kräften steht und nach den dienstlichen Verhältnissen ausführbar ist, unbedingte Folge zu leisten und auch ohne besondere Aufforderung denselben alle erforderlichen Mitteilungen zu machen. Von allen Dienstanweisungen und Maßnahmen gegen die Choleragefahr und von allen getroffenen Anordnungen und Einrichtungen ist stets sofort den dabei in Frage kommenden Gesundheitsbehörden Mitteilung zu machen.
12. Ein Auszug dieser Anweisung, welcher die Verhaltungsmaßregeln für das Eisenbahnpersonal bei choleraverdächtigen Erkrankungen auf der Eisenbahnfahrt [88] enthält, ist beigefügt. Von diesen Verhaltungsmaßregeln ist jedem Fahrbeamten eines jeden zur Personenbeförderung dienenden Zuges ein Abdruck zuzustellen.
13. Von jedem durch den Arzt als Cholera erkannten Erkrankungsfall ist seitens des betreffenden Stationsvorstehers sofort der vorgesetzten Betriebsbehörde und der Ortspolizeibehörde schriftliche Anzeige zu erstatten, welche, soweit sie zu erlangen sind, folgende Angaben enthalten soll:
a) Ort und Tag der Erkrankung;
b) Name, Geschlecht, Alter, Stand oder Gewerbe des Erkrankten;
c) woher der Kranke zugereist ist;
d) wo der Kranke untergebracht ist.

A. Anweisung über die Behandlung der Eisenbahn-Personen- und Schlafwagen beim Auftreten der Cholera. Bearbeiten

1. Während eines Choleraausbruchs im Inland oder in einem benachbarten Gebiet ist für besonders sorgfältige Reinigung und Lüftung der dem Personenverkehre dienenden Wagen Sorge zu tragen; es gilt dies namentlich in bezug auf Wagen der 3. und 4. Klasse, welche zur Massenbeförderung von Personen aus einer von der Cholera ergriffenen Gegend gedient haben.
Die in den Zügen befindlichen Bedürfnisanstalten sind regelmäßig zu desinfizieren und zu dem Zwecke die Trichter und Abfallrohre nach Reinigung mit Kalkmilch zu bestreichen, die Sitzbretter mit Kaliseifenlösung zu reinigen (vergleiche Ziffer 2).
2. Ein Personenwagen, in welchem ein Cholerakranker sich befunden hat, ist sofort außer Dienst zu stellen und der nächsten mit den nötigen Einrichtungen versehenen Station zur Desinfektion zu überweisen, welche in nachstehend angegebener Weise zu bewirken ist.
Etwaige grobe Verunreinigungen im Innern des Wagens sind durch sorgfältiges und wiederholtes Abreiben mit Lappen, welche mit Karbolsäurelösung befeuchtet sind, zu beseitigen. Alsdann sind die Läufer, Matten, Teppiche, Vorhänge und beweglichen Polster abzunehmen, in Tücher, welche mit Karbolsäurelösung stark angefeuchtet sind, einzuschlagen und der Dampfdesinfektion zu unterwerfen. Ein vorheriges Ausklopfen dieser Gegenstände ist zu vermeiden. Gegenstände aus Leder, welche eine Dampfdesinfektion nicht vertragen, sind mit Karbolsäurelösung gründlich abzureiben. Demnächst ist der Wagen durchweg einer sorgfältigen Reinigung zu unterwerfen, wobei seine abwaschbaren Teile mit Karbolsäurelösung zu behandeln sind, und sodann in einem warmen, luftigen und trockenen Räume mindestens drei Tage lang aufzustellen.
Die bei der Reinigung verwendeten Lappen sind zu verbrennen. [89]
Zur Herstellung der Karbolsäurelösung wird 1 Gewichtsteil verflüssigte Karbolsäure Acidum carbolicum liquefactum des Arzneibuchs für das Deutsche Reich) mit 30 Gewichtsteilen Wasser gemischt.
Zur Herstellung von Kalkmilch wird 1 Raumteil frisch gebrannter Kalk (Ätzkalk, Calcaria usta), mit 4 Raumteilen Wasser gemischt, und zwar in folgender Weise: Der Kalk wird in ein geeignetes Gefäß gelegt und zunächst mit ¾ Raumteilen Wasser durch Besprengen unter stetem Umrühren gelöscht. Nachdem der Kalk zu Pulver zerfallen ist, wird er mit dem übrigen Wasser zu Kalkmilch verrührt.
Zur Herstellung von Kaliseifenlösung werden 3 Gewichtsteile Seife (sogenannte Schmierseife oder grüne Seife oder schwarze Seife) in 100 Gewichtsteilen siedend heißem Wasser gelöst (zum Beispiel ½ Kilogramm Seife in 17 Liter Wasser).
Diese Lösung ist heiß zu verwenden.
3. Ist ein Schlafwagen von einem Cholerakranken benutzt worden, so muß die während der Fahrt gebrauchte Wäsche desinfiziert werden. Zu diesem Zwecke ist sie in Tücher, welche mit Karbolsäurelösung stark befeuchtet sind, einzuschlagen und alsdann so in ein Gefäß mit Karbolsäurelösung zu legen, daß sie von der Flüssigkeit vollständig bedeckt wird; frühestens nach zwei Stunden ist dann die Wäsche mit Wasser zu spülen und zu reinigen. Zur Wäsche sind zu rechnen: die Laken, die Bezüge der Bettkissen und der Decken sowie die Handtücher. Die Desinfektion des Wagens selbst hat in der unter Ziffer 2 vorgeschriebenen Weise zu erfolgen; dabei sind jedoch auch die von dem Kranken benutzten Bettkissen, Decken und beweglichen Matratzen in der dort angegebenen Weise einzuschlagen und alsdann der Dampfdesinfektion zu unterwerfen. Statt der Desinfektion mit Karbolsäurelösung kann die Wäsche auch der Dampfdesinfektion unterworfen werden.
Für den Fall, daß es sich als notwendig erweisen sollte, einen Schlafwagenlauf gänzlich einzustellen, bleibt Bestimmung vorbehalten.
4. Die vorstehenden Bestimmungen finden sinngemäße Anwendung bei Erkrankungen von Zug- und Postbeamten in den von ihnen benutzten Gepäck- und Postwagen.
5. Die mit der Desinfektion beauftragten Arbeiter haben jedesmal, wenn sie mit infizierten Dingen in Berührung gekommen sind, die Hände durch sorgfältiges Waschen mit Karbolsäurelösung zu desinfizieren und sich sonst gründlich zu reinigen. Es empfiehlt sich, daß die Desinfektoren waschbare Oberkleider tragen; diese sind in derselben Weise wie die Wäsche aus den Schlafwagen zu desinfizieren.

B. Verhaltungsmaßregeln für das Eisenbahnpersonal bei choleraverdächtigen Erkrankungen auf der Eisenbahnfahrt. Bearbeiten

1. Von jeder auffälligen Erkrankung, welche während der Eisenbahnfahrt vorkommt, hat der Schaffner dem Zugführer sofort Meldung zu machen. [90]
2. Der Schaffner hat sich des Erkrankten nach Kräften anzunehmen; er hat alsdann jedoch jede Berührung mit anderen Personen nach Möglichkeit zu vermeiden.
3. Der Erkrankte ist, falls nicht die Verkehrsordnung seinen Ausschluß von der Fahrt vorschreibt, an der Weiterfahrt nicht zu verhindern; jedoch ist, sobald dies ohne Unterbrechung der Reise möglich ist, die Feststellung der Krankheit durch einen Arzt herbeizuführen.
Verlangt der Erkrankte der nächsten im Verzeichnis aufgeführten Übergabestation übergeben zu werden oder macht sein Zustand eine Weiterbeförderung untunlich, so hat der Zugführer, falls der Zug vor der Ankunft auf der Übergabestation noch eine Zwischenstation berührt, sofort beim Eintreffen dem diensthabenden Stationsbeamten Anzeige zu machen; dieser hat alsdann der Krankenübergabestation ungesäumt telegraphisch Meldung zu erstatten, damit möglichst die unmittelbare Abnahme des Erkrankten aus dem Zuge selbst durch die Krankenhausverwaltung, die Polizei- oder die Gesundheitsbehörde veranlaßt werden kann.
Will der Erkrankte den Zug auf einer Station vor der nächsten Übergabestation verlassen, so ist er hieran nicht zu hindern, der Zugführer hat aber dem diensthabenden Beamten der Station, auf welcher der Erkrankte den Zug verläßt, Meldung zu machen, damit der Beamte, falls der Erkrankte nicht bis zum Eintreffen ärztlicher Hilfe auf dem Bahnhofe, wo er möglichst abzusondern sein würde, bleiben will, seinen Namen, Wohnort und sein Absteigequartier feststellen und unverzüglich der nächsten Polizeibehörde unter Angabe der näheren Umstände mitteilen kann.
4. Sämtliche Mitreisenden, ausgenommen solche Personen, welche zur Unterstützung bei dem Erkrankten bleiben, sind aus dem Wagenabteil, in welchem der Erkrankte sich befindet, und, wenn mehrere Wagenabteile einen gemeinschaftlichen Abort haben, aus diesen sämtlichen Abteilen zu entfernen und in einem anderen Abteil, und zwar abgesondert von den übrigen Reisenden, unterzubringen.
5. Die Zugbeamten haben, wenn sie mit einem Erkrankten in Berührung gekommen sind, sich sorgfältig zu reinigen und etwa beschmutzte Kleidungsstücke desinfizieren zu lassen; die in gleiche Lage gekommenen Reisenden sind auf die Notwendigkeit derselben Maßnahmen aufmerksam zu »lachen.

Anlage 4. Nachweisung über vorgekommene Cholerafälle. Bearbeiten



  1. Worauf sich die Desinfektion bei Cholera zu erstrecken hat, ist in Nr. 3 Abs. 3 und Nr. 6, Nr. 7 Abs. 1 und 2, Nr. 9 Abs. 2, Nr. 11 der Ausführungsbestimmungen bezeichnet.