Bekämpfung des Antisemitismus (Großh. Hessen) (1819)
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Eine schmerzliche Erfahrung hat gelehrt, daß die unwürdigen und strafbaren Unternehmungen, welche sich der Pöbel in einem deutschen Orte gegen die Rechtssicherheit der Israeliten erlaubt hat, als ein ansteckendes Beispiel auch auf andere deutsche Orte zu wirken vermochte, so wenig man auch dieses in einem Zeitalter hätte erwarten sollen, in welchem man mit Aufklärung und liberalen Gesinnungen so gerne zu prunken pflegt.
In dem Umfange des Großherzogthums haben zwar bisher nur noch wenige und unbedeutende Unordnungen dieser Art statt gefunden, und bei den stattgefundenen hat man die angenehme Bemerkung zu machen Gelegenheit gehabt, daß kein solider, rechtlicher Bürger und kein achtbarer Familien-Vater Antheil genommen hat; es bleibt aber immer heilige Pflicht der höchsten Staatsregierung, durch kräftige Maaßregeln dem ferneren Entstehen aller [47] solchen Unordnungen vorzubeugen und dadurch den Schutz der Rechte zu bewähren, auf welchen jeder Angehörige des Staats, ohne Unterschied der Religion und des Standes, gleichen Anspruch hat.
Aus dieser Rücksicht haben Seine Königliche Hoheit, der Großherzog, gnädigst zu verordnen geruht, daß in Zukunft für jeden Schaden, welcher den Israeliten, bei Zusammenrottungen und Aufläufen, zugefügt werden würde, die Gemeinden, vorbehältlich ihres Rückgriffs gegen die Schuldigen, verantwortlich seyn sollen.
Indem man diese allerhöchste Entschließung hierdurch zur Kenntniß des Publikums bringt, bemerkt man zugleich, daß man auch ferner darauf vorzüglich rechne, daß die Familienväter fortfahren werden, ihre Hausangehörigen, Kinder, Untergebene und Dienstboten auf das Unvernünftige und Verächtliche solcher Ausbrüche des Hasses, oder eines gefährlichen Muthwillens aufmerksam zu machen, und man glaubt, daß der vernünftigere Theil des Publikums in jener Entschließung ein kräftiges Mittel zur Unterstützung der häuslichen Zucht erkennen werde, indem nunmehr auch der Unbesonnenste begreifen lernen wird, daß die nachtheiligen Folgen der Störung der öffentlichen Ordnung nicht die ausgewählten Opfer treffen, sondern vielmehr auf ihn selbst und auf diejenigen zurückfallen werden, mit welchen er innig verbunden ist.
- Darmstadt den 4. September 1819.
Großherzoglich Hessisches Geheimes Staats-Ministerium.