Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Friedrich Heinrich Ludwig, Prinz von Preussen
Prinz Heinrich von Preußen! Mit diesem kurzen
Namen prägt die Geschichte einen der heldenmüthigsten
Sprößlinge des ruhmreichen Hohenzollernstammes in
das Gedächtniß der Nachwelt. Er war König Friedrich
Wilhelm I. von Preußen fünfter Prinz, und litt nicht
minder wie seine Geschwister unter der harten Zucht
seines strengen Vaters, deren Folgen nachhaltig an ihm
bemerkbar blieben, wie sehr auch später und nach de
Vaters 1740 erfolgtem Tode sein Geist noch zu glücklicher
Entfaltung gedieh, und durch Freude am Schönen,
Kunst und Wissenschaft reiche Entschädigung für
eine verkümmerte Jugend empfing. Im Jahre 1742
trat Prinz Heinrich in das Heer, machte als Oberster
den Feldzug nach Mähren mit, half die Siegesschlacht
bei Czaslau schlagen, vertheidigte die Stadt Tabor
heldenmüthig gegen Nadasty, und half nicht minder
im Juni 1745 zu dem Siege bei Hohenfriedberg beitragen.
Nach dem Friedensabschluß, der diesen Krieg
beendete, konnte der Prinz sich wieder jenen hohen
und schönen Neigungen widmen, die das Leben veredeln
und schmücken. Von seinem großen Bruder innig
geliebt, im geistvollen Umgange sich bewegend, war
der Prinz glücklich in der Pflege schöner Künste, über
denen er aber fortgesetzte strategische Studien nicht
hintenansetzte. Dazu kam nach der Wahl des Herzens
eine glückliche Vermählung mit Prinzessin Wilhelmine,
Tochter des Prinzen Maximilian von Hessen-Kassel,
am 25. Juni 1752, bei der des Prinzen Herz
anfangs seine volle Befriedigung fand. Ein Palast in
der Hauptstadt und die romantische Burg Rheinsberg,
durch Friedrichs II. Aufenthalt in seinen Kronprinzjahren
für immer geweiht, waren Prinz Heinrich’s
Eigenthum. Doch rief wieder die Tuba des Krieges
zu den Waffen, der siebenjährige Krieg begann, und
Prinz Heinrich eilte zum Heere des Bruders, und leistete
diesem durch hohe Feldherrngaben, wie durch persönliche
Tapferkeit in diesem Kriege die wesentlichsten
Dienste. Davon zeugten die Schlachten bei Prag, bei
Kollin und bei Roßbach; in der letzteren Schlacht empfing
Prinz Heinrich eine Wunde. Später hatte der
Prinz den Oberbefehl über das in Sachsen aufgestellte
Heer, und kämpfte mit nur 25,000 Mann gegen die
[Ξ] an Truppenzahl ihm weit überlegene Reichsarmee, mit
der umsichtvollsten Tactik, unterstützte den Rückzug
Friedrich’s II. nach Schlesien, wobei er das Hintertreffen
befehligte und Sachsen sicherte, welchen Besitz
Prinz Heinrich auch nach der Hand und nach Eröffnung
des Feldzugs von 1759 behauptete. Als der König
nach der Niederlage bei Kay am 28. Juni 1759 sich
genöthigt sah, durch ein Heer die Mark Brandenburg
zu decken, war es wieder Prinz Heinrich, der ihm 25
Schwadronen Reiter und 16 Bataillone Fußtruppen
zuführte. Der König stellte sich an die Spitze dieser
Truppen, und sein Bruder übernahm den Oberbefehl
über die Armee, welche bisher der König befehligt
hatte. Er führte nun, bald vertheidigend, bald zu
rechter Zeit angreifend, einen Krieg, in dem er sein
ganzes glänzendes Feldherrntalent entfaltete, und blieb
auch nach der unheilvollen Schlacht bei Kunersdorf
unentmuthigt, gewann durch strategische klug überlegte
Operationen Zeit und mit dieser für den schwer durch
sein Geschick niedergebeugten König alles, so daß alle
Einsichtvollen dem Prinzen Heinrich willig das Verdienst
zuerkannten, das Vaterland gerettet zu haben.
Von diesem höchsten Ruhme, den ein Sterblicher erreichen
kann, umglänzt, folgte Prinz Heinrich seinem
erhabenen Berufe im Feldzuge von 1760 gemessenen
Schrittes, in dem er meist vertheidigungsweise sich
gegen die Russen in Schlesien, dann gegen das österreichische
Heer in Sachsen verhielt, und erst 1762 zu
Angriffen schritt, welche das Glück begünstigte. Der
große Kriegsherr, der König selbst, zollte seinem Bruder
die aufrichtigste, bewundernde Anerkennung, das höchste
Lob, er nannte ihn den einzigen Feldherrn ohne Tadel
in den bisherigen Kriegen, und so trug Prinz Heinrich
nach dem Hubertusburger Friedensschluß seinen vollen
Ruhmeskranz in glückliche Friedensjahre hinüber. Sein
Rheinsberg wurde sein Musensitz und sein Tempel; wie
aber nach dem Ausspruch jenes griechischen Weisen kein
Mensch vor dem Tode glücklich gepriesen werden soll,
so blieb es auch dem Prinzen nicht erspart, Dornen
auf seinem Wege zu finden, denen kein großer und
bedeutender Mann entgeht, selbst wenn sein Erdenloos
ein seltenglückliches zu nennen ist. Prinz Heinrich sah
sich durch Ränke und Kabalen unwürdiger Freunde in
manche Verdrießlichkeit verwickelt, die in der Trennung
von seiner Gemahlin und der Zerstörung seines Familienglücks
ihr Endziel fanden. Nur Wissenschaft, Philosophie
und Künste, darunter vornehmlich Malerei
und Musik entschädigten theilweise für ein verlorenes
Glück, und der für ideale Freundschaft schwärmende
Sinn wußte für die entschwundene Liebe Ersatz zu gewinnen.
Im Jahre 1770 besuchte Prinz Heinrich seine
Schwester, Louise Ulrike, die Königin von Schweden,
Gemahlin Friedrich’s von Holstein-Gottorp; empfing
in Stockholm ehrenvolle Einladung der Kaiserin Katharina,
und half auf diplomatischem Wege mit zur
Theilung Polens, die ganz zur Zufriedenheit seines
Bruders, des Königs, verunstaltet wurde. Als 1778
der bayerische Erbfolgekrieg ausbrach, eilte Prinz Heinrich
wieder zu den Waffen, vereinigte sein Heer mit dem
des Königs von Sachsen, rückte in Böhmen ein, wo
er sich wegen Mangel an Lebensbedarf nicht auf die
Dauer behaupten konnte, und half den Frieden von
Teschen zu Stande bringen.
In geheimer diplomatischer Sendung, deren Zweck aber umschleiert blieb, reiste Prinz Heinrich von Preußen 1784 an den Hof zu Versailles. Preußen wollte sich gern mit Frankreich insgeheim gegen Oesterreich verbinden, aber es war dazu schon zu spät; der schwache König von Frankreich konnte bereits nicht mehr frei handeln, und seinem Kabinet mangelte so Einsicht, wie Thatkraft.
Mit dem 1786 erfolgten Tode König Friedrich II. schloß sich die staatsmännische Wirksamkeit des Prinzen Heinrich; er hatte nicht geringe Lust, aus manchen Gründen Preußen und Deutschland ganz zu verlassen, und sein Leben in Frankreich zu beschließen, für dessen Land, Volk und Sprache er die große Vorliebe mit seinem Bruder theilte, und ging wirklich 1788 nach Paris, von wo ihn aber bald der Ausbruch der Revolution wieder vertrieb. Der Prinz wählte nun sein schönes Rheinsberg zum dauernden Aufenthalt, gestaltete dieses Schloß zu einem Asyle der Musen, hielt sich fern von politischem Einfluß, und sah ungleich mehr mißbilligend als billigend die kriegerischen Bewegungen Preußens gegen Frankreich, denen seine Einsicht gute Erfolge nicht voraussagen konnte. Prinz Heinrich erlebte noch die verheißungreiche Thronbesteigung König Friedrich Wilhelm III. von Preußen und beschloß sein Leben als ein Weiser, dem es vergönnt ward, auf seinen Lorbeeren ausruhend auf ein edles Leben voll Thatenglanz und auf die Uebung aller patriotischen Tugenden zurückzublicken.