Beamtenhinterbliebenengesetz

Gesetzestext
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Titel: Beamtenhinterbliebenengesetz.
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Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1907, Nr. 21, Seite 208 - 214
Fassung vom: 17. Mai 1907
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 24. Mai 1907
Inkrafttreten:
Anmerkungen:
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(Nr. 3329.) Beamtenhinterbliebenengesetz. Vom 17. Mai 1907.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was folgt:

Die Witwen und die ehelichen oder legitimierten Kinder von Beamten, welchen zur Zeit ihres Todes ein Anspruch auf Pension aus der Reichskasse im Falle der Versetzung in den Ruhestand zugestanden hätte, sowie die Witwen und die ehelichen oder legitimierten Kinder von ausgeschiedenen Beamten, welche kraft gesetzlichen Anspruchs oder auf Grund des § 39 des Reichsbeamtengesetzes lebenslängliche Pension aus der Reichskasse zu beziehen hatten, erhalten Witwen- und Waisengeld.
Keinen Anspruch auf Witwen- und Waisengeld haben die Hinterbliebenen derjenigen Beamten und ausgeschiedenen Beamten, welche nur nebenamtlich im Reichsdienst angestellt gewesen sind. [209]
Das Witwengeld besteht in vierzig vom Hundert derjenigen Pension, zu welcher der Verstorbene berechtigt gewesen ist oder berechtigt gewesen sein würde, wenn er am Todestag in den Ruhestand versetzt worden wäre.
Das Witwengeld soll jedoch, vorbehaltlich der im § 4 verordneten Beschränkung mindestens 300 Mark und höchstens 5.000 Mark betragen.
Bei Berechnung des Witwengeldes bleibt die Verstümmelungszulage und die Alterszulage (§§ 11, 13, 32 des Offizierpensionsgesetzes vom 31. Mai 1906) stets, die Kriegszulage, Pensionserhöhung und Tropenzulage (§§ 12, 32; §§ 49, 59; §§ 66, 67, § 72 Nr. 8 ebenda) in dem Falle außer Betracht, daß die Witwe zu einer Kriegsversorgung berechtigt ist.
War der Verstorbene als Pensionär wieder in den Reichsdienst eingetreten, so wird der Berechnung des Witwengeldes derjenige Betrag zu Grunde gelegt, den der Verstorbene an neuer und alter Pension bezogen hat oder hätte beziehen können.
War der Verstorbene als Pensionär außerhalb des Reichsdienstes in eine der im § 57 Nr. 2 des Reichsbeamtengesetzes bezeichneten Stellen eingetreten, so wird der Berechnung des Witwengeldes die festgesetzte Reichspension im vollen Betrage zu Grunde gelegt.
Der Jahresbetrag des Witwengeldes ist nach oben so abzurunden, daß bei der Teilung durch drei sich volle Markbeträge ergeben.
Das Waisengeld beträgt jährlich:
1. für jedes Kind, dessen Mutter noch lebt und zur Zeit des Todes des Verstorbenen zum Bezuge von Witwengeld berechtigt war, ein Fünftel des Witwengeldes;
2. für jedes Kind, dessen Mutter nicht mehr lebt oder zur Zeit des Todes des Verstorbenen zum Bezuge von Witwengeld nicht berechtigt war, ein Drittel des Witwengeldes.
Der Jahresbetrag des Waisengeldes ist nach oben so abzurunden, daß bei Teilung durch drei sich volle Markbeträge ergeben.
Witwen- und Waisengeld dürfen weder einzeln noch zusammen den Betrag der Pension übersteigen, zu welcher der Verstorbene berechtigt gewesen ist oder berechtigt gewesen sein würde, wenn er am Todestag in den Ruhestand versetzt worden wäre.
Ergibt sich an Witwen- und Waisengeld zusammen ein höherer Betrag, so werden die einzelnen Sätze in gleichem Verhältnisse gekürzt. [210]
Nach dem Ausscheiden eines Witwen- oder Waisengeldberechtigten erhöht sich das Witwen- oder Waisengeld der verbleibenden Berechtigten von dem Beginne des folgenden Monats an insoweit, als sie sich noch nicht in vollem Genusse der ihnen nach §§ 2 bis 4 gebührenden Beträge befinden.
War die Witwe mehr als 15 Jahre jünger als der Verstorbene, so wird das nach Maßgabe der §§ 2, 4 berechnete Witwengeld für jedes angefangene Jahr des Altersunterschieds über 15 bis einschließlich 25 Jahre um 1/20 gekürzt. Nach fünfjähriger Dauer der Ehe wird für jedes angefangene Jahr ihrer weiteren Dauer dem gekürzten Betrag 1/10 des berechneten Witwengeldes solange hinzugesetzt, bis der volle Betrag wieder erreicht ist.
Auf den nach § 3 zu berechnenden Betrag des Waisengeldes ist diese Kürzung des Witwengeldes ohne Einfluß.
Liegen die Voraussetzungen einer Kürzung sowohl nach § 4 als auch nach § 6 vor, so ist zunächst das Witwen- und Waisengeld nach § 4 und erst dann das Witwengeld nach § 6 zu kürzen, demnächst aber der gemäß § 6 gekürzte Betrag des Witwengeldes dem nach § 4 gekürzten Waisengelde bis zur Erreichung des vollen Betrags zuzusetzen,
Keinen Anspruch auf Witwengeld hat die Witwe, wenn die Ehe mit dem verstorbenen Beamten innerhalb dreier Monate vor seinem Ableben geschlossen worden und die Eheschließung zu dem Zwecke erfolgt ist, um der Witwe den Bezug des Witwengeldes zu verschaffen.
Keinen Anspruch auf Witwen- und Waisengeld haben die Witwe und die Hinterbliebenen Kinder eines ausgeschiedenen Beamten aus solcher Ehe, welche erst nach der Versetzung des Beamten in den Ruhestand geschlossen worden ist.
Der Witwe und den ehelichen oder legitimierten Kindern eines Beamten, welchem, wenn er am Todestag in den Ruhestand versetzt worden wäre, auf Grund des § 39 des Reichsbeamtengesetzes eine lebenslängliche Pension hätte bewilligt werden dürfen, kann Witwen- und Waisengeld bis zu der in den §§ 2 bis 7 angegebenen Höhe durch den Reichskanzler bewilligt werden.
Der Witwe und den ehelichen oder legitimierten Kindern eines Beamten, welcher unter dem Vorbehalte des Widerrufs oder der Kündigung angestellt gewesen ist, ohne eine in den Besoldungs-Etats aufgeführte Stelle bekleidet zu [211] haben, kann Witwen- und Waisengeld durch den Reichskanzler in Grenzen derjenigen Beträge bewilligt werden, welche ihnen zustehen würden, wenn der Verstorbene eine in den Besoldungs- Etats aufgeführte Stelle bekleidet gehabt hätte.
Das Gleiche gilt für die Witwe und die ehelichen oder legitimierten Kinder eines ausgeschiedenen Beamten, welchem auf Grund des § 37 des Reichsbeamtengesetzes eine lebenslängliche Pension bewilligt worden war, ohne daß er eine in den Besoldungs-Etats aufgeführte Stelle bekleidet hatte.
Stirbt ein Beamter, welchem im Falle seiner Versetzung in den Ruhestand bei Berechnung seiner Pension die Anrechnung gewisser Zeiten auf die in Betracht kommende Dienstzeit nach §§ 50, 52 des Reichsbeamtengesetzes hätte bewilligt werden dürfen, so kann eine solche Anrechnung auch bei Festsetzung des Witwen- und Waisengeldes durch den Reichskanzler zugelassen werden.
Die Zahlung des Witwen- und Waisengeldes beginnt mit dem Ablaufe der Zeit, für welche Gnadengebührnisse gewährt sind, oder, wenn solche nicht gewährt sind, mit dem auf den Sterbetag folgenden Tage, für Waisen jedoch, die nach dem Tode ihres Vaters geboren sind, nicht früher als mit dem Tage ihrer Geburt.
Das Witwen- und Waisengeld wird monatlich im voraus gezahlt.
Die Festsetzung des Witwen- und Waisengeldes und die Bestimmung darüber, an wen die Zahlung zu leisten ist, erfolgt durch die oberste Reichsbehörde, welche diese Befugnisse aus andere Behörden übertragen kann.
Das Recht auf den Bezug des Witwen- und Waisengeldes erlischt:
1. für jeden Berechtigten mit dem Ablaufe des Monats, in welchem er sich verheiratet oder stirbt;
2. für jede Waise außerdem mit dem Ablaufe des Monats, in welchem sie das 18. Lebensjahr vollendet.
Das Recht auf den Bezug des Witwen- und Waisengeldes ruht:
1. solange der Berechtigte nicht Reichsangehöriger ist;
2. neben einer Versorgung, welche einem Hinterbliebenen aus einer außerhalb des Reichsdienstes erfolgten Wiederanstellung oder Beschäftigung des Verstorbenen in einer der im § 57 Nr. 2 des Reichsbeamtengesetzes bezeichneten Stellen zusteht, insoweit das Witwen- oder Waisengeld [212] unter Hinzurechnung jener anderweiten Versorgung den Betrag überschreitet, den der Hinterbliebene nach den Vorschriften dieses Gesetzes unter Zugrundelegung desjenigen Betrags zu beziehen hätte, welcher dem Verstorbenen gemäß § 59 des Reichsbeamtengesetzes zu zahlen gewesen ist oder zu zahlen gewesen wäre;
3. bei Anstellung oder Beschäftigung als Beamter oder in der Eigenschaft eines Beamten im Reichs- oder Staatsdienst im Sinne des § 57 Nr. 2 des Reichsbeamtengesetzes, wenn das Diensteinkommen einer Witwe 2.000 Mark, das einer Waise 1.000 Mark übersteigt, und zwar in Höhe des Mehrbetrags. Bei Berechnung des Diensteinkommens findet § 57 Nr. 2 Abs. 2 des Reichsbeamtengesetzes Anwendung.
Das Recht auf den Bezug des Witwengeldes ruht neben einer im Reichs- oder Staatsdienst im Sinne des § 57 Nr. 2 des Reichsbeamtengesetzes erdienten Pension über 1.500 Mark in Höhe des Mehrbetrags.
Tritt das Ruhen des Rechtes auf den Bezug von Witwen- und Waisengeld gemäß §§ 15, 16 im Laufe eines Monats ein, so wird die Zahlung mit dem Ende des Monats eingestellt; tritt es am ersten Tage eines Monats ein, so hört die Zahlung mit dem Beginne des Monats auf.
Bei vorübergehender Beschäftigung gegen Tagegelder oder eine andere Entschädigung beginnt das Ruhen des Rechtes auf den Bezug von Witwen- und Waisengeld mit dem Ablaufe von sechs Monaten, vom ersten Tage des Monats der Beschäftigung an gerechnet.
Lebt das Recht auf den Bezug von Witwen- und Waisengeld wieder auf, so hebt die Zahlung mit dem Beginne des Monats an.
Ist ein Beamter oder ein ausgeschiedener Beamter, dessen Hinterbliebenen im Falle seines Todes auf Grund dieses Gesetzes Witwen- oder Waisengeld zustehen würde oder bewilligt werden könnte, verschollen, so kann den Hinterbliebenen von der obersten Reichsbehörde das Witwen- und Waisengeld auch schon vor der Todeserklärung gewährt werden, wenn das Ableben des Verschollenen mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Den Tag, mit welchem die Zahlung des Witwen- und Waisengeldes beginnt, bestimmt in diesem Falle die oberste Reichsbehörde.
Für die Entscheidung über Ansprüche aus diesem Gesetze sind die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig. [213]
Vom Inkrafttreten dieses Gesetzes ab erhalten die Witwen und die Kinder von denjenigen bereits verstorbenen Beamten, welche an einem der von deutschen Staaten vor 1871 oder von dem Deutschen Reiche geführten Kriege teilgenommen hatten, sofern ihnen nach den früheren Gesetzen Witwen- und Waisengeld zusteht und die Ehe schon zur Zeit des Krieges bestanden hat, Witwen- und Waisengeld in demjenigen Betrage, der ihnen zu bewilligen gewesen sein würde, wenn bei der Berechnung der Pension des Verstorbenen Artikel 1 Nr. X des Gesetzes, betreffend Änderung des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1878, zur Anwendung gekommen wäre.
Die Bezüge der Hinterbliebenen von Beamten, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes verstorben sind, ruhen von diesem Zeitpunkt ab nur nach den Vorschriften der §§ 15 bis 17 dieses Gesetzes.
Der den Hinterbliebenen der vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes verstorbenen Beamten zu zahlende Betrag an Versorgungsgebührnissen darf nicht hinter demjenigen zurückbleiben, welcher ihnen nach den früheren Gesetzen zusteht.
Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. April 1907 in Kraft.
Außer Kraft treten alsdann:
1. das Gesetz, betreffend die Fürsorge für die Witwen und Waisen der Reichsbeamten der Zivilverwaltung, vom 20. April 1881,
2. das Gesetz, betreffend die Fürsorge für die Witwen und Waisen von Angehörigen des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine, vom 17. Juni 1887, soweit es die Beamten des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine sowie deren Hinterbliebene betrifft,
3. das Gesetz, betreffend den Erlaß der Witwen- und Waisengeldbeiträge von Angehörigen der Reichszivilverwaltung, des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine, vom 5. März 1888, soweit es die Beamten betrifft,
4. das Gesetz wegen anderweiter Bemessung der Witwen- und Waisengelder vom 17. Mai 1897, soweit es die Hinterbliebenen von Beamten betrifft.
Die unter der Herrschaft der vorstehend aufgeführten Gesetze erklärten und nicht rechtsgültig widerrufenen Verzichte auf Witwen- und Waisengeld behalten auch mit bezug auf dieses Gesetz ihre Wirksamkeit. [214]
Vorstehende Bestimmungen kommen in Bayern nach Maßgabe des Bündnisvertrags vom 23. November 1870 für die Hinterbliebenen von Heeresbeamten oder ehemaligen Heeresbeamten, welche die im § 1 angegebenen Ansprüche gegen bayerische Militärfonds besessen haben, zur Anwendung.
Dem Königreiche Bayern wird zur Bestreitung der Ausgaben hierfür alljährlich eine Summe überwiesen, die sich nach der Höhe des entsprechenden tatsächlichen Aufwandes des Reichs im Verhältnisse der Kopfstärke des Königlich Bayerischen Kontingents zu der der übrigen Teile des Reichsheeres bemißt.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Wiesbaden, den 17. Mai 1907.
(L. S.)  Wilhelm.

  Fürst von Bülow.