Zur Geschichte der Namen in Deutschland

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Titel: Zur Geschichte der Namen in Deutschland
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aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 482–483
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Zur Geschichte der Namen in Deutschland.

Die Zutheilung eines Namens an einen Menschen ist eine der wichtigsten Thatsachen im Leben desselben: durch sie hört er gewissermaßen auf, ein bloßer Gattungsbegriff zu sein und gewinnt individuellen Werth und persönliche Bedeutung, die ihn von vornherein von anderen seinesgleichen unterscheiden.

Alle Namen haben eine bestimmte Bedeutung, wenn diese auch im Laufe der Zeit vielfach verloren oder doch verdunkelt worden ist, und darum ist die Erkenntniß derselben für die Kulturgeschichte von hohem Werthe; in ihnen spiegelt sich aufs treueste der Kulturzustand und die Anschauungsweise eines ganzen Volkes wieder.

Im Hinblick auf die Wichtigkeit der Beilegung eines Namens fand und findet dieselbe bei allen Kulturvölkern unter Beobachtung gewisser Feierlichkeiten statt, die durch Tradition oder Kultus festgestellt worden sind und der Eigenart derselben entsprechen.

Bei den germanischen Völkern bestand dieser Akt darin, daß das neugeborene Kind in Gegenwart eigens dazu geladener Zeugen gebadet, hierauf von dem angesehensten derselben, gewöhnlich dem Bruder der Mutter oder vom Großvater, mit Wasser übergossen und dabei mit einem einzigen Namen belegt wurde.

Zergliedert man die ältesten deutschen Namen genau, so findet man, daß darin immer große, edle, entweder geistige oder körperliche Eigenschaften, Erinnerungen oder Wünsche ausgesprochen wurden, und man kann sagen, daß dem Kinde sofort bei seiner Geburt, wie in allen Dingen, so auch in dieser Beziehung eine edle Anregung und Richtung gegeben wurde. Alles was dem Germanen werth und theuer war, was er hochschätzte, finden wir in den einzelnen Bestandtheilen seiner Eigennamen zusammengefaßt. Sie sind hervorgegangen aus den Idealen, welche der Kreis nationaler Anschauung geschaffen; sie sagen dem Kundigen heute noch, wie der alte Germane lebte, dachte und handelte und wie er wollte, daß seine Kinder leben, denken und handeln sollten.

Fassen wir einzelne solche Bestandtheile ins Auge.

So bedeutet amal unbefleckt, adal edel, reich, karl starker Mann, ram kräftig, handfest, win gewinnen, überwinden, er hohe Art, Ehre, leot, liut lauter, bret prächtig, drut traut, bald kühn, gewaltig, brand hervorleuchtend, gunt edles Weib, ric, rich reich, mächtig, vig Kampf, Kämpfer etc.

Hiernach ist es vielfach der Sinn für Mannhaftigkeit, Kampf, Sieg und Waffenruhm, aber auch für weises, gesetzliches und friedliches Walten, für ein geregeltes öffentliches und Privatleben, der in den Namen sich ausspricht, und zwar nicht nur in denen der Männer, sondern auch der Frauen.

Die Namen der letzteren wurden meist aus den Männernamen gebildet, indem man diesen eine weibliche Endung anhing. Einigen Vorzug hatten dabei diejenigen Stammsilben, deren Bedeutung für das weibliche Geschlecht besonders angemessen war, wie namentlich amal, trut und gunt entweder in Zusammenstellungen mit einander, z. B. Amaltrut, Amalgunt oder mit anderen Silben z. B. Amalsuintha, Gertrud, Hildegunt etc.

Abgesehen von denen der Götter sind die Namen vielfach durch römische Endsilben wie us und um sowie durch Umbildung des deutschen ric (reich) in rix entstellt. Beispiele hierfür geben Tacitus, Caesar, Strabo etc. in den Männernamen Alpin, Alfenus, Ambiorix, Ariovist, Malorix, Teutomad, Brinno, Segest, Segimer, Cesorix, Teutobod, Marbod, Mallovendus etc. und in den Frauennamen Aurinia, Epponina, Rhamis, Veleda, Thusnelda, Gauna.

In der Zeit der Merowinger, vom Ende des 5. bis um die Mitte des 8. Jahrhunderts, herrschen noch die althergebrachten germanischen Personennamen weitaus vor und verschwinden neben denselben die lateinischen Heiligennamen fast ganz und gar. Da finden wir bei Gregor von Tours: Alarich, Childebert, Agin, Audo, Berthramm, Dagobert, Charinwald, Attila, Baddo, Agnes, Fredegunde, Chlodosinda etc., im Leben des heiligen Gallus: Columban, Chlotar, Audomar, Meginald, Brunhilde, Fridisurga etc., im Leben der heiligen Balthilde: Waldalen, Chrodowald, Ado, Dado, Theudemanda, Aiga etc., in der Chronik des Fredegar: Sigismund, Guntram, Gundoald, Arnulf, Adalulf, Agilulf, Crodobert, Fredegunde, Gomatrud, Chlotilde etc., im Leben des Abtes Otmar: Waltram, Pippin, Gogbert, Marie etc.

Eben dasselbe Verhältniß zwischen den alten heidnischen und den neuen christlichen Namen besteht auch in den folgenden Jahrhunderten unter den Karolingern und den sächsischen Kaisern fort.

Bis in die Zeit der fränkischen Kaiser (11. und 12. Jahrhundert) gab es in Deutschland keine Stamm- oder Geschlechtsnamen, sondern nur Eigennahmen (unsere Vornamen). Und auch jetzt gab es eigentlich nur solche, doch fing man an, aus verschiedenen Gründen, insbesondere zur Unterscheidung von Personen gleichen Namens wie schon früher im gewöhnlichen Leben, so jetzt auch in Urkunden etc. gewisse Beinamen hinzuzufügen, welche zwar bei der Benutzung der lateinischen Sprache als Schriftsprache ebenfalls latinisirt zu werden pflegten, aber von Hause aus deutsch waren. Solche Beinamen bezeichneten nicht bloß eine körperliche oder geistige persönliche Eigenschaft, wie groß, klein, sondern auch eine Aehnlichkeit, wie Wolf (lupus) , oder ein Amt oder eine Beschäftigung wie Markwart (Marquardus, Schenke), oder die Herkunft vom Vater durch Anhängen eines a, sen (Sohn), er, ing oder ling, wie z. B. Harringa der Sohn des Harring, oder sie bezeichneten den heimatlichen Besitz, wie: der Sachse, der Franke, der Staufe etc.

Aber noch immer wurden solche Beinamen nur einzelnen Personen zugetheilt, und erst seit Söhne, Enkel etc. anfingen, den Eigen- oder Beinamen des Vaters resp. Großvaters fortzuführen und auf ihre Nachkommen zu vererben, kann von eigentlichen Stamm- oder Geschlechtsnamen die Rede sein. Der Adel namentlich zog es vor, sich nach dem Besitze zu nennen, z. B. von Habsburg, von Zähringen, von Babensberg etc., daher so oft die Endungen: berg, burg, thal, feld, wald, dach, dorf. Dabei ist jedoch wohl zu bemerken, daß selbst Brüder, ja Sohn und Vater trotz ihrer Beinamen nach dem Besitze noch gar oft ganz verschiedene Namen haben, weil sie eben ganz verschiedene Besitzungen hatten, nach denen sie sich nannten. Das dauert bis ins 15., ja 16. Jahrhundert hinein fort und bis dahin blieben die Geschlechtsnamen immer noch selten.

[483] Von großer Bedeutung für diese Verhältnisse ward eine Verordnung Kaiser Konrads II., wonach die Söhne, Enkel und auch Brüder des unbeerbt verstorbenen Vasallen das Lehen erben konnten, wenn das Lehngut von ihrem Vater herrührte. Nun konnten erst alle Söhne des Vasallen und deren Nachkommen im Hinblick auf die Hoffnung zur Succession den Namen des Gutes und den davon abgeleiteten Beinamen annehmen. So wurde aus dem ursprünglichen Gutsnamen ein Geschlechtsname. Das galt aber vorerst nur vom unmittelbaren, unter Kaiser und Reich stehenden, das heißt hohen Adel. Die mittelbaren Lehengüter jedoch, die hinwiederum vom hohen Adel ausgingen, waren nicht erblich und wurden es erst im 14. Jahrhundert, so daß unter dem niederen Adel erst von dieser Zeit an Geschlechtsnamen auskommen. Die Uebung verbreitete sich aber auch beim hohen Adel so langsam, daß noch im 13. Jahrhundert in Urkunden neben den bereits einen Geschlechtsnamen führenden noch mehrere Zeugen bloß unter ihrem Taufnamen erscheinen.

Eine andere wichtige Neuerung vollzog sich zur Zeit der Hohenstaufen im 12. bis 13. Jahrhundert.

Vor dem 12. Jahrhundert sind nichtdeutsche Taufnamen in Urkunden ungemein selten. Erst von da an und namentlich gegen dessen Ende kommen hin und wieder die Namen Johannes, Peter, Paul, Philipp, Thomas, Martin, Joseph, Bonifaz und die Namen einiger anderer Heiliger der christlichen Kirche vor. Zu Anfang des 13. Jahrhunderts, als man anfing, Heilige zu Schutzpatronen zu wählen, fügte man deren Namen den altherkömmlichen als zweiten an, während der alte blieb und nach wie vor zur Benennung im gewöhnlichen Leben diente.

Unter den fremden Heiligennamen war in dieser Zeit keiner so allgemein wie Johannes, Hans, daher auch die Redensarten: Hans an allen Enden, an allen Ecken, in allen Gassen.

Was die bürgerlichen Familien- oder Zunamen betrifft, so bildeten sie sich zunächst zur näheren Bezeichnung des Vornamens. Material dafür lieferten körperliche Eigenschaften mehr oder minder auffälliger Natur, wohl auch Spitznamen, und so entstanden die Lang, Kurz, Schwarz, Noth etc.; Heimath und Beschäftigung wie bei Frank, Baier, Sachs, Nürnberger, Müller, Schneider, Schuster etc.; Eigentümlichkeiten des Grundbesitzes wie bei Baumgarten, Winkler etc.; Bezeichnung des Wohnhauses nach altem Herkommen wie bei Zumbusch, Kranz etc.; woraus erhellt, daß die Hausnamen älter sind als die Personennamen.

Im 15. Jahrhundert wurden die alten echtdeutschen Namen immer mehr zurückgedrängt, um denen von Heiligen Platz zu machen. Auch Taufnamen aus dem alten Testament werden nun häufiger, so Adam, Abraham, David, Samuel, Benjamin, Joachim, Isaak, Tobias, Salomo, Josias, Elias, Sarah, Judith etc.

In dieselbe Zeit fällt auch die Unsitte, die Geschlechtsnamen zu gräzisiren oder zu latinisiren, sei es durch Anhängen einer lateinischen Endung oder, was noch schlimmer war, durch Uebersetzung des ganzen Namens ins Griechische oder Lateinische. So entstanden die Namen Martini, Pauli, Petri, Neander, Xylander, Agricola, Faber, Textor, Sartorius, Pistorius, da es ihren Trägern nicht vornehm genug gedünkt, Martin, Paul, Peter, Naumann, Holzmann, Bauer, Schmied, Weber, Schneider, Bäcker zu heißen.

Namentlich die Gelehrten konnten dem Kitzel nicht widerstehen, wie z. B. auch Melanchthon nicht, der ursprünglich Schwarzerd geheißen haben dürfte. Dafür mußten sie sich’s auch gefallen lassen, daß sich der Volkswitz gegen sie wendete und z. B. Osiander in Hofenanderle umbildete. Nebenbei hatte die Neubelebung der klassischen Studien auch die Folge, daß, wer irgend etwas im Leben gelten sollte – und das wünschten ja gar viele Eltern – auf den Namen Achill, Hektor, Cicero etc. getauft werden mußte.

Im 18. Jahrhundert tauchen auf einmal neue Taufnamen auf, wie Fürchtegott, Lebrecht, Gottlieb, Gottlob, Traugott etc. Dieselben wurden seit 1722 durch die Sekte der Herrnhuter eingeführt und gingen bald nach England und Nordamerika hinüber, und etwas später werden wieder andere der damaligen Romanlitteratur entlehnt.

Was endlich die Juden anlangt, so führten sie in einzelnen Theilen von Deutschland bis in unser Jahrhundert keine Geschlechtsnamen und wurden zur Annahme von solchen erst durch staatliche Verfügungen genöthigt, wobei vielfach Ortsnamen zu Grunde gelegt wurden. So entstanden die Nürnberger, Fürther, Pappenheimer, Wertheimer etc.

Von den heut üblichen Vornamen reichen nur sehr wenige bis in die Zeit der Karolinger zurück wie z. B. Anton, Andreas, Adalbert, Eberhard, Jakob, Karl, Johann, Otto, Ulrich, Otmar, Ludwig (Hludowig), Reinhard (Reginhard), Reiner (Reginher), Robert, Paul, Walther, Werner (Werinheri), Bernhart, Willibalt, Friedrich, Dietrich, Heinrich, Hermann (Heriman), Gebhard, Gotthart (Godehart) und Thekla.

Unter den Merowingern kommen schon vor Adolf (Ataulf), Ottmar (Audomar), Berthold (Berthoald), Theodor (Theodorich), Konrad (Gunro) und Bertha.

Noch weiter zurück, bis ins 5. Jahrhundert, reicht der einzige Name Sigmund (Sigemunt).

Auffällig ist, daß von den ältesten Frauennamen sich nur die zwei genannten Bertha und Thekla bis auf unsere Tage herab erhalten haben; als eine gute Vorbedeutung für die Zukunft aber wollen wir es betrachten, daß Sigemunt, der Siegesmächtige, seit unser Volk eine Geschichte hat, in seinen Heerscharen nie gefehlt hat.