Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Hausverbot (UB München)

Entscheidungstext
Gericht: Verwaltungsgerichtshof
Ort: München
Art der Entscheidung: Beschluss
Datum: 23. Juni 2003
Aktenzeichen: 7 CE 03.1294
Zitiername:
Verfahrensgang: vorgehend Verwaltungsgericht München (09. April 2003)
Erstbeteiligte(r):
Gegner:
Weitere(r) Beteiligte(r):
Amtliche Fundstelle:
Quelle: Scan von BayVBl 2003, Heft 22, S. 692–693
Weitere Fundstellen: NVwZ-RR 2004, 185
Inhalt/Leitsatz:
Zitierte Dokumente:
Anmerkungen: Weitere Entscheidungen zum Hausverbot für Bibliotheken auf bibliotheksurteile.de.
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BayVGH, Beschluss vom 23.6.2003   Az. 7 CE 03.1294

[1] Der Antragstellerin wurde mit sofort vollziehbarem Bescheid der Ludwig-Maximilians-Universität München (im Folgenden: Universität) vom 21.1.2003 ab sofort verboten, Räume der Universitätsbibliothek München samt Teilbibliotheken für die Dauer von drei Jahren, beginnend am Tag der Zustellung des Bescheides, zu betreten.

[2] Mit Beschluss vom 9.4.2003 gab das Verwaltungsgericht ihrem Begehren im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes statt. Entgegen der Auffassung der Universität könne Rechtsgrundlage für das Betretungsverbot nur § 26 Abs. 1 der Allgemeinen Benützungsordnung der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken (ABOB) vom 18.8.1993 (GVBl. S. 635) sein. Der der Maßnahme zugrunde liegende Vorfall könne allein nicht zur Unzumutbarkeit der Benutzung der Bibliothek durch die Antragstellerin führen. Die Beschwerde des Antragsgegners hatte Erfolg.

Aus den Gründen:

[3] 1. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts konnte die Uni- [693] versität das Hausverbot zulässigerweise auf Art. 5 Abs. 3 Nr. 7 BayHSchG i.V.m. Art. 24 Abs. 5 BayHSchG stützen. Zwar enthält erstere Vorschrift erkennbar nur eine Aufgabenzuweisung für die Hochschule in ihrer Eigenschaft als staatliche Einrichtung. Darüber hinaus bestimmt jedoch Art. 24 Abs. 5 BayHSchG, dass der Präsident im Hochschulbereich das Hausrecht ausübt. Bei dieser Bestimmung handelt es sich nicht nur um eine bloße Zuständigkeitsregelung, sondern auch um eine Befugnisnorm (BayVGH vom 23.2.1981, BayVBl. 1981, 657 m.w.N.).

[4] 2. Das Hausverbot war auch nicht deshalb unzulässig, weil gegen die Antragstellerin zunächst eine Benützungsuntersagung für die Bibliothek nach § 26 Abs. 1 der Allgemeinen Benützungsordnung der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken (ABOB) vom 18.8.1993 (GVBl. S. 635) hätte ergehen müssen. Der Erlass eines Hausverbots und mögliche Maßnahmen nach der Allgemeinen Benützungsordnung der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken stehen nicht in einem Stufenverhältnis zueinander dergestalt, dass die Maßnahmen nach der Benützungsordnung stets Vorrang hätten (vgl. im Einzelnen BayVGH, a.a.O.).

[5] 3. Nach summarischer Überprüfung des vorliegenden Sachverhalts liegen die Voraussetzungen für den Erlass eines Hausverbots gegenüber der Antragstellerin vor.

[6] Dabei ist von folgendem Grundsatz auszugehen: Während das Ordnungsrecht (Art. 5 Abs. 3 Nr. 6 BayHSchG, Art. 93 f. BayHSchG) im Wesentlichen Folgerungen aus vergangenem Verhalten zieht, wenn auch im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Zukunft, und damit repressiv orientiert ist, dient das Hausrecht demgegenüber unmittelbar der Wahrung und Erhaltung des Hausfriedens als Voraussetzung eines geordneten Betriebs und hat damit primär präventiven Charakter (Reich, Bayerisches Hochschulgesetz, 4. Aufl. 1999, RdNr. 14 zu Art. 24 m.w.N.). Aufgrund dieses primär präventiven Charakters eines Hausverbots geht es also nicht darum, bereits geschehene Vorfälle zu „bestrafen“, sondern zu verhindern, dass sich derartige Vorfälle wiederholen.

[7] Die Universität hat im angefochtenen Bescheid sowie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes plausibel dargelegt, dass es aufgrund der langjährigen Erfahrungen mit der Antragstellerin sehr schwer falle, für die Zukunft ein gesittetes Verhalten zu prognostizieren. Dabei lässt der Senat dahingestellt, ob die Äußerung der Antragstellerin „Wenn ihr ein zweites Erfurt wollt, so könnt ihr es haben“ bereits für sich gesehen die Erteilung des befristeten Hausverbotes rechtfertigt. Bei dieser Äußerung handelt es sich allerdings um eine massive Entgleisung, die die Mitarbeiter der Universitätsbibliothek durchaus als Bedrohung verstehen durften, auch wenn die Antragstellerin diese Äußerung umgehend relativiert hat; daran ändert auch nichts der Versuch der Antragstellerin, ihre Äußerung als „linguistisches Missverständnis“ darzustellen, da es sich nur um eine schweizerdeutsche Redewendung gehandelt habe. Die Universität hat darüber hinaus glaubhaft dargelegt, dass das Gesamtverhalten der Antragstellerin über Jahre hinweg zu Beanstandungen geführt hat und nunmehr in der genannten Äußerung gipfelte. Die Universität hatte bereits mit Bescheid vom 12.5.2000 der Antragstellerin ein Hausverbot erteilt, das zwar mit Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 15.10.2001 aufgehoben wurde, dies allerdings im Wesentlichen mit der Begründung, die Bescheide seien als Dauerverwaltungsakte anzusehen, die sich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 15.10.2001 als unverhältnismäßig erwiesen hätten. Der Senat hält die von der Universität vorgetragenen Gründe im Rahmen der erforderlichen, aber auch ausreichenden Güterabwägung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für glaubhaft, auch wenn – wie das Verwaltungsgericht moniert – nicht jeder einzelne Vorfell in der Vergangenheit dokumentiert wurde. So findet sich immerhin eine Aktennotiz eines Mitarbeiters der Universitätsbibliothek vom 9.1.2003, in dem dieser den oben genannten Vorfall im Einzelnen schildert und schließlich ausführt: „Ihre sonstigen Ausfälle, die Beschäftigten wären alle nur Idioten, die es auf sie abgesehen hätten, würden ständig lügen und betrügen, sind altbekannt und betreffen alle Beschäftigten des Schalterdienstes“. Eine Bibliotheksangestellte schildert in einem Aktenvermerk vom 15.1.2003, die Antragstellerin beleidige und bedrohe seit geraumer Zeit reihum die Kollegen der Benützungsabteilung; ihr Ton habe inzwischen erheblich an Schärfe zugenommen und auch ihre Gestik sei nicht mehr einzuschätzen („haut sie nun zu oder nicht?!“). Weiterhin schildert die Mitarbeiterin, dass die Antragstellerin bereits mehrmals in der Bayerischen Staatsbibliothek wegen ungebührlichen Verhaltens von der Benutzung ausgeschlossen worden sei. Ihre erste Begegnung mit der Antragstellerin vor etwa 15 Jahren sei unvergesslich; die Antragstellerin habe dermaßen am Bücherschalter getobt, dass hinter ihr wartende Studenten ihr den Mund verboten hätten. Diesen Feststellungen ist die Antragstellerin nicht dezidiert entgegengetreten, sie beruft sich vielmehr im Wesentlichen lediglich auf das genannte „linguistische Missverständnis“ bezüglich der genannten Äußerung. Dem Senat liegen auch im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die genannten schriftlichen Feststellungen nicht der Wahrheit entsprächen. Aufgrund dieser Verhaltensweise und der letztlich daraus resultierenden Bemerkung der Antragstellerin „Wenn ihr ein zweites Erfurt wollt, so könnt ihr es haben“ erscheint es dem Senat als ermessensfehlerfrei und auch verhältnismäßig, dass die Universität ein auf drei Jahre befristetes Hausverbot für die Bibliothek angeordnet hat. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann – auch wegen der genannten präventiven Zielrichtung eines Hausverbots – nicht maßgeblich sein, dass die Antragstellerin ihrer teilweise drastischen Ausdrucksweise keine entsprechenden Taten folgen ließ. Denn es kann dem Bibliothekspersonal nicht zugemutet werden, sozusagen sehenden Auges auf eine Entgleisung körperlicher Art zu warten; in einem derartigen Fall wäre vielmehr ein unbefristetes Hausverbot die angemessene Reaktion (vgl. hierzu BayVGH, a.a.O.). Die Universität konnte im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung auch berücksichtigen, dass bei einer Bearbeitungszeit von nunmehr 14 Jahren große Zweifel angebracht sind, ob jemals ein Abschluss der Dissertation zu erwarten ist; auch konnte in die Abwägung eingestellt werden, dass an der Universität offenbar kein Professor als Gutachter zur Verfügung steht. Zu Recht weist die Universität schließlich daraufhin, dass das frühere Hausverbot, das faktisch ein Jahr bestanden hatte, offenbar keine Änderung des Verhaltens der Antragstellerin bewirkt hat, weshalb eine Befristung des Hausverbots von deutlich mehr als einem Jahr nicht unangemessen erscheint.