Auslieferungsvertrag zwischen dem Deutschen Reiche und Luxemburg

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Titel: Auslieferungsvertrag zwischen dem Deutschen Reiche und Luxemburg.
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Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1876, Nr. 24 Seite 223 - 230
Fassung vom: 9. März 1876
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 18. November 1876
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(Nr. 1149.) Auslieferungsvertrag zwischen dem Deutschen Reiche und Luxemburg. Vom 9. März 1876.

Seine Majestät der Deutsche Kaiser einerseits, und Seine Majestät der König der Niederlande, Großherzog von Luxemburg andererseits sind übereingekommen, für Deutschland und das Großherzogthum Luxemburg einen Vertrag wegen gegenseitiger Auslieferung der Verbrecher abzuschließen, und haben zu diesem Zwecke mit Vollmacht versehen und zwar:

Seine Majestät der Deutsche Kaiser:
den Herrn Michelet von Frantzius, Allerhöchstihren Legationsrath,
Seine Majestät der König der Niederlande, Großherzog von Luxemburg:
den Herrn Dr. Paul Eyschen, Geschäftsträger des Großherzogthums Luxemburg bei Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser,

welche, nach Mittheilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, über nachstehende Artikel übereingekommen sind:

Artikel 1.

Die Hohen vertragenden Theile verpflichten sich durch gegenwärtigen Vertrag, sich einander in allen nach den Bestimmungen desselben zulässigen Fällen diejenigen Personen auszuliefern, welche wegen einer der nachstehend aufgezählten, im Gebiete des ersuchenden Staates begangenen und daselbst strafbaren Handlungen, sei es als Thäter oder Theilnehmer, verurtheilt oder in Anklagestand versetzt oder zur gerichtlichen Untersuchung gezogen worden sind und im Gebiete des anderen Theils sich aufhalten, nämlich:
1. wegen Todtschlags, Mordes, Giftmordes, Elternmordes und Kindesmordes;
2. wegen vorsätzlicher Abtreibung der Leibesfrucht;
3. wegen Aussetzung eines Kindes unter sieben Jahren oder vorsätzlicher Verlassung eines solchen in hülfloser Lage; [224]
4. wegen Raubes oder Verheimlichung eines Kindes unter sieben Jahren, wegen Entführung, Unterdrückung, Verwechselung und Unterschiebung eines Kindes;
5. wegen Entführung einer minderjährigen Person;
6. wegen vorsätzlicher und rechtswidriger Beraubung der persönlichen Freiheit eines Menschen, insofern sich eine Privatperson derselben schuldig macht;
7. wegen Eindringens in eine fremde Wohnung, insofern sich eine Privatperson desselben schuldig macht und die Handlung nach der Gesetzgebung beider Theile strafbar ist;
8. wegen Bedrohung eines Anderen mit einem als Verbrechen strafbaren Angriffe auf die Person oder das Eigenthum;
9. wegen unbefugter Bildung einer Bande in der Absicht, Personen oder Eigenthum anzugreifen;
10. wegen mehrfacher Ehe;
11. wegen Nothzucht;
12. wegen Vornahme unzüchtiger Handlungen mit Gewalt oder unter Drohungen in den durch die Gesetzgebung beider Theile mit Strafe bedrohten Fällen;
13. wegen Vornahme unzüchtiger Handlungen mit oder ohne Gewalt oder Drohungen an einer Person des einen oder anderen Geschlechts unter vierzehn Jahren, sowie wegen Verleitung solcher Personen zur Verübung oder Duldung unzüchtiger Handlungen;
14. wegen gewohnheitsmäßiger Kuppelei mit minderjährigen Personen des einen oder anderen Geschlechts;
15. wegen vorsätzlicher Mißhandlung oder Verletzung eines Menschen, welche eine voraussichtlich unheilbare Krankheit oder dauernde Arbeitsunfähigkeit, oder den Verlust des unumschränkten Gebrauchs eines Organs, oder eine schwere Verstümmelung oder den Tod, ohne den Vorsatz zu tödten, zur Folge gehabt hat;
16. wegen Diebstahls, Raubes und Erpressung;
17. wegen Unterschlagung und Untreue in den Fällen, in welchen diese Handlungen von der Gesetzgebung beider vertragenden Theile mit Strafe bedroht sind;
18. wegen Betrugs in denjenigen Fällen, in welchen derselbe nach der Gesetzgebung beider Theile als Verbrechen oder Vergehen strafbar ist;
19. wegen betrüglichen Bankerutts und betrüglicher Benachtheiligung einer Konkursmasse;
20. wegen Meineides;
21. wegen falschen Zeugnisses und wegen falschen Gutachtens eines Sachverständigen oder Dolmetschers, in den Fällen, in welchen diese Handlungen von der Gesetzgebung beider Theile mit Strafe bedroht sind; [225]
22. wegen Verleitung eines Zeugen, Sachverständigen oder Dolmetschers zum Meineide;
23. wegen Fälschung von Urkunden oder telegraphischen Depeschen in betrügerischer Absicht oder in der Absicht, jemandem zu schaden, sowie wegen wissentlichen Gebrauchs falscher oder gefälschter Urkunden und telegraphischer Depeschen in betrügerischer Absicht oder in der Absicht, jemandem zu schaden;
24. wegen vorsätzlicher und rechtswidriger Vernichtung, Beschädigung oder Unterdrückung einer öffentlichen oder Privaturkunde, begangen in der Absicht, einem Anderen zu schaden;
25. wegen Fälschung oder Verfälschung von Stempeln, Stempelzeichen, Siegeln oder Marken, in der Absicht, sie als echte zu verwenden, und wegen wissentlichen Gebrauchs falscher oder gefälschter Stempel, Stempelzeichen, Siegel oder Marken;
26. wegen Falschmünzerei, nämlich wegen Nachmachens und Veränderns von Metall- und Papiergeld, sowie wegen wissentlichen Ausgebens und Inumlaufsetzens von nachgemachtem oder verfälschtem Metall- oder Papiergeld;
27. wegen Nachmachens und Verfälschens von Bankbillets und anderen vom Staate, oder unter Autorität des Staates von Korporationen, Gesellschaften oder Privatpersonen ausgegebenen Schuldverschreibungen und sonstigen Werthpapieren, sowie wegen wissentlichen Ausgebens und Inumlaufsetzens solcher nachgemachten oder gefälschten Bankbillets, Schuldverschreibungen und anderer Werthpapiere;
28. wegen vorsätzlicher Brandstiftung;
29. wegen Unterschlagung und Erpressung seitens öffentlicher Beamten;
30. wegen Bestechung öffentlicher Beamten zum Zweck einer Verletzung ihrer Amtspflicht;
31. wegen folgender strafbarer Handlungen der Schiffsführer und Schiffsmannschaften auf Seeschiffen:
vorsätzliche und rechtswidrige Zerstörung eines Schiffes;
vorsätzlich bewirkte Strandung eines Schiffes;
Widerstand mit Thätlichkeiten gegen den Schiffsführer, wenn dieser Widerstand von mehr denn einem Drittheile der Schiffsmannschaft verübt ist;
32. wegen vorsätzlicher und rechtswidriger gänzlicher oder theilweiser Zerstörung von Eisenbahnen, Dampfmaschinen oder Telegraphenanstalten;
wegen vorsätzlicher Störung eines Eisenbahnzuges auf der Fahrbahn durch Aufstellen, Hinlegen oder Hinwerfen von Gegenständen, durch Verrückung von Schienen oder ihrer Unterlagen, durch Wegnahme von Weichen oder Bolzen, oder durch Bereitung von Hindernissen anderer Art, welche dazu geeignet sind, den Zug aufzuhalten oder aus den Schienen zu bringen; [226]
33. wegen vorsätzlicher und rechtswidriger Zerstörung oder Beschädigung von Gräbern, öffentlichen Denkmälern oder öffentlich ausgestellten Kunstgegenständen, von baulichen Anlagen, Lebensmitteln, Waaren oder anderen beweglichen Sachen, von Feldfrüchten, Pflanzen aller Art, Bäumen oder Pfropfreisern, von landwirthschaftlichen Geräthschaften, von Haus- oder anderen Thieren, in denjenigen Fällen, in welchen diese Handlungen nach der Gesetzgebung beider vertragenden Theile als Verbrechen oder Vergehen strafbar sind;
34. wegen Verhehlung von Sachen, welche durch eines der im gegenwärtigen Vertrage vorgesehenen Verbrechen oder Vergehen erlangt worden sind, wofern diese Handlung nach der Gesetzgebung der beiden vertragschließenden Theile strafbar ist.
Es kann indessen, wenn das Verbrechen oder Vergehen, wegen dessen ein Antrag auf Auslieferung gestellt wird, außerhalb des Gebietes des ersuchenden Theils begangen worden ist, diesem Antrage alsdann stattgegeben werden, wenn nach der Gesetzgebung des ersuchten Staates wegen derselben, außerhalb seines Gebietes begangenen Handlungen eine gerichtliche Verfolgung statthaft ist.

Artikel 2.

Die Auslieferung soll auch wegen Versuches einer der in Artikel 1 aufgeführten strafbaren Handlungen stattfinden, wenn der Versuch derselben nach der Gesetzgebung der beiden vertragenden Theile mit Strafe bedroht ist.

Artikel 3.

Kein Deutscher wird von Seiten der Regierungen des Deutschen Reichs an die luxemburgische Regierung, und von Seiten dieser kein Luxemburger an eine Regierung des Deutschen Reichs ausgeliefert werden.
Ist die reklamirte Person weder ein Deutscher noch ein Luxemburger, so kann der Staat, an welchen der Auslieferungsantrag gerichtet wird, von dem gestellten Antrage diejenige Regierung, welcher der Verfolgte angehört, in Kenntniß setzen, und wenn diese Regierung ihrerseits den Angeschuldigten beansprucht, um ihn vor ihre Gerichte zu stellen, so kann diejenige Regierung, an welche der Auslieferungsantrag gerichtet ist, den Angeschuldigten nach ihrer Wahl der einen oder der anderen Regierung ausliefern.

Artikel 4.

Die Auslieferung soll nicht stattfinden, wenn die von einer Regierung des Deutschen Reichs reklamirte Person in Luxemburg, die seitens der luxemburgischen Regierung reklamirte Person in einem der Staaten des Deutschen Reichs wegen derselben strafbaren Handlung, wegen deren die Auslieferung beantragt wird, in Untersuchung gewesen und außer Verfolgung gesetzt worden, oder sich noch in Untersuchung befindet oder bereits bestraft worden ist.
Wenn die von einer Regierung des Deutschen Reichs reklamirte Person in Luxemburg, oder wenn die seitens der luxemburgischen Regierung reklamirte Person in einem der Staaten des Deutschen Reichs wegen einer anderen strafbaren Handlung in Untersuchung ist, so soll ihre Auslieferung bis zur Beendigung dieser Untersuchung und vollendeter Vollstreckung der etwa gegen sie erkannten Strafe aufgeschoben werden. [227]

Artikel 5.

Wenn eine reklamirte Person Verbindlichkeiten gegen Privatpersonen eingegangen ist, an deren Erfüllung sie durch die Auslieferung verhindert wird, so soll dieselbe dennoch ausgeliefert werden, und es bleibt dem dadurch beeinträchtigten Theile überlassen, seine Rechte vor der zuständigen Behörde geltend zu machen.

Artikel 6.

Die Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages finden auf solche Personen, die sich irgend eines politischen Verbrechens oder Vergehens schuldig gemacht haben, keine Anwendung. Die Person, welche wegen eines der in Artikel 1 und 2 aufgeführten gemeinen Verbrechen oder Vergehen ausgeliefert worden ist, darf demgemäß in demjenigen Staate, an welchen die Auslieferung erfolgt ist, in keinem Falle wegen eines von ihr vor der Auslieferung verübten politischen Verbrechens oder Vergehens, noch wegen einer Handlung, die mit einem solchen politischen Verbrechen oder Vergehen im Zusammenhang steht, noch wegen eines Verbrechens oder Vergehens, welches in dem gegenwärtigen Vertrage nicht vorgesehen ist, zur Untersuchung gezogen und bestraft werden.
Der Angriff gegen das Oberhaupt einer fremden Regierung oder gegen Mitglieder seiner Familie soll weder als politisches Vergehen, noch als mit einem solchen in Zusammenhang stehend angesehen werden, wenn dieser Angriff den Thatbestand des Todtschlags, Mordes oder Giftmordes bildet.

Artikel 7.

Die Auslieferung soll nicht stattfinden, wenn seit der begangenen strafbaren Handlung oder der letzten Handlung des Strafrichters, oder der erfolgten Verurtheilung nach den Gesetzen desjenigen Staates, in welchem der Verfolgte zur Zeit, wo die Auslieferung beantragt wird, sich aufhält, Verjährung der strafgerichtlichen Verfolgung oder der erkannten Strafe eingetreten ist.

Artikel 8.

Die Auslieferung einer Person, welche einer der in Artikel 1 und 2 aufgeführten strafbaren Handlungen beschuldigt ist, soll bewilligt werden auf Grund eines verurtheilenden Erkenntnisses oder auf Grund eines förmlichen Beschlusses des zuständigen Gerichts auf Versetzung in den Anklagestand oder Eröffnung der Untersuchung, oder auf Grund einer von dem zuständigen Richter erlassenen Verfügung, in welcher die Verweisung des Beschuldigten vor den erkennenden Richter ausdrücklich angeordnet wird, oder auch auf Grund eines Haftbefehls oder eines anderen Akts von gleicher Wirkung, welcher von der zuständigen Behörde erlassen ist und die bestimmte Angabe der verfolgten That und des auf sie anwendbaren Gesetzes enthält, insofern diese Schriftstücke in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift und zwar in denjenigen Formen beigebracht sind, welche die Gesetzgebung des die Auslieferung begehrenden Staates vorschreibt. [228]
Die Anträge auf Auslieferung erfolgen im diplomatischen Wege. Der Schriftwechsel und die Verhandlungen können jedoch unmittelbar zwischen der bei der Auslieferung betheiligten Regierung des Deutschen Reichs und dem Großherzogthum Luxemburg stattfinden.

Artikel 9.

Der wegen einer der in Artikel 1 und 2 aufgezählten strafbaren Handlungen Verfolgte oder Verurtheilte darf in dringenden Fällen, insbesondere wenn Gefahr der Flucht vorhanden ist, vorläufig festgenommen werden gegen Beibringung eines Haftbefehls, welcher von dem Untersuchungsrichter desjenigen Ortes, an dem der Verfolgte betroffen werden kann, erlassen ist. Dies geschieht auf Grund einer von der zuständigen Behörde desjenigen Staates, welcher die Auslieferung begehrt, direkt gemachten amtlichen Mittheilung, daß ein Strafurtheil, ein Beschluß auf Versetzung in den Anklagestand oder ein Haftbefehl gegen den Verfolgten vorhanden ist.
Diese Mittheilung kann in kürzester Weise, selbst auf telegraphischem Wege erfolgen. Hat hiernach eine vorläufige Festnahme stattgefunden, so muß der vorläufig Festgenommene wieder auf freien Fuß gesetzt werden, wenn ihm nicht binnen fünfzehn Tagen nach seiner Verhaftung eine der im Artikel 8 des gegenwärtigen Vertrages erwähnten Urkunden zugestellt wird.
Die gedachte Frist soll drei Wochen betragen, wenn die Auslieferung Namens eines zum Deutschen Reiche gehörigen Staates, welcher nicht an Luxemburg grenzt, oder Namens Luxemburgs bei einem solchen Staate beantragt wird.

Artikel 10.

Alle in Beschlag genommenen Gegenstände, welche sich zur Zeit der Festnahme im Besitze des Auszuliefernden befinden, sollen, wenn die zuständige Behörde des um die Auslieferung ersuchten Staates die Ausantwortung derselben angeordnet hat, dem ersuchenden Staate übergeben werden, und es soll sich diese Ueberlieferung nicht blos auf die entfremdeten Gegenstände, sondern auf alles erstrecken, was zum Beweise der strafbaren Handlung dienen könnte.
Jedoch werden die Rechte dritter Personen an den oben erwähnten Gegenständen vorbehalten, und es sollen ihnen dieselben nach dem Schlusse des gerichtlichen Verfahrens kostenfrei zurückgegeben werden.

Artikel 11.

Die vertragenden Theile gestatten ausdrücklich die Auslieferung mittelst Durchführung von Personen, welche an den einen Theil auszuliefern sind, durch das Landesgebiet des anderen Theils auf Grund einfacher Beibringung der im Artikel 8 dieses Vertrages bezeichneten gerichtlichen Dokumente in Urschrift oder beglaubigter Abschrift, vorausgesetzt, daß die strafbare Handlung, welche zu dem Auslieferungsantrag Anlaß giebt, im gegenwärtigen Vertrage vorgesehen ist und nicht etwa unter die Bestimmungen der Artikel 6 und 7 desselben fällt.

Artikel 12.

Die vertragenden Theile verzichten darauf, die Erstattung derjenigen Kosten zu verlangen, welche ihnen aus der Festnahme und dem Unterhalte des Auszuliefernden und seinem Transporte bis zur Grenze erwachsen, willigen vielmehr gegenseitig darin, diese Kosten selbst zu tragen. [229]

Artikel 13.

Wenn in einem Strafverfahren wegen Handlungen, welche nicht zu den politischen Verbrechen und Vergehen gehören, einer der vertragenden Theile die Vernehmung von Zeugen, welche sich im Gebiete des anderen Theils aufhalten, oder irgend eine andere Untersuchungshandlung für nothwendig erachten sollte, so wird ein entsprechendes Ersuchschreiben auf diplomatischem Wege mitgetheilt und demselben nach Maßgabe der Gesetzgebung des Landes, wo der Zeuge vernommen oder der Akt vorgenommen werden soll, Folge gegeben werden. Die Ausführung des Antrags kann verweigert werden, wenn die Untersuchung eine Handlung zum Gegenstand hat, welche nach den Gesetzen des Staates, an welchen das Ersuchschreiben gerichtet ist, nicht strafbar ist, oder wenn es sich um rein fiskalische Vergehen handelt.
Die vertragenden Theile verzichten gegenseitig auf alle Ersatzansprüche wegen der aus der Ausführung der Requisition entspringenden Kosten, sofern es sich nicht um Gutachten in Straf- oder Handelssachen oder Sachen der gerichtlichen Medizin handelt, welche mehrere Termine erfordern.

Artikel 14.

Wenn in einer Strafsache, welche nichtpolitische Verbrechen oder Vergehen zum Gegenstand hat, das persönliche Erscheinen eines Zeugen nothwendig ist, so wird die Regierung des Landes, in welchem der Zeuge sich aufhält, ihn auffordern, der an ihn ergehenden Ladung Folge zu leisten. Leistet er Folge, so werden ihm die Kosten der Reise und des Aufenthaltes nach den Tarifsätzen und den Reglements des Landes, wo die Vernehmung stattfinden soll, bewilligt, auch kann dem Zeugen auf seinen Antrag durch die Behörden seines Wohnorts der Gesammtbetrag oder ein Theil der Reisekosten vorgeschossen werden. Diese Kosten werden demnächst von der bei der Vernehmung interessirten Regierung zurückerstattet.
In keinem Fall darf ein Zeuge, welcher in Folge der in dem einem Lande an ihn ergangenen Vorladung freiwillig vor den Richtern des anderen Landes erscheint, daselbst wegen früherer strafbarer Handlungen oder Verurtheilungen oder unter dem Vorwande der Mitschuld an den Handlungen, welche den Gegenstand der Untersuchung, in welcher er als Zeuge erscheinen soll, bilden, zur Untersuchung gezogen oder in Haft genommen werden. Hierbei kommt es auf die Staatsangehörigkeit des Zeugen nicht an.

Artikel 15.

Wenn in einer Strafsache, welche nichtpolitische Verbrechen oder Vergehen zum Gegenstand hat, die Mittheilung von Beweisstücken oder von Urkunden, die in den Händen der Behörden des anderen Landes sind, oder die Konfrontation des Angeschuldigten mit im anderen Lande verhafteten Schuldigen für nothwendig oder nützlich erachtet wird, so soll deshalb das Ersuchen auf diplomatischem Wege gestellt und demselben, wenn nicht besondere Bedenken entgegenstehen, stattgegeben werden, dies jedoch nur unter der Bedingung, daß sobald als möglich die Beweisstücke und Urkunden zurückgesandt und die Verhafteten zurückgeliefert werden. [230]
Die vertragenden Theile verzichten gegenseitig auf Ersatz der Kosten, welche aus der Ausantwortung der Beweisstücke und Urkunden und aus dem Transport der oben erwähnten Personen bis zur Grenze entstehen.

Artikel 16.

Die vertragenden Theile machen sich verbindlich, sich gegenseitig die Strafurtheile wegen Verbrechen und Vergehen jeder Art mitzutheilen, welche von den Gerichten des einen Landes gegen Angehörige des anderen Landes ergehen. Diese Mittheilung wird auf diplomatischem Wege erfolgen und zwar durch vollständige oder auszugsweise Uebersendung des ergangenen und rechtskräftig gewordenen Urtheils an die Regierung desjenigen Staates, welchem der Verurtheilte angehört.

Artikel 17.

Der gegenwärtige Vertrag soll zehn Tage nach seiner in Gemäßheit der durch die Gesetzgebung der vertragenden Theile vorgeschriebenen Formen erfolgten Veröffentlichung in Kraft treten.
Von diesem Zeitpunkt ab verliert der für Elsaß-Lothringen und Luxemburg unter dem 3. Juli 1872 abgeschlossene Vertrag wegen gegenseitiger Auslieferung flüchtiger Verbrecher, sowie der zwischen Preußen und Luxemburg bestehende Auslieferungsvertrag vom 11. März 1844 seine Gültigkeit.
Der gegenwärtige Vertrag kann von jedem der beiden vertragenden Theile aufgekündigt werden, bleibt jedoch nach erfolgter Aufkündigung noch sechs Monate lang in Kraft.
Derselbe wird ratifizirt und die Ratifikationen werden binnen sechs Monaten, oder wo möglich früher, ausgewechselt werden.
Zur Urkunde dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten denselben unterzeichnet und mit dem Abdruck ihres Petschafts versehen.
So geschehen Berlin, den 9. März 1876.
Michelet von Frantzius.                  Dr. Paul Eyschen.
(L. S.) (L. S.)

Der vorstehende Vertrag ist ratifizirt worden und die Auswechselung der Ratifikationen hat stattgefunden.